Klavier zum Ballettunterricht

Sven

Sven

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Hi,

da ich mich bisher hauptsächlich als Tänzer mit Musik beschäftigt habe, bin ich neben dem Studium der klassischen Klavierliteratur auch an Klaviermusik zum Ballettunterricht interessiert.

Ist das heutzutage überhaupt noch verbreitet, daß im Ballettsaal live zu den Übungen Klavier gespielt wird?

Hat das schonmal jemand von euch gemacht oder arbeitet gar regelmäßig als Ballettpianist?

Ich meine weniger die Aufführung von durchchoreographierten Balletten (Nußknacker, Schwansee oder so), sondern die Unterstützung der Tänzer bei den Übungen mit dazu angepaßter Musik.

Ich bin schon auf die Seiten den Royal Academy of Dance zum Thema gestoßen. Zumindest in der professionellen Ballettausbildung scheint Livemusik noch üblich zu sein.

Mich würden aber noch Informationen aus der Praxis von der anderen Seite des Klaviers interessieren.

Danke
Sven
 
Ich habe Ballett-Korrepetitoren bisher nur im professionellen Bereich erlebt, für normale Ballettschulen wäre deren Einsatz auch viel zu teuer. Hier kommt die Musik in aller Regel aus der Konserve und zwar sowohl selbst zusammen gestellte als auch fertig gekaufte spezielle Arangements für den Ballettunterricht.
 
Ich war als Jugendliche beim Ballettunterricht eines Landestheaters. Dort war immer ein Klavierspieler sowohl für das Training der Ballettschule als auch für das Training und Proben des Ballettensemble. Übrigens war der Lehrer zugleich der 1. Tänzer des Ensemble - und das ganze war soviel günstiger als man zuvor für solchen qualifizierten Unterricht erwartet hätte, 2xmal die Woche im Flair des Opernhauses mit gelegentlicher - bezahlter - Komparsentätigkeit für Aufführungen des Hauses.

Natürlich kann das eine kleine Ballettschule nicht leisten. Nach dem Studium mit den ersten ordentlichen Gehältern in einer anderen Großstadt, hab ich mich in eine normale kleine Schule eingeschrieben und habe es recht schnell wieder aufgegeben, dieser Kurs für Erwachsene lief nicht nur immer gleich ab, sondern die Musik war vom Band und die in die Jahre gekommene Lehrerin deutete die Übungen immer nur an, der Raum war zu niedrig - ich hatte Angst an die Decke zu springen.... Als Kindergartenkind meldete ich ein Töchterchen bei einer anderen kleinen Ballettschule an, die sehr schön mit den Kleinen umging, hatten auch einen besseren Saal, allerdings war die Chefin mehr oder weniger allein, hatte noch eine Art Praktikantin dabei und natürlich nur Musik vom Band.....

Die Möglichkeiten die eben ein subventionierter Staatsbetrieb wie ein Opernhaus bieten kann (konnte - weiß nicht, ob es diesen Unterricht inmitten von Profis, Garderoben, Schminke und tü tü tü noch gibt....).

Für mich ist eigentlich außer Frage, dass ordentlicher und erschwinglicher Unterricht nur vom Staat geleistet werden kann, bei gleichzeitiger guter Bezahlung der Lehrer. Es ist kein Wunder, dass z.b. Russland, aber auch andere Ostblockstaaten bis heute schier unerschöpflich viele Talente ausbildet - und nicht nur aus Musiker- oder gut bürgerlichen Häusern.....
 
Ich habe Ballett-Korrepetitoren bisher nur im professionellen Bereich erlebt, für normale Ballettschulen wäre deren Einsatz auch viel zu teuer. Hier kommt die Musik in aller Regel aus der Konserve und zwar sowohl selbst zusammen gestellte als auch fertig gekaufte spezielle Arangements für den Ballettunterricht.

Zu DDR-Zeiten gab es das noch. Das war meine erste Begegnung mit dem Klavier, ich war 4 Jahre alt und hatte einige Ballettstunden..........:-)
 
gibt es noch in England, Frankreich, kann sein, dass es in Basel im Stadttheater auch noch jemand gibt, die hatte einen Pianisten. Sicher findet man dies auch anderswo in etwas konservativen Balletschulen.
 
Ballettrepetitoren gibt es an fast allen Bühnen in Deutschland (sofern sie eine Ballettkompagnie haben :-)). Die Namen der Pianisten stehen im aktuellen Bühnenjahrbuch.
 
Vielen Dank schonmal für euren Input.

Ich finde den Bereich Ballettmusik irgendwie spannend.

Vielleicht kann ich in 20 Jahren, wenn ich einigermaßen Klavier spielen kann,
das einer Schule zum Taschengeldpreis anbieten, um meine Rente aufzubessern ;-)

Ich finde, das hat einige Parallelen zum Barpiano.
 
Es hat nur nicht viel mit Klaviermusik zu tun. Als Ballett-Korrepetitor ist man eine Art von gehobenem Metronom. Man spielt Gebrauchsmusik für das tägliche Stangentraining, völlig agogikfrei, sehr zählzeitenbetonte Vier- und Achttaktphrasen mit Allerweltsmelodik und endlosem T-S-D-T. Keine bekannten Ballet-Piecen, nix Schwanensee, musikalisch völlig trostlos.
 
Vielleicht kann ich in 20 Jahren, wenn ich einigermaßen Klavier spielen kann,
das einer Schule zum Taschengeldpreis anbieten, um meine Rente aufzubessern

Normalerweise machen diesen Job Leute, die für die Solorepetitorenstelle nicht gut genug waren und dringend das Geld brauchen. Und du willst das freiwillig machen?

m1801.gif
 
Es hat nur nicht viel mit Klaviermusik zu tun. Als Ballett-Korrepetitor ist man eine Art von gehobenem Metronom. Man spielt Gebrauchsmusik für das tägliche Stangentraining, völlig agogikfrei, sehr zählzeitenbetonte Vier- und Achttaktphrasen mit Allerweltsmelodik und endlosem T-S-D-T. Keine bekannten Ballet-Piecen, nix Schwanensee, musikalisch völlig trostlos.

Die richtigen Ballette gehen mir ehrlich gesagt auf den Keks.
Auf der Pianistenseite der RAD ist ein YT-Video einer Ballettstunde des Royal Ballet verlinkt, in dem man sich mal ansehen soll, wie der Job aussieht. Die Pianistin hat dort auch den Maple Leaf Rag rausgehauen.

Als Tänzer mag ich diese Extremagogik überhaupt nicht. Die scheint's auch nur auf dem Klavier zu geben (klar, man muß sich ja mit niemandem koordinieren) und ich finde das oft viel zu affektiert. Ich mag es lieber, wenn man das Metrum immer nachvollziehen kann und das tanzbar bleibt. Da halte ich's mit Count Basie. Musik ist zum Tanzen da ;-)

Im Notenladen bin ich über einen Band von ausgewählten Etüden von Czerny zur Untermalung des Ballettunterrichts gestolpert. (Es handelt sich dabei nicht um das Ballett Études, das Harald Landner und Knudåge Riisager zu und aus Czerny Etüden gemacht haben)
Dadurch bin ich darauf gekommen mich nochmal näher mit diesem Thema zu beschäftigen.

Das Video:
 

Normalerweise machen diesen Job Leute, die für die Solorepetitorenstelle nicht gut genug waren und dringend das Geld brauchen. Und du willst das freiwillig machen?
m1801.gif

Ernsthaft Geld verdienen (im eigentlichen Sinn des Wortes) werde ich fürs Klavierspielen wohl sowieso nie. Wäre eher fraglich, ob ich dazu überhaupt fit werde. Korrepetition finde ich auch superinteressant, aber von den Fähigkeiten im Prima Vista und Partiturspiel her für mich unerreichbar.

Ballettrepetition scheint mir mehr wie Bar Piano zu sein: Großes Repertoire auswendig. Improvisation bzw. Flexibilität je nach Unterrichtserfordernis (=Stimmung in der Bar). Nur, daß die Musik eine größere Rolle spielt als in ner Bar.

Immerhin wird sich so auch beim Pianisten nach jeder Stunde bedankt, wie ich gelernt habe:


Ist das nicht schön?
 
Der "Maple Leaf Rag" ist leider keine typische Begleitmusik fürs Stangentraining, obwohl Scott Joplins Tänze generell passen würden: Sie bestehen aus regelmäßigen Vier- und Achttaktperioden und sind rhythmisch ziemlich gleichförmig.

Aber die echte (und musikalisch trostlose) Exercisen-Literatur ist sowas:

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Zuletzt bearbeitet:
Ah, cool. Literaturhinweisen bin ich bisher noch nicht nachgegangen.

Der Rag war auch im flotten Teil mit den Sprüngen ;-)
 

Das ist zwar grauenhaft banales Zeug, aber zum Balletttraining taugen daraus höchstens die kurzen Walzer, der Rest ist unbrauchbar.

Ich kenne das Training nur in der Form, dass der Ballettmeister ansagt "16 Takte Marsch", dann kurz das Tempo vorzählt und dann darf man losspielen. In der Regel wird das improvisiert, mit trivialen Harmoniefolgen, damit die Tänzer die Abschnitte ohne Nachdenken erkennen. Es ist wirklich nur furchtbar und mir ein Rätsel, wie manche Pianisten das über Jahre aushalten.
 

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