Martha Argerich

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Kennt jemand von Euch den Film „Bloody daughter“? Ein Film, den einer der Töchter Martha Argerichs über den Alltag in der Argerich-Familie gedreht hat? Es ist erstaunlich, wie sehr die Tochter in das Privatleben ihrer Mutter eindringt. Man sieht Martha, wie sie verschlafen beim Frühstück das Obst beschnüffelt, um sich dann dagegen zu entscheiden, wie sie kurz vor einem Auftritt mit ihrem Lampenfieber die Organisatoren verrückt macht („Wer hat mir das eingebrockt?“ „Ich glaube ich habe Fieber, ich kann nicht spielen“) und dann doch auf die Bühne geht und makellos spielt.

Man sieht Martha zu Beginn des Filmes, wie sie fast ratlos neben ihrer in den Wehen liegenden Tochter steht. Überhaupt ist Martha erstaunlich meinungsarm, so, als würde sie eben nur als die perfekte ausführende Kraft der Musik funktionieren aber ohne wirklich zu sich selbst gefunden zu haben. Man sieht, wie sie mit ihren riesigen Füßen das Pedal des Klaviers betätigt, wie sie ihre riesigen Füße massieren lässt und zusammen mit ihren drei Töchtern die Fußnägel lackiert. Es ist fast tragisch zu beobachten, wie fremd den drei Töchtern die Mutter eigentlich ist.

Man sieht den gealterten Stephen Bishop Kovacevic, den ersten Mann Marthas und Vater der Tochter, die den Film dreht. Es tut weh zu sehen, wie die Tochter mit Tränen vor ihrem Vater sitzt, als dieser vergeblich versucht, ihr bei der Namensänderung zu helfen und vor der Bürokratie der Beamten schnell die Segel streicht. Beethoven scheint Kovacevic wichtiger zu sein als die eigene Tochter. Charles Dutoit kommt ins Bild, der zweite Mann Marthas und Vater einer weiteren Tochter. Das Sorgerecht für ihre erste Tochter hat Martha entzogen bekommen, da die Großmutter aus Argentinien die Enkelin aus einem Kinderheim in Genf „entführt“ hat und zur Mutter nach Brüssel gebracht hat.

Ich frage mich ernsthaft: Wie kann man bei einem solchen fast chaotisch zu nennenden Leben (Martha ist fast ständig auf Konzertreise) sich überhaupt auf Musik konzentrieren, dass man wirklich ihren Kern erfasst? Verhilft die Musik – ihr täglich Brot – Martha nicht gleichzeitig zur Flucht aus dieser Welt? Wenn Martha jedenfalls über Musik spricht, ist sie eine andere: hier ist sie Königin und nicht die hilflose, ratlose Mutter.
 
Der Film war neulich im Fernsehen (3sat), habe ihn auch aufgenommen.

Ich habe ehrlich gesagt kein anderes Leben erwartet - wirkt alles sehr alternativ und recht verqualmt in ihrem Leben.

Jemand mit solchen künstlerischen Qualitäten hat es bestimmt schwer einen normal bürgerlichen Lebensstil zu pflegen - mir hat es so gefallen.

Interessant sind ihre Attacken von Lampenfieber mit ihren teilweise kindlichen Fluchtreaktionen bevor sie auf die Bühne muss.

Ein toller Film!

Gruss 40er

Ach ja. Schade, dass Argerich ihre wunderschöne Muttersprache verleugnet und ständig auf Französisch rumnuscheln muss.
 
Wenn Martha jedenfalls über Musik spricht, ist sie eine andere: hier ist sie Königin und nicht die hilflose, ratlose Mutter.

Was man kann, kann man.
Leben kann man auch können - ist aber schwer.
Leben an Musikalität zu koppeln halte ich nicht für richtig. Musikalität ist Bestandteil des Lebens. Es gibt auch geniale Handwerker die unglücklich sind.
Und es gibt glückliche Genies.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Verhilft die Musik – ihr täglich Brot – Martha nicht gleichzeitig zur Flucht aus dieser Welt?"

Flucht aus einer Welt, zu der sie den Kontakt durch die Hingabe zur Musik verloren hat?
 
Meine frühere Lehrerin war eine blühende Verehrerin, bis sie die Biografie gelesen hat. Ich habe den Film zu Hause aber noch nicht gesehen. Viele Künstler haben ein verkorkstes Privatleben, wenn sie denn überhaupt eines haben.... wie dem auch sei, ich sehe Martha am Sonntag mit den Berliner Philharmonikern unter Riccardo Chailly in Essen :-D:-D:-D
 
Genau das meine ich auch.
Vor was aber flüchten wir? Warum flüchten wir?

Ich habe vor langer Zeit mal einen Thread gestartet, in dem ich die These aufgestellt habe, unser aller Leidenschaft, das Klavierspielen, könnte eine Art Weltflucht darstellen. Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich: manche Teilnehmer meinten, das Klavierspielen sei eine Welt für sich ganz ohne Fluchtgedanken, andere stimmten mir zu und bekräftigten: mit dem Klavierspiel flüchtet man aus der Alltagswelt in eine "reale" Traumwelt der Musik (um es jetzt mal mit neuen Worten kurz darzustellen).

Mir fiel auf, dass Martha Argerich auf die vielen Fragen ihrer Tochter so oft geantwortet hat: "Je ne sais pas" - Ich weiß nicht. Vielleicht war es das ein oder andere Mal rhethorisch gemeint. Doch ich gewann den Eindruck: Sie weiß wirklich nicht so viel von der Alltagswelt - obwohl sie drei Töchter von drei verschiedenen Männern hat. Martha lebt in der Welt der Musik, dort wo sie (mit den Worten der Tochter) Göttin ist - und jetzt im Alter versucht Martha auf fast kindliche Weise, die Alltagswelt mit ihren (sozialen) Problemen kennenzulernen. Oder?
 
Ich habe auch den Eindruck, dass bei Argerich die Musik, das Musizieren, eine Flucht vor dem Leben und dessen Verpflichtungen (Kinder) war. Wahrscheinlich gibt ihr die Musik Sicherheit, das hat Struktur, da gibt es keine Überraschungen, keine unerwarteten Wendungen. Im Gegensatz zu sozialer Interaktion mit Kindern, Erwachsenen. Ihr Leben war ja immer chaotisch, da gibt die Musik/das Musizieren den ersehnten Halt.
Ich fand, es herrschte in jeder Szene, trotz allem, immer eine gewisse Distanz zwischen Tochter und Mutter.
Dabei wäre es interessant zu wissen, wie das Verhältnis zwischen Argerich und ihren Eltern war. Man ist ja als Elternteil nie davor gefeit, den Ballast der eigenen Erziehung auf die eigenen Kinder zu übertragen...
 
Wenn ich mich recht erinnere, gab es bei ihr auch ein Alkoholproblem. Sie hat wohl ein Problem mit dem Leben. Ob die Musik ihr dabei hilft es vergessen zu machen oder ob Musik die Ursache des Problems ist - das wäre eine interessante Diskussion.
 

Ich denke, das ist die Huhn-Ei-Frage... Aber wäre schon interessant!
Meine Meinung: Wenn man etwas "obsessiv" betreibt (also so, dass das soziale Leben in den Hintergrund tritt oder kaum mehr vorhanden ist, oder man nicht mehr fähig ist, das soziale Leben zu genießen), sei es Sport, Musik, oder Hobbies, ist das sehr oft eine Flucht. Vor was auch immer.
Aber das ist meine Laienpsychologen-Analyse, die muss nicht stimmen.

LG Antje
 
was will und D. damit sagen?
 
"Na, dass wir alle hier Assis sind!":lol:

Natürlich nicht - aber in meinem Freundeskreis bin ich der Exot. Man muss aufpassen, dass man nicht zu aufdringlich wirkt und weitergehende Belastungen im familiären Bereich durch meine Übeansprüche lasse ich nicht zu. Familie geht vor - basta! Auch wenn es sehr schwer ist.

Gut, ich verdiene jetzt kein Geld damit und bin auch nicht erfolgreich.
 
Also ich kann mich ja irren:denken: aber Martha Argerich war schon eine berühmte Pianistin bevor sie erstmals Mutter wurde;-). Sollte sie ihren Beruf aufgeben? Sind andere Pianistinnen, die auch Kinder haben, dann auch auf der Flucht vor dem Leben? Sehr gewagt, was hier für Theorien aufgestellt werden. Ach ja, den Film habe ich auch gesehen:super:.
 
Jetzt weiss ich auch, warum sie mich als Person auch so fasziniert (wenn man davon ausgeht, dass man das in anderen sieht, was in einem selbst ist)...
 

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