Hanon - Czerny - Bach

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Es gibt zwar in älteren Fäden schon einige Ausagen zu dem Thema, aber es ist mir trotzdem ein Bedürfnis, das Thema nochmal anzusprechen.
In meiner letzen Klavierstunde vor ein paar Wochen sagte meine Klavierlehrerin zu mir, wenn ich weiter kommen will (sie sagte wörtlich, "in professionelle Richtung gehen" - wobei ich mich selbst vom professionellen Klavierspiel so weit weg sehe, dass ich dafür nichtmal Worte finde), muss ich Übungen von Hanon und Czerny spielen. Auf meinen Einwand, ich hätte gehört, dass man mit Bach WTK, Inventionen, etc. ähnliches erreichen könne reagierte sie ganz erstaunt: "Wer hat das gesagt?"
Es sei zwar richtig, dass Bach über einige seiner Werke etwas im Sinne von "zur Übung" geschrieben habe, aber das hätte für seine Zeitgenossen, insbesondere für die Bach-Söhne gegolten. Vielleicht noch, wenn in einem russischen Dorf ein einziges Klaivier steht und dort ein Kind nichts anderes tut, als darauf zu spielen. Aber für uns normale Menschen in der heutigen Zeit, führt kein Weg an Hanon und Czerny vorbei!

Dann meinte sie noch, dass beispielsweise die Übungen von Hanon den Vorteil hätten, dass man sie in allen Tonarten und einer ganzen Reihe unterschiedlicher Rhytmisierungen spielen kann. Hinterher hab' ich mir dann gedacht: Das kann ich doch mit den Präludien aus dem WTK auch machen. Ist zwar (für mich) ein hartes Brot, aber durchaus nahrhaft.
Ich freue mich, Eure Meinungen dazu zu hören.
 
...es ist so ähnlich wie mit Winnetou oder Tarzan oder Superman: lauter edle Heldentaten sieht man im Kino, aber dass die Helden auch mal aufn Topf gehen wird diskret ausgelassen... ;):D

Inventionen, Praeludien und Fugen, douze grandes Etudes usw. sind das edle Wild - die daran zu erledigendenden / zu trainierenden Übungen und dazu die technischen Übungen von Brahms und Liszt und Cortot sind das, was man diskret verschweigt

und darum als Tipp: nimm lieber die 51 Übungen von Brahms sowie die technischen Studien von Liszt (die kann und soll man ebenfalls in allen Tonarten spielen), denn sie sind besser als Hanon etc. -- nebenbei: je länger und besser man spielt, umso weniger braucht man solche Übungen (aber es ist immer wieder sinnvoll, sie auszuprobieren)
 
Im Prinzip kannst du jede x-beliebige Stelle aus dem WTK herausnehmen, und daraus eine Etüde machen.

Rudl
 
Auf meinen Einwand, ich hätte gehört, dass man mit Bach WTK, Inventionen, etc. ähnliches erreichen könne reagierte sie ganz erstaunt: "Wer hat das gesagt?"
Offenbar hat sie Neuhaus nicht gelesen. :D:D

(Der Fairness halber möchte ich aber noch anmerken, daß Czerny doch auch einiges geschrieben hat, das sich mit entsprechender musikalischer Gestaltung durchaus gefällig anhören kann, auch wenn sein Werk sicher nicht den Gipfel des Tonsatzes darstellt. Von Hanon ist mir sowas noch nicht untergekommen.)
 
Es sei zwar richtig, dass Bach über einige seiner Werke etwas im Sinne von "zur Übung" geschrieben habe, aber das hätte für seine Zeitgenossen, insbesondere für die Bach-Söhne gegolten. .

Die "Klavierübungen Teil 1,2,..." von Bach sind ja keine Etuden Sammlungen,das hat es zu seiner Zeit überhaupt nicht gegeben,auch wenn Bach vom Notenbüchlein angefangen durchaus didaktisches System in manchen seiner Werke verpackt hat.Die Bezeichnung finde ich also in unserer Zeit irreführend.

Du kannst natürlich aus allem eine Etude basteln,aus dem c moll Präludium kannst du dir eine Alberti Bass Etude schneidern und in alle Tonarten transponieren,warum nicht,trotzdem haben Etudensammlungen wie die von Czerny den Vorteil,dass da ein guter Pianist sich was dabei gedacht hat,was du beim Ummodeln einer Chopinschen Ballade in eine Etude wahrscheinlich nicht schaffen wirst,nämlich didaktisch gezieltes Traiuning von pianistischen Basis-Fertigkeiten.
Nimm einmal Bartoks Mikrokosmos,da steckt gewaltige didaktische Meisterschaft dahinter,Bartok war eben nicht nur Komponist sondern auch erfahrener Klavierlehrer,der wußte wie man Fundamente solide legt.

Czerny hat das niedergeschrieben,was Generationen vor ihm nur mündlich von Lehrer zu Schüler weitergegeben wurde,das steckt schon sehr viel Wissen und Erfahrung vieler Klavierlehrergenerationen dahinter,soviel zur Ehrenrettung von Czerny.

Als technische Studien kannst du natürlich auch Mikrokosmos hernehmen,die Brahms Übungen,Album für die Jugend etc.,nur selbst würde ich keine Etuden-Sammlung aus irgendwelchen Werken basteln anfangen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Czerny doch auch einiges geschrieben hat, das sich mit entsprechender musikalischer Gestaltung durchaus gefällig anhören kann, auch wenn sein Werk sicher nicht den Gipfel des Tonsatzes darstellt. Von Hanon ist mir sowas noch nicht untergekommen.)

Czerny hat nicht nur Etuden geschrieben,der war schon ein passabler Komponist und Pianist.Überlebt haben aber eigentlich nur die Etüden,die haben sich schon zu seinen Lebzeitzen am besten verkauft,was ihn ja bekanntlich sehr störte,da war er ein frühes Opfer des eigenen Erfolges.
 
Czerny hat nicht nur Etuden geschrieben,der war schon ein passabler Komponist und Pianist.Überlebt haben aber eigentlich nur die Etüden,die haben sich schon zu seinen Lebzeitzen am besten verkauft,was ihn ja bekanntlich sehr störte,da war er ein frühes Opfer des eigenen Erfolges.
Naja, "passabel" klingt jetzt auch nicht nach so großem Lob. :D:D Es gibt aber gerade in der Kammermusik einiges ziemlich reizvolles von ihm. Ich wollte aber eher darauf hinaus, daß selbst seine Etüden sich nicht auf bloße Fingerübungen beschränken. (Die gibt es zwar darunter auch, kann man aber auslassen...)

Insgesamt sehe ich derartige Etüdensammlungen eher als Kompendium an, aus dem nach Bedarf ausgewählt werden kann. Wenn ein Klavierlehrer anfängt, so ein Heft von der ersten bis zur letzten Seite (in der Reihenfolge) durchzuexerzieren, wird es wahrscheinlich Zeit, reißaus zu nehmen...
 

Vielen Dank für Eure Antworten.
Zusammengefasst entnehme ich ein ganz klares Jein. Also Übungen müssen sein, nicht unbedingt Hanon, und schon garnicht stur von vorne bis hinten.

Inventionen, Praeludien und Fugen, douze grandes Etudes usw. sind das edle Wild - die daran zu erledigendenden / zu trainierenden Übungen

Was genau meinst Du mit den "daran zu erledigenden / zu trainierenden" Übungen?

und darum als Tipp: nimm lieber die 51 Übungen von Brahms

Ja, schau' ich mir mal an. Gleich im ersten Takt Triole gegen 16-tel. Super!

je länger und besser man spielt, umso weniger braucht man solche Übungen (aber es ist immer wieder sinnvoll, sie auszuprobieren)
Hm. Länger spiele ich ja schon. Besser; manche sagen das etwa im Vergleich zu vor zwei Jahren, ... realistischer ist wohl zu sagen, dass ich früher noch schlechter gespielt habe. ;-) Aber man soll die Hoffung ja nie aufgeben, ... .

Im Prinzip kannst du jede x-beliebige Stelle aus dem WTK herausnehmen, und daraus eine Etüde machen.
Als technische Studien kannst du natürlich auch Mikrokosmos hernehmen,die Brahms Übungen,Album für die Jugend etc.,nur selbst würde ich keine Etuden-Sammlung aus irgendwelchen Werken basteln anfangen.

sowie die technischen Studien von Liszt (die kann und soll man ebenfalls in allen Tonarten spielen), denn sie sind besser als Hanon etc.

Es gibt also einen ganzen Haufen (und vermutlich noch viel mehr). Wie also vor lauter Bäumen den Wald im Blick behalten?
 
Ceterum censeo...

Ich kann in diesem Zusammenhang immer wieder nur auf dieses äußerst lesenswerte, sehr sachkundige und überdies kostenlose Buch verweisen, in dem klar herausgearbeitet wird, daß Czerny und auch andere Komponisten in der Folgezeit und bis heute völlig mißverstanden wurden, was den Sinn der von ihnen notierten Übungen oder Etüden betrifft:

http://art-live.de/DISS_PDFVERSION16-Bilder.pdf

Eigentlich war es nämlich bis zu Czernys Zeit völlig selbstverständlich, daß Klavierschülern ein Musikverständnis und auch eine Anleitung zu Improvisation und Komposition vermittelt wurde. Das heißt, man lernte typische "Legobausteine", aus denen Musik bestand (damals gab's auch noch nicht so viele verschiedene Stilrichtungen und auch kein so abgefahrenes Zeugs, so daß die Zahl der Legobausteine zwangsläufig überschaubar blieb), und konnte auf diese Weise nicht nur Fremdkompositionen besser verstehen und wiedergeben, sondern sich sozusagen in dem Stil spielend-improvisierend-abwandelnd-komponierend wie ein Fisch im Wasser bewegen. (Selbst wenn man eine Fremdkomposition spielte, war es bis zu Beethovens Zeit sogar absolut verpönt, einfach nur genau das zu spielen, was da steht!)

Keineswegs war es Ziel der Übungen und Etüden, ein "mechanisches Training" vorzunehmen; leider glaubt man dies bis heute. Die Beweglichkeit und Schnelligkeit war lediglich ein Folgeprodukt des Musikverständnisses und des wachsenden Hör- und Wahrnehmungsvermögens.

Die Vorstellung, man lerne Bewegungsmuster, und daraus ergebe sich dann im Laufe der Zeit was, was sich dann einigermaßen gut anhört (wie sie leider auch heute noch weithin herrscht), war damals noch absolut undenkbar.

Erst das 19. Jahrhundert brachte sozusagen die "Industrialisierung" der Klavierpädagogik; aber lest mal einfach in dem Buch, das brauche ich hier gar nicht nochmal alles hinzuschreiben.

Czerny hat es im späteren Leben selber noch mitbekommen, wie falsch seine Werke verwendet wurden, und war sehr betrübt darüber.

Aber so ist es nun mal fast immer bei den Menschen: Erst kommt eine an sich gute Idee, dann wird sie von den Dummen (oder den Arschlöchern) kaputtgemacht.

Hanon ist Scheiße, weil dieses Heft sozusagen das kristallisierte mechanistische Czerny-Mißverständnis ist!

LG,
Hasenbein
 
Hanon ist Scheiße, weil dieses Heft sozusagen das kristallisierte mechanistische Czerny-Mißverständnis ist!
Pech für Hanon - aber er ist ja auch weder ein Liszt noch ein Brahms ;)

...so Fachmann, nu erklär mir mal, ob die technischen Studien von Herrn Liszt, die 51 Übungen von Herrn Brahms und die Übungen von Herrn Cortot auch Scheiße sind --- oder sofern sie deiner Ansicht nicht Scheiße sein sollten, warum sie das nicht sind

...des weiteren interessiert mich, was einem deiner Ansicht nach die einfachen Bausteine nützen, wenn man z.B. nur den Kopfsatz von op.106 oder den Kopfsatz von op.111 von jenem Beethoven, den du ja erwähnt hast, spielen will...

viel Spaß beim antworten :D:D
 
...des weiteren interessiert mich, was einem deiner Ansicht nach die einfachen Bausteine nützen, wenn man z.B. nur den Kopfsatz von op.106 oder den Kopfsatz von op.111 von jenem Beethoven, den du ja erwähnt hast, spielen will...

Auf so eine dämliche Frage antworte ich nicht.

Es ist ja pädagogisch überhaupt keine sinnvolle Frage, sich damit zu beschäftigen, was ist, wenn einer "NUR" diese Stücke spielen will.

Es geht ja um Grundlagenarbeit, Basisfähigkeiten, Etablierung grundlegend richtiger Wahrnehmungs- und Handlungsweisen am Klavier - und nicht um sehr fortgeschrittene Stücke, die ja erst behandelt werden können, wenn jahrelang vorher viel einfachere Dinge getrieben wurden. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum Du die hier in die Diskussion reinbringst. Aus konstruktiven Gründen wohl kaum.

Wesentlich konstruktiver wäre, wenn Du einfach direkt mal mit fundierter Begründung sagen würdest,

a) ob Du das von mir schon oft verlinkte Buch gut oder scheiße findest,

b) ob Du, was Heiner Klug bezüglich Czerny schreibt, zutreffend findest oder nicht,

c) ob Du das, was ich aus dem Klugschen Text herauslese, zutreffend findest oder nicht, und warum.

LG,
Hasenbein
 
Im übrigen muss man sich nur das Vorwort von Autor Hanon durchlesen, und es wird klar, daß diese Übungssammlung rein mechanistisch gedacht ist sowie ohnehin von falschen Voraussetzungen ausgeht (z. B. daß 4. und 5. Finger zu schwach seien und alle 5 Finger "gleich stark" gemacht werden müßten und daraus dann "gute Technik" resultiere - dies ist einfach haarsträubend).

LG,
Hasenbein
 
Auf so eine dämliche Frage antworte ich nicht.

Es ist ja pädagogisch überhaupt keine sinnvolle Frage, sich damit zu beschäftigen, was ist, wenn einer "NUR" diese Stücke spielen will.

offenbar hast du die "dämliche" Frage nicht verstanden...
...ich will sie dir trotzdem beantworten: Beethovens Klavierwerke wurden zunehmend schwieriger, nicht mehr so einfach erlernbar mit den von dir (richtig!) erwähnten Mustern - und allerspätestens ab op.101 nützten diese nichts mehr, um die damals (und heute) grausig schwierigen Beethovensachen zu spielen.

zu deinen Fragen:
a) ich rezensiere keine Bücher, deren Nutzen für das spielen schwieriger spätromantischer Literatur nahezu gen Null geht
b) bzgl. Czerny, so tendenziös es im Sinne der Aussageabsicht des Autors auch ist, ist es nicht falsch
c) siehe a) (mich interessiert Czerny bzgl. seiner Etüdensammlungen nicht, denn wie gesagt nützen die Allerweltsmuster nicht mehr für die schwierigeren Sacehn ab ca. 1815)
 
Beethovens Klavierwerke wurden zunehmend schwieriger, nicht mehr so einfach erlernbar mit den von dir (richtig!) erwähnten Mustern - und allerspätestens ab op.101 nützten diese nichts mehr, um die damals (und heute) grausig schwierigen Beethovensachen zu spielen.

Aber was heißt das für einen Dilletanten wie mich? Ich werde in diesem Leben die grausig schwierigen Beethovensachen nicht mehr spielen können, egal wie ich übe. Und es ist auch gar nicht mein Ziel.

Den gleichen "Streit" hatte ich die letzten Wochen mit meiner KL. Sie wollte mir Czerny aufs Auge drücken. Wir sind nun so verblieben, dass mir der Czerny erspart bleibt und ich dafür regelmäßig Bach übe/spiele. Ich kann damit gut leben. M.E. macht es für einen eher unterdurchschnittlich begabten Amateur, der vielleicht 5h/Woche zum üben kommt, wenig Sinn diese Zeit mit Fingerübungen jedweder Art zu vergeuden. Eine zu einfache Sicht der Dinge?
 

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