Oder gibt es noch andere Gründe, nur noch für die eine bzw. die andere Konfession zu spielen?
Als Vertreter dieses Personenkreises (Katholik, der des öfteren Orgeldienste in evangelischen Kirchen übernimmt) hätte ich ein von Fall zu Fall relevantes Argument: Wenn ich bereits einen Dienst übernommen habe, muss ich zeitgleich zu absolvierende weitere Dienste ablehnen, da auch Musiker nicht zur Bilocatio taugen, also nicht an zwei oder mehr Orten gleichzeitig sein können.



Allerdings würde ich dies nicht ausschließlich machen, da es nicht unbedingt den besten Eindruck macht. Es kann einem schnell nachgesagt werden, nur des Geldes wegen Orgel zu spielen. Da würde ich aufpassen.
Wer als professioneller Dienstleister freiberuflich tätig ist, darf selbstverständlich seinen Lebensunterhalt unter der Beachtung der Gesetzeslage nach eigenem Ermessen erwirtschaften. Insofern sehe ich keinen Grund, dass man das Erbringen professioneller Dienstleistungen gegen Bezahlung irgendwie beanstanden kann. Nicht in Ordnung ist es lediglich, wenn jemand für Tätigkeiten nach professionellen Maßstäben entlohnt wird, die er nicht oder in nicht ausreichendem Umfang beherrscht. Dies wäre der Fall, wenn das Engagement an entsprechende Voraussetzungen gebunden ist, die der Bewerber zu gewährleisten hat, beispielsweise der Nachweis eines erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudiums in einer bestimmten Fachrichtung. Während bei Festanstellungen diese Voraussetzungen kritisch geprüft werden, wird bei einzelnen Vertretungsdiensten oder zeitlich eng befristeten Beschäftigungszeiträumen mitunter weniger streng verfahren, zumal die Zeit bei der kurzfristigen Neubesetzung bereits feststehender Termine meist drängt. Ich spreche aus Erfahrung: Zwar habe ich einst meine erste Spielpraxis auf der Orgel erworben, dann aber Klavier studiert und mich später auf Musiktheorie und Komposition spezialisiert und diese Studiengänge auch ordnungsgemäß abgeschlossen. Zeitgleich habe ich immer konzertiert und vor Vokal- und Instrumentalensembles gestanden - den für meine Engagements zuständigen Entscheidungsträgern war bewusst, dass sie mich gewissermaßen als Seiteneinsteiger mit den entsprechenden Aufgaben betrauen würden. Stünden einschlägig qualifizierte Mitbewerber zur Verfügung, würde man vermutlich diesen den Vorzug geben.
Insofern kann man begabte Kandidaten guten Gewissens zum beruflichen Seiteneinstieg auf Tätigkeitsfeldern ermutigen, die sie womöglich nicht schwerpunktmäßig an der Hochschule studiert haben. Wer sich dann langfristig (über Jahre hinweg) im beruflichen Alltag bewährt, wird mitunter ernster genommen als so mancher, der sich nach dem einschlägigen Fachstudium nicht mehr weiter entwickelt und fortgebildet hat, weil er sich noch Jahrzehnte nach seinem Examen als Meister seines Faches auf Lebenszeit einschätzt.
Ich wüsste nicht, wo ich die Zeit hernehmen sollte, auch noch bei den Kollegen zu spielen.
Das kann nicht nur "auf dem Dorf" durchaus passieren: Versierte und erfahrene Dienstleister können sich in Fachkreisen durchaus recht zeitnah einen guten Namen machen. Da teilen sich dann wenige alle in der Region anstehenden kirchenmusikalischen Aufgaben untereinander auf und haben recht schnell gut gefüllte Auftragsbücher, wobei die meisten Dienste innerhalb bestimmter Zeitfenster gleichzeitig oder unmittelbar aufeinander folgend anstehen.
Klar, die ev. Kirche zahlt besser. Muss sie auch, bei nur einem Gottesdienst pro Woche. Dafür erwartet man dann doch etwas ausgefeilteres Literaturspiel.
Letzteres hat etwas mehr Vorbereitungszeit zur Folge: Die Orgelmusik zu Beginn und Ende (plus dezente Begleitung des Abendmahls) ist in den Ablauf des Gottesdienstes integriert, indem die Gemeinde beispielsweise das Nachspiel bis zum Ende sitzend miterlebt, wie man es eher im Konzert erwarten würde.
Eine gewisse Flexibilität kann dann auch von Vorteil sein. Ich hatte an zwei aufeinander folgenden Sonntagen in einer evangelischen Kirchengemeinde zu vertreten, die ihrem hauptamtlichen Kirchenmusiker fristlos kündigen musste. Da die Gottesdienste in der Ferienzeit erfahrungsgemäß eher mager besucht sind, wünschten sich die Pfarrer die Durchführung mit den Gemeindemitgliedern im Stuhlkreis und der Kirchenmusiker sollte am neben dem Altar stehenden Flügel und nicht an der Orgel Platz nehmen. Zum Glück gibt es diverse Bach-Busoni-Transkriptionen und dergleichen, was für den Rahmen durchaus angemessen war... .
LG von Rheinkultur