Hallo,
Solange man beide Geräte in der von Kawai vorgegebenen Grundeinstellung benutzt, sollten sie sich klanglich nicht allzu stark unterscheiden.
Beim MP5 kann man jedoch den Klang sehr viel besser individuell ändern, als beim ES6.
Ich hab das nicht probiert, hab aber die Bedienungsanleitungen beider Geräte eingehend studiert.
Man kann die ADSR Hüllkurve und einige andere Klangparameter ändern.
Beim ES6 geht das nicht, auch nicht per externer Software, weil es die MIDI Befehle, die dazu notwendig sind, nicht unterstützt.
Ich selber hab ein Kawai CP136 und hab mir einen Pianosound erstellt, bei dem ich das Sustain (die Haltezeit) und das Release verlängert habe. Ausserdem hab ich den Parameter Brightness reduziert. Weil dabei aber die Saitenresonanzen nicht in der Helligkeit geändert werden, hört sich dass dann meiner Meinung nach viel echter und edler als der Originalklang an. Auch hinsichtlich Reverb und Chorus sollte das MP5 mehr Möglichkeiten bieten. (Wenn man diese Effekte sparsam dosiert, bereichern sie den Klang sehr und klingen keinesfalls künstlich)
Soweit die guten Sachen.
Leider hab ich bei meinem Piano in letzter Zeit auch Mängel festgestellt, die scheinbar Kawai spezifisch sind, also eventuell alle Modelle betreffen.
Die Saitenresonanz klingt schön, aber sie funktioniert nicht wie bei einem echten Klavier. Obwohl die obere Oktave beim echten Klavier stets ungedämpft ist, klingen die oberen "Saiten" nur dann mit, wenn man dort Tasten drückt. Deshalb funktioniert die Saitenresonanz nur bei vollgriffigen Spiel.
Ausserdem funktioniert die Saitenresonanz auch nur bei direktem Tastaturspiel. Wenn man MIDI wiedergibt, funktioniert sie nicht, es klingt dann anders, als beim Spielen. Lange Zeit dachte ich, das ist Einbildung, bis ich es doch gemerkt und dann systematisch probiert habe. Ich vermute, dass selbst die teuersten Spitzenmodelle von Kawai dieses Problem haben, denn es ist anscheinend kein Bug, der mit einem Firmwareupdate zu beheben wäre, sondern per Design. Warum man sowas macht? Saitenresonanz usw. ist ein Thema, dass mit (Trivial-) Patenten gepflastert ist. Jeder Hersteller versucht da, sich sein Terrain abzustecken. (Übrigens ist das nicht nur bei digitalen Pianos so...) Vermutlich wollte man bei Kawai vermeiden, dass Lizenzgebühren für Patente anfallen..... Sowas steht natürlich nicht in der Werbung und nicht im Handbuch.
Solche Details über die Harmonic Imaging Technologie oder Technologien von Kawai-Konkurrenten erfährt man nur durch bittere Erfahrung, in der "Fachpresse", vom Klavierlehrer, oder Musikalienhändler würde man darüber nichts erfahren. Die, die Bescheid wissen, erzählen nichts, und die restlichen Leute mögen ja gute Musiker sein, aber haben von Technik keine Ahnung. Die wissen auch nur das, was sie in den Verkaufsshows und -Schulungen und Werbeveranstaltungen der Hersteller gelernt haben und käuen das wieder. Die Hersteller kochen alle nur mit Wasser, und die angeblich exklusive Soundtechnologie, dient nicht nur dem Wohle des Kunden, es ist auch eine Technologie um Patentrechte zu umgehen oder abzustecken und um Mängel zu kaschieren, um einen gewissen Hype zu produzieren, damit man die Produkte möglichst teuer (IMO überteuert) verkaufen kann.
Falls MIDI Anwendungen für Dich nicht interessant sind, dann ist das kein Thema. Mein Piano ist allerdings ein Arrangerpiano und kann sogar MIDI auf Diskette aufnehmen, und bei einem solchen Teil, das ja nicht ganz billig ist, empfinde ich sowas fast als Betrug am Kunden.
Seitdem bin ich ziemlich gram mit Kawai.... Ich kann das Piano nur noch eingeschränkt weiterempfehlen.
Andererseits ist das MP5, wenn man das Preis-Leistungsverhältnis bedenkt, und die Features, die es ansonsten hat, fast konkurenzlos. Und es klingt auch ohne Saitenresonanz schön evtl. schöner als viele andere. Nur sollte man das vor dem Kauf wissen. Wenn man sein Spiel auf MIDI aufnehmen will und später 1:1 reproduzieren will, dann geht das evtl nur mit verminderter Qualität. Wenn das wichtig ist, dann muss man das vor dem Kauf gezielt austesten; nach dem Kauf steht man dumm da.
Wenn man aber, wie ich, zu den computerisierten Pianisten gehört, dann kann man dieses Problem auch etwas entspannter sehen. Sehr gute Piano Libraries, die Saitenresonanz und stummes Anschlagen (Kawai unterstützt letzteres garnicht) unterstützen, und auch -wie Kawai- Halbpedal,und Re-Pedalling bieten, und die in der Klangqualität jedes Digitalpiano (mit oder ohne echtem Resonanzboden) unter 9000,- € locker schlagen, gibt es heute für wenig Geld. Dann kann man sich einfach für das schönste Gehäuse und die beste Tastatur entscheiden, und muss nicht das teuerste Modell nehmen......
Grüsse,
Peter