Jorg Widmann und moderne Musik

Aleko

Aleko

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15. Jan. 2010
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Hallo,
Jorg Widmann gilt als ein genialer Klarinettist und ein nicht ganz unbekannter Komponist moderner Musik.
Hier eine bekannte Komposition von ihm:

http://www.youtube.com/watch?v=XvXG9m6JI6k

Was hält ihr von dieser Art von Musik bzw. wie gefällt euch dieses Stück?

Liebe Grüße
 
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Lieber Aleko,

langsam wirst Du mir unheimlich.

Vor kurzem noch Rachmaninow, vor ein paar Tagen plötzlich Lutoslawski -
und jetzt Widmann.

Nicht nur, daß Du Dich von Osten nach Westen vorpirschst -
Deine Favoriten werden auch immer jünger und extravaganter.
Was schlußendlich nur heißen kann, daß Du bereits
an einem Auftragswerk für Donaueschingen bastelst?

Herzliche Grüße!

Gomez
 
Lieber Gomez,
ich musste lachen, als ich deine Antwort las. :) Beide Komponisten waren aber eine Empfehlung, eventuell kommt noch etwas.
Ich befürchte nur, du hast es mit den "Favoriten" etwas voreilig formuliert. Meine Reaktion auf diese Musik? Hm... Ich bediene mich deines hier im Forum mal geschriebenen Zitats von jmdm., das ich großartig finde: "Ich sage gar nichts, das wird man wohl noch sagen dürfen". Ich hoffe ich habe es mir korrekt gemerkt. Unheimlich finde ich, dass ich meine, Stücke mit solchem Charakter komponieren zu können (ich meine nur den Charakter, nicht das Stück an sich - damit keiner denkt, ich könnte so was hier gleich auf Papier bringen) nur ich will das nicht tun.

Ich finde es schade, dass sonst keiner sich ein bisschen Zeit nimmt und seine Eindrücke von diesem Stück schildert!

Gruß
 
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Mein erster Eindruck war: „Das hört sich an, wie wenn ein Kind das erste mal das Instrument in der Hand hat und damit experimentiert“. Es ist kaum zu glauben, dass das komponiert und dann gespielt wurde. Umgekehrt, wenn hier experimentiert wurde, das probieren aufgenommen wurde und dann notiert wurde, wäre für mich glaubwürdiger.

Kurz: Ich kann damit nichts anfangen. Den Zugang zu dieser Art von Musik habe ich noch nicht gefunden.

Grüße
Thomas
 
Ich finde es schade, dass sonst keiner sich ein bisschen Zeit nimmt und seine Eindrücke von diesem Stück schildert!

ich glaube nicht, dass sich so ein umfangreiches Stück für die einstimmige Soloklarinette so ohne weiteres komponiert...

mir hat es sehr gefallen, besonders der "schnell brillant" Abschnitt mit seinen asymetrischen Aufteilungen, der aber trotzdem immer wieder ein scheinbar festes rhythmisches Gerüst (ein bissle an Strawinski erinnernd) herstellt.

diverse quitschige Glissandi mögen eine evtl. aus dem Jazz kommende Spezialität des Intruments sein - na ja, die Glissandi waren das einzige was, mir nicht so gefallen hat.

manches erinnert von fern an Strawinski, an Gershwin, an Bernstein - aber ich ginge nicht so weit, hier Plagiate zu unterstellen.

virtuos, spannend, abwechslungsreich, streckenweise faszinierend, dabei mit einprägsamen Themen voller riesiger Intervallsprünge - insgesamt eine für mich überzeugende und vitale Komposition
 
virtuos, spannend, abwechslungsreich, streckenweise faszinierend, dabei mit einprägsamen Themen voller riesiger Intervallsprünge - insgesamt eine für mich überzeugende und vitale Komposition

Lieber rolf,
besten Dank für deine Eindrücke! Ich finde vor allem das Wort "vital" in Bezug auf die moderne Musik unheimlich wichtig. Vital kommt ja von "Leben" und mein Eindruck bis jetzt ist, dass viele Kompositionen moderner Musik etwas Lebendiges (quasi wie ein Lebewesen) auf ihre einzigartige Weise beschreiben und man diesem Lebewesen ganz genau hinhören muss, damit man bloß nichts verpasst. Ich meine, schön in traditionellem Sinne des Wortes ist diese Musik für mich nun wirklich nicht. Schön will sie auch aber gar nicht sein. Vielleicht ist Vitalität das A und O der modernen Musik?

Gruß
 
Ich meine, schön in traditionellem Sinne des Wortes ist diese Musik für mich nun wirklich nicht. Schön will sie auch aber gar nicht sein. Vielleicht ist Vitalität das A und O der modernen Musik?

Lieber Aleko,

schön im traditionellen Sinne (beinahe so, wie belanglos-zufrieden wohlklingend) ist etliches von Beethoven, Chopin, Liszt ebenfalls nicht.

Was ist an der Fantasie für Soloklarinette denn "nicht schön"? Ein virtuoses, gekonntes, prägnantes Musikstück ist das; meinetwegen etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man mit der Musik ab dem frühen 20. Jh. noch nicht sehr vertraut ist, aber das besagt ja nicht viel.

Trotz nicht tonaler Tonkombinationen schockt das Stück in keiner Weise, zu komplex oder gar verworren unübersichtlich ist es auch nicht (und ich hab´s nur einmal angehört, schön dass im Video die Noten dabei sind, aber die Hauptthemen hab ich jetzt im Gedächtnis - und mir gefällt´s)
 
Ich finde es schade, dass sonst keiner sich ein bisschen Zeit nimmt
und seine Eindrücke von diesem Stück schildert!

Lieber Aleko,

Jörg Widmann ist gleichzeitig ein bedeutender Klarinettenvirtuose.
Er schreibt solche Musik quasi zum solistischen Eigenbedarf.
Und darüber erschließt sich mir diese Musik am ehesten -
ich glaube, es macht mehr Spaß, sie zu spielen als zu hören.

Lutoslawski war ein Vertreter der Ostblock-Avantgarde, die es in Polen
noch am leichtesten hatte und von staatlicher Bevormundung weitgehend
frei war. Ältere Semester haben vielleicht noch die Titelmelodie
zum berühmt-berüchtigten ZDF-Magazin ("Rate mal mit Löwenthal") im Ohr -
den Beginn des Lutoslawskischen "Konzerts für Orchester".
Er hat natürlich auch entschieden bessere Musik geschrieben.

Wenn Du zwischen den Zeilen bei mir eine gewisse Distanz herausliest,
so tust Du recht daran. Bin ich als enragierter Liebhaber der Neuen Musik
vielleicht übersättigt? Oder von zuviel Gleichartigem übermüdet?
Letzteres trifft auf jeden Fall zu, zumal ich so'n Zeugs ja auch komponiert habe.
Es gibt zuviel Gleichartiges in diesem Stil - von grundverschiedenen Leuten.
Oft fehlt mir in dieser Musik die Binnenspannung. Sie reiht schöne Episoden aneinander,
aber der Spannungsbogen fehlt.

Ich fürchte, solche defaitistischen Äußerungen nähren eher Deine Skepsis
gegenüber der Neuen Musik. Das ist dann leider nicht zu ändern.

Herzliche Grüße,

Gomez
 
1) Ich verstehe bei derartigen Stücken immer nicht, warum man sich die Mühe macht, so etwas schriftlich zu fixieren und vor allem die Mühe, es haarklein einzuüben.

Denn es ist ja letztlich eine aufgeschriebene Improvisation. Moderne, freiere Jazzimprovisatoren improvisieren so was dauernd (natürlich "stilistisch" anders, aber vom grundsätzlichen Gestus und Aufbau ganz ähnlich).

2) Das Stück besteht aus den üblichen Versatzstücken modernistischer Musik seit Schönberg / Webern, ist also nicht mal originell. Wieeeee oft ich schon so was in der Art an der Musikhochschule gehört habe, wenn Studenten auch mal was Modernes gespielt haben! Gähn!

3) Das Einzige, was man bewundern kann, ist die Instrumentenbeherrschung des Spielers. Und daß er, siehe 1), so crazy war, sich die Mühe zu machen, das einzuüben. Als Etüde isses ja sicherlich auch nützlich. Die Vermutung liegt nahe, daß Widmann hier beim Komponieren sehr kognitiv (und nicht unbedingt immer über die Klangvorstellung) vorgegangen ist und absichtlich möglichst viele schwierige Dinge eingebaut hat (verrückte Sprünge, extrem abwechselnde Dynamiken etc.).

4) Hurz!

LG,
Hasenbein
 
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So kann nur jemand sprechen, bei dem sich unzureichende Kenntnis neuer Musik
mit Ressentiment vermischt, weil er sich als "Jazzer" nicht ernst genug genommen fühlt
(und ich rede jetzt nicht von Achim Hagemann und Hape Kerkeling,
sondern unserem sattsam bekannten Lapin agile: Peng. Aus.)

Richtig ist, daß vieler neuen Musik etwas Improvisatorisches anhaftet.
Richtig ist, daß vieles an rhythmischer Komplexität nur auf dem Papier steht,
exakt kaum ausführbar ist und Komponisten die nicht exakte Ausführung
des von ihnen Notierten oft auch gar nicht wahrnehmen.

Das erlaubt aber nicht die prinzipielle Herabwürdigung der Avantgardemusik,
wie Hasenbein sie betreibt, um sich als Jazzer aufzuwerten.
Den Unterschied zwischen Neuer Musik und Free Jazz hört selbst der Laie:
In der Neuen Musik fehlt das Dauer-Geschepper des Schlagzeugs,
und die Harmonik ist doch ein wenig subtiler ausgehört.

Peng, aus. Licht an, Ton ab!

.
 
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Hallo,
Jorg Widmann gilt als ein genialer Klarinettist und ein nicht ganz unbekannter Komponist moderner Musik.
Hier eine bekannte Komposition von ihm:

http://www.youtube.com/watch?v=XvXG9m6JI6k

Was hält ihr von dieser Art von Musik bzw. wie gefällt euch dieses Stück?

Liebe Grüße

Ich habe mit mancher moderner Musik meine Schwierigkeiten, auch wenn ich schon hin und wieder sehr interessante moderne Werke gehört habe, dir mir "etwas zu sagen" hatten. Wenn ich das oben verlinkte Klarinettenstück höre, dann weiß ich wieder, warum ich die Klarinette so mag. Ich habe selten etwas auf der Klarinette so gut und lebendig gespielt gehört.

Grüße von
Fips
 

Ich musste beim hören an "Peter und der Wolf" denken, vor allem aber auch an Tanzballett, bei dem die Musik mit den Tänzern interagiert.
So, wie das Stück auf youtube dargestellt ist, ohne Bild, ist es für mich beim hören "unvollständig", es fehlt der Interaktionspartner der Klarinette, nicht unbedingt der musikalische, eben eher der getanzte.

Viele Grüße,
Manha
 
Lieber Aleko,

schön im traditionellen Sinne (beinahe so, wie belanglos-zufrieden wohlklingend) ist etliches von Beethoven, Chopin, Liszt ebenfalls nicht.

Was ist an der Fantasie für Soloklarinette denn "nicht schön"? Ein virtuoses, gekonntes, prägnantes Musikstück ist das; meinetwegen etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man mit der Musik ab dem frühen 20. Jh. noch nicht sehr vertraut ist, aber das besagt ja nicht viel.

Trotz nicht tonaler Tonkombinationen schockt das Stück in keiner Weise, zu komplex oder gar verworren unübersichtlich ist es auch nicht (und ich hab´s nur einmal angehört, schön dass im Video die Noten dabei sind, aber die Hauptthemen hab ich jetzt im Gedächtnis - und mir gefällt´s)

Lieber Rolf,
da hast du mich ja schon gewissermaßen ertappt, gebe ich ja zu :D Ich weiß nun auch nicht mehr, was schön ist. Noch vor zwei Jahren hätte ich dir locker sagen können, was ich unter schön verstehe und nun - nicht mehr. Jetzt kann ich nicht mal sagen, dass für mich in der Musik die Konsonanz den Begriff des Schönen ausmacht, weil ich Prokofievs Romeo and Julietta, das auch viele Dissonanzen beinhaltet, unfassbar schön finde. Auch scheint die prägnante Melodik, von der Gomez im Faden "Stückchen 2" geschrieben hat, nicht der Begriff des Schönen für mich zu sein, weil ich Adagio for Strings von Barber (wenn jemand es nicht kennt: http://www.youtube.com/watch?v=RRMz8fKkG2g) unfassbar schön finde und es nun mal keine prägnante Melodik hat.
Ich kann den Begriff der Schönheit in der Musik für mich wohl nicht eindeutig formulieren. Kannst du mir helfen? Ich finde nun mal dieses Stück nicht "schön" aber auf keinen Fall würde ich ihm das Recht auf Existenz absprechen un ich finde es irgendwie witzig. Die "unschönen" Sachen von Beethoven und Chopin finde ich dagegen sehr schön. Wie kann das sein und wie definiere ich den Begriff der Schönheit für mich? Brauche hilfe!
Ferner bitte ich dich mir die aus deiner Sicht "unschönen" Sachen bei Chopin zu nennen (bin sehr gespannt drauf), damit ich mir darüber eine Meinung bilden kann.

Viele Grüße
 
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Jetzt kann ich nicht mal sagen, dass für mich in der Musik die Konsonanz
den Begriff des Schönen ausmacht, weil ich Prokofievs Romeo and Julietta,
das auch viele Dissonanzen beinhaltet, unfassbar schön finde.

Guten Abend, Aleko!

Wenn es ein Grundelement gibt, wodurch sich mehrstimmige Musik als schön erweist,
so ist das die Dissonanz. Du kannst das bereits in den frühesten Zeugnissen mehrstimmiger Musik
hören und sehen (ich rede jetzt nur von abendländischer Musik), den Experimenten
mit zwei- bis vierstimmiger Musik, wie sie in Limoges, Reims und Paris im 12. und 13.Jahrhundert
betrieben worden sind. Unterschiede gibt es - quer durch die Jahrhunderte - nur in der
Dissonanzbehandlung bzw. in den Hörgewohnheiten. In der ältesten mehrstimmigen Musik
galt zum Beispiel die Terz als problematisches Intervall, mit dem man vorsichtig umzugehen hatte.

Über den Grad an Auflösungsbedürftigkeit von Dissonanzen, über die Stimmführungsregeln
zum Aufbau und Beseitigen harmonischer Spannungen gibt also jede Stilepoche
unterschiedliche Auskunft - gemeinsam ist allen, daß die Aufeinanderfolge reiner Dreiklänge
als langweilig, der Aufbau harmonischer Spannung und das Hinauszögern der Kadenz dagegen
als befriedigend empfunden werden.

HG, Gomez
 
Ferner bitte ich dich mir die aus deiner Sicht "unschönen" Sachen bei Chopin zu nennen (bin sehr gespannt drauf), damit ich mir darüber eine Meinung bilden kann.

Prelude op.28 Nr.2 a-Moll
Sonate op.35 b-Moll ("durch Dissonanzen über Dissonanzen in Dissonanzen" laut Schumann)

Verstöderendes wirst Du bei Chopin genug finden - dass dieses die Musik und ihre Ausdrucksbereiche erweitert hat und damit auch "das Schöne" erweitert hat, ist ein der Kunstmusik wie der Kunst überhaupt eigenes Phänomen.
 
1) Ich verstehe bei derartigen Stücken immer nicht, warum man sich die Mühe macht, so etwas schriftlich zu fixieren und vor allem die Mühe, es haarklein einzuüben.
(...)

dieses Nicht-Verstehen muss ja nicht zwingend von dieser Musik verursacht sein - es kann auch an Dir liegen, dass Dir der Zugang nicht gelingt. vgl. Goethes Erdgeist
 
interessante leute, also ich kannte bislang noch keinen von denen!
Rachmaninov gefällt mir sehr sehr gut!
Lutoslawski find ich vor allem sehr interessant.

aber zum widmann:
ich sehe das so wie manha nur war meine erste idee n zeichentrickfilm ^^
zumindest ein wenig hab ich hier durchgelesen aber was ich aufgenommen habe ist das mit der vitalität und dem charakter - vitaler gehts fast nicht!. ein kollege hat die musik mit tanzenden bienen verbunden ;)
das lied hat mir irgendwie zunehmend gefallen. jedoch nur beim anhören - komisch?
jedoch finde ich gerade erst so meinen weg zur klassik
grüße
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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