Chopin: Prélude e-moll, op. 28,4 - wie sich dem Stück nähern?

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Folgenden Link habe ich von einem meiner Klavierschüler erhalten (und wollte ihn Euch nicht vorenthalten):

http://www.ted.com/talks/benjamin_z...mail&utm_medium=social&utm_campaign=ios-share

Und hier der übersetzte Text:
http://www.ted.com/talks/benjamin_zander_on_music_and_passion/transcript?lang=de

Was Benjamin Zander in seiner Einführung zu dem e-moll-Prélude wunderbar gelingt: zum Wesen des Stückes vorzudringen ohne großen musiktheoretischen Ballast. Eine Anregung nicht zuletzt für alle, die sich in irgendeiner Form mit der Vermittlung von Musik beschäftigen.

Aber noch eindringlicher finde ich den Gedanken, den er ab 18:57 spinnt: Darüber kann man lange sinnieren ...

Und sich nicht abschrecken lassen: Das Video ist transkribiert und mit deutschen Untertiteln versehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Wolfgang,

ich kann zwar kein Video hören und sehen - dort kommt beim Anklicken der Text, der vermutlich gesprochen wird - , aber herzlichen Dank! Der Autor trifft meine eigenen Gedanken zu 100%! Und sehr schön, wie er die Linie des Preludes erklärt und überhaupt mit viel Humor und Sachverstand erzählt und dabei immer wieder an die Erfahrungswelt der Menschen anknüpft und so die Brücke schlägt zwischen dieser und der Musik! Klassische Musik wird so nicht als intellektuelle Überhöhung, als elitär, sondern als Abbild des Lebens verstanden, was sie ja auch ist.

Ich führe das Prelude oft über die Improvisation ein, was hier in der Situation eines Vortrags natürlich nicht möglich ist. Der Schüler spielt irgendwelche Akkorde mit links, völlig egal, welche Töne, und spielt dazu das h. Dann einen anderen Akkord und wieder das h. Wie klingt der Unterschied? Er macht sich also improvisatorisch auf die Suche und erfährt, dass das h immer anders klingt, wenn unterschiedliche Akkorde/Färbungen und Farben dazu gespielt werden.

Dann kann man Akkorde vorgeben, die im Prelude zu finden sind. Immer noch kennt der Schüler die Noten nicht. Er spielt die Akkorde nach und hört das h dazu. Er überlegt, wie das h dazu klingt, ob und welche Dissonanzen sich ergeben, wie sich der Ausdruck und die Farbe je nach Akkord verändert, welchen emotionalen Gehalt diese Farbe hat.

Aber auch umgekehrt: wie klingt ein Akkord mit h und wie mit c? Was verändert sich?

Etc. etc.....

Liebe Grüße

chiarina
 
Wow, super Video.
So etwas nenne ich Berufung.
Der Hammer der Typ.
 
Danke Wolfgang.

Mir gefällt das Video und das Stück sowieso und dieser Satz hat mich hypnotisiert:

"Die Aufgabe des C ist es, das H traurig zu machen."

Das wär mir nicht aufgefallen. Ich hör daß es traurig ist aber ich weiß nicht warum.

Wo kann ich mehr von solchen Erklärungen finden? Gibt es dazu Bücher?
 
Ich spiele das Prelude gern, aber traurig ist für mich da nichts.
Es ist wunderbare Musik, ja. Es fällt in zwei Anläufen mit unschiedlicher Chromatik der Einzelstimmen zielstrebig nach e-moll ab und erfüllt seine Einleitungsfunktion perfekt, sofern das Folgestück harmonisch dazu passt (ich schließe Ligeti En suspens an - frappierend schön, diese Kombination!).

Grüße
Manfred
 
Seufzermotiv. Hmmmm, das muß ich mehrmals lesen, kapiere ich irgendwie nicht.

Aber was chiarina geschrieben hat probiere ich jetzt mal aus - keine Ahnung warum ich das vorher überlesen habe. :(
 
Seufzermotiv. Hmmmm, das muß ich mehrmals lesen, kapiere ich irgendwie nicht.

Aber was chiarina geschrieben hat probiere ich jetzt mal aus - keine Ahnung warum ich das vorher überlesen habe. :(

Es gibt auch kein Seufzermotiv in dem Prélude. Ein Seufzermotiv ist immer schwer-leicht, und zumindest die zweite Note im Seufzermotiv ist kurz.

Dadurch, das Chopin mit einem Sextakkord beginnt, erzeugt er meiner Empfindung nach eine Stimmung, die man mit Einsamkeit oder Verlorenheit ganz gut beschreiben könnte: man wacht irgendwo auf, und weiß nicht so recht, wo man ist. Eine gewisse Trauer ist spürbar, aber man kann sie nicht einordnen. Wenn das c' kommt (und gleichzeitig ist in der Linken das h ja noch da) ist diese Schärfe für mich ein Ausdruck des Schmerzes - so, als ob man sich plötzlich daran erinnert, warum man traurig ist. Was dann folgt, ist ein Sog, der in tiefste Resignation und Hoffnungslosigkeit führt, unterbrochen von ein paar verzweifelten Ausbrüchen, ein Aufbäumen gegen den Untergang. Am Ende ist jegliche Energie erloschen und man fügt sich in sein Schicksal.

Ich sehe dieses Prélude offensichtlich völlig anders als Benjamin Zander. Ich kann seine harmlose Auffassung von einer "glücklichen Heimreise" beim besten Willen nicht nachempfinden. Außerdem spielt er das Stück furchtbar dilettantisch.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe dieses Prélude offensichtlich völlig anders als Benjamin Zander. Ich kann seine harmlose Auffassung von einer "glücklichen Heimreise" beim besten Willen nicht nachempfinden. Außerdem spielt er das Stück furchtbar dilettantisch.
das ist dann vermutlich die tiefsinnige Umwertung aller Werte: das e-Moll Prelude ist eine glückliche Heimreise, folglich müsste konsequent das Finale der C-Dur Waldsteinsonate ein depressiver Trauermarsch sein :-D:-D
 
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Glückliche Heimreise? Ich höre Trauer und die pure Verzweiflung und allergrößten Seelenschmerz. Es drückt die Gefühle aus die ich lange hatte und die zum Glück immer mehr verblassen. Ich will es spielen um mir bewußt zu machen daß sich mein Leben zum Positiven wendet aber meine KL ist deshalb skeptisch.
 
finde ehrlich gesagt, das video kommt extrem gekünstelt rüber, mit diesen unglaubwürdigen anekdoten und der schlechten schauspielerei. dieses "shining eyes, thank you, shining eyes!" zum schluss... bäh, muss mich fremdschämen
So ich habe mir das ganze Video jetzt noch 2-3 mal angehört.

Ich fine den guten Mann überhaupt nicht gekünstelt, eigentlich spricht er mir exakt aus der Seele und versteht das was es ausmacht im Leben.

Shining eyes ist genau der Unterschied im Leben und jeder Mensch spürt diesen Unterschied an jedem Tag in jeder Situation in seinem Leben. Es ist diese innere Leidenschaft mit der man etwas tut, der Grundrespekt mit dem man seinen Mitmenschen und dem Leben begegnet.

Und auch der Satz: Man solle sich stets von einem Menschen so trennen dass die letzten Worte so stehen bleiben können selbst wenn es die letzten wären die man dem Menschen sagen kann. Exakt so lebe ich...

Die Musik ist dabei ein Zusatz im Ganzen und auch sein Satz dass man natürlich anders herangeht ob man von 3 auf 4% geht oder sagt ich will alle Menschen erreichen stimmt genau so.

Ich wünschte es gebe mehr solche Leute die unsere Kinder so positiv ins Leben schicken.. Leider Gottes haben wir viel zu viele verbitterte Erwachsene die die "jungfräuliche" Lebensenergie der Kinder im Keim ersticken.. Leider..
 
Warum berühren Interpretationsansätze und Gedanken zu diesem Prelude e-Moll eigentlich immer so diese Gefühls-Sphären ?

Warum nicht realistischer, auf harten Tages-Erlebnissen aufbauen ?

:-D

Chopin: "heulll...maan..warum kann diese Sand nicht kochen!! Ich bin so traurig !! buhuhuuu-

... und die Kinder...hören wieder mal nicht!! ...buhu....

....und das Wetter, dieser Regen - zum Heulen! ...buhuhuhuuu!...

...da muss ich wohl insgesamt ein e-Moll-Prelude komponieren! :rauchen: "

:-D:super:
 
@ Wolfgang:

Das ganze Video wäre soviel glaubwürdiger und ergreifender gewesen, wenn der gute Mann zum (typisch amerikanisch, obwohl in diesem Fall britisch) ergreifend-Gesagten auch ein mehr ergreifend-Gespieltes dargebracht hätte.

Zu Plattdeutsch:
Ich war von seinen Worten ein Stück weit mitgerissen, aber als ich ihn seine Grande Performance spielen hörte, war ich einfach nur entsetzt. Wer solche einen Vorspann liefert, sollte doch wohl ein klein wenig abgefertigter spielen...

... findest du nicht?

(Ich weiß: ich kann dies Prelude (noch) nicht gescheit spielen. Aber ich erlaube mir auch kein Schwadronieren über "bright eyes" und deroschmalzergleichen mehr.)

[Edit: LMG, spar dir den Durchfall.]
 
Sag mal hast du mal gegoogelt wer dieser Benjamin Zander ist?
Das ist kein dahergelaufener KL der neben 18 Jahren Spielpraxis ein paar NLP Lehrgänge besucht hat und jetzt einen auf Klugscheisser machen will..

Er ist/ war unter anderem Dirigent von einigen Weltberühmten Orchestern..
Ich finde es grandios wenn so ein Mensch die Klassik nicht als eine Art Elitemusik präsentiert sondern sie allen vermitteln will...

:-(:blöd:
 
Ich habe nix gegoogelt (bewusst nicht!), sondern das Video einfach auf mich wirken lassen. Seine Worte fand ich wiegesagt recht ergreifend!

Das Spiel des Prelude dahingegen nicht. Im Gegenteil: an entscheidender Stelle erschreckend, abstoßend.
 

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