Gelerntes nicht bis zum nächsten Tag verlernen

@hasenbein hat sehr recht, wenn er sagt, dass man keine Fehler machen soll. Wenn du einen Fehler nur einmal machst, bist du auch schon weit! Solch ein Üben ist sehr effektiv und man braucht viel weniger Zeit für ein Stück, weil man seinem Hirn und seiner Motorik zeigt, wie es geht. Wenn man immer wieder Fehler macht, wird das arme Hirn ganz verwirrt, weil es nicht mehr weiß, was denn nun richtig ist.
Des weiteren besteht die Notwendigkeit, bei unterlaufenden Fehlern die Ursache ermitteln zu können. Handelt es sich um grundlegende Auffassungsmängel, die immer wieder zu Ungenauigkeiten führen? Oder gibt es nur ein einzelnes Detail, das eine fehlerfreie Ausführung mehr oder weniger oft verhindert? Oder gibt es grundlegende Defizite (z.B. Skalenspiel), die beim Literaturspiel zu den jeweiligen Pannen führt? Ziel bleibt es idealerweise, dass die fehlerfreie Umsetzung des Gelernten auf Abruf gelingt und eben nicht Glückssache ist. Könnte man alles Gelernte sofort verlustfrei speichern, blieben auch Unzweckmäßigkeiten und Fehlhandlungen allgegenwärtig und das Spiel wäre ein unbeherrschbares Chaos. Dauerhaft gespeichert werden sollten beim Filtern der vielen Eindrücke und Impulse nur die Inhalte, die zur Bewältigung der gestellten künstlerischen und audiomotorischen Aufgaben verhelfen.

Am Folgetag auf dem Leistungsmaximum wieder zu starten gelingt eher selten. Bei zweckmäßiger Einstudierungstätigkeit wird das Leistungsmaximum des Vortages allerdings schneller wieder erreicht. Zunehmende praktische Spielerfahrung und Literaturkenntnisse haben zur Folge, dass ein immer größeres und anspruchsvolleres Pensum bewältigt wird. Eine gute Portion Gelassenheit gehört auch zu den Voraussetzungen für den Spielerfolg.

LG von Rheinkultur
 
Am besten wäre, man würde auf die hinterherhinkenden Pfeifen [2 und 3] verzichten, denn [1] kann und weiß ja schon alles (zeigt ja, wie´s geht)...
;-):drink:
Jo... dann wär' Klavierspielen kein großes Ding mehr, wenn das nur im Denken geschehen würde. Dummerweise braucht es den Körper als Umsetzer und Mittler auch noch dazu.

Bei den besten Pianisten (bzw. denen, die ein Stück gründlichst ausgeübt haben) hört und sieht es sich auch tatsächlich so an, als ob deren Klavierspiel "nur im Denken entstünde" und kein hinderlicher oder unzulänglicher Körper dazwischen wäre.

Das ist aber immer eine Illusion...
 
Zuletzt bearbeitet:
Viele spielen viel zu schnell. Der Klassiker ist, dass sie denken, sie spielten langsam, aber fast im gleichen Tempo wie vorher spielen. Aufnehmen hilft!
Meine Erfahrung mit Klavierschülern hat zudem gezeigt, dass sie oft, wenn sie sich verspielen und neu ansetzen, jedes Mal schneller spielen. Wenn ich sie dann frage, ob sie das gemerkt haben, zeigen sie, dass ihnen das nicht bewusst ist. In meinem Unterricht geht es deshalb oft auch um bewusste Tempovorstellung und Tempowahrnehmung. Eine wahrhaft große Aufgabe.
 
Eine gute Portion Gelassenheit gehört auch zu den Voraussetzungen für den Spielerfolg.
:super: ... und Geduld...

Die Medaille hat halt immer zwei Seiten: dadurch, dass Klavierspiel erlernen Zeit, Arbeit (oder sagen wir besser: eine gewisse Disziplin) erfordert, kann man sich eben auch über das Erreichte, und den eigenen Stand, wirklich freuen.

Es ist ja (egal, wo man jetzt steht) das Resultat von viel eigenem Einsatz.
 
Jo... dann wär' Klavierspielen kein großes Ding mehr, wenn das nur im Denken geschehen würde
@Dreiklang ...ich fürchte, du hast meinen Scherz nicht begriffen: wenn man [2] und [3] weglassen könnte, dann denkt da keiner mehr ;-):-D denn im zitierten Satz von @chiarina sind es das Hirn [2] und die Motorik [3], denen "man" [1] (was ich als Zeiger bezeichnet hab) beibringen muss, wie es geht :-D für gewöhnlich spielt sich das Denken im Hirn ab
 
Sofern man nicht von der Taste abgerutscht ist, kommen Fehler immer daher, dass man die Note nicht bewusst gespielt hat. Auf das Muskelgedächtnis kann man sich nicht verlassen, ein fehlerfreier Vortrag bleibt damit immer ein Zufallserfolg.

Das stimmt nicht. Wenn man beispielsweise bei einem schnellen Triller jede Note bewusst spielen will, dann wird der Triller alles mögliche - aber garantiert nicht schnell. Und dasselbe gilt prinzipiell für jedes virtuose Passagenwerk und sogar für anspruchsvollere "große" Technik. Ohne Automatisierung und damit unbewusstes Agieren ist virtuoses Spiel nicht möglich. Das sogenannte "Muskelgedächtnis" eignet sich nicht zum Memorieren ganzer Sonatensätze, aber zum schnellen Spiel ist es unerlässlich.
 
Am Folgetag auf dem Leistungsmaximum wieder zu starten gelingt eher selten. Bei zweckmäßiger Einstudierungstätigkeit wird das Leistungsmaximum des Vortages allerdings schneller wieder erreicht. Zunehmende praktische Spielerfahrung und Literaturkenntnisse haben zur Folge, dass ein immer größeres und anspruchsvolleres Pensum bewältigt wird. Eine gute Portion Gelassenheit gehört auch zu den Voraussetzungen für den Spielerfolg.
ist doch schön, dass man was richtiges zum Thema ganz ohne Strapazierung der Vokabel "Hirn" ausdrücken kann!!
 
Und dasselbe gilt prinzipiell für jedes virtuose Passagenwerk und sogar für anspruchsvollere "große" Technik. Ohne Automatisierung und damit unbewusstes Agieren ist virtuoses Spiel nicht möglich.
exakt ---- allerdings wird vor dem automatisieren von synchronen Bewegungsgruppen jeder einzelne Tone 100%ig bewusst gespielt/gelernt/durchdacht.
 
:super::super::super: das ist relevant!
Man glaube nie, man sei allein, wenn man hinter verschlossener Tür übt: denn tatsächlich sind immer dreie anwesend: der Zeiger [1], der schon alles weiß und kann, und dieser beglückt das Hirn [2] und die hirnlose Motorik [3] mit seinen Kenntnissen, bringt es also diesen beiden bei. Am besten wäre, man würde auf die hinterherhinkenden Pfeifen [2 und 3] verzichten, denn [1] kann und weiß ja schon alles (zeigt ja, wie´s geht)...
;-):drink:

Lieber rolf,

es geht ja in diesem Faden um Programmierung und Speicherung. Und das betrifft nun mal das Gehirn. Es kann bei diesem Thema nicht schaden, sich mit der Funktionsweise dieses Organs auseinanderzusetzen. In dem von mir geschilderten Fall sorgen häufige Fehler beim Üben dafür, dass man diese Fehler einübt und die Stelle anfällig für Fehler ist und bleibt.

Zur plastischen Anschauung dieser Tatsache (ein weiteres Bild ist, dass sich mit dem ersten Fehler wie bei einer Schallplatte eine Rille ins Hirn gräbt, und bei weiteren Versuchen, diese Stelle zu spielen, die "Nadel" immer wieder in die erste Rille gelangt/gelangen will und mit jedem erneuten Fehler diese Rille verstärkt wird - eine Metapher von Altenmüller, die zeigen soll, dass man nichts ver-lernt) kann man durchaus das Hirn als DIE Steuerzentrale des Körpers gesondert benennen und begreifen. So wie es auch Journalisten und Wissenschaftler in Büchern mit dem Titel "das egoistische Gehirn" u.v.a. tun. Man wird sich über die Abläufe in diesem Organ und seiner Verbindung mit den Sinnen etc. bewusster.

Wer über die Arbeits- und Funktionsweise unseres Gehirn Grundlegendes weiß, weiß auch, wie er effektiv üben kann. Ob man dabei das Wort Hirn verwendet oder nicht finde ich völlig irrelevant.

Das Risiko der Dreifaltigkeit bzw. der Inkarnation des Pluralis Majestatis schätze ich in diesem Forum eher gering ein. :007: :heilig::drink:

Liebe Grüße

chiarina
 

Danke für die ganzen Antworten bisher. Klingt sehr interessant und ich werde mal schauen, ob ich in den nächsten Tagen Fortschritte feststellen kann.
 
Pssssst... Es gibt auch Gründe, in bestimmten Übesituationen die Fehlerfreiheit nicht an erste Stelle zu setzen... :005: :027:

Aber die gelten nur, wenn man das hier Genannte bereits als Grundsatz verinnerlicht und verstanden hat und praktiziert...
 
Deshalb stelle ich mir das extrem langsam Spielen sehr schwer vor.

Es ist schwer, ich übe es bei Satie. Irgendwann "zerreisst" die Musik.

Ich spiele (die langmeist zu schnell, ich Temperamentbündel kann mich am Klavier nur schwer zügeln. Entsprechend häufig kommen Fehler vor.

Vorhin habe ich den Szymanowski gaaanz langsam gespielt, ich musste mich ziemlich unter Kontrolle halten um nicht schneller zu werden. Und siehe da, die Finger haben sicher ihren Weg gefunden, die Töne konnten sie besser formen - auch an den Taktenden, die mir oft nicht leicht genug gelungen sind. Der angeblich schwache 5er hat bei mir leider zu oft die Wucht eines Peitschenschlages (so kommt es mir jedenfalls vor).

Das sehr langsame Spielen war wie Meditation, ich konnte mich viel besser auf den Klang konzentrieren und darauf, woran ich noch feilen muss. Keine Spur von Zerreissen, es war wie ein Schweben. Und ich hatte nur einen Fehlgriff.
:-)

Ich bin gespannt darauf, was mein Gehirn damit macht und, was morgen passieren wird.
 
Ah, dann geht es bei dem seeeehr langsam spielen gar nicht darum, dass es noch Musik bleibt :-) Interessant.
genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn man es schafft, auch im langsamen Spiel zu musizieren, dann wird es im schnellen erst recht gelingen.
Ich beobachte allgemein, daß Schüler gerne ein schnelles Stück schnell schnell spielen wollen.
Es fehlt oft das Vertrauen, daß sehr gründliche Vorbereitung, die in der Ruhe stattfinden muß, notwendig ist, um ein virtuoses Werk auch entsprechend leichtfüssig darbieten zu können.
Wenn man zu schnell schnell übt, übt man vor allem den Stress mit, der bei jedem Ton dabei ist, daß er falsch werden könnte. Und nix merkt sich unser Hirn oder Solar plexus, oder was auch immer so gerne, wie Stress.
Wie @mick schon schrieb: Gründliche Vorbereitung, dann, aber erst dann kann man alles gehen lassen, und aufhören zu denken. Das kann ein durchaus steiniger Weg sein.
Dann gilt: Hören und Fühlen.
 
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Was meinst Du denn mit 'bewussten Spiel'?

Dass man nicht auf Autopilot spielt. Man kann durch simples Üben die Noten in die Finger programmieren und die Passage läuft durch. Oder auch nicht. Und wenn man daneben greift, dann kann man den Fehler nicht benennen, weil das Bewusssein für das Gespielte fehlt. Dann muss man nochmal zurück und sich ganz langsam herantasten. Obendrein hat man auf Autopilot eine unzureichende Kontrolle über den Vortrag.

Man kann von der Passage aber auch eine Vorstellung im Kopf haben und diese durch Abrufen eines technischen Repertoires umsetzen. Ich übe auf optische Vorstellung, aber da gibt es sicher noch andere Möglichkeiten.

Als Kampfsportler sehe ich da immer die Parallelen. Dort besteht die Kunst darin, komplexe Bewegungsabläufe erst zu automatisieren und dann in der Anwendung bewusst zu steuern. Das Bewusstsein bezieht sich dabei auf das Was und nicht mehr auf das Wie. Gedanken über das Wie wären viel zu langsam. Beim Klavier ist das genauso, nur weniger tödlich.
 

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