Frage zum Takt in P&F-Paar aus WTK II D-Dur

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Hallo,

ich habe heute das D-Dur-Präludium aus dem WTK II angefangen und mittlerweile zweifle ich an meinem (hoffentlich) gesunden Menschenverstand.

In Takt 5 verstehe ich partout nicht die Aufteilung des Taktes. Obwohl es insgesamt ein 12/8-Takt ist, findet man im Bass und Sopran nur 9 Achtel, in der Mittelstimme dagegen 10 Achtel :confused:
Das Notenbild zeigt ja eigentlich genau, welche Noten gleichzeitig gespielt werden müssen, aber das leuchtet mir überhaupt nicht ein.
In der ersten Takthälfte hat man 2 mal die gleiche rhythmische Figur: Punktierte 8tel + 16tel. Diese Figur dauert 2 8tel lang. Soweit so gut. Rechts sollen aber in der gleichen Zeit eine 8tel und 4 16tel gespielt werden. Also 3 8tel. :confused:

Und was hat es zu bedeuten, dass als Taktangabe erst alla breve steht und gleich daneben 12/8-Takt?!?!?!

lg marcus
 
Komponisten sind bequeme Menschen - auch wenn sie als protestantische Kantoren in Leipzig angestellt sind. Der 12/8-Takt dient dazu, die vielen Triolenbögen zu vermeiden, gedacht ist er allerdings als 2/2-Takt (siehe T 2 und 4).

In T 5 wird es dann in der Tat gemein:
Die Oberstimme ist in ihrer ersten Hälfte alla breve-Takt notiert, in der zweiten Hälfte als 6/8-Takt.
In der Mittelstimme ist genau umgekehrt.
Die Unterstimme ist zunächst drei Vierteln notiert, das letzte Viertel ist als Rest eines 12/8-Taktes zu lesen.

In der Tat: nett ist das nicht von dem alten Herrn!
 
Komponisten sind bequeme Menschen - auch wenn sie als protestantische Kantoren in Leipzig angestellt sind. Der 12/8-Takt dient dazu, die vielen Triolenbögen zu vermeiden, gedacht ist er allerdings als 2/2-Takt (siehe T 2 und 4).

In T 5 wird es dann in der Tat gemein:
Die Oberstimme ist in ihrer ersten Hälfte alla breve-Takt notiert, in der zweiten Hälfte als 6/8-Takt.
In der Mittelstimme ist genau umgekehrt.
Die Unterstimme ist zunächst drei Vierteln notiert, das letzte Viertel ist als Rest eines 12/8-Taktes zu lesen.

In der Tat: nett ist das nicht von dem alten Herrn!
Aha... so ganz versteh ich das aber immer noch nicht.
Wenn du sagst, dass es eigentlich ein 2/2-Takt ist, was ist dann mit Takt 1? Auch wenn ich die 8tel triolisch nehme, haut das ja nicht hin. Da müsste man dann den ersten Teil in 6/8 denken und dann ähhh

Du sagst, dass in Takt 5 die Mittelstimme erst in 6/8 dann alla breve notiert ist und die Unterstimme nicht. Also bringt man es "einfach" irgendwie so zusammen, dass das, was in den Noten übereinander steht, gleichzeitig gespielt wird, ja?

Was hat sich dieser alte Bach nur dabei gedacht?

Woher weiß man, überhaupt von dieser kuriosen Splittung der Takte in 6/8 und alla breve? Hast du das aus der Taktangabe herausgelesen?
Meine KL meinte zu dem "alla breve" bloß, dass es eben im doppelten Tempo gespielt werden müsse.

marcus
 
:confused:

Hallo marcus,
aber so kompliziert ist es doch gar nicht. Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

Er ist vielleicht etwas schreibfaul, aber immer sehr deutlich. Der gute Bach sagt hier doch sehr klar: "Mensch, Junge, zähl halbe Takte." Das sagt sein alla-breve. Wenn dieser Puls steht, kann nichts schief gehen. Dann spielst du letztlich im 1. Takt 6 Achtel und in der gleichen Zeit in T. 2 4 Achtel, die dann natürlich entsprechend langsamer sind.

In T. 5 sind natürlich keine Punktierungen gemeint! Die sind triolisch an die rechte Hand anzugleichen

Die einzige Stelle wo ich ihn gerne etwas gefragt hätte ist T. 18/20. Mich hätte interessiert, ob es ihm selbst besser gefällt, wenn man die Achtel, die motivisch aus T. 2 kommen triolisch angleicht oder duolisch lässt.

By the way: Sag deinem Klavierlehrer das mit alle-breve im doppelten Tempo ist Unfug.

Wenn es dich interessiert, ein interessantes Buch über Tempi bei Bach ist von Gleich/Sonnleitner: Bach, wie schnell?

Viele Grüße
Axel
 
Hallo Axel, sorry Marcus,

Axel hat natürlich Recht. Da habe ich mich selber etwas in meinen Gedankenlabyrinthen verrannt. :oops: In der Tat sind die Punktierungen natürlich triolisch aufzufassen. In TT 18 und 20 scheint mir, müssen die Achtel der linken Hand eindeutig duolisch gespielt werden. Sonst hätte Bach auch hier Punktierungen notiert. Die Kombination triolischer und duolischer Achtel in einem Takt erkennt man übrigens in T 44 sehr schön.
 
Alla breve im Sinne von Grundschlag = Halbe ist das sicherlich nicht. Bleiben wir also lieber beim Vierertakt, der hier zum Teil als 4/4, zum Teil als 12/8 notiert ist. Die Viertel des 4/4-Taktes sind genauso lang wie die punktierten Viertel des 12/8 Taktes, beide Taktarten haben also denselben Grundschlag, anders wären sie ja auch kaum vereinbar. Oft ist in einer Stimme der Grundschlag in 4/16 unterteilt, in einer anderen in 3/8, das wechselt sogar innerhalb eines Taktes auf einzelnen Schlägen. Was im Viertel-Grundschlag notiert ist, ist triolisch anzugleichen, d.h. statt punktiertem Viertel + Sechzehntel im Viertel-Grundschlag ist triolisches Viertel + Achtel zu spielen im 3/8-Grundschlag. Nur die wenigen Takte, die ausschließlich als 4/4 notiert sind und ausschließlich gerade Achtel enthalten, können duolisch gespielt werden. Und daß diese auch duolisch zu spielen sind und nicht triolisch anzugleichen sind, war wohl der Sinn dieser etwas verqueren Notation, denn Triolen kannte man als Notationsweise auch schon im Barock, Duolen kannte man als Notationsweise noch nicht. Gerade Achtel gegen triolische Achtel kommen in dem ganzen Stück nicht vor, sondern nur punktierte Achtel + Sechzehntel gegen 3/8 -- ein Hinweis darauf, daß darin gewiß nichts polyrhythmisch gemeint ist.

Die Punktierung ist im Barock nicht immer wörtlich zu nehmen. Es gibt im WTK Beispiele, wo ein Punkt das Achtel nicht um ein Sechzehntel verlängert, sondern nur um ein Zweiunddreißigstel (D-dur-Fuge aus WTK I). Oft sind Punktierungen schärfer zu nehmen, und es ist doppelt zu punktieren. Im Barock findet man auch Gigues, die im geraden Takt punktiert notiert sind. Würde man sie so spielen, wären es aber keine Gigues mehr.

Die Gepflogenheit, punktierte Rhythmen zu schreiben, wo triolische gemeint sind, pflegte noch Schubert, und selbst beim polyrhythmischen Chopin ist sie noch zu finden (Prélude E-dur). Später griffen Jazz und Pop die Gepflogenheit wieder auf: meist ist alles, was dort punktiert notiert ist, triolisch zu spielen, also nicht straff in Vierteilung des Grundschlags, sondern schlaff und locker in Dreiteilung des Grundschlags.
Die Frage, wann in diesem Bach-Präludium Dreiteilung des Grundschlags und wann Vierteilung zu lesen ist, die als Dreiteilung ausgeführt werden sollte, ist doch aber eigentlich offensichtlich.
 
Alla breve im Sinne von Grundschlag = Halbe ist das sicherlich nicht. Bleiben wir also lieber beim Vierertakt, der hier zum Teil als 4/4, zum Teil als 12/8 notiert ist.


Hallo J. Gedan,
im Prinzip gehe ich völlig mit dir konform. Beim ersten Satz habe ich trotzdem leise Zweifel. Was macht dich so sicher?
Klar, zum Üben würde ich auch Viertel oder punktierte Viertel zählen. Im Resultat würde ich aber versuchen, ein zügiges Tempo zu wählen, so dass im Background langsame Halbe zu spüren sind.
Der Grund liegt für mich bei Bach selbst. Er kennt auch die Kombination 12/8 und C. Als Organist fällt mir spontan ein: aus dem Orgelbüchlein "Jesus Christus unser Heiland" aus dem Osterzyklus. Da muss es ja einen Unterschied geben, sonst hätte er auch im D-Dur C und nicht alla-breve geschrieben.
Viele Grüße
Axel
 
Die Frage, wann in diesem Bach-Präludium Dreiteilung des Grundschlags und wann Vierteilung zu lesen ist, die als Dreiteilung ausgeführt werden sollte, ist doch aber eigentlich offensichtlich.
Wenn man in diesen Angelegenheiten so bewandert ist wie du, mag das zutreffen. Mir sind Rhythmusnotationen, die letztlich anders gespielt werden als notiert, noch relativ fremd.

Ich denke, ich habe das jetzt verstanden. Mal schaun, ob ich das meiner KL beibringen kann (Sprachschwierigkeiten :rolleyes: )
Bestimmt taucht dennoch die ein oder andere Frage dazu auf.

marcus
 
In T. 5 sind natürlich keine Punktierungen gemeint! Die sind triolisch an die rechte Hand anzugleichen
Damit ich jetzt nicht was völlig falsches lerne: Ich würde das jetzt so angleichen, dass erst eine Viertel und dann eine Achtel kommt, und das ganze als Triole. Richtig?

Was mich sehr irritiert sind jetzt die Takte 2 und 4. Um hier nicht das Tempo zu verlieren, müsste ich ja auch hier anders spielen als notiert. Andernfalls wären diese Takte viel kürzer als z.B. die Takte 1 und 3.

Irgendwie verleidet mir diese Geschichte gerade das Präludium... :(

ein leicht frustrierter marcus
 
Was mich sehr irritiert sind jetzt die Takte 2 und 4. Um hier nicht das Tempo zu verlieren, müsste ich ja auch hier anders spielen als notiert. Andernfalls wären diese Takte viel kürzer als z.B. die Takte 1 und 3.
Stell Dir die Takte 1 (und ähnliche) einfach mit Triolen-Klammern vor, die Takte 2 und 4 sind "normale" Achtel.

Irgendwie verleidet mir diese Geschichte gerade das Präludium... :(

ein leicht frustrierter marcus
Sieh es' doch einfach unter dem sportiven Aspekt. ich finde da die verqueren Takte und Rhythmen bei Prokofieff wesentlich schwerer. ;)
 
Stell Dir die Takte 1 (und ähnliche) einfach mit Triolen-Klammern vor, die Takte 2 und 4 sind "normale" Achtel.


Sieh es' doch einfach unter dem sportiven Aspekt. ich finde da die verqueren Takte und Rhythmen bei Prokofieff wesentlich schwerer. ;)
Aha!!!!!!!!!! Endlich hab ich das Entscheidende gerafft. (glaub ich) :D
Diese Figur Achtel + 4 16tel ist auch triolisch zu sehen. Damit ergeben sich 4 mal 3 Achteltriolen = 4 Viertel
Boah, das war eine schwere Geburt. Wenn man's verstanden hat, sieht man dieselbe Info auch bei J.Gedan...

Was Prokofieff angeht: Der 7/8 des Precipitato (was ich in Köln angedeutet habe) rockt! Und ist vergleichsweise leicht. Aber bestimmt gibts bei Prokofieff noch manch andere rhythmische Gemeinheit.

marcus
 

"Was macht dich so sicher?" (Axel)
Wer ist sich schon sicher? Aber Hermann Keller ("Das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach", Bärenreiter) schreibt zu dem D-dur-Präludium: "Die doppelte Taktvorschrift ... " [nämlich alla breve und 12/8] "deutet auf ein lebhaftes Tempo und auf eine duolische Ausführung der Achtel in Takt 2 und 4." Keller macht in dem Büchlein Tempo-Vorschläge zu allen Präludien und Fugen und schreibt immer brav "Halbe = xx", wo eindeutig alla breve vorgeschrieben ist. Bei diesem D-dur-Präludium schreibt er aber ebenso brav punktiertes Viertel = 84.

Ich halte von solchen Tempoangaben wenig bis gar nichts. Aber daß auch er hier Viertel denkt und nicht halbtaktig, ist ja immerhin ein Hinweis, daß die Alla-Breve-Angabe anders zu lesen ist. Um zu erläutern, warum, müßte man einen Aufsatz schreiben über barocke und nachbarocke Notationspraxis, was eine wochenlange Arbeit wäre. Als Hinweis möge genügen, daß sogar noch im ersten Satz der Mondscheinsonate ("Adagio sostenuto") mit dem Alla-Breve-Zeichen nicht Halbe gemeint sind, sondern Viertel- statt Achtelgrundschlag.

Ansonsten ist das aber auch nicht weiter wichtig, denn es bleibt auch im 4/4-Takt dem Spieler überlassen, ob er in halben Takten oder in Vierteln denkt. Meistens hängt das eher davon ab, wieviele Noten auf einen Schlag erscheinen, und weniger von der Schreibweise der Taktart. Abhängig davon und vom Tempo denkt man oft ja sogar ganztaktig, egal was als Taktart vorgeschrieben ist.
 
@ J. Gedan: im Prinzip kann ich völlig zustimmen. Keller hatte ich auch schon zu Rate gezogen. Allerdings lese ich das immer sehr vorsichtig. Keller kam aus einer romantischen Schule und ist nicht gerade einer der Protagonisten der historischen Aufführungspraxis.
Aber lass uns nicht um des Kaisers Bart streiten. Für die Praxis ist es eher marginal.

Viele Grüße
Axel
 

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