Das, was heute die Szenerie der Reparaturteile für Automobile ist, Batterien, Scheinwerfer, Bremsbeläge, Auspufftöpfe, Internet, ebay..., das war "damals" nach ca. 1880 das Gebiet der Klavierteile-Lieferanten. Zum Höhepunkt im neuen Jahrhundert brauchtest du als Schreiner nur ein Gehäuse zimmern; sämtliche Innereien konnte man sich kataloggemäß hinzu kaufen. Gussplatten, Stimmstöcke, Wirbel, Mechaniken komplett oder in Einzelteilen, Pedalanlagen, alles. Das war die Zeit, in der in jeder Residenzstadt min. fünf Klaviermacher waren, und in Städten wie Hamburg, München, Berlin teils je 150 bis 200 Werkstätten für Klaviere bestanden, die nahezu alle auf dem Zukauf von standardisierten Teilen basierten und i.w. nur die Gehäuse selber fertigten und den Zusammenbau machten.
Ganz wesentlich getrieben war dieses Business durch die Entwicklung der "Stencil pianos", die in den USA verbunden war mit dem Namen J.P. Hale, wichtiger und böser Konkurrent alt eingesessener und etablierter Pianofirmen wie Mason & Hamlin, Chickering, Weber oder Steinway. Du konntest bei Hale Klaviere zu 50 oder 100 Stück erwerben und deinen eigenen Namen draufkleben. Hale war ein Kaufmann und unglaublich geizig, brutal geizig in seiner Sparsamkeit. Bei Hale gab es alles, vom Schrottpiano, das schon bei der Auslieferung auseinanderfiel, bis halbwegs ordentlich gebaute Sachen, allerdings dann mit höheren Preisen.
In der Folge der US-Stencils entwickelte sich in Frankreich, England und auch Deutschland eine sehr rege Klavierbau-Szene, die es letztlich jedem Schreinermeister verstattete, sich "seine" Klavier-Innereien aus Katalogteilen zsammenzustecken - dann ein Gehäuse drum, unn feddich.