Insolvenz bei Schuke

Ich hatte den Artikel auch schon gelesen; das ist wirklich eine traurige Nachricht, wenn solch ein Traditionsunternehmen jetzt in den Strudel des Russland/Ukraine-Konflikts gerissen wird und dadurch in finanzielle Schieflage gerät. Man sollte erwarten dürfen, dass die Politik in so einem Fall nicht tatenlos zusieht. Dieser Satz lässt ja zumindest Raum für Hoffnung:

"Inzwischen habe sogar die Landesregierung bei ihm angerufen, wie man Schuke erhalten und unterstützen könne, sagt Brockdorff."
 
Ohne die offenen Rechnungen wäre es nicht zu den Problemen gekommen, wie Brockdorff betonte.
Also nix für ungut, aber wer Außenstände in einer Höhe auflaufen lässt, dass er daran pleite geht, ist ja nun wirklich selbst schuld. Das hat weniger mit Politik als vielmehr mit kaufmännischem Versagen zu tun.
Da ich selbst schon genau wegen solcher 6stelligen Außenstände pleite gegangen bin, kann ich das ganz gut beurteilen. Mich hatte damals keine Landesregierung angerufen....
 
Also wenn ein Traditionshersteller nur 350.000 Euro von der Insolvenz entfernt steht (100.000 ausgeliefert, nicht bezahlt, 500.000 Euro Orgel zur Hälfte bezahlt - hab ich das richtg verstanden?), dann ist das Unternehmen aber eh permanent kurz vor dem finalen Tod, oder? Da macht manch ein neu gegründeter, gut laufender 0815-Sanitärhandwerker mehr Umsatz.
Bei den Materialkosten und hohen Arbeitskosten erscheint mir das aber echt wie ein sehr dünnes Polster.
 
Hmmm, also ich weiß nicht, ob man Orgelbauer oder auch Cembalobauer mit anderem Handwerk oder gar "Herstellern" vergleichen kann. Es gibt ja keine Serienproduktion und es handelt sich meist um arbeitsintensive Einzelarbeiten. Und die Kunden sind oft auch finanziell klamm (z. B. Kirchengemeinden), die Spielräume also wohl eher begrenzt.

Vielleicht täusche ich mich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es in dieser Branche überhaupt möglich ist, derart komfortable finanzielle Puffer anzulegen, als dass ein (völlig unvorhersehbarer! – man denke nur daran, wie unvorbereitet die Weltgemeinschaft vom russischen Handeln zunächst auf der Krim und danach in der Ukraine überrumpelt wurde) Totalausfall eines oder wie im Fall von Schuke sogar zweier Großprojekte so einfach abgefedert werden kann. Auch in der Landwirtschaft (Äpfelernte) gibt es ja derzeit Verwerfungen, die vielen Bauern Sorgen machen. Die deutschen Waffenhersteller können die Sanktionen sicher leichter wegstecken...
 
Also nix für ungut, aber wer Außenstände in einer Höhe auflaufen lässt, dass er daran pleite geht, ist ja nun wirklich selbst schuld.
Die Außenstände entstehen, so wie ich es verstanden habe durch den Umstand, daß die Anlieferung nicht stattfinden kann.
Es ist im Orgelbau üblich, eine Anzahlung für Materialkosten etc. zu vereinbaren. Weitere Zahlungen folgen bei Anlieferung und Fertigstellung.
 
Weitere Zahlungen folgen bei Anlieferung und Fertigstellung.
Naja, das ist ja am Ende alles Verhandlungssache. Ich habe das auch mal gemacht, weil es "üblich" ist. Daraus habe ich schmerzhaft gelernt. Denn üblich und vor Allem sinnvoll ist es auch, sein Geschäftsrisiko zu minimieren. Und regelmäßige Abschlagszahlungen bei solchen Projekten sind ein Muss für einen kleinen Handwerker (und Schuke scheint ein kleiner zu sein, wenn ihm solche Summen das Genick brechen). Alleine schon hinsichtlich der sozialen Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeitern sollte man sich nicht auf Verträge einlassen, die bei Scheitern Insolvenz bedeuten.
Um es mal ganz deutlich zu sagen: Man muss geradezu selten dämlich sein, einem Oligarchen im Ausland eine Orgel auslieferungsfertig zu bauen und darauf zu vertrauen, dass der die restlichen 250- bis 300.000 schon zahlt. Politische Lage ist dabei völlig egal. Die möglichen Ursachen für einen Zahlungsausfall sind abgesehen von der politischen Lage zahlreich.
 
Mich hatte damals keine Landesregierung angerufen....
Möglicherweise hängt das mit politischer Brisanz zusammen, ob die Politik sich zum Handeln bemüssigt fühlt. Wenn tausende oder gar zigtausende von Arbeitnehmern vom Scheitern eines Unternehmens betroffen sind, stellt sich dieser Umstand in der öffentlichen Wahrnehmung ganz anders dar, als wenn ein mittelständischer Handwerksbetrieb mit dem Rücken zur Wand steht. Da müssen schon ganze Wirtschaftszweige den Bach runtergehen, bis wenigstens ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung etwas registriert. Auch auf den Gebieten des Musikinstrumentenbaus dominieren mittelständische Unternehmensstrukturen - im Vergleich etwa zur Automobilbranche sind die Absatzmärkte dagegen fast lächerlich klein dimensioniert - außer der musikalisch ambitionierten Minderheit in der Bevölkerung bekommt kaum jemand etwas von derartigen Schieflagen mit. Traurig, aber wahr.

LG von Rheinkultur
 
Oh Peter, welcher Depp zahlt bei Bestellung den vollen Betrag voraus. Immerhin hat der Russe die1/2 bezahlt und nun verloren. Es gibt's zu genüge Beispiele von Konkursen, wo hauptsächlich die Kunden die Verlierer sind. Üblich ist 1/3 bei Bestellung, 1/2 Produkt im Werk bereit und die Schlusszahlung bei vor Ort Abnahme. Ich wüsste nicht, was das Management falsch gemacht hat, ausser die Firma war bereits so gut wie Pleite (=keine finanzielle Reserve).
 
Zuletzt bearbeitet:

Nein und ich gönne es dem Orgelbetrieb natürlich, wenn er erhalten wird.
Aber mir stinkt es, wenn Fehler des Management medienwirksam politisiert und auf andere geschoben werden.
Da geht es "permissiv" zu: Der eine wird medienwirksam "gerettet", den anderen lässt man kaputt gehen, soweit das öffentliche Interesse zu gering ist.
 
@Peter: Wenn Du als kleines Unternehmen den Auftrag bekommst, über sagen wir mal 2 Jahre verteilt einen kompletten Gebäudekomplex neu einzudecken - lehnst Du das ab? Wenn nicht - wenn dem Auftraggeber nach einem Jahr die Puste ausgeht, stehst Du genauso da wie jetzt Schuke: Das zweite Jahr hast Du fest eingeplant, vielleicht einen Gesellen eingestellt, der bezahlt werden muss. Acquise für andere Aufträge hast Du nicht gemacht, dafür den Hof voller Dachziegel in irgendwelchen Sonderformen, die Du extra bestellen musstest und nun auch nicht weiterverwenden kannst.

Natürlich kannst ein eine Zahlung nach Baufortschritt vereinbaren, um das Risiko zu verringern. Bei Dächern stell ich mir das relativ leicht vor. Bei einer Orgel stelle ich mir Anlieferung und Aufstellung aber eher ein einzelnen Meilenstein vor, der sich in der Verhandlung schlecht runterbrechen lässt. Du könntest auch sagen, ich häng mich nicht für zwei Jahre an einen einzelnen Auftrag, eben wegen des Risikos. Tja, diese Option hat ein Orgelbauer nicht, es sei denn, er macht nur Reparaturen. Das Verhältnis von Betriebsgröße zum Einzelauftrag ist einfach ungünstig, aber was will man da machen? Wenn ich eine Millionenyacht in Auftrag gebe und dann wegsterbe wie weiland Steve Jobs, dann hat die Werft in erster Näherung auch einfach Pech.

Vielleicht hätte man sich besser absichern können. Dass finanzielle Puffer nicht vorhanden sind (bzw. für zwei Ausfälle gleichzeitig nicht reichen), dürfte im Mittelstand eher die Regel sein. Ich würde sagen, 50% ist es einfach nur dumm gelaufen.
 
Oh Peter, welcher Depp zahlt bei Bestellung den vollen Betrag voraus.
Davon habe ich doch gar nichts geschrieben.
Ich rechne nach Leistungsstand ab, fertig. Dabei stückel ich die Abschlagsrechnungen so, dass ich abgesichert bin und dem Kunden das Ganze zumutbar ist. Für materialintensive Aufträge lasse ich mir eine Vorauszahlung geben. Wenn sich ein Kunde nicht darauf einlässt, lehne ich ab. DAS musste ich auch erst lernen. Inzwischen weiß ich, dass ein Kunde, der so was ablehnt, eh nur Stress macht. Man muss sich als Auftragnehmer einfach angewöhnen, dass man die Kontrolle über den Auftrag nicht dem Kunden überlässt.

Bei einer Orgel stelle ich mir Anlieferung und Aufstellung aber eher ein einzelnen Meilenstein vor, der sich in der Verhandlung schlecht runterbrechen lässt.
Sehe ich nicht so. Wenn er beispielsweise 6 Monate an einer 100.000-€-Orgel zu tun hat, dann kann er ja wohl alle 4 Wochen eine Zahlung verlangen. Von der 500.000-€-Orgel will ich gar nicht erst reden. Zahlungspläne in den Vertrag zu integrieren ist absoluter Alltag, genauso wie Fertigstellungspläne.
 
Also wenn ein Traditionshersteller nur 350.000 Euro von der Insolvenz entfernt steht (100.000 ausgeliefert, nicht bezahlt, 500.000 Euro Orgel zur Hälfte bezahlt - hab ich das richtg verstanden?), dann ist das Unternehmen aber eh permanent kurz vor dem finalen Tod, oder? Da macht manch ein neu gegründeter, gut laufender 0815-Sanitärhandwerker mehr Umsatz.
Bei den Materialkosten und hohen Arbeitskosten erscheint mir das aber echt wie ein sehr dünnes Polster.

das Unternehmen muss schon vorher auf wackeligen Beinen gestanden haben. Für grosse Aufträge lässt man sich Bankgarantien geben.
Bei Peter ist dies was anderes, so wie ihm, ist es schon einigen meiner Bekannten ergangen die auf dem Bau zu tun haben.
Der Bauherr hat die Hütte verkauft, umschreiben lassen und lauter solche Hinterhältigkeiten. Scheint in Deutschland ein Sport zu sein.
 

Zurück
Top Bottom