Klaviermacherlehrling/in gesucht

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26. Apr. 2008
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Der Titel ist frei erfunden, aber jeder, der sich für diesen Beruf interessiert und gerne wissen will, was auf ihn zukommt, den erzähle ich gerne meine Geschichte - diese unterscheidet sich vermutlich stark zur heutigen Zeit.

1971 begann ich mit der Lehre zum Klaviermacher bei Bösendorfer in Wien. Zu jener Zeit wurden jährlich 2-3 Lehrlinge aufgenommen. Die Lehrzeit dauert 3,5 Jahre inkl. Berufsschule. Die Berufsschule findet in einem Lehrgang statt (2 Monate p. Jahr). Es hieß Musikinstrumentenerzeugerklasse. Von ganz Österreich kamen Lehrlinge verschiedener Musikinstrumenten-Berufe zusammen. Blechbläser, Holzbläser, Zieharmonikabauer, Geigenbauer, Klaviermacher, Orgelbauer etc. jeweils 2 Jahrgänge (1.+4. Lehrjahr und 2.+3. zusammengesteckt) füllten dann eine einzige Klasse in Österreich. Der betriebswirtschaftliche Teil, sowie Akustiklehre, techn. Zeichnen etc. unterscheiden sich nur unwesentlich. Im praktischen Unterricht waren dann jeweils 2 Lehrer zugegen.

Interessiert haben sich für den Beruf des Klaviermachers nur ganz wenige Schulabgänger, wodurch die Chance einen Lehrplatz zu bekommen extrem günstig war. In meinem Lehrjahr waren wir zwei Klaviermacherlehrlinge aus ganz Österreich (mein Kollege wohnte zufällig im selben Bezirk Wiens wie ich).

Die Klavierfabrik unterteilt sich in mehrere Abteilungen, wie Kastenmacher, Bodenmacher, Kleinzeugmacher, Zusammensetzer, Ausarbeiter, Dämpfungsaufsetzer, Saitenspinnerei, Spritzerei etc.

Zu Beginn wurde ich einem Gesellen der Bodenmacherei zugeteilt als persönlichem Einschuler. Ich lernte die Werzeuge des Bodenmachers kennen und zu verwenden. So gab er mir ein größeres Brett und das lernte ich mit der Rauhbank zu bearbeiten (ein sehr langer und schwerer Hobel). Das Brett habe ich dann gehobelt. Es musste planeben an der Fläche, sowie im Winkel stehen. Es kamen alle möglichen Handhobel der Reihe nach dran - das dauerte etwa 3 Wochen, in denen ich blos Knöcheltief in Hobelspänen stand. Sobald ich mein Werzeug gut schärfen konnte, erhielt ich aus der ganzen Abteilung Werkzeuge zum nachschleifen.

Am Ende dieser Schulung war mein Werzeug (der Hobel) fast als wäre er meine verlängerte Hand und mit dieser verwachsen. Zum Stege bohren und stechen bekam ich ebenfalls Ausschussholz, welches in der Werkbank eingespannt mit Messer und Stemmeisen zu bearbeiten lernte. Zwischendurch durfte ich am heiklen Werkstück, dem Flügel kleinere Arbeiten verrichten, wie Resonanzbodenrosetten lackieren, Boden schleifen, dann Rippen hobeln und Stimmstock bohren und stets ein kleines Stück mehr.

Nach einem Jahr war die Ausbildung in der Bodenmacherei beendet und ich wechselte zum Zusammensetzen. Die rohe Mechanik wird mit der rohen Klaviatur verbunden und zu einem Spielwerk verarbeitet. Es kommen die Waagebalkenscheiben, die Vorderdruckscheiben aufgesteckt, Holzbäckchen zur Auflage für die Mechanikständer werden montiert, Löcher für die Piloten werden gebohrt und Piloten eingeschraubt. Hammerköpfe werden gebohrt und gehobelt und mit den Stielen verleimt. Hebeglieder werden vorreguliert, Stoßzungen eingestellt etc. . Anschließend wurde der mit der Mechanik ausgestattete Flügel in die Paukkammer gestellt und maschinell 8 Stunden eingepaukt. Zwischendurch wurde ich in der Saitenspinnerei und in der Kleinzeugmacherei eingeschult, kam zum Dämpfungsaufsetzen und im letzten Jahr zum Ausarbeiten.

Wie mir erzählt wurde, war die Aufnahmebedingung ins Werk zu kommen für den Werksleiter sehr einfach zumal sich der Andrang in Grenzen hielt. Klavierspielen war keine Vorraussetzung. Die Haarlänge musste stimmen!;) Das war das allerwichtigste und entscheidenste! Was macht das für ein Bild bei einem so mit klassischer Musik verbundenen und konservativen Haus, wenn da Hippis und Gammler ein und ausgehen.

Soweit zu meinem ersten Bericht, der sich sicherlich schon sehr unterscheidet zur heutigen Ausbildung, zumal maschineller Einsatz, der Umgang mit Fräsmaschinen und elektrischen Anlagen stark zugenommen hat und in der Ausbildung sicher einen großen Raum einnimmt. Wir hatten damals noch nicht einmal einen Akkuschrauber.

Liebe Grüße
Klaviermacher
 
Hm, also so anderst ist das heut nun auch nicht. Wenn ich das so lese könnte das fast genauso meine Ausbildung (Sauter) sein. Dort gibt es zwar inzwischen schon eine CNC Fräse, aber das wird in die Ausbildung eigentlich nicht mit einbezogen.
Allerdings gabs schon Akkuschrauber, doch meist benutzte ich die kleine Orange mit Kabel! :-)
 
Danke für diesen kleinen Einblick in deine Ausbildungsgeschichte.
Ich werde versuchen mich über die heutigen gegebenheiten zu informieren.

Herzlichen Dank.

Liebe Grüße

oli
 
Hm, also so anderst ist das heut nun auch nicht. Wenn ich das so lese könnte das fast genauso meine Ausbildung (Sauter) sein. Dort gibt es zwar inzwischen schon eine CNC Fräse, aber das wird in die Ausbildung eigentlich nicht mit einbezogen.
Allerdings gabs schon Akkuschrauber, doch meist benutzte ich die kleine Orange mit Kabel! :-)
Hallo Sunny,
Natürlich, Klavier bleibt Klavier - und viele Dinge ändern sich nicht, wenn man ein Klavier bauen will. Jeder Auszubildende muss in etwa durch den selben Ablauf. Trotzdem gibts stets Neuerungen in der Fertigungstechnik.

Wenn ich davon spreche, daß wir nicht mal Akkuschrauber hatten, dann gabs auch vieles andere nicht. Es wurden gerade mal die Werkstätten mit Leuchtstoffröhren ausgestattet;) Wir hatten Holzbohrwinden, und mit 10kg schweren Holzzwingen wurden die Rippen und Stege verleimt. Für keine Arbeit gab es irgendeine Pneumatikpresse. Ich denke das ist schon sehr anders heute.

Sag, wann hast Du Deine Ausbildung bei Sauter gemacht? Vielleicht kannst Du den Lehrstellen - Interessierten hier mal erklären, welches die Vorbedingungen zu Deiner Zeit waren bzw. heute sind.

Liebe Grüße
Klaviermacher
 
Meine Ausbildung war so um die Jahrtausendwende.
Vorbedingungen gab es eigentlich keine direkt. Ich denke man muss einfach Spass am Handwerklichen arbeiten und am werkstoff Holz haben. Etwas Interesse im bereich Musikinstrumente und Musik im allgemeinen schaden sicher auch nicht.

Was ich aber am wichtigsten finde in userem Beruf, ist Geduld zu haben. Sei es beim erlernen der verschiedensten arbeiten rund ums Klavier, oder auch später im Aussen/ Konzertdienst.

Zur Ausbildung: Gut, wir hatten schon Pneumatikpressen! :-) Aber z.B. das mit den Hobelspänen kommt mir sehr bekannt vor.
 
Ja, das mit der Geduld stimmt 100%ig!
Man muss oft 88 mal das selbe tun und das benötigt viel Geduld.
Vom ersten bis zum achtundachtzigsten immer wieder genauso präzise...

Zu den Vorbedingungen: Ich denke, wenn die Nachfrage größer als das Angebot, werden die Kriterien zu einer Aufnahme als Lehrling auch höher.

Höhere Schulbildung, Musikalität etc. sind zwar alles sekundäre Dinge und nicht wirklich nötig für den Beruf, aber fließen vermutlich mit ein bei der Wahl eines aufzunehmenden Lehrlings.

LG
Klaviermacher
 
Danke @Stilblüte, eine ganz feine Idee von Dir! :super:
 

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