Gruppenunterricht: Vor(ur)teile

Stilblüte

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Ich möchte gern hören, was ihr für Vor- und Nachteile im Gruppenunterricht vermutet oder erfahren habe. Wart ihr schonmal Schüler oder Lehrer von Gruppenunterricht (Klavier / Musik), würdet ihr das gerne sein oder nicht?
Warum / warum nicht?

Was habt ihr als Nachteil oder Vorteil erlebt, was vermutet ihr für Nach- und Vorteile (sowohl als Lehrer- als auch aus Schülersicht)?

Falls ihr je Gruppenunterricht erlebt habt: Wie viele Schüler waren beteiligt, wie alt waren sie, wie standen sie zueinander im Spielniveau, und wie hat der Lehrer den Unterricht gestaltet?

Ich schreibe erstmal nichts dazu, bin gespannt auf eure Gedanken und Erfahrungen!
 
Aus Schülersicht und mit verklärter Erinnerung (ist schon so lange her):
- im Vorschulalter bis erste Klasse (ingesamt 2 Jahre) Gruppenunterricht Musiktheorie
Vorteile: ich habe nicht nur aus meinen Stärken und Schwächen sondern aus denen aller gelernt. Das ist für mich überhaupt der größte Vorteil von Gruppen- (Klassen-, Frontal-...wie man es auch nennen will) unterricht.
- Nachteile: in dem Bereich sehe ich keine
Schüleranzahl: Hmm, so 10? Gleiches Niveau

Später im Kammerorchester bei den Proben (8 Schüler, unterschiedliches Niveau und Instrumente) habe ich die Vorteile ähnlich gesehen, dort aber rein auf das musikalische bezogen. Für technische Umsetzung war dort nachvollziehbar kein Raum, das wurde vorausgesetzt.

Heute würde ich zu theoretischen Fragen in allen Bereichen (egal ob Musik, Fremdsprachen, Handwerk...) einen Gruppenunterricht vorziehen, weil ich den Lehrer-Vieleschüler-Austausch und den Schüler-Schüleraustausch für effizienter halte als Einzelunterricht. Auch z.B. Meisterkurse halte ich musikalisch für die Zuhörer sehr effizient, obwohl sie nicht direkt unterrichtet werden.
Beim Instrumentalunterricht selbst (also die rein technische Umsetzung der Klangvorstellung) kann ich mir Gruppenunterricht nicht vorstellen, weil ich das für viel zu individuell halte. Stärken, Schwächen und Anpassungen der jeweiligen Schüler sind viel zu unterschiedlich, als das man daraus was lernen könnte.
 
Ich hatte Klarinettenunterricht in einer Dreiergruppe aus zwei erwachsenen Anfängern und einer etwas fortgeschritteneren Jugendlichen in folgender zeitlichen Aufteilung:

30 Minuten Einzelunterricht für Erwachsene 1
30 Minuten Unterricht E1 + E2
30 Minuten Unterricht alle drei Spielerinnen
30 Minuten Einzelunterricht für die Jugendliche

Während der gemeinsamen Minuten wurde vor allem das Zusammenspiel geübt.

Ich sehe folgende Vorteile:
- Förderung des Zusammenspiels von Anfang an mit all ihren Anforderungen an Rhythmik, schnelles Kennenlernen der musikalischen Terminologie, "Einsteigen" an den verschiedensten Stellen, Verhältnis der Stimmen zueinander....
- abwechslungsreicher Unterricht möglich
- Vergleich mit den Mitspielern kann die Motivation zu Üben fördern
- man bekommt direkt mit, welche Schwierigkeiten Andere beim Musizieren haben. Es sind entweder dieselben, was beruhigen kann, oder auch zusätzlich ganz andere, was den Horizont ebenfalls erweitern kann

Nachteile:
- Vergleich mit den Mitspielern kann auch demotivieren - je nach Persönlichkeitsstruktur
- Unterricht ist weniger individuell, eventuell auch weniger tiefgängig/intensiv
- Der Unterricht ist schwerer zu organisieren, denn einigermaßen zusammenpassende Schüler müssen auch zur selben Zeit kommen können
- Der Lehrer muss darauf achten, allen Schülern genügend Aufmerksamkeit zu schenken, keiner sollte sich zurückgedrängt fühlen

Sicher fallen mir gleich noch weitere Vor- und Nachteile ein...

Im Klavierunterricht kann ich mir Gruppenunterricht im Anfängerbereich vorstellen oder dort, wo es um eine gezielte Konzertvorbereitung geht, wie z.B. Kammermusik, vierhändige Literatur oder auch in den Bereichen Improvisation, Komposition, Theorie.
Das Modell wie ich es im Klarinettenunterricht erfahren habe mit einer Mischung aus Einzel- und Gruppenunterricht, kann man vielleicht auch mit fortgeschritteneren Schülern ausprobieren, zeitweise oder zusätzlich zum normalen Einzelunterricht.
 
Ich hatte als Jugendliche etwa 1 Jahr Gruppenunterricht, da kein Platz für Einzelunterricht frei war (kein Klavier, ein Blasinstrument) Hätte ich mir auch sparen können.
Wir waren eine Vierergruppe und die anderen waren deutlich schlechter und unmotivierter als ich. Wir haben zum Aufwärmen Tonleitern gespielt und hauptsächlich Trios und Quartette einstudiert. Letztendlich hat der Lehrer dann mit den anderen deren Stimmen geübt und ich habe gewartet. Manchmal hat er mit mir auch etwas extra gemacht und die anderen mussten warten. Eigentlich war das dann 10 Minuten Einzelunterricht mit Zuschauern :004:.
Ich selber gebe häufig Gruppenunterricht (Musikschule, Bläserklassen).
Schreibe morgen ausführlicher dazu.
 
Im Alter von 7 Gruppenunterricht auf der Blockflöte. Das fing bei Null mit den absoluten Basics an. Noten lernen,Takt klatschen, Griffe. Nach einem Jahr hatte ich dann Einzelunterricht, denn da war bereits klar, wer nur irgendwie tutet und wer Musik machen möchte. Für den Anfang fand ich es mit anderen Kindern gut, an das gemeinsame Takt klatschen kann ich mich gut erinnern. Aber dann kam ich alleine weiter. Ansonsten Einzelunterricht Klavier Gitarre. Bei Flöte begleitet mich meine Lehrerin, wenns gut genug ist. Dadurch lernt man noch einiges dazu.
Thema Masterclass: Auch als Zuhörer kann man sich einiges rausziehen.:-)
 
Ich habe vor einiger Zeit in einer Musikschule Kleinstgruppenunterricht für Kinder bis ca. zehn Jahren an zwei Keyboards gegeben. Wahrscheinlich wären adäquate Bedingungen zwei Klaviere im Raum. Ich fand das sehr gut für den Anfangsunterricht und den leicht fortgeschrittenen Unterricht.

Im Anfangsunterricht bestehen die Vorteile aus meiner Sicht darin, dass die Schüler bei Improvisationen auf elementarer Basis in einen Dialog treten können. Einfache Frage-Antwort-Spiele, verbunden z.B. mit Gesprächszenen (die man möglichst konkret vorgeben sollte) oder die musikalische Darstellung von Tieren, die aufeinander treffen, z.B. eine Verfolgungsjagd, liefen sehr gut. Für weiter fortgeschrittene Schüler Studenten im schulpraktischen Klavierspiel und / oder Improvisationsunterrricht wären auch Szenen aus Dramen oder Filmen denkbar.

Im leicht fortgeschrittenen Stadium, also u.a. dem Spiel nach Noten, eignet sich dann zusätzlich zu den genannten Methoden der Gruppenuntericht zur Aufteilung in Melodie und Begleitung, auch das Reagieren aufeinander lässt sich da gut fördern. Auf populäre Musikstile bezogen z.B. auch (kenne ich aus eigenen Fortbildungen): Einer spielt z.B. ein Blues-Begleitpattern, der andere improvisiert dazu.

Generell lassen sich in Gruppen natürlich auch Höraufgaben integrieren: Eine/r spielt die/der andere hört zu, und anschließend reflektieren die Lernenden die Ergebnisse.
 
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Einfache Frage:
Musiktheorie: Viel besser und deutlich mehr Fun in Gruppe, bis zu 15 Personen (es kommen nicht alle;-))
Klavierunterricht: Alleine , alles andere halte ich für einen Schwachsinn
 
Ich hatte im Alter von 42 Jahren pro Woche eine Dreiviertelstunde Einzelunterricht und 3 Stunden Gruppenunterricht. Wir waren durchschnittlich 10 Erwachsene zwischen 20 und 55, keine Anfänger, zum Teil recht fortgeschrittene Schüler. Zugegeben, von den 3 Stunden Gruppenunterricht wurden oft eine oder manchmal eineinhalb Stunden verquatscht, aber immer Musik/Klavier bezogen.

Diese Kombination halte ich für extrem förderlich. Man motiviert sich, lernt voneinander, sieht die Stärken und Schwächen von sich und den anderen, alles Theoretische kann viel effektiver vermittelt werden, lernt das Vorspielen vor fachkundigem Publikum (Lampenfieber), lernt mit Kritik umzugehen…und das Gefühl, einer Gruppe anzugehören, die ein gemeinsames Ziel verfolgt. Und: Es wurden regelmäßig in kurzen Abständen Vorspiele/Konzerte mit normalem Publikum organisiert, was auch enorm zum Fortkommen beigetragen hat.

Ich sehe auch im Nachhinein nur Vorteile. Das ist jetzt 25 Jahre her und die Gruppe trifft sich noch heute einmal pro Woche, allerdings privat, ohne Lehrer (fast alle sind inzwischen selber Lehrer), geht gemeinsam in Konzerte und veranstaltet solche.

Leider machen die Lehrer unter uns die Erfahrung, dass normale Klavierschüler, vor allem die jüngeren, praktisch nicht für diese Art Gruppenunterricht zu begeistern sind. Und erwachsene Schüler hat keiner der Lehrer genug, um eine Gruppe aufzumachen. Es müssten sich mehrere Lehrer dazu zusammenfinden, was bei uns deshalb nicht klappt, weil sie aus einem 40km-Einzugsgebiet kommen. In Großstädten müsste das aber machbar sein. Leider steht oft auch ein Konkurrenzverhalten unter den Lehrern dem entgegen.
 
Einfache Frage:
Musiktheorie: Viel besser und deutlich mehr Fun in Gruppe, bis zu 15 Personen (es kommen nicht alle;-))
Klavierunterricht: Alleine , alles andere halte ich für einen Schwachsinn
@playitagain

Naja, Schwachsinn würde ich es erst im weiter fortgeschrittenen Stadium nennen, wenn Individualität und längere Unterrichtsphasen am einzelnen Schüler erforderlich werden. Und selbst dann kann man viel durch Unterricht an anderen lernen. Es gibt ja auch viele passive Teilnehmer bei Meisterkursen. Und solange sich niemand dabei langweilt und vor allem etwas mitnimmt, ist doch alles gut. Aber dauerhafter Gruppenunterricht geht meiner Meinung nach nur sinnvoll bei Gruppen bis zu zwei, maximal (!!) drei Personen.

@Stilblüte

Ich lese aus deinem Post, dass du Gruppenunterricht geben wirst / musst. Evaluiere das doch einmal nach einer Weile mit deinen Lernenden. Das ist dann auch mehr an deine Person und deinen Unterrichtsstil gebunden. Am besten über (ggf. anonyme) Fragebögen. Die Fragen könnten sich z.B. in folgende Richtung bewegen:

- Beschreibe deine Eindrücke aus dem Gruppenunterricht.

- Hast du das Gefühl, dass dich der Gruppenunterricht weitergebracht hat als (dein bisheriger) Einzelunterricht? Warum ja, warum nein?

- Was würdest du dir für Gruppenunterricht wünschen?

Dann kannst du entscheiden, ob das zu verwirklichen ist.
 
Ich lese aus deinem Post, dass du Gruppenunterricht geben wirst / musst.
Da hast du dich verlesen :002: Es sei denn, du meinst Kammermusik, Kurse, Seminare und ähnliches, das ist ja strenggenommen auch Gruppenunterricht. Hier spreche ich aber tatsächlich von Musikunterricht in der Gruppe. Da ist bei mir aktuell nichts geplant. Könnte aber irgendwann mal wieder kommen, weil ich das sehr spannend finde! Der "Nachteil" ist, dass Gruppenunterricht viel zeitintensiver vorbereitet werden muss als Einzelunterricht. Was z.B. rechtfertigen würde, dass man den Unterrichtspreis dann nicht halbiert und auf die zwei Schüler aufteilt - aber das ist eine ganz andere Frage.

Erzählt gerne weiter! Das ist interessant!
 
Der erste Lehrer ist überaus wichtig, vielleicht sogar der wichtigste überhaupt.
Und was man gerade als Anfänger nicht gebrauchen kann, ist Geklimper und Getröte und Gekratze in unmittelbarer Nähe. Gruppenunterricht ist eine ganz schreckliche, rein finanziell motivierte und pseudopädagogisch gerechtfertigte Verirrung. Abschaffen, aufhören, sofort!
 

@Stilblüte

Ok, dann müsste ich genau wissen, was deine Intention bei der Frage ist, also worauf du hinaus willst. Denn das ist ja ein extrem weites Feld...

Meinst du Zweier-Gruppenunterricht am Klavier, Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen, oder musikwissenschaftliche Seminare für Studenten?

Oder alles ganz allgemein? Dann wird es aber schwierig, differenzierte Antworten zu geben.
 
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Ich meine Unterricht, der darauf abzielt, Menschen das Spielen eines Instruments beizubringen. Aber kein Klassenunterricht. Also in Gruppen mit einstelliger Teilnehmerzahl.
 
Ok. Dann passt ja das, was ich dazu geschrieben habe, wahrscheinlich zu deiner
Fragestellung.

Falls nicht, frage gerne nochmal nach.
 
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(Guter) Instrumentalunterricht (für Erwachsene) ist für mich eine sehr individuelle, ja nahezu "initme" Situation. Man gerät oft an die Grenzen dessen, was man kann oder nicht kann, gibt viel von sich, seinem "Inneren" preis. Das möchte ich nicht mit Dritten teilen.
 
(Guter) Instrumentalunterricht (für Erwachsene) ist für mich eine sehr individuelle, ja nahezu "initme" Situation. Man gerät oft an die Grenzen dessen, was man kann oder nicht kann, gibt viel von sich, seinem "Inneren" preis. Das möchte ich nicht mit Dritten teilen.
Dem möchte ich mich anschliessen. Zumal ich die Stücke, die ich spielen möchte, mitbringe. Das wäre dann ja gar nicht so möglich. Als Erwachsener möchte ich einen auf mich abgestimmten Unterricht, denn jedermanns Kenntnisstand und Fallgruben sind anders.:-)
 
Ich kenne Gruppenunterricht außer für Melodieinstrumente für keyboards, wobei die Keyboards wie Melodieinstrumente genutzt werden.

Komplexen Klavierunterricht dagegen halte ich ungeeignet für Gruppenunterricht. Einzig das Herausziehen der Musiktheorie und Gehörbildung kann in Gruppen adäquat erfolgen und wird auch oft instrumentübergreifend in Musikschulen so angeboten. Im Gegenteil kostbare Unterrichtszeit am Klavier mit dem Erklären des Quintenzirkels für eine Person ist Luxus.
 
Es wäre schön, wenn ihr eure Meinung "halte ich für ungeeignet" etc. begründen könntet!
 
Ich meine Unterricht, der darauf abzielt, Menschen das Spielen eines Instruments beizubringen. Aber kein Klassenunterricht. Also in Gruppen mit einstelliger Teilnehmerzahl.
...hängt die Gruppentauglichkeit nicht ein wenig vom Instrument ab? 8 oder 9 Leute (einstellig!) an einer Kirchenorgel etwa, das wird ein ziemliches Gedränge und Geschiebe... hingegen 8 oder 9 Leute mit je einer Triangel... ;-)
 

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