Bach legato spielen?

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Blumenhaendler

Guest
Bin ja nun grad dabei, Stücke aus dem Notenbüchlein für A.M. Bach zu üben. Mein alter Klavierlehrer meinte, dass diese ganzen Legatobögen etc. nur Ergänzungen vom Verleger sind. Eine Weile hatte ich diese Aussage ignoriert. Nun meinte meine neue Klavierlehrerin vor kurzem, da ich ein Bach-Stück legato spielte, meine Spielart sei zu romantisch und nicht "bach". Wie soll man es denn nun halten mit dem Legatospiel?
 
Um welches Stück handelt es sich denn?

Bach lässt wirklich diverse Freiheiten.

Lg lustknabe
 
Das Stück, auf das sie sich bezog war gar nicht aus dem Notenbüchlein, es handelte sich um das Kleine Präludium in C-Dur. Aber sie meinte es schon recht generell.
 
Achso, du meinst bwv 924? Das kann man auch legato spielen. Höre dir doch mal diverse Aufnahmen an! Hab nur die von gould Zuhause und der spielt das unterschiedlich. Nicht grundsätzlich legato oder staccato! Ich finde immer diese Grundsatzhaltung doof... ich z.B. spiele jedes Bach Stück anders. Bei Bach hört man sich am besten viele verschiedene Aufnahmen an und entscheidet sich am besten (vorerst) für ne Interpretation. So halte ich das bisher.

Serkin, gould, frey, richter, gulda, hewitt und glaub Fischer heißt der, sind bis jetzt so meine Interpreten die ich hier und da höre/vergleiche.

Lg lustknabe
 
Naja, es geht mir im Prinzip um alle Bach-Stücke, die ich mal noch spielen werde, darum möchte mir jetzt keine falschen Gewohnheiten zulegen. Ich muss mittlerweile aber sagen, dass mir dieses nüchterne Spiel ohne Legato besser gefällt.
 
Hmmm verstehe mich jetzt nicht falsch, aber diese Antwort klingt so, als ob du bach noch nicht musikalisch denkst, sondern noch zuviel überlegst was richtig und falsch ist.

Die Grundregel, die ich kennengelernt hatte, also ziemlich am Anfang bei Bach, als ich auch noch nix "falsch" machen wollte, ist alle 16tel legato und alle 8tel port/ staccato und abundan absetzen (Phrasen). Aber das halte ich nicht mehr ein. Inzwischen spiele ich z.B. das a moll Präludium komplett martelato (16tel) und die 8tel werden auf der Zählzeit legato gebunden und der Rest portato. Ist ein 9/8 Takt. Das empfindet mein Ohr derzeit als richtig.

Das ist nicht meine Idee. Sondern die habe ich von gould (möge er einem Amateur verzeihen) "abgehört".

Lg lustknabe
 
Nö, er lässt eigentlich keine Freiheiten.

Die Frage trifft nicht ganz den Kern der Sache. Wir haben gute Gründe anzunehmen, dass Bachs Grundanschlag kein legato war. Allerdings auf ganz anderen Instrumenten. Betonungen kann ich auf einem Cembalo eben nur durch Agogik und Artikulation darstellen, nicht durch Dynamik. Das beantwortet aber nicht die Frage, was man auf einem modernen Klavier machen sollte. Nach meinen Ohren tut man dem Klang kaum einen Gefallen, wenn man das auf ein Klavier überträgt.
 
Hi,

Bachs Stücke wurden zu seiner Zeit auf dem vorherrschendem Instrument dem Cembalo gespielt. Ganz grob leitet man mMn daraus und den häufigen langen verzahnten 1/8 oder 1/16 Linien und Figuren, die eine sehr transparente und nicht "vermatschte" Spielweise verlangen, die nicht-Legato Spielweisen ab.

MMn sollte heute und da auf einem anderen Instrument wie damals gespielt wie immer das musikalische Ohr entscheiden. ;-)

Gruß
 
Auf dem Cembalo ist ein echtes Legato technisch nicht möglich. Das heißt aber nicht, daß Bach die musikalische Idee einer Legato-Linie auf dem Cembalo fremd war. Er hat des öfteren einzelne Violonsätze zu Cembalowerken umgearbeitet, Oboenkonzerte für Cembalo gesetzt. Es ist nicht anzunehmen, daß auch die Geiger und Bläser damals vorwiegend non-legato gespielt haben. Ich empfehle immer, erst einmal vom gesanglichen Gestus der melodischen Linien auszugehen, da die Vokalmusik bis weit ins 19. Jahrhundert den ästhetisch höheren Stellenwert besaß. Und dann wäre in Tanzsätzen immer auch der tänzerischee Gestus zu berücksichtigen. Von daher ergibt sich dann ganz selbstverständlich ein artikulationsreicher Vortrag.
 
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Das heißt aber nicht, daß Bach die musikalische Idee einer Legato-Linie auf dem Cembalo fremd war. Er hat des öfteren einzelne Violonsätze zu Cembalowerken umgearbeitet, Oboenkonzerte für Cembalo gesetzt. Es ist nicht anzunehmen, daß auch die Geiger und Bläser damals vorwiegend non-legato gespielt haben. Ich empfehle immer, erst einmal vom gesanglichen Gestus der melodischen Linien auszugehen, da die Vokalmusik bis weit ins 19. Jahrhundert den ästhetisch höheren Stellenwert besaß. Und dann wäre in Tanzsätzen immer auch der tänzerischee Gestus zu berücksichtigen. Von daher ergibt sich dann ganz selbstverständlich ein artikulationsreicher Vortrag.

Da wir von JSBach keine diesbezüglichen verbalisierten Spielanweisungen haben, müssen wir auf das zurückgreifen, was sonst noch vorliegt. Das Lehrbuch von CPEBach "Die wahre Art das Clavier zu spielen" bezieht sich eigentlich nicht auf ein bestimmtes Tasteninstrument, insbesondere auch nicht die interessanten Abschnitte über die Artikulation. Und da der Lehrer von CPEBach sein eigener Herr Vater war, er dies auch an einigen Stellen betont hat, kann man vorsichtig den Schluss ziehen, das sich das Geschriebene auch damit deckt, wie sein alter Herr seine "Clavier"musik artikulierte.
Von daher ziehe ich - nur für mich - den Schluss, dass die grundlegenden Dinge bzgl. Artikulation bei Bach durchaus sowohl auf dem Cembalo, als auch Clavichord, als auch Orgel ähnlich gemeint war. Ich sehe keinen Grund, warum man beim Klavier anders verfahren sollte - bloss weil es das damals noch nicht gab? Bei den großen Klangunterschieden bzgl. Cembalo, Clavichord, Orgel kommt es auf das Klavier auch nicht mehr an, als das man da auf einmal alles "romantisieren" müsste.

Man muss nicht soweit wie CPEBach gehen, dass der "default"-Anschlag den halben Notenwert betragen sollte. Das wurde auch damals schon kritisiert, dass es doch "gar zu abgehakt klingen möchte".
Trotzdem wird - für mich - daraus klar, dass Bach vorwiegend non-legato gespielt hat. Und das hat sich noch weit in die nächste Generation fortgesetzt. Wir wissen z.B., das Mozart ebenfalls non-legato pflegte (Beethoven hat das niedergeschrieben).

Und dann frage ich mich, wenn obiges so stimmen sollte, warum soll denn um alles in der Welt ausgerechnet nur auf den "Clavier"-instrumenten non-legato gespielt worden sein? Warum denn nicht auch bei Geigen, bei Bläsern, beim Gesang (um auf Kölnklaviers Zitat zu kommen)? Zumindest würde ich es nicht für selbstverständlich halten, auf jenen Instrumenten legato zu spielen. Was im übrigen auch nicht geschieht, wenn man Kammermusik jener Zeit hört, die sich historisch informierte Aufführungspraxis auf die Fahnen geschrieben haben.
Genauso, wie man früher in guter Absicht mit Geigen ein Vibrato von mehreren Halbtönen meinte, Bach antun zu müssen (a la A.S.Mutter), mit dem Hinweis, dass das ja sängerisch sei, setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass bei Bach nur sehr, sehr sparsames Geigenvibrato gepflegt wurde.
Und dann weiter gedacht, was ist dann historisch korrekt bzgl. Vibrato beim Gesang?

Ich unterschreibe voll und ganz den Hinweis auf den tänzerischen Charakter, was Kölnklavier bereits schrieb. Und würde das unbedingt ausweiten nicht nur auf Tanzsätze. Sondern bzgl. Bach, praktisch auf alles.Ja, alles. Gerade auch die Orgelwerke, Präludien und Fugen. Es gibt verschiedene Arten von Tänzen, aber die Betonung auf die Taktschwerpunkte, dass ist der gemeinsame Nenner. Und zwar auch und vor allem durch geeignete Artikulation, nicht so sehr durch rubatogeschwängerte Linien. Der Tänzer würde zu sehr eiern...

Die ganz andere Frage ist, ob man historisch korrekt spielen möchte.
Diese Frage beantworte ich für mich mit einem ganz klaren Ja. Und zwar ein klares Ja auch erstmal unabhängig vom benutzten Instrument - so gut es eben geht. Meine Hauptmotivation ist, dass man damit - vermutlich, jedenfalls nach Maßgabe dessen, was überliefert ist - dem nahe kommt, was sich der Komponist vorgestellt hat, und damit fährt man meist sehr gut (und vor allem überzeugend) Und zwar: ja zu HIP bei Bach, aber auch: ja bei Mozart (wenig Pedal, viel non legato), und so weiter.
 
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Und dann weiter gedacht, was ist dann historisch korrekt bzgl. Vibrato beim Gesang?
Diese Frage lenkt ab - interessanter ist zu fragen, wie es im Gesang um das legato und cantabile zu Bachs Zeiten bestellt war.
Ich glaube nicht, dass ein Bass zu Bachs Wohlgefallen ma-----che-----dich------mein-----He---her----ze----rein---- staccato gesungen hat ;-):-D

Die aus der Poetik in die Musik transferierten Figuren (iambisch, daktylisch usw.) werden z.B. bei Marek bzgl. einiger Themen aus dem WTK recht plausibel erklärt, und ohne Bindungen wird man sie auf dynamiklosen Instrumenten nicht überzeugend wahrnehmbar machen können - kurzum: eine angemessene Artikulation kann nicht gänzlich auf Bindungen verzichten.
 
Diese Frage lenkt ab - interessanter ist zu fragen, wie es im Gesang um das legato und cantabile zu Bachs Zeiten bestellt war.
Ich glaube nicht, dass ein Bass zu Bachs Wohlgefallen ma-----che-----dich------mein-----He---her----ze----rein---- staccato gesungen hat

Gut, lassen wir mal das Vibrato außen vor - du hast Recht, es lenkt vom Fadenthema ab.
Gerne greife ich dein Beispiel mit dem Gesang auf:
Du machst es dir zu einfach, wenn du das non legato, wovon in meinem Beitrag die Rede war, auf unterschiedsloses staccato reduzierst. Und, gerne können wir hierzu die von dir angeführte Matthäuspassions-Arie mal näher unter die Lupe nehmen. Das Stück ist im 12/8 Takt geschrieben, und selbst hier - im traurigsten Kontext, nach der Kreuzigung Jesu, wo es um das Begräbnis Jesu geht - spürt man den typischen Tanzcharakter, resultierend aus dem triolischen Rhythmus. Wie verteilt Bach den Text auf diesen Rhythmus? Gemäß allem, was wir wissen, spielen die Taktschwerpunkte, und zwar gewichtet, eine zentrale (aber nicht die einzige, selbstredend) Rolle für die Gestaltung. Preisfrage: Bei dem Text "Mache dich, mein Herze, rein": auf welches Wort kommt es wohl am meisten an, welche Silbe verdient den größten Schwerpunkt? Richtig, es ist nicht "Mache" - das lässt Bach auf dem 4. Achtel, also rel. unbetont, anfangen. Der größte Taktschwerpunkt liegt immer am Taktbeginn. Genau: es ist hier das Wort "rein", darauf strebt alles zu.
Um auf Rolfs staccato-Fetzen zurückzukommen, zum einen ist z.B. Her-ze innerhalb eines 3/8-Bogens gespannt, also gar kein Grund, dies stark abzusetzen oder mit anderen Mitteln zu betonen, zum anderen wäre es ein Fehler, bei mehreren Tönen hintereinander auf derselben Silbe "He...her..." zu singen. Sondern man singt immer auf dem Vokal, also wenn man schon (nur sehr dezent bitte!) innerhalb dieser 3-er Bindung absetzen möchte, dann eher "He..er"
Auf der anderen Seite braucht man beim Gesang generell keine übertriebene Artikulation, weil es sehr dynamikreich ist. Ich würde die "Dosis" der Artikulation vom Dynamikreichtum des Instruments abhängig machen wollen.

Die aus der Poetik in die Musik transferierten Figuren (iambisch, daktylisch usw.) werden z.B. bei Marek bzgl. einiger Themen aus dem WTK recht plausibel erklärt, und ohne Bindungen wird man sie auf dynamiklosen Instrumenten nicht überzeugend wahrnehmbar machen können - kurzum: eine angemessene Artikulation kann nicht gänzlich auf Bindungen verzichten.

Ja und nein.
Ja: man kann nicht gänzlich auf Bindungen verzichten. Warum auch? Es geht um geschicktes Differenzieren.
Und nein: gerade auf dynamiklosen Instrumenten (z.B. Orgel) muss man sich was einfallen lassen, um Taktschwerpunkte überzeugend zu artikulieren. Gerade da muss man also stärker aktiv werden. Bei hochdynamischen Instrumenten, dazu zähle ich auch und vor allem den Gesang, kann man andere Mittel einsetzen. Also eher dezentere Artikulation (trotzdem sinngemäß), aber dynamische Gestaltung (Dynamikbögen). Man kann also bei "mein Herze, rein" bei rein dadurch artikulieren, dass man leise beginnt und einen Dynamikbogen um die über 2 Takte andauernden Ton setzt. Also, je dynamikärmer ein Instrument, hilft m.E. stärkeres Artikulieren - auch Bindungen, aber nur innerhalb kleiner Artikulationsabschnitte. Je dynamikreicher, desto dezenter kann das Artikulieren werden, und durch Melodiebögen, deren Beginn bei den Taktschwerpunkten liegt. Ausnahmen bestätigen die Regel, und sind gewöhnlich auch angezeigt (auch bei Bach, wenn die Bindungen nicht am Taktanfang oder Taktschwerpunkten anfangen).
Das Klavier hat so eine Zwischenrolle bgzl. Dynamik. Auf der einen Seite kann es zwar viele Dynamikschattierungen hervorbringen, ist aber auf der anderen Seite ein stark perkussives Instrument, d.h. durch den Hammeranschlag hat man IMMER zu Beginn des Tones eine mehr oder weniger starke Amplitudenspitze. Wohingegen Streicher, Sänger, etc. leise anfangen können bei einem Bogen und dann ihre Lautstärke steigern können. Beim Klavier wird es hingegen immer leiser. Es sei denn man wackelt am Flügel oder kitzelt die Saiten mit den Fingern weiter. :-)

Zum Fadenthema kann ich folgendes Buch empfehlen:
"Das Clavierspiel der Bachzeit" von Paul Heuser (Schottverlag, Studienbuch Musik).
Dort wird anhand von Primärquellen die Aufführungspraxis der Tasteninstrumente dargestellt.
Und dort wird auch die Frage des Fadens beantwortet. Um es vorneweg zu nehmen: wenn die Frage so generell gestellt wird "Bach legato spielen" (auch und gerade auf Clavierinstrumenten), ist die kurze Antwort: "kaum".
 
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Und nein: gerade auf dynamiklosen Instrumenten (z.B. Orgel) muss man sich was einfallen lassen, um Taktschwerpunkte überzeugend zu artikulieren. Gerade da muss man also stärker aktiv werden.
...allerdings war und ist die Anzahl der dynamiklosen Instrumente gerade im Ensemblespiel auch zu Bachs Lebzeiten sehr gering gewesen (Orgel, Cembalo) - aus den reduzierten Möglichkeiten der dynamiklosen Instrumente kann man nicht auf das schließen, was Streicher, Bläser, Sänger zu tun haben! Und diese sehr dynamischen Instrumente überwogen auch zu Bachs Lebzeiten und orientierten sich nicht an den sehr reduzierten Möglichkeiten der genannten Minorität.

bzgl. der Aria "mache dich mein Herze rein" ist die Beobachtung, dass das Orchester partienweise tänzerisch spielt, durchaus richtig - aber die Solostimme übernimmt nirgendwo diese Begleitfiguren samt der ihnen typischen Artikulation; es gibt auch keine Vorschrift, dass das Solo das Accompagnato zu imitieren habe - im Gegenteil, es kommt sehr oft vor (und wirkt lebendig), dass Accompagnato und Solo recht verschiedene Sachen machen.
 
Ist es denn nicht interessant, warum CPEBach in seinem "Versuch über die wahre Arte das Clavier zu spielen" ja doch in den meisten Teilen, auch und gerade bzgl. Artikulation, alle Tasteninstrumente praktisch über einen Kamm schert? Wo doch damals wie heute Orgel oder Cembalo oder Clavichord so völlig verschiedene Instrumente sind. Neben der mehr oder weniger dynamiklosen Orgel und Cembalo ist ausdrücklich auch das Clavichord gemeint, jenes ungemein biegsame und ausdrucksstarke Instrument (allerdings nur insgesamt geradezu unglaublich leise für heutige powerverseuchte Ohren). Es ist das Tasteninstrument, was Bach laut Überlieferung sehr geliebt hat. Das Klavier kommt bzgl. dynamischen Eigenschaften in dieser Hinsicht dem Clavichord am nächsten, und ich sehe überhaupt keinen Grund, weshalb beim Klavier nun sämtliche Grundsatz-Gestaltungsmethoden, die für die Tasteninstrumente verbalisiert wurden, auf einmal nicht mehr gelten sollen (bloß weil es das Klavier als eine Variante unter vielen Tasteninstrumenten in dieser Bauform damals noch nicht gab)!

Und natürlich soll die Solostimme sich von der Begleitung abheben. Ich finde das mit dem Tanz einen guten Vergleich: Auch wenn Tanzpaare auf dem Parkett sind, darf es Solopaare geben, die sich von der grauen Masse abheben, sich 3xschneller drehen, Zusatzbewegungen machen, und so weiter. Das heißt aber nicht, dass diese Solotänzer gegen den Takt tanzen! Sinngemäß bzgl. Taktschwerpunkte sollte es sich bei einer Soloarie oder anderem Solostück mit Begleitung verhalten.
 
Ist es denn nicht interessant, warum CPEBach in seinem "Versuch über die wahre Arte das Clavier zu spielen" ja doch in den meisten Teilen, auch und gerade bzgl. Artikulation, alle Tasteninstrumente praktisch über einen Kamm schert?
Interessant sind die beiden Teile von C.P.E. Bachs "Versuch [...]" ganz ohne jeden Zweifel, allerdings ist dabei zweierlei zu bemerken:
1. entstammt dieses faszinierende Lehrwerk nicht der Lebenszeit von J.S. Bach, sondern ist drei (1.Teil) und zwölf Jahre (2.Teil) nach dessen Tod publiziert; und der Verfasser ist als Musiker mehr dem empfindsamen Stil als dem Spätbarock zuzuordnen.
2. deckt sich sehr vieles aus diesen beiden Texten nicht so ganz mit deiner Darstellung:
§. 6. Einige Personen spielen zu klebericht, als wenn sie Leim zwischen den Fingern hätten. Ihr
Anschlag ist zu lang, indem sie die Noten über die Zeit liegen lassen. Andere haben es verbessern
wollen, und spielen zu kurz; als wenn die Tasten glühend wären. Es thut aber auch schlecht. Die
Mittelstrasse ist die beste; ich rede hievon überhaupt; alle Arten des Anschlages sind zur rechten
Zeit gut.
...da wird als kein totales non legato propagiert ;-)
 
Es gibt "Claviermusik" von Bach, die ganz klar von der Vokalpolyphonie inspiriert wurde (z.B. die Fugen cis-Moll und dis-Moll aus dem WTK 1). Zum Spaß kann man ja mal einen Text unterlegen und das Thema singen. Non-legato oder staccato ist das einfach nur grotesk. Und es auf dem Klavier so zu spielen, ist ebenso grotesk.

Ein weit größerer Teil der Claviermusik ist allerdings aufs Tasteninstrument übertragene Violinmusik - entweder real, wie z.B. bei den Cembalokonzerten oder ideell, wie bei vielen Präludien und Fugen, den Suiten und Partiten etc.

Hier wird es dann interessant - denn die Frage ist, ob man auf dem modernen Klavier das Cembalo imitieren soll, auf dem wegen der fehlenden Dynamik ganz anders gespielt und artikuliert werden muss als auf der Violine, oder ob man nicht besser das ursprüngliche Instrument, die Violine, zum Vorbild nimmt. Ich tendiere ganz klar zur letzteren Variante, weil ein moderner Flügel den Charakter einer Violine sehr gut imitieren kann, jedenfalls weit besser als ein Cembalo oder eine Orgel.

Wenn man sich nun für die Violine als Vorbild entscheidet (jedenfalls da, wo es passt), ist es sehr interessant, sich die Violinmusik von Bach näher anzusehen: im Gegensatz zur Claviermusik wimmelt es hier nur so von Legatobögen. Der Grund liegt auf der Hand - auf dem Cembalo braucht man unterschiedliche Längen, um gute und schlechte Zeiten zu verdeutlichen. Die Violine hat dieses Problem nicht - Schwerpunkte lassen sich problemlos dynamisch erzeugen. Spielt man auf dem modernen Flügel, ist man in dieser Hinsicht den Beschränkungen der alten Tasteninstrumente ebenfalls nicht unterworfen und ich sehe keinen vernünftigen Grund, die Möglichkeiten des Flügels mutwillig zu ignorieren.

Nimmt man sich die Violinmusik zum Vorbild, wenn man Bach spielt, hat man noch einen weiteren Vorteil: eine sinnvolle, natürlich klingende Artikulation gewinnt man ohne jede Schwierigkeit, wenn man sich klarmacht, wie eine bestimmte Figur auf der Violine gespielt wird. Schnelle, mehr oder weniger lineare Sechzehntel-Passagen wirken am besten in leichtem non-legato, weil sie auf der Violine hin und her gespielt werden. Bestimmte Figuren (z.B. Bariolage-Effekte wie im G-Dur-Präludium aus dem WTK 2) werden auf der Violine unter einem Bogen gespielt - hier wäre alles andere als ein Legato unnatürlich. Lineare Figuren in langsamen Sätzen haben in Bachs Violinstimmen fast immer Legato-Bögen, die oft gleichzeitig Phrasierungsbögen sind. Auf dem Cembalo wird man sowas vermutlich auch legato spielen, aber mit deutlichen Dehnungen auf den schweren Zeiten. Auf dem Klavier und der Violine braucht man die Dehnungen nicht, hier klingt ein gleichmäßiges Legato am besten.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wer auf dem Klavier gut Bach spielen will, sollte die Violinsonaten und Partiten oder die Cellosuiten studieren und sich von Könnern anhören. Cembalo- oder Orgelmusik ist eher zu meiden! :-D

LG, Mick
 
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