Der Untergang von Musik, Kultur und Abendland

  • Ersteller des Themas Dreiklang
  • Erstellungsdatum

Und wenn Leute wie du, Mick, aufhören, die Musik vor 300 Jahren qualitativ gegen die von heute herabzusetzen, dann wird ein Komponist von heute auch eine Chance haben. Dies wird sicherlich keineswegs Einaudi sein. Aber dein Ohr ist verklärt.
Generell sollte man vermutlich eher damit aufhören, Musiken verschiedener Zeiten wertbezogen gegenüber zu stellen - also "neue" Musik mit "alten" Maßstäben und "alte" Musik mit "neuen" Maßstäben zu messen.
 
Ich suche mir ja niemanden aus. Ich antworte auf einen Beitrag.
Und in diesem hat Mick ja einige Komponisten heutiger Zeit genannt. ;)

Aber ansonsten stimme ich Dir zu, Nils. Die Träumerei von Schuhmann, der A-Moll-Walzer von Chopin...alles schöne Stücke, aber auch nicht mehr. Gerade letzteres ist ja nun kein großes musikalisches Geheimnis*. Ein Quintfall mit schön phrasierter Melodie....kommt millionenfach vor und hätte heute nur noch eine Chance in der Rock- und Popwelt.

*das soll natürlich nicht das geniale Gesamtwerk Chopins schmälern

...ahc war schneller :)
 
Aber gerade in dem Beitrag, auf den du geantwortet hast, hat mick doch so viele Komponisten neuer Musik aufgeführt? Das ist ja eben das, was ich meine.

Ja, das hab ich auch gecheckt. Ich habe etwas pauschal geantwortet.

Dennoch glaube ich nicht, dass die von Mick erwähnten Musiker, den gleichen Status erreichen, wie Mozart etc.

Einfach, weil sie aus der falschen zeit kommen.
 
Und in diesem hat Mick ja einige Komponisten heutiger Zeit genannt. ;)

Aber ansonsten stimme ich Dir zu, Nils. Die Träumerei von Schuhmann, der A-Moll-Walzer von Chopin...alles schöne Stücke, aber auch nicht mehr...

Dann empfehle ich einen oder mehrere forschende Blicke in die Träumerei von Schumann ohne H. Kompositorische Meisterschaft in höchster Verdichtung. Hut ab!
Und wie sprach damals mein Prof: "Wenn Schumann hätte geschrieben nur Träumerei und sonst nicht, wäre Komponist gleich groß!"
 
Wenn es um Kunst geht, gibt es etliche Kriterien, die möglichst in höchstem Maße erfüllt sein sollten. Zwei elementare sind - zumindest in der Musik - DIE IDEE (Melodieverlauf) und die HANDWERKLICHE (kompositorische) AUSFÜHRUNG. So simpel und eingängig die Träumerei scheint, hier gäbe es - gerade auch deshalb! - Bestnoten, während sich Eunaudi halt bei seinen besten Stücken mit einer 2-3 begnügen muss.

Nils, Deine Theorie bezüglich des Angebots teile ich nicht ganz. Zu Bachs Zeiten gab es nahezu in jeder kleinen Stadt Organisten / Kapellmeister etc. mit hohen kompositorischen Fähigkeiten - und wer ist übriggeblieben?
 
Wenn es um Kunst geht, gibt es etliche Kriterien, die möglichst in höchstem Maße erfüllt sein sollten. Zwei elementare sind - zumindest in der Musik - DIE IDEE (Melodieverlauf) und die HANDWERKLICHE (kompositorische) AUSFÜHRUNG. So simpel und eingängig die Träumerei scheint, hier gäbe es - gerade auch deshalb! - Bestnoten, während sich Eunaudi halt bei seinen besten Stücken mit einer 2-3 begnügen muss.

Nils, Deine Theorie bezüglich des Angebots teile ich nicht ganz. Zu Bachs Zeiten gab es nahezu in jeder kleinen Stadt Organisten / Kapellmeister etc. mit hohen kompositorischen Fähigkeiten - und wer ist übriggeblieben?
wer ist übriggeblieben ? ist Wurscht :lol:
 
Dennoch glaube ich nicht, dass die von Mick erwähnten Musiker, den gleichen Status erreichen, wie Mozart etc.
Einfach, weil sie aus der falschen zeit kommen.

Und aus welcher meiner Aussagen genau schließt du das?

Weißt du eigentlich, wieviel Arbeit es macht, Stücke von Messiaen, Webern, Ligeti, Crumb, Berio etc. zu lernen? Glaubst du wirklich, ich mache das, obwohl ich die Sachen eigentlich für zweitrangig halte? Niemand zwingt mich dazu. Meine Lehrerin wäre auch zufrieden, wenn ich mich auf das Repertoire von Bach bis Ravel beschränken würde.

LG, Mick
 

Nils, Deine Theorie bezüglich des Angebots teile ich nicht ganz. Zu Bachs Zeiten gab es nahezu in jeder kleinen Stadt Organisten / Kapellmeister etc. mit hohen kompositorischen Fähigkeiten - und wer ist übriggeblieben?

Jo Fish, aber ich meinte ja "verglichen mit heute". Und da ist ein Musiker pro Stadt, nicht gerade viel. Heute hast du millionen Musiker "pro Stadt", weil jeder Musiker der Welt, in jeder Stadt der Welt, verfügbar ist.

Demnach ist es viel einfacher gewesen, sich unter den wenigen, einen guten Ruf zu machen. Und da dieser Zustand über Jahrzehnte, gar Jahrhunderte, andauerte, lagen einfach keine Möglichkeiten vor, neue Rockstars zu schaffen. Man hielt sich an die etablierten. Und das tut man noch heute.
 
Und aus welcher meiner Aussagen genau schließt du das?

Weißt du eigentlich, wieviel Arbeit es macht, Stücke von Messiaen, Webern, Ligeti, Crumb, Berio etc. zu lernen? Glaubst du wirklich, ich mache das, obwohl ich die Sachen eigentlich für zweitrangig halte? Niemand zwingt mich dazu. Meine Lehrerin wäre auch zufrieden, wenn ich mich auf das Repertoire von Bach bis Ravel beschränken würde.

LG, Mick

Mick, ich habe mich bereits korrigiert. Meine Antwort war zu pauschal. Weniger auf dich persönlich bezogen.
 
Nils, ich glaube (!!!), dass die Qualifikationen damals ungleich höher waren. Sicher gibt es heute in einem 20.000-Einwohner Städtchen 200 "Musiker", aber eher einen bis keinen, der den damaligen handwerklich das Wasser reichen konnte. Und eines unterschlägst Du: Die andere Seite der globalen Vernetzung und Übersättigung ist, dass ein Musiker heute auf einen Schlag Millionen erreichen kann. Damals wurden handgeschriebene Noten mit der Kutsche oder per Pedes durchs Land gekarrt. Viel schwerer war es damals, seinen Ruf zu verbreiten.

Summa summarum denke ich, dass sich die Vor- und Nachteile von Heute und Gestern die Waage halten. Und beiden ist gemein, dass erst die Nachwelt bestimmt, wer überdauert. Es ist müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
 
Hallo,

also meines Erachtens liegt eines der Grundproblemen in solchen Diskussionen, dass die Begriffe E-Musik und U-Musik vermischt werden, und Produkte aus beiden Sparten miteinander verglichen werden. Um einen ausgelutschten Vergleich zu bemühen, möchte ich sagen, dass es für mich das gleiche ist, als ob man Äpfel mit Birnen vergleichen würde.

Bevor jetzt Leute ankommen und sagen "Es ist doch völlig ungerechtfertigt manche musikalische Literatur als ernste Musik zu bezeichnen, und andere als Unterhaltungsmusik herabzuwürdigen", würde ich hierzu gerne etwas sagen: Die Einteilung in diese Klassen geschieht meines Erachtens durch den Selbstanspruch des Komponisten und der Musik. Einen interessanten Wandel hat hier übrigens tatsächlich der so oft zitierte Einaudi bestritten: Von der ehemaligen "rechten Hand" Berios zum Komponisten von (sehr umkomplexer) Filmmusik. Der Selbstanspruch Einaudis hat sich in dieser Zeit sicherlich gewandelt, allein die Tatsache, dass er seine Musik zur Untermalung von Unterhaltungsprodukten freigibt, zeigt, dass es ihm weniger um den E-Aspekt als um den U-Aspekt seiner Musik geht.

Und ich würde hierzu gerne noch eine Sache sagen: In den Begriffen E-Musik und U-Musik liegt für mich keinerlei Wertung. Wenn ich E-Musik höre, dann höre ich diese Musik bewusst, das ist m.E. Vorraussetzung um diese Musik zu verstehen und zu genießen. Wenn ich gebrainfucked bin und Entspannung suche, höre ich zwar auch abundzu sehr gerne E-Musik, aber wenn ich zusätzlich noch irgendwelche Tätigkeiten bewerkstelligen muss, höre ich auch sehr gerne "U-Musik" aus dem Grund, dass sie es vermag mich ohne viel Anstrengung zu unterhalten.

Und naja, okey, eine kleine Wertung liegt für mich doch in den Begriffen: Und zwar möchte ich behaupten, dass E-Musik oftmals komplexer ist als U-Musik, aus diesem Grund ist E-Musik "unwahrscheinlicher" als E-Musik. ich meine Damit, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zufallsgenerator eine gesamte Brucknersymphonie ausspuckt ist auf jeden Fall geringer, als die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Generator ein paar Einauditakte ausspuckt (was aufgrund der hohen Selbstähnlichkeit dieser Stücke ja schon ausreicht). Und nun ist es doch direkt einsehbar, dass komplexe Musik einen höheren Informationsgehalt besitzt, und somit auch mehr Stimmungen/Gefühle/sonstwas vermitteln kann als einfachere Musik. Aus diesem Grund finde ich komplexere Musik einfach interessanter, da sie abwechslungsreicher ist, und einfach viel viel viel mehr vermitteln kann als einfachere Musik (Konjunktiv! Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wenn man z.B. doch recht einfach gehaltene Stücke von Satie mit mittelmäßigen klassischen Komponisten vergleicht, aber Komplexe Musik hat m.E. eher die Möglichkeit dazu, solche Inhalte zu übermitteln).


Aus diesen Gründen denke ich, dass es gerade die Durchmischung dieser Begriffe ist, welche dazu führt, dass viele Leute den Untergang der abendländischen Musikkultur hervorprophezeien. E-Musik und U-Musik haben einfach völlig verschiedene Szenen, was ja an sich auch nichts schlechtes ist. Aber jeder der schonmal auf einem Orchesterfestival war oder auf einem Festival für neue Musik (wobei auf einem solchen war ich leider noch nie, habe mir aber schon öfters was davon erzählen lassen) wird merken, dass die abendländische (E-)Musikkultur keinesfalls dem Untergang geweiht ist.

Und um nochmal was persönliches loszuwerden: Nils, für mich persönlich hat ein Schostakovich tatsächlich den gleichen Stellenwert wie ein Beethoven.

Ganz liebe Grüße,

Daniel

P.S. Bin jetzt etwas zu faul diesen Beitrag auf Rechtschreibfehler hin zu untersuchen
 
Daniel, ich bin gegenteiliger Meinung. Dieses ganze E/U-Zeugs ist doch Blödsinn und selbst wenn Du es verneinst, so wertest Du dennoch:

der so oft zitierte Einaudi bestritten: Von der ehemaligen "rechten Hand" Berios zum Komponisten von (sehr umkomplexer) Filmmusik. Der Selbstanspruch Einaudis hat sich in dieser Zeit sicherlich gewandelt, allein die Tatsache, dass er seine Musik zur Untermalung von Unterhaltungsprodukten freigibt, zeigt, dass es ihm weniger um den E-Aspekt als um den U-Aspekt seiner Musik geht.
Alleine die Tatsache, dass heute vieles unter E einsortiert wird, was früher U war, zeigt den falschen, weil stets nur modisch-temporären Ansatz.

Wir wollen hier aber nicht über diese (unsinnige) Unterteilung reden, sondern kamen von der Frage: Was überdauert?

Und hier - wie auch bei der Frage nach Kunst - ist die Komplexität keinesfalls ein Kriterium. Es gibt massig hochkomplexes (konstruiertes) Zeug in Malerei, Musik und anderen Kunstsparten, das niemals Kunst ist und auch nicht überdauern wird. Es stellt sich vielmehr immer die Frage nach der Gestaltungshöhe (oder-tiefe) - diese kann uns eher Aufschluss geben. Hier stimmt dann Dein Beispiel mit dem Zufallsgenerator - aber halt nicht wegen der Komplexität, sondern wegen der Intelligenz und Schöpfungshöhe, die der Maschine abgeht. Und natürlich auch den Komponisten, die Dreiklangbrechungen ohne Idee aneinanderreihen.

Aber alles können wir nur aus unserer momentanen Sicht bewerten. Und die ist - ob wir das wollen oder nicht - stets von Trends und Moden geprägt.
So what? Müßig, das Ganze...
 
Die Begriffe "E-Musik" und "U-Musik" sind de facto Blödsinn. Seit wann sollte eine komplex komponierte und genial interpretierte Kunstmusik-Komposition denn nicht unterhalten können? Ist Musik denn je zu irgendeinem anderen Zweck gemacht worden, als zur Unterhaltung der Menschen...? Nein, natürlich nicht.

Und wieso sollte ein Popmusik-Stück nicht "ernst" sein können...? Gibt mehr als genug dieser Art...

Im übrigen bezweifele ich, daß andere Musikgattungen den Menschen weniger stark bewegen könnten, als die Kunstmusik. Komplexität ist nicht alles. Geniale Ideen und eine ebensolche, konsequente Umsetzung braucht es auch noch, das ist viel wichtiger. Und diese genialen Ideen findet man hier wie dort.

---

TEY repräsentiert eine bestimmte musikalische Entwicklungsstufe des Menschen - durch die auch der größte klassische Komponist einmal gegangen ist. Deswegen könnte es durchaus passieren, daß TEY niemals untergehen wird, denn es wird immer Menschen geben, die (momentan) auf genau dieser Entwicklungsstufe stehen.

Und warum wird "Alle meine Entchen" niemals aussterben? Aus dem gleichen Grund. Weil für jeden von uns das Begreifen der musikalischen Dur-Tonleiter einmal das allerhöchste war.

---

Ein wesentlicher Unterschied der heutigen gegenüber der früheren Zeit ist, daß sich heute jeder musikalisch/instrumentale Höchstleistungen zu Gemüte führen kann. Früher gab es nur live-Konzerte, die Menschen erlebten hin und wieder einen großen Pianisten in Aktion. Irgendwie drängt sich mir der Verdacht vom "Einäugigen unter den Blinden" auf ;) Würde mich nicht wundern, wenn zu Zeiten klassischer Komponisten schlechter konzertiert wurde, als heute. Denn wer im Vergleich zu anderen sowieso schon besser ist, wird in der Regel nicht viel dafür tun, perfekt zu werden.

Heute jedoch "darf" sich jeder Musiker an den besten Arbeiten und Vertretern seines Faches messen. Die innerhalb von Sekunden verfügbar sind...
 
Einaudis Fall liegt doch auf der Hand: Als Berios Handlanger verdient man keine Kohle, als Easy-Listening-Fuzzy in Film/Werbung sehr wohl.
 
Die Begriffe "E-Musik" und "U-Musik" sind de facto Blödsinn. Seit wann sollte eine komplex komponierte und genial interpretierte Kunstmusik-Komposition denn nicht unterhalten können? Ist Musik denn je zu irgendeinem anderen Zweck gemacht worden, als zur Unterhaltung der Menschen...? Nein, natürlich nicht.

Jawoll, eine flotte Matthäuspassion, schon ist Leben in der Bude.
 
Einaudis Fall liegt doch auf der Hand: Als Berios Handlanger verdient man keine Kohle, als Easy-Listening-Fuzzy in Film/Werbung sehr wohl.
Dann muß man Einaudi wohl eine gewisse Genialität (?) zusprechen: denn wie wir alle wissen, ist es in der Musik nicht gerade leicht, gut Geld zu verdienen.
Jawoll, eine flotte Matthäuspassion, schon ist Leben in der Bude.
Wer sagt denn, daß die "flott" gespielt sein sollte...? Wohl eher: "grandios-eindringlich".
 

Zurück
Top Bottom