Hi all,
Da
@louiten in
http://clavio.de/klavierforum/threa...level-arabeske-burgmueller.19211/#post-368505 die Frage nach Vierhandliteratur gestellt hat, möchte ich an dieser Stelle ein paar Sätze zu
Vierhandstücken von Gottschalk schreiben.
Es handelt sich um folgende ZWEI Bände, die ich zu Beginn dieses Threads schonmal ganz kurz erwähnt hatte und die sich in meinem Besitz befinden - ich weiß aber nicht - und habe auch nicht geprüft, ob sie ( noch ) erhältlich sind:
Music For Piano: Louis Moreau Gottschalk.- Four Hands / edited by Eugene List.- New York: Southern Music Publishing Co. Inc. [ und Hamburg: Peer Musikverlag G.m.b.H. ] . Anmerkung: Gemäß Datierung des Vorwortes 1981 oder später.-
Die Bände beinhalten:
Bd. 1: Orfa (Grande Polka ) , Reponds moi ( danse cubaine ) , Marche de Nuit, La Gallina, Printemps d’amour, Radieuse ( Grande Valse de Concert )
Bd. 2: Le Bananier, Ses Yeux, Marche Funebre, La Scintilla, La Jota Aragonesa, Ojos Criollos
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Noch nicht erwähnt hatte ich das Vorwort von
Eugene List, bzw. wichtige Teile daraus, so ist zu ersehen, was es eigentlich mit 4-Hand-Klaviermusik Gottschalks ( und allgemein ) auf sich hat, welche
Möglichkeiten der sozialen Kontaktaufnahme es da gibt - und was problematisch ist - , und, was
@louiten evtl. interessiert, welchen
Schwierigkeitsgrad die 4-Händigen Gottschalkwerke gemäß List's Einschätzung haben, und wie die
Ausgaben-Historie einzuordnen ist. (
Zum Bananier folgt ganz am Ende noch ein Nachtrag von mir. ) OK:
Ich übersetze aus Vorwort:
Zitat Eugene List:
Zwanzig Finger verfolgen die Fröhlichkeit: Die vierhändige Klaviermusik von Louis Moreau Gottschalk
Vierhändig Klavier spielen - das war ein besonderes Phänomen des 19. Jahrhunderts.
Im viktorianischen Zeitalter war es eine beliebte Art und Weise der häuslichen Unterhaltung für
junge Liebende. Sogar unter den gestrengen Augen der wohlerzogenen Eltern konnte eine junge Dame ihren Schwarm auf der Klavierbank unterhalten ( Anm. Olli: ist da evtl. "beknuffeln" gemeint ??




) , ohne Missbilligung der Eltern, denn es wurde als gehaltvolle Tätigkeit aufgefasst - ausgeübt im Sinne der KULTUR!
Die Freude, zu zweit Klavier zu spielen, hat auch eine besondere Anziehungskraft auf anderen Ebenen: Zunächst kann man fast alles mit 2 Spielern auf dem Klavier spielen. 4-hd.-Repertoire beinhaltet nicht nur Arrangements von sinfonischen und Kammermusikwerken, sondern auch viel Originalmusik vieler großer Komponisten, inklusive Mozart, Schubert und Brahms. Gottschalks eigene Beiträge zeigen ein einzigartiges Flair dieser Art Kompositionen und stellen einen
großen Beitrag attraktiver musikalischer Americana.
2 Klavierspieler an 1 Instrument - das hat etwas Erheiterndes / Lustiges!
Zusammen schaffen sie eine reiche Sonorität, und breite dynamische Spannweite; brillante Passagen und knallige "forte"s werden leichter realisiert. Ein weiterer Vorteil ist: Sight-reading wird gefördert, und die Entwicklung eleganter / geläufiger Technik. Zu stressig wird es aber nicht, da die Verantwortung für die Vorführung auf 2 Leute verteilt ist.-
Es gibt aber einige Herausforderungen, die man nur kennenlernt, wenn man es ausprobiert.
Die eine ist, das Sich-Einstellen auf die Position am Instrument. Da zwei Körper nicht auf derselben Stelle sitzen können, müssen beide Pianisten/Innen entweder
über oder unter ( ..Anm. Olli:
Neiiin, Ihr Ferkel, nicht "einander" !!! 
) der gewohnten Position ( Klaviermitte ) sitzen. (
Anm. Olli: Gemeint ist m.E: "rechts und links" ) Also erfolgt der Zugriff aufs Elfenbein wie von einem Damensattel aus, und man spielt immer aus einem Winkel - daran muss man sich erstmal etwas gewöhnen.
[ Es folgt: Ausführungen zum Pedal: Dieses sollte der Secondo-Player übernehmen - hier unwichtig.]
Drittens könnte es zu Verkehrsunfällen


der beiden Partner kommen...: Hände / Arme stoßen zusammen, bei ihren Aufgaben. Aber es könnte auch ein Quell der Freude für die Ausübenden dieses "Kontaktsports" sein!

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[...]
@ Schwierigkeit usw. der vorliegenden Werke:
Primo ist hier normalerweise knifflig, aber Secondo normalerweise nicht zu schwierig.
Daher ist hier gewährleistet, dass 2 Leute unterschiedlichen Levels auf fairer Basis musizieren können.
@ Werke:
Viel von Gottschalks 4-hd-Musik verbleibt unbekannt
deswegen,
weil TROTZ der Tatsache des weithin herrschenden Interesses heutzutage an seinen Kompositionen viele der "Duette" out of print oder EXTREM SCHWIERIG zu beschaffen sind (
"extremely difficult to obtain" ) .
Die Auswahl von 12 Kompositionen in den beiden Bänden der vorliegenden Sammlung liefert einen exzellenten Querschnitt von Gottschalks Kreativität in diesem Bereich und versorgt uns mit einem
sehr wichtigen Beitrag zur piano-duet-Literatur von einem Amerikanischen Meister seines Fachs.
Die Werke fallen unter mehrere Kategorien:
- Kreolische Stücke wie Le Bananier ( Offergeld-Katalog RO 186 ), sie reflektieren seine Kindheit in Louisiana.
- Stücke im spanischen Stil wie La Jota Aragonesa ( RO 131 )
- Westindische Stücke mit karibischem Rhythmus wie La Gallina ( RO 100 ), Ojos Criollos ( RO 184 ) , und Reponds Moi ( RO 225 ) .
- Programmatische und Charakterstücke wie Marche de Nuit ( RO 151 ) und Marche Funebre ( RO 147 )
- Werke, die auf beliebten Ballsaal-Tänzen mitte des 19. Jhdts. basieren, wie die Polkas Orfa ( RO 186 ) und Ses Yeux ( RO 234 ) , die Mazurkas La Scintilla ( RO 80 ) und Printemps d'Amour ( RO 214 ) und den Walzer "Radieuse" ( RO 217 ).
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Zur Edition:
Die 12 Werke in dieser Sammling wurden in Faksimile von den seltenen Originalausgaben reproduziert. Meine Editor-Tätigkeit hatte zu tun mit: Korrigieren falscher Noten und dem Ausgleich von Diskrepanzen zwischen Primo und Secondo bzgl. Dynamik- und Ausdrucks-Anweisungen. Ich habe auch Fingersätze und Probenbuchstaben ergänzt, und eine Anzahl Aufführungsvorschläge zugefügt in den Noten und Fußnoten. [...]
Die Werke sind außerordentlich schön fürs Ohr, es ist eine Freude, sie kennenzulernen und aufzuführen.
Eugene List, New York City, 1981
Zitat Ende.
http://en.wikipedia.org/wiki/Eugene_List
Vom BANANIER ( dessen 2-Hd-Fassung übrigens Josef Hofmann und noch andere Leute im Repertoire hatten ) hat übrigens ein
Herr Carl Czerny ebenfalls eine 4-hd-Version angefertigt - aber ich habe diese Version auf den 1. Blick nicht als pdf-Noten online gefunden.
LG, Olli