Kommunikation im Klavierunterricht

Also ich finde durchaus, dass Lob und Tadel essentielle Mittel im Klavierunterricht sind... :konfus:

Ich habe leider keine Zeit momentan und leider ist der beste Artikel zum Thema nicht mehr online zu finden. Aber dennoch:

https://www.pedocs.de/volltexte/2010/1584/pdf/Hofer_Manfred_Zu_den_Wirkungen_von_Lob_und_Tadel_D.pdf

https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/0049-8637.36.4.182

http://www.forschung-erleben.uni-mannheim.de/?q=node/1049

Liebe Grüße

chiarina
 
Jep, Stiblüte.

Lob aber NUR dann, wenn es authentisch ist - niemals "pädagogisches Loben", um "den Schüler zu motivieren". Das ist manipulativ. Unterricht sollte niemals manipulativ, sondern ehrlich sein.

Tadel NUR dann, wenn einen etwas nervt! Z.B. wenn der Schüler schon wieder nicht geübt hat, seine Sachen vergessen hat, herumkaspert etc. Und auch stets so, dass der Schüler - durch Implizites oder auch durch explizite Verbalisierung - merkt, dass man nicht ihn als Person aburteilt, sondern nur sein Verhalten missbilligt. Ich-Botschaften!

Ein Tadel für Verspielen, in den Noten was übersehen etc. ist hingegen KEIN angemessenes Verhalten. Bei Schülern, die immer wieder das Gleiche verkehrt machen, also sich als unaufmerksame Bumsbirnen herausstellen, ist aber durchaus ab und zu angebracht, sich etwas amüsiert zu zeigen. Dem Schüler darf ruhig auch mal was peinlich sein! (Nicht anwenden natürlich bei Schülern, die sowieso schon denken, sie könnten nichts und es sei sowieso aussichtslos...)

Das sind dann auch schon wichtige Grundlagen für das, was man als "wertschätzendes" Verhalten zusammenfassen könnte.
 
Ich kann 100 Artikel lesen, einen Unterricht ohne Lob will ich weder erhalten noch erteilen. Dass man das Lob klug einsetzen sollte und es ehrlich gemeint sein sollte, ist klar. Evtl. müsste man auch mal definieren, was Lob überhaupt ist. Wenn ich sage "Ja, richtig, jetzt hast du viel genauer gespielt" - war das dann ein Lob oder eine einordnende Feststellung?
 
Lob ist es immer dann, wenn eine beurteilende Einstufung erfolgt, also so was wie "fand ich jetzt schon viel besser als letztes Mal, oder wie siehst Du das?" oder "Yeah, das war doch jetzt schon richtig geil improvisiert, nachdem Du da und da drauf geachtet hast, ich weiß gar nicht, was du hast!"

Eigentlich sollte man aber so viel wie möglich die Arbeit neutral, sachlich, sozusagen "wissenschaftlich" halten. Denn so übt man ja auch zweckmäßig! Nicht hingegen mit dauerndem "Ach, das war jetzt scheiße... boah, spiele ich heute wieder geil...". Durch dieses sachliche Arbeiten im Unterricht kriegt also der Schüler vorgemacht, wie er zu Hause auch am besten übt.
 
Ok, da steht, es kommt drauf an, wie man lobt. Besser das Verhalten als die Person, das verstehe ich. Aber gar nicht? :konfus:
 
@Debösi @méchant village @KrautundRueben und alle sonst, die ab und zu mal unterricht bei mir haben / hatten - lobe ich viel oder wenig? :-D

Meinem Gefühl nach lobe ich wenn, dann zu einem höheren Prozentsatz das Verhalten und zu einem geringeren die Person. Und wenn die Person, dann meistens Fähigkeiten, wie ein gutes Gehör oder Musikalität. Deckt sich das mit eurem Eindruck?
 
Ich hätte ja gedacht, dass das positive Arschloch bei dir vielleicht gar kein Arschloch ist? Oder vielleicht doch? :lol:
Da siehste mal wie schwer Kommunikation ist. :-D

Richtig: Für mich ist es in dem Fall kein Arschloch, aber für viele andere, die den ganzen Krempel gleich persönlich nehmen und sich verletzt fühlen, Angst bekommen, demotiviert sind (was ich gar nicht negativ werten will).
Beispiel: Wenn mich ein Tennislehrer anbrüllt in einer Lautstärke, dass es die gesamte Anlage mitbekommt "Du dämlicher Hund, biste denn echt zu blöd dass jetzt mal so zu machen wie ich es gezeigt habe? Jetzt MACH! Du Idiot" ... tja, dann mache ich das genau so wie er gezeigt hat und bin kein bisschen beleidigt. Ich bin dann einfach nur noch fokussiert, konzentriert, motiviert und bedanke mich für den guten Unterricht.

Bei allen Lehrern die ich hatte und die so drauf waren habe ich am meisten und am schnellsten gelernt (mit einer Ausnahme).
 
Die Frage habe ich mir schon oft gestellt. Ich weiß es nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass ich da so eine seltene Ausnahme bin und dass das so abwegig ist*. Bin ja bei weitem nicht der Einzige, der bei solchen Typen gut und schnell lernt. Mein Fahrlehrer (LKW) war noch viel krasser drauf; ein völlig Verrückter, hat aber 90% der Schüler durch die Prüfung gebracht, was damals sehr viel war. Nach der Prüfung mochten wir ihn alle, denn wir haben erkannt, dass uns sein cholerisches Gebrülle (selbst das größte Lob klang bei ihm wie eine üble Beleidigung) sehr schnell dahin gebracht hat wohin wir wollten.
Oder der Geologielehrer aus Vorkriegszeiten, noch so einer von der ganz alten Schule: Bei dem hatten fast ALLE ne Eins, die absoluten Bumsbirnen ne Zwei. Da gabs kein Pieps im Unterricht, nicht mal ein Blick aus dem Fenster, da wurde nur aufgepasst und keiner hätte sich getraut, schlechte oder gar keine Hausaufgaben abzugeben. Oder der Physiklehrer in der Lehre. Anfangs haben wir den alle gehasst, am Ende wurde es unser Lieblingslehrer weil wir irgendwann kapiert haben, worauf das ganze hinausläuft.

*) Stichwort Herdplatte
 
Zuletzt bearbeitet:

Genau richtig, meine ich. „Es klingt s c h o n nach Ravel“ heißt „nicht hoffnungslos; in der richtigen Richtung“ und „es klingt i m m e r m e h r nach Ravel“ übersetze ich mit „gewisse Fortschritte sind erkennbar (aber es ist noch viel Arbeit zu tun!)“ — das sind freundliche allgemeine, aber treffende Positionsbestimmungen, die darüberhinaus anspornen, weiter zu arbeiten. Ansonsten sind die Bemerkungen sehr sachlich, aber mitunter sehr anfordernd, nachzudenken über das, was man mit den 88 Tasten so treibt: „Was willst Du sagen?“, „Diese Stelle verstehe ich nicht ganz“ (Diese Fragen treiben mir den Schweiß auf die Stirn).
Wenn es um Details geht, z.B. „Ich glaube, da gibt es einen besseren Fingersatz...“ ist die Kritik nie unangenehm oder ins Persönliche gehend, sondern eben zielführend.
Ich kann zwischen den Zeilen lesen. Einen US-Marine-Ausbilder brauche ich nicht, aber das hängt vom persönlichen Naturell ab.
Am allerwichtigsten ist, dass der Lehrer eine konsequente Linie verfolgt.
... und da habe ich bei meiner Klavierlehrerin keine Sorge.
 
@Stilblüte
Ja, das deckt sich. Es geht immer um die Sache, das WIE, nicht das WER.

Rückmeldung ist enorm wichtig und je nach Schüler und dessen Vorerfahrungen im Klavierbereich sollte sie angepaßt sein.
Ich gebe zu, ich bin auf dem Gebiet „vorgeschädigt“ und (ohne mimimi):
Eine zu aggressive oder laute Vorgehensweise, mit der @Peter gut zurecht kommt, würde bei mir Kraftreserven blockieren, die ich zum Klavierspielen brauche.

LG Barbara
 
es gibt also positive und negative Arschlöcher! Ich muss noch dahinter kommen, wie sie sich unterscheiden! Ich hätte ja gedacht, dass das positive Arschloch bei dir vielleicht gar kein Arschloch ist? Oder vielleicht doch? :lol:

Versuch einer Erklärung, ich habe es weiter oben schon geschrieben: Es gibt Lehrerpersönlichkeiten, deren Achtung man sich erwerben will, weil man instinktiv merkt, dass es sich lohnt, von solchen Leuten geschätzt zu werden. Oder die ein inneres intellektuelles Aufbegehren erwecken, à la: "Na warte, Dir zeig ichs!"

Das sind dann keine echten A...r. Sie wirken nur so auf den oberflächlichen Beobachter.

Anfangs haben wir den alle gehasst, am Ende wurde es unser Lieblingslehrer weil wir irgendwann kapiert haben, worauf das ganze hinausläuft.
Nach der Prüfung mochten wir ihn alle, denn wir haben erkannt, dass uns sein cholerisches Gebrülle (selbst das größte Lob klang bei ihm wie eine üble Beleidigung) sehr schnell dahin gebracht hat wohin wir wollten.

Ein grober Umgangston muss zum Lerngegenstand passen.
Wenn mich ein Tennislehrer anbrüllt in einer Lautstärke, dass es die gesamte Anlage mitbekommt "Du dämlicher Hund, biste denn echt zu blöd dass jetzt mal so zu machen wie ich es gezeigt habe? Jetzt MACH! Du Idiot" ... tja, dann mache ich das genau so wie er gezeigt hat und bin kein bisschen beleidigt.

Trainer in vielen Sportarten müssen sowieso brüllen, um überhaupt akustisch verstanden zu werden. Da wird der Ton automatisch kantiger, allein schon, weil derjenige keine Lust hat, ständig zu brüllen (körperlich anstrengend, stell sich mal jemand auf einen Platz und unterrichte mehrere Stunden lang über Distanzen von 30 m und mehr und über Nebengeräusche hinweg – die Erfindung des Headsets war ein Segen).

Wenn der Klavierlehrer, der normalerweise in einem geschlossenen Raum neben einem sitzt, anfängt zu brüllen oder zu beleidigen, muss er einen schon sensationell voranbringen, damit man bei ihm bleibt. :lol: Das von Dir angesprochene Machtgefälle besteht nur, wenn der Lernende aus institutionellen Gründen nicht aus der Situation herauskommt (z. B. Schule, schon an der Universität ist es anders, falls es nicht nur einen einzigen Prof geben sollte). Hat er die Wahl und bleibt freiwillig, wird er wissen warum.

Davon abgesehen, dass es unterschiedliche Lernsituationen und Lerngegenstände gibt, bin ich ganz Deiner Meinung: Im Klavierunterricht sollte kein Kasernenhofton herrschen, das ist in mehrfacher Hinsicht vollkommen unangemessen.
 
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@Peter: Vielleicht fehlt dir die notwendige Selbstdisziplin. Manche Schüler brauchen einfach eine starke Führung. Das sollte aber nicht soweit gehen, dass der Schüler psychisch und/oder physisch gedemütigt wird. Wir leben immerhin im 21. Jhdt., was offensichtlich nicht bei allen angekommen ist. Die Zeit der preussischen Schulordnung ist vorbei! Heute zählt Individualität und gezieltes Eingehen auf die Bedürfnisse des Schülers. Meine Empfehlung geht in Richtung Pflicht und Kür. Der Pflichtteil, bei dem der KL starkes inhaltliches Mitspracherecht hat, sollte sitzen, sonst wird er solange wiederholt, bis es wirklich klappt. Bei der Kür darf der Schüler die Führung übernehmen (Musikauswahl, theoretische/praktische Themen), auch im Detail, wenn er dies wünscht und kann.

Mein Fahrlehrer war auch ein sehr emotionaler und aktiver Typ. Vieles ist mir tatsächlich noch heute in Erinnerung und hilft mir immer noch.

Die Grenze liegt bei körperlichen Misshandlungen und/oder Beleidigungen. Ein starker KL sollte mit Fragen arbeiten, nicht mit Urteilen. Man kann nach einem Stück auch einfach fachlich aufzählen, was noch nicht passt: 1) falsche Noten gespielt 2) falsche Technik 3) ...
und vor allem vormachen, wie es genau richtig geht, und den Schüler dann machen lassen.

Eigentlich muss man sich über die Intensität dieser Diskussion hier wundern. Entscheidend in einer "Schulsituation" ist die Konzentration und das gegenseitige Verständnis, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.
 
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Niemand mag glauben was heiß bedeutet und man die Herdplatte nicht berühren darf. Man begreift das erst, wenn man sich die Finger verbrannt hat.

Ich habe das meiner Mutter erst einmal geglaubt und habe nicht auf die Herdplatte gefasst. Die Erfahrung 'heiß' habe ich dann natürlich nachgeholt.

Ganz anders der Sohn von der Familie zwei Etage drüber. Der hat sich - als er so langen konnte - drei Wochen lang jeden Tag verbrannt; manche lernen halt etwas langsamer.

Grüße
Häretiker
 

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