Flügel mit Wiener Mechanik restaurieren??

Hallo liebes Board!

Um hier mal wieder eine Frage zu stellen, die etwas mit alten Instrumenten und nicht mit Beethoven zu tun hat ... :

Ich habe einen alten Geradseiter mit Wiener Mechanik "gerettet" (Er wäre sonst im Bauschutt gelandet und optisch ist er einfach noch ungewöhnlich gut erhalten, das hab ich nicht übers Herz gebracht...). Der Klavierbauer hat mir wie erwartet von einer Restauration abgeraten, da die Kosten höher sind als gutes gebrauchtes Instrument (Flügel) oder eine neuwertiges Pianino zu kaufen. Vor allem weil man halt nicht weiß, was noch alles kommt, wenn man mal anfängt bei einem Instrument was mindestens 30Jahre lang nicht gespielt und gewartet wurde.

Nachdem er aber nun mal in meinem Wohnzimmer steht, hab ich gedacht, ich lern mal möglichst viel selbst zu machen und wenn ich ihn in einen halbwegs brauchbaren Zustand bringe und er die Stimmung hält lass ich den Klavierbauer nochmal für das nötigste ran. Danach kann ich entscheiden ob ich ihn behalte oder wieder los werde...

Zumindest hab ich inzwischen viel gelernt. Folgendes habe ich gemacht:
* Mehrmals stimmen und auf Tonhöhe (440Hz) bringen, erst mit einfachen Stimmgeräten, dann mit Entropy Piano Tuner
* Austauschen der Saiten, die dabei gerissen sind ... (3 Stück)
* Tastenhöhe mit Papierscheiben ausgleichen (waren zum Glück nur wenige Tasten)
* Tischlerarbeiten am Gehäuse (ein Fuss war locker, das Mechanikfach leicht verzogen, ev. auch durchs Hochstimmen)
* Einstellen, bzw. entfernen des Mechanikspiels
* Glätten des Leders der Hammerköpfe
* Ausrichten der Hämmer, damit wieder alle 3 Saiten bei allen Tasten getroffen werden
* Reparatur eines gebrochenen Hammers
* Lyra und Pedale ausrichten

Was noch aussteht:
* Einzelne Dämpfer dämpfen nicht mehr 100%, die Saiten klingen nach. Nachdem es da nichts zum Einstellen gibt, und die Dämpferfilze alle gleich gut aussehen ist mir die Ursache nicht ganz klar.
* Das Una Corda Pedal macht nicht was es soll. Die Tastatur wird links nach oben gedrückt, statt zur Seite. Die Mechanik dazu ist eigentlich sehr simpel, warum es nicht richtig funktioniert ist mir nicht klar...
* Optische Aufarbeitung / Reinigung der Elfenbeintasten
* Einzelne Fänger nachjustieren und 2 Tasten die gelegentlich hängen nochmal anschauen...

Wenn Ihr mir dazu Tipps geben könnt bin ich sehr dankbar!

Klanglich ist es seit dem letzten Stimmen mit ETP zumindest wieder ein Klavier, denoch hätte ich gern einen wärmeren Ton bei den mittleren Saiten, etwas vollere Bässe und etwas klarere Höhen (die haben fast nur Anschlag und kaum Tonalität). Auserdem würd ich gern das Pianio leisser bekommen. (Forte ist mehr als laut genug...). Kann ich da noch was selbst machen / vorarbeiten, oder muss ich das dem Klavierbauer überlassen?

* Ich habe nur 2 Saitenstärken im Instrument gefunden, würde es helfen die obersten Tasten dünner zu besaiten? (momentan 0.8er)

Vielen Dank für Eure Hilfe!
* Kann man belederte Hämmer Intonieren?
* Hab ich unter umständen zu viel Spiel aus der Mechanik genommen (Tasten gehen schwerer als vorher / haben gar kein Spiel mehr)?

Vielleicht hat ja jemand sachdienliche hinweise, oder kann mir Tipps für die weitere Recherche geben!
Bezüglich Stimmen hab ich mich mit der Obersten Okatave sehr schwer getan. Gibts da Tipps, oder brauche ich einfach einen längeren Stimmhammer?
 
Ein Geradsaiter mit belederten Hämmern? Der stammt ja ganz tief aus dem 19. Jahrhundert. Wer ist denn der Hersteller?

Und nein, so etwas schmeisst man nicht weg. Der (Kosten)vergleich zu einem modernen Instrument ist sinnlos, da es sich um ein ganz anderes Instrument handelt, welches auch einen eigenen Liebhaberkreis hat. Wenn Du irgendwo einen Klavierbauer für historische Instrumente greifbar hast, würde ich dem das Instrument nochmal zeigen. Einen Klavierbauer, der nur moderne Instrumente kennt, lässt man an sowas nicht heran...
 
Hersteller ist Gebrüder Stingel, er dürfte so von 1890 rum sein. (Opus 3487)

Sorgen wegen 440 hatte ich durchaus, aber eine tiefere Stimmung wäre für mich unpraktisch. Habe ihn allerdings zuerst einen halbton tiefer gestimmt (dabei sind schon die Saiten gerissen, manche mussten ein Quint nach oben ... ), und dann auf 440 gebracht. Bisher ist er mir noch nicht um die Ohren geflogen ...
Werde mal beobachten ob die Stimmung hält ...

Jetzt muss ich erstmal schauen, wie weit ich noch komme... vielleicht gibt es noch Tipps?! :-)
 
Sorry, Gebr. Stingl ...
 
Hersteller ist Gebrüder Stingel, er dürfte so von 1890 rum sein. (Opus 3487)

Sorgen wegen 440 hatte ich durchaus, aber eine tiefere Stimmung wäre für mich unpraktisch. Habe ihn allerdings zuerst einen halbton tiefer gestimmt (dabei sind schon die Saiten gerissen, manche mussten ein Quint nach oben ... ), und dann auf 440 gebracht. Bisher ist er mir noch nicht um die Ohren geflogen ...
Werde mal beobachten ob die Stimmung hält ...

Jetzt muss ich erstmal schauen, wie weit ich noch komme... vielleicht gibt es noch Tipps?! :-)
Bete daß Dir die Gußplatte ned a noch reißt.

440Hz für so einen alten Flügel sind einfach mal zu viel.

Stimmung auf 432 max 435 Hz !
 
Meinem ist das auch egal.
 

Habe mal sicherheitshalber gebetet ... Aber jetzt ist er schonmal oben und das Gusseisen noch ganz. Ich vermute wieder runterstimmen bringts jetzt auch nicht, oder? Hätte eh eher Angst, dass mir der Stimmstock um die Ohren fliegt, denn der ist noch nicht "gepanzert"...

Alter hab ich nur aus so einer Datenbank, mit Opus Nummer und Hersteller ... Hab gerade nochmal den Wikipedia Artikel von Stingl gelesen, demnach kann es eigentlich nur nach 1895, vermutlich sogar nach 1900 gebaut sein und vor 1918....
 
Bj. 1894, Gebr. Stingl

Ja. Was mich nur wundert, laut Wikipedia erfolgte die Namensänderung auf Gebrüder Stingl eigentlich erst nach dem Tod des Vater 1895. Und das Gebäude in der Laxemburger Strasse wurde erst danach bezogen, und die Adresse steht schon auf meinem Resonanzboden. Aber so knapp vor 1900 dürfte schon stimmen. Älter als 120 ist er jedenfalls...

Aber eigentlich gings mir ja eher um Tipps, was ich noch machen kann ... ;-) als ums genaue Alter ....

Tieferstimmen möchte ich, wenn nicht unbedingt nötig vermeiden ... ist einfach blöd beim Zusammenspielen... Man kann zwar die meisten Instrumente tiefer stimmen, aber eben nicht alle und nicht immer einfach. Und auch das mitspielen zu Aufnahmen gestaltet sich schwer...

Vielleicht hat ja noch jemand Tipps zu meinen ursprünglichen Fragen?
 
Tieferstimmen möchte ich, wenn nicht unbedingt nötig vermeiden
bei so einem alten Instrument ist davon auszugehen, daß die Saiten und Stimmnägel irgendwann mal gewechselt worden sind.
Wenn der Klavierbauer, der das gemacht hat sich was gedacht hat, hat er üblicherweise die Saitenstärke eine Nummer geringer genommen, damit die Belastung mit neuem Saitenmaterial nicht so hoch ist.
 
Saitenstärke ist ca. 1mm in der Mitte 0.8 bei den Oberen ...
 
leider nein, weder auf dem steg noch bei den Stimmwirbeln konnte ich was finden ...
 
Nur ein kurzer Statusbericht hier, um den Thread nicht sterben zu lassen...
Klavierbauer war jetzt mal da, um meine Arbeiten und mein Vorstimmen zu begutachten. Er war wohl recht überrascht... Beim ersten Besuch wollte er mir den Flügel gleich ausreden. Jetzt ist ihm die regulierte Tastatur aufgefallen und er meinte "Klingt ja schon fast wie ein Steinway ... ". Er war jedenfalls recht zügig mit nochmal Stimmen fertig und hat mir noch ein paar Tipps gegeben um die Mechanik noch flüssiger zu bekommen. Die hab ich inzwischen Umgesetzt und jetzt spielt er sich wirklich sehr gleichmäßig und zuverlässig. Mal sehen ob/wie er die Stimmung hält. Nach 2 Wochen habe ich mal 2 Töne (komischerweise beides A ...) nachgestimmt, weil jeweils eine Saite Schwebungen verursacht hat, ansonsten passt er noch gut.

Ansonsten gibt es natürlich noch Details, an den ich gern optimieren würde, aber vor allem muss ich endlich wieder anfangen auf einem richtigen Klavier zu spielen ... Nach 15 Jahren nur Keyboards und E-Piano muss ich mir erstmal wieder ein Klavierrepertoire zulegen ...

Auffällig finde ich immer noch den relativ schweren Anschlag. Zumindest schwerer als alle meine E-Pianos (und das waren seinerzeit eher hochwertige Modelle). Und auch schwerer als andere Wiener Mechaniken in meiner Erinnerung. Vielleicht gut zum Üben (Krafttraining vergleichbar einer englischen Mechanik...), aber mir ist der Grund nicht klar. Hab ich beim Regulieren den Abstand zu klein gemacht?
Ansonsten würde ich gern den Klang noch ein bisschen wärmer bekommen, wenn das geht.
 

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