Gustav Mahler "Kindertotenlieder" arr. für Klavier lernen

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Hallo liebe Leute!

Ich bin zufällig auf Youtube auf folgendes Video gestoßen:


View: https://www.youtube.com/watch?v=rgf4-QaBCrw


Da ich keinerlei Noten für diese Transkription gefunden habe, ich das Stück aber wirklich sehr schön finde, möchte ich, bevor ich beginne, die Noten fleißig vom Video ab zu pinseln, ein paar Fragen loswerden. Vielleicht gibt es ja den Ein oder Anderen unter Euch, der sich schon speziell mit diesem Zyklus von Mahler auseinandergesetzt hat. Die drängendsten Fragen sind:

Kann ich das Stück bewältigen? Ohne Lehrer ist es nicht einfach, passende Stücke, an denen man sich auch aufbauen kann, zu finden. Man ist als Amateur eben geneigt, sich an den schön klingenden Stücken abzuarbeiten und teilweise zu scheitern. Die Partitur sieht an manchen Stellen zwar etwas anspruchsvoll aus, aber das dachte ich z.B. bei Schumanns Kinderszenen auch. Ich spiele bisher daraus: Von fremden..., Bittendes Kind, Träumerei, Kind im Ein..., und Der Dichter spricht. Kann mir jemand sagen, ob es in etwa annähernd das Niveau von dem o.g. Arrangement ist?

Macht es Sinn, nur ausgewählte Stücke dieses Zykluses zu spielen oder ist es eine Vergewaltigung der Kunst Mahlers?

LG
Andreas

 
Da ich keinerlei Noten für diese Transkription gefunden habe, ich das Stück aber wirklich sehr schön finde, möchte ich, bevor ich beginne, die Noten fleißig vom Video ab zu pinseln, ein paar Fragen loswerden.
Nimm doch diesen Klavierauszug hier:
http://imslp.org/wiki/Kindertotenlieder_(Mahler,_Gustav)

Sofern die Singstimme nicht vom Orchester gedoppelt wird, wäre diese lediglich in den vorhandenen Klavierpart zu integrieren.

Die Partitur sieht an manchen Stellen zwar etwas anspruchsvoll aus, aber das dachte ich z.B. bei Schumanns Kinderszenen auch. Ich spiele bisher daraus: Von fremden..., Bittendes Kind, Träumerei, Kind im Ein..., und Der Dichter spricht. Kann mir jemand sagen, ob es in etwa annähernd das Niveau von dem o.g. Arrangement ist?
Die Problematik ist eine andere. Schumanns Kinderszenen sind als Originalwerk auf die Situation, eins zu eins durch den Pianisten wiedergegeben zu werden, angemessen zugeschnitten. Ein Klavierauszug hingegen überträgt das vom Orchesterapparat zu spielende Werk in eine Gestalt, die ein Pianist mit seinen zehn Fingern an seinen zwei Händen mehr oder minder überzeugend als Abbild des Originals präsentiert. Dabei geht zwangsläufig nämlich einiges verloren: Die Klangfarben der Orchesterinstrumente und viele Nebenstimmen bleiben außen vor, da die Griffmöglichkeiten selbst bei technisch versierten Spielern nun mal begrenzt sind. Wo Unpianistisches den musikalischen Fluss hemmt, muss man sich in der Kunst der Reduktion üben.

Dazu bedarf es der Übung und Erfahrung, die man zunächst an überschaubaren Aufgaben schulen sollte. Dazu nehme man sich Kunstlieder und Klavierauszüge (Opern, Oratorien) und versuche die Singstimme mitzuspielen. Vielfach muss man dann den ursprünglich der rechten Hand zugedachten Tonvorrat zur Harmonisierung der Gesangspartie(n) nutzen und das Satzbild ausdünnen, da man dann nicht mehr jede Durchgangsnote mitspielen kann. Am ehesten gelingt der Einstieg in diese Spielweise mit klassischen statt romantischen Vorlagen - frohes Schaffen!

LG von Rheinkultur
 
Danke @Rheinkultur , ich werde darüber nachdenken. Danke auch @Steinbock44 . Danke auch @thinman für den Tip. Die Liebe zur Musik ist zwar da, aber die Leitung ist manchmal verstopft oder es steht jemand drauf.;-)

Andreas
 
Da ich keinerlei Noten für diese Transkription gefunden habe, ich das Stück aber wirklich sehr schön finde, möchte ich, bevor ich beginne, die Noten fleißig vom Video ab zu pinseln,
Ehrlich gesagt hast du offensichtlich noch nie was von Print screen gehört?

Mach das Video so groß es geht (Vollbild) und mit ein paar screen shots in ein Word Dokument ist die Sache gegessen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Jede Transkription, ob gut oder schlecht gemacht inkl. Liszt Transkriptionen ist eine Vergewaltigung des Originals.

Wert der Bearbeitung

Nach dem Vorbilde Liszts, der Schuberts Klavierfantasie („Der Wanderer“) und Webers Polonaise mit Orchester bearbeitet, habe ich, bereits vor etwa 17 Jahren, im frischen Nachahmungsdrang meiner jäh aufgeloderten Liszt-Begeisterung, die „Spanische Rhapsodie“ symphonisch umgestaltet. Es war jene Zeit meines Lebens, da ich mir solcher Lücken und Fehler in meinem eigenen Spiele bewußt geworden war, daß ich mit energischem Entschlusse das Studium des Klavieres von vorne und auf ganz neuer Grundlage begann. Die Werke Liszts wurden meine Führer und erschlossen mir eine ganz intime Kenntnis seiner besonderen Art; aus seinem „Satz“ konstruierte ich meine „Technik“; Dankbarkeit und Bewunderung machten mir damals Liszt zum meisterlichen Freunde. Die Spanische Rhapsodie in ihrer Originalgestalt für Klavier allein, stellt die größten Anforderungen an den Spieler, ohne diesem die Möglichkeit zu gewähren, selbst beim besten Gelingen, die Höhepunkte in eine genügend glänzende Beleuchtung zu rücken. Diese Hindernisse liegen im Satze, im Unzureichenden des Instrumentes, in der begrenzten Ausdauer des Pianisten. Zudem verlangt der nationale Charakter des Stückes nach farbigem Kolorit, wie nur das Orchester es geben kann. Ferner gibt eine solche Umarbeitung dem Pianisten Gelegenheit, seine individuelle Spielweise in Erscheinung zu bringen. Die Virtuosen, die hinter der vorletzten Generation lebten, spielten eigentlich nur eigene Werke und fremde Werke in eigenen Umarbeitungen; sie spielten, was sie sich selbst zurechtlegten; was ihnen „lag“ und eigentlich nur was sie konnten. Sowohl der Empfindung wie der Technik nach. Und das Publikum ging zu Paganini um Paganini (und nicht etwa um Beethoven) zu hören. Heute müssen Virtuosen Verwandlungskünstler sein; die seelische Anspannung welche der salto mortale von einer Beethovenschen Hammerklaviersonate in eine Lisztsche Rhapsodie fordert, ist noch eine ganz andere Leistung, als das reine Klavierspielen selbst. So sind Bearbeitungen im virtuosen Sinne eine Anpassung fremder Ideen auf die Persönlichkeit des Vortragenden. Bei schwachen Persönlichkeiten wurden solche Bearbeitungen zu schwachen Bildern eines kräftigeren Originals und die zu allen Zeiten bestehende Mehrheit der Mittelmäßigen brachte zur Virtuosenzeit auch eine Überzahl mittelmäßiger, ja geschmackloser und entstellender Bearbeitungen zutage, durch welche diese Gattung der Literatur in Verruf und in eine ganz untergeordnete Stellung geriet. Um das Wesen der „Bearbeitung“ mit einem entscheidenden Schlage in der Schätzung des Lesers zu künstlerischer Würde zu erhöhen, bedarf es nur der Nennung Johann Sebastian Bachs. Er war einer der fruchtbarsten Bearbeiter eigener und fremder Stücke, namentlich als Organist. Von ihm lernte ich die Wahrheit erkennen, daß eine gute, große „universelle“ Musik dieselbe bleibt, durch welches Mittel sie auch ertönen mag. Aber auch die zweite Wahrheit, daß verschiedene Mittel, eine verschiedene (ihnen eigene) Sprache haben, in der sie diese Musik immer wieder etwas anderes verkünden. Vivaldis Konzerte, Schuberts Lieder, Webers Aufforderung zum Tanz erklingen je in der Umlautung von Bachs Orgel, Liszts Klavier, Berlioz‘ Orchester. Aber wo beginnt die Bearbeitung? Von dieser Spanischen Rhapsodie existiert eine zweite Lisztsche Fassung, welche den Titel hat: Große Fantasie über spanische Weisen. Es ist ein anderes Stück, es sind zum Teil dieselben Motive. Welche von beiden ist die Bearbeitung? Die, die später geschrieben wurde? Oder ist nicht schon die erste eine Bearbeitung spanischer Volkslieder? Jene spanische Fantasie beginnt mit einem Motiv, welches mit dem Tanz in Mozarts „Figaro“ gleichlautend ist. Und Mozart hat das Motiv auch bereits übernommen, es ist nicht von ihm, es ist bearbeitet. Überdies erscheint – immer dasselbe Motiv noch in Glucks Ballett „Don Juan“. Die häufige Opposition, die ich mit „Transkriptionen“ erregte und die Opposition, die oft unvernünftige Kritik in mir hervorrief, veranlaßten mich zum Versuch, über diesen Punkt Klarheit zu gewinnen.
Was ich endgültig darüber denke, ist: Jede Notation ist schon Transkription eines abstrakten Einfalls. Mit dem Augenblick, da die Feder sich seiner bemächtigt, verliert der Gedanke seine Originalgestalt. Die Absicht den Einfall aufzuschreiben bedingt schon die Wahl von Taktart und Tonart. Form und Klangmittel, für welche der Komponist sich entscheiden muß, bestimmen mehr und mehr den Weg und die Grenzen. Mag auch vom Einfall manches Original, das unverwüstlich ist, weiter bestehen; dieses wird doch von dem Augenblick des Entschlusses an zum Typus einer Klasse herabgedrückt. Der Einfall wird zu einer Sonate, oder einem Konzert: das ist bereits ein Arrangement des Originals. Von dieser ersten und zweiten Transkription ist der Schritt verhältnismäßig kurz und unwichtig. Doch wird im allgemeinen nur von der zweiten Aufhebens gemacht. Dabei übersieht man, daß eine Transkription die Originalfassung nicht zerstört, also ein Verlust dieser durch jene nicht entsteht. Auch der Vortrag eines Werkes ist eine Transkription, und auch dieser kann – er mag noch so frei sich geberden – niemals das Original aus der Welt schaffen. Denn das musikalische Kunstwerk besteht, vor seinem Ertönen und nachdem es vorübergeklungen, ganz und unversehrt da. Es ist zugleich in und außer der Zeit. Im übrigen muten die meisten Klavierkompositionen Beethovens wie Transkriptionen vom Orchester an; die meisten Schumannschen Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser Weise auch. Merkwürdigerweise steht bei den Gestrengen die Variationenform in großem Ansehen. Das ist seltsam, weil die Variationenform – wenn sie über ein fremdes Thema aufgebaut ist – eine ganze Reihe von Bearbeitungen gibt, und zwar umso respektloser, je geistreicherer Art sie sind. – So gilt die Bearbeitung nicht, weil sie an dem Original ändert; und es gilt die Veränderung, obwohl sie das Original bearbeitet. Diese spanische Rhapsodie besteht aus zwei benannten Teilen (Folies d‘Espagne – Jota Aragonese), denen sich ein unbenannter dritter Teil und ein Finale anschließen. Es gibt zunächst eine präludierende Kadenz und Variationen über ein langsames Tanzthema, welches angeblich von Corelli ist, (hier stehen wir wieder im Zweifel, vor der Bearbeitungsfrage!) – Dieser erste Teil steht in cis-moll. Der zweite D-dur Teil bringt ebenfalls Variationen, diesmal über ein lebhaftes achttaktiges Tänzchen, im 3/8 Rhythmus. (Auch Glinka hat es zu einem Orchesterstück benutzt.) Eine neue Kadenz leitet – thematisch vorausgreifend – zum dritten Teile. (Wir treffen dieses Thema in G. Mahlers dritter Symphonie an – wie kommt es dahin?)
Mit Steigerung und Glanz vermengen sich sodann die drei Themen zu einer immer gedrängteren Stretta. Das Motivmaterial der beiden spanischen Fantasien von Liszt haben wir nachweisbar mit den Namen Mozart, Gluck, Corelli, Glinka, Mahler in Verbindung bringen können. Nun tritt noch mein geringer Name hinzu. Der Mensch kann eben nicht schaffen, er kann nur verarbeiten, was sich auf der Erde vorfindet. Und für den Musiker sind es Töne und Rhythmen.

Bei der Bearbeitung für Klavier und Orchester gibt er drei Arten Setzung: 1. Klavier allein, 2. Orchester allein, 3. Klavier mit Orchester. In dem dritten Falle gibt es wiederum drei Arten Umarbeitungen: 1. Das Original zwischen Orchester und Klavier verteilen, 2. Das Original dem Klavier lassen und im Orchester Neues hinzufügen, 3. Das Original dem Orchester geben und im Klavier Neues hinzufügen. – Wahl und Entscheidung für die jeweilige Anwendung dieser Umformungen sind einzig vom Gefühl und Geschmack des Bearbeiters bestimmbar.
Regeln gibt es keine, wohl aber Vorbildliches und – im allgemeinen – viel zu viel Routine.

F. Busoni
 

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