ist dieser Quartsextakkord üblich?

  • Ersteller des Themas ImmerAufDieOmme
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Die wesentlichen Unterschiede sind jetzt in T. 5-6 und in den Kadenzen (mit Dom7). Ist das schon übertrieben spätromantisch? ;-)

Im vorletzten Takt hab ich mich mal am Durchgangsquartsextakkord auf der Subdomina versucht, wie mick vortrug.

Ein Dominantseptakkord ist nicht spätromantisch, aber in einen Kantionalsatz des 17. Jahrhundert gehört er eben auch nicht.

Takt 5/6 ist deshalb nicht gut, weil die Ausweichung nach C (mit dem G-Dur-Akkord) zu früh kommt. Das wirkt gerade deshalb unnatürlich, weil die bestätigende Kadenz mit zwei aufeinanderfolgenden Sextakkorden recht schwach ist.

Nach dem Durchgangsquartsextakkord in Takt 7 löst sich der IV56 bei dir in einen V2 auf. Kann man machen - aber dann müsste der Bass anschließend zwingend zum a gehen; der letzte Akkord im Takt wäre dann notwendigerweise ein I6. Diese Wendung wäre im Spätbarock auch richtig, in diesem Satz ist sie aber stilistisch nicht angemessen.

LG, Mick
 
Takt 5/6 ist deshalb nicht gut, weil die Ausweichung nach C (mit dem G-Dur-Akkord) zu früh kommt. Das wirkt gerade deshalb unnatürlich, weil die bestätigende Kadenz mit zwei aufeinanderfolgenden Sextakkorden recht schwach ist.
ah, verstehe. Dann nehm ich halt g-moll (mit b) -- bevor ich den Satz aus dem Gesangbuch komplett 1:1 abschreibe ;-) Aber klingt das mit G-Dur nicht ungeachtet der Modulation auch "interessant"? Mich erinnert das ein bischen an diese plötzlichen Akkordgeschlechtswechsel bei Schütz u.ä. Das würde ich als Nächstes vielleicht versuchen wollen.

Nach dem Durchgangsquartsextakkord in Takt 7 löst sich der IV56 bei dir in einen V2 auf.
öh..., ich hab das als Durchgang gesehen. Aber gut: daß die Melodie dabei anschließend in die vorige Dissonanz f geht, ist vielleicht nicht überzeugend, damit man die ganze Takthälfte als einen Akkord sehen könnte.

Kann man machen - aber dann müsste der Bass anschließend zwingend zum a gehen; der letzte Akkord im Takt wäre dann notwendigerweise ein I6. Diese Wendung wäre im Spätbarock auch richtig, in diesem Satz ist sie aber stilistisch nicht angemessen.
was, der Sextakkord oder die Wendung V2-I6?
 
So, hier nochmal die zweite Zeile.

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ah, verstehe. Dann nehm ich halt g-moll (mit b) -- bevor ich den Satz aus dem Gesangbuch komplett 1:1 abschreibe ;-) Aber klingt das mit G-Dur nicht ungeachtet der Modulation auch "interessant"? Mich erinnert das ein bischen an diese plötzlichen Akkordgeschlechtswechsel bei Schütz u.ä. Das würde ich als Nächstes vielleicht versuchen wollen.
Du kannst auch G-Dur lassen, aber dann bringe danach besser keinen Sextakkord. Die Fortschreitung könnte C-Dur (Grundakkord) und anschließende Kadenz V-I (in C-Dur) mit Quartvorhalt sein. Oder als Alternative könntest Du a-Moll (Grundakkord) und dann die Kadenz IV-V-I (wieder von C-Dur aus gesehen) schreiben. Das ist aber aus stimmführungstechnischen Gründen problematisch; einigermaßen sinnvoll geht das eigentlich nur mit einer Stimmkreuzung zwischen Alt und Tenor.

öh..., ich hab das als Durchgang gesehen. Aber gut: daß die Melodie dabei anschließend in die vorige Dissonanz f geht, ist vielleicht nicht überzeugend, damit man die ganze Takthälfte als einen Akkord sehen könnte.
Das war in vielerlei Hinsicht nicht überzeugend. Neben der nicht aufgelösten Septime im Bass hast du dir auch offene Parallelen zwischen Diskant und Tenor eingehandelt.

was, der Sextakkord oder die Wendung V2-I6?
Die ganze Wendung IV56 - V2 - I6.

LG, MIck
 
Falsch nicht direkt. Stilistisch ist er halt problematisch
ja, so meinte ich das ja auch.

weil im 17. Jahrhundert der IV56-Akkord höchstens bei Durchgangsbildungen (und damit auf unbetonter Zeit) auftritt. Auf betonter Zeit gibt es den eigentlich erst im 18. Jahrhundert, ebenso den Dominantseptakkord.
woher weiß man denn diese Details?

Du kannst auch G-Dur lassen, aber dann bringe danach besser keinen Sextakkord.
Wäre das nicht ein Argument für einen Sextakkord bei G-Dur? Damit kann ich sicherstellen, daß die bestätigende Kadenz stärker ist:

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weiß jetzt nicht, ob die Kantionalmenschen schon f-d-h (5>) singen konnten ;-)

...nee, nach mehrmaligem Durchhören finde ich das nicht gut. Aber mit b im Baß finde ich das richtig kantional ;-) G-C-G-C ist scheiße. Das fällt total auf.
 
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Nicht unbedingt, weil Sextakkorde auf betonten Zeiten eher selten sind.
Ist doch genau richtig! Bei mir kommt er jetzt genau einmal vor ;-)

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anhören

mir springt am Schluß noch der Baß zu viel. Der Typ aus dem 17. Jhdt. hat das ja mit Trugschluß am Ende des vorletzten Taktes gelöst, aber dann muß man zu B-Dur weitergehen. Ich wollte aber gern eine lange Domina am Schluß. Ist doch beruhigender, oder?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Falsch nicht direkt. Stilistisch ist er halt problematisch, weil im 17. Jahrhundert der IV56-Akkord höchstens bei Durchgangsbildungen (und damit auf unbetonter Zeit) auftritt. Auf betonter Zeit gibt es den eigentlich erst im 18. Jahrhundert, ebenso den Dominantseptakkord.
In diesem Schütz-Satz (1628) scheint aber der vorletzte Akkord im letzten Takt auf dieser Seite große Ähnlichkeit mit einem IV56 zu haben...
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In diesem Schütz-Satz (1628) scheint aber der vorletzte Takt auf dieser Seite große Ähnlichkeit mit einem IV56 zu haben...
0617500.03n.gif

Das ist natürlich ein S56. Ich glaube, den ersten S56 hat man sogar schon Ende des 16. Jahrhunderts gefunden, auch für den D7 gibt es ein so altes Beispiel. Diese Akkorde wurden ja nicht zu einem bestimmten Datum "erfunden" - es hat halt gedauert, bis sie in Mode waren und sich auf breiter Front durchgesetzt haben.

Es gibt einen sehr interessanten Artikel mit einer statistischen Erhebung darüber, wie häufig bestimmte Akkorde im Verlauf der Zeit verwendet wurden. Leider habe ich den zu Hause in München und weiß nicht mehr, von wem der ist. Aber man kann da toll herauslesen, wie beispielsweise erst die Anzahl der Sextakkorde immer weiter zugenommen hat und später dann die der verschiedenen Septakkorde. Auch Haupt- und Nebendreiklänge werden dort gesondert erfasst, Vorhaltbildungen etc. Das ist eine richtige Blaupause für Stilkopien. Vielleicht weiß jemand, wo man den Text findet?
 
Ich habe mir das Schütz-Beispiel gerade noch mal angesehen. Das ist wirklich genial gemacht - in den ersten beiden Zeilen, wo es im Text um den Lobpreis Gottes geht, gibt es ausschließlich(!) Grundakkorde, sobald dann von den Elenden und deren Trübsal die Rede ist, treten Septakkorde, Sextakkorde und eben auch der S56 auf. Auf die damaligen Hörer muss das schockierend gewirkt haben. Es ist aber auch ein Indiz dafür, dass diese Akkorde 1628 eben noch nicht der Normalfall waren.
 
Ist doch genau richtig! Bei mir kommt er jetzt genau einmal vor ;-)

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mir springt am Schluß noch der Baß zu viel. Der Typ aus dem 17. Jhdt. hat das ja mit Trugschluß am Ende des vorletzten Taktes gelöst, aber dann muß man zu B-Dur weitergehen. Ich wollte aber gern eine lange Domina am Schluß. Ist doch beruhigender, oder?

Auf mich wirkt der Takt 5 wie ein Fremdkörper. Ich vermute, es liegt zum einen daran, dass zwei Nebendreiklänge nacheinander kommen, ohne dass es durch die Stimmführung begründet wäre. Zum anderen stört mich auch die verdeckte Oktavparallele. Solche Parallelen kommen nach meinem Kenntnisstand nur nach Zeilenschlüssen vor, aber nicht innerhalb einer Zeile.

Ich muss da aber nochmal drüber nachdenken.
 
Ich glaube, den ersten S56 hat man sogar schon Ende des 16. Jahrhunderts gefunden, auch für den D7 gibt es ein so altes Beispiel. Diese Akkorde wurden ja nicht zu einem bestimmten Datum "erfunden" - es hat halt gedauert, bis sie in Mode waren und sich auf breiter Front durchgesetzt haben.
Dazu zwei Aspekte: Zum einen ergeben sich diese Zusammenhänge durch das Aufeinandertreffen selbständig geführter Stimmen - ein Akkord wird also nicht einfach isoliert als solcher aufs Papier gebracht, sondern er erwächst aus dem jeweiligen Stimmenverlauf, die sich in einer bestimmten Konstellation mehr oder minder kurzzeitig treffen. Zum anderen hat der Klangcharakter derartiger Gebilde dazu geführt, diese Art des Zusammenklingens wiederholt herbeizuführen. Erst dann werden entsprechende Weisen des Fortschreitens stilbildend, so dass man sie analytisch erfassen und daraus Regeln ableiten kann. Aus diesem Grunde entstanden die ersten musiktheoretischen Lehrwerke oftmals erst nach langjähriger kompositionspraktischer Tätigkeit - mitunter sogar erst rückwirkend nach Ende musikgeschichtlicher Epochen, als sich in der Praxis längst andere Stilistiken durchgesetzt haben.

Es gibt einen sehr interessanten Artikel mit einer statistischen Erhebung darüber, wie häufig bestimmte Akkorde im Verlauf der Zeit verwendet wurden.
Diether de la Mottes Harmonielehre verfolgt einen vergleichbaren Ansatz und erklärt beispielhaft, welche Akkordverbindungen stilprägend und welche eher stilfremd anmuten. Wer an seinem stilistischen Empfinden feilen und nicht einfach nur ein schulmäßiges Regelwerk absolvieren möchte, erfährt hier eine Menge über diese schwer zu bändigende Materie.

Tipp an den Ersteller dieses Fadens: Wenn genügend Zeit ist, sollte man sich nicht an den Details eines bestimmten Satzes festbeißen, sondern stattdessen mal einen bestimmten viel bearbeiteten Choral in stilistisch unterschiedlichen Arrangements auswählen und analysieren mit dem Ziel, Stilbildendes ausfindig zu machen.

LG von Rheinkultur
 
Ich vermute, es liegt zum einen daran, dass zwei Nebendreiklänge nacheinander kommen, ohne dass es durch die Stimmführung begründet wäre.
Sowas habe ich auch schon gedacht. Ursprünglich war der d-moll auch nur gedacht, um den Sprung f-h abzumildern, als ich noch G-Dur hatte.

Hier ist das Beipiel ohne d-moll (F-Dur wird einfach wiederholt). Ich meine, das klingt besser.

Zum anderen stört mich auch die verdeckte Oktavparallele.
Stimmt schon, die fällt auf. Wenn ich jetzt noch auf dem g einen C-Dur nehme, hätte ich den Satz aus dem Gesangbuch gleich abschreiben können ;-)

sondern stattdessen mal einen bestimmten viel bearbeiteten Choral in stilistisch unterschiedlichen Arrangements auswählen und analysieren mit dem Ziel, Stilbildendes ausfindig zu machen.
Beispiel?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Idealerweise etwas Choralgebundenes, das epochenübergreifend bearbeitet worden ist (etwa von Mendelssohn-Bartholdy oder Reger). Beispiele dafür gibt es etliche: "Wie schön leuchtet der Morgenstern", "Ein feste Burg" und viele andere. Selbstverständlich beschränkt sich die Auswahl bei der Betrachtung der Harmonik nicht nur auf Chorsätze.

LG von Rheinkultur
 

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