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Liebe Clavioleute,
Ich muss mal was loswerden. Vermutlich wird sich hier auch nicht die ultimative Loesung herauskristalissieren, aber darum gehts auch nicht primaer...
Also es gibt hier in St. Petersburg einen noch-nicht-Klavierstudenten, der mit mir zusammen im Wohnheim wohnt und sich zum 2. Mal auf die Aufnahmepruefung vorbereitet. Es gibt fuer diesen Zustand eine Art Gaststudium, waehrenddessen man ein paar Faecher besuchen kann, u.a. Klavierunterricht bekommt (natuerlich kraeftig zahlt), das macht er gerade. Letztes Jahr ist er durch die Aufnahmepruefung gefallen und will es jetzt unbedingt nochmal versuchen.
Das Problem ist: Je laenger ich ihm dabei zusehe, desto mehr verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass er leider grundsaetzlich ueberhaupt gar nicht, in keinster Weise, fuer das Studium geeignet ist, und schon gar nicht hier.
Er hat einen Lehrer am Konservatorium, mit dem er offenbar nicht klarkommt und den er fuer schlecht haelt. Aber statt sich um einen Lehrerwechsel zu bemuehen - schon allein, um jemanden in dem Laden zu haben, der ihn spaeter befuerwortet - nimmt er lieber heimlich parallel Privatunterricht bei einer angeblich ganz tollen Lehrerin. Wenn ich ihn aber beim Ueben hoere oder ihn frage, stellt sich heraus, dass er nie Fingersaetze aufschreibt (und sicher nicht, weil er so hochgenial wie manche Ausnahmepianisten sind, die das wirklich koennen), fast ausschliesslich langsam uebt und grundsaetzlich keine gute Uebetechnik zu haben scheint. Seit ich hier bin, uebt er dieselben Stuecke - eine Beethovensonate, P+F von Bach und zwei Moszkowski-Etuden, und kann sie immer noch nicht richtig. Obwohl er seinen ganzen Alltag dem Ueben verschreibt und an manchen Tagen sicher doppelt so viel uebt wie ich. Das kann ja schonmal nicht sein!
Wenn ich ihm dann bem Spielen, oder auch beim Gehoebildung ueben zuhoere, stelle ich fest, dass ihm grundlegende technische und musikalische Faehigkeiten fehlen, er sehr schlecht hoert und auf der Tastatur nicht wirklich zu Hause ist. Und das schlimmste ist, er ist nicht selbststaendig, gibt dauernd Saetze von sich wie "meine Lehrerin sagt, dass muss ich so und so machen...", "ich habe sie gefragt, ob ich nicht den 2. Satz bis nach den Ferien auch nur bis zur Haelfte ueben kann". Auf sanfte Hinweise, die inhaltlich aussagen, er soll beim Ueben sein musikalisches Gehirn benutzen, hat er immer irgendwelche Ausfluechte oder keine Zeit etc.
Er merkt selbst, dass es langasm knapp wird und er hier der Schlechteste ist, aber auf die Idee, jemanden ernsthaft zu fragen oder irgendwas zu aendern, kommt er nicht. Er hat sich nicht mal ordentlich ueber das Studium informiert.
Man muss jedes Jahr eine Pruefung spielen, deren Repertoire ihn das ganze Jahr beschaeftigen wuerde - falls er es ueberhaupt schafft. Im 2. Jahr muss man eine romantische Sonate spielen, und mir ist bisher keine eingefallen, die er auch nur annaehernd spielen koennte (Chopin, Brahms, Schumann, Liszt, Mendelssohn, Grieg ...?)
Mittlerweile regt mich das furchtbar auf, weil es einfach grauenhaft ist zu sehen, wie jemand so in sein Verderben rennt. Selbst wenn er besteht, wird er es wahnsinnig schwer haben und womoeglich noch rausfliegen. Ganz davon abgesehen leidet die Reputation der Ausbildungsstaette, wenn so schlechte Studenten hier ihren Abschluss machen koennen.
Ich fuerchte, ihm ist das alles bewusst, er will es nur nicht wahrhaben. Ich moechte aber auch nicht hingehen und ihm sagen, dass ich ihn fuer ungeeignet halte und er lieber Modedesigner werden soll (dafuer ist er der perfekte Kandidat!), denn so tief ist unsere Freundschaft nicht, dass ich das fuer meine Aufgabe halte. Ich gebe ihm schon zu verstehen, dass was falsch laeuft, aber es so direkt zu formulieren, ohne gefragt zu werden, wuerde vermutlich etwas zwischen uns zerstoeren, und da wir uns taeglich dauernd ueber den Weg laufen, waere das ungeschickt.
Alles in allem ist er in einer echt beschissenen Situation - er ist 22, hat noch nichts studiert, wartet seit bald zwei Jahren darauf, hier einen Studienplatz zu kriegen und wird ihn entweder nicht bekommen oder sehr sehr harte, evtl. erfolglose fuenf Jahre vor sich haben.
Am meisten aergere ich mich ueber seine Lehrer, von denen es scheinbar keiner fuer noetig hielt, ihm frueh genug zu sagen, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat.
Tja, und ich rege mich jetzt drueber auf und bin genervt, wenn ich ihn sehe, obwohl ich nix dafuer kann und er irgendwie auch nicht, er ist halt wie er ist...
ratlose Gruesse, eure Stilbluete
ps> sorry fuer den Buchstabensalat, mein Computer hat das Lan-Kabel heute nicht fressen wollen
Ich muss mal was loswerden. Vermutlich wird sich hier auch nicht die ultimative Loesung herauskristalissieren, aber darum gehts auch nicht primaer...
Also es gibt hier in St. Petersburg einen noch-nicht-Klavierstudenten, der mit mir zusammen im Wohnheim wohnt und sich zum 2. Mal auf die Aufnahmepruefung vorbereitet. Es gibt fuer diesen Zustand eine Art Gaststudium, waehrenddessen man ein paar Faecher besuchen kann, u.a. Klavierunterricht bekommt (natuerlich kraeftig zahlt), das macht er gerade. Letztes Jahr ist er durch die Aufnahmepruefung gefallen und will es jetzt unbedingt nochmal versuchen.
Das Problem ist: Je laenger ich ihm dabei zusehe, desto mehr verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass er leider grundsaetzlich ueberhaupt gar nicht, in keinster Weise, fuer das Studium geeignet ist, und schon gar nicht hier.
Er hat einen Lehrer am Konservatorium, mit dem er offenbar nicht klarkommt und den er fuer schlecht haelt. Aber statt sich um einen Lehrerwechsel zu bemuehen - schon allein, um jemanden in dem Laden zu haben, der ihn spaeter befuerwortet - nimmt er lieber heimlich parallel Privatunterricht bei einer angeblich ganz tollen Lehrerin. Wenn ich ihn aber beim Ueben hoere oder ihn frage, stellt sich heraus, dass er nie Fingersaetze aufschreibt (und sicher nicht, weil er so hochgenial wie manche Ausnahmepianisten sind, die das wirklich koennen), fast ausschliesslich langsam uebt und grundsaetzlich keine gute Uebetechnik zu haben scheint. Seit ich hier bin, uebt er dieselben Stuecke - eine Beethovensonate, P+F von Bach und zwei Moszkowski-Etuden, und kann sie immer noch nicht richtig. Obwohl er seinen ganzen Alltag dem Ueben verschreibt und an manchen Tagen sicher doppelt so viel uebt wie ich. Das kann ja schonmal nicht sein!
Wenn ich ihm dann bem Spielen, oder auch beim Gehoebildung ueben zuhoere, stelle ich fest, dass ihm grundlegende technische und musikalische Faehigkeiten fehlen, er sehr schlecht hoert und auf der Tastatur nicht wirklich zu Hause ist. Und das schlimmste ist, er ist nicht selbststaendig, gibt dauernd Saetze von sich wie "meine Lehrerin sagt, dass muss ich so und so machen...", "ich habe sie gefragt, ob ich nicht den 2. Satz bis nach den Ferien auch nur bis zur Haelfte ueben kann". Auf sanfte Hinweise, die inhaltlich aussagen, er soll beim Ueben sein musikalisches Gehirn benutzen, hat er immer irgendwelche Ausfluechte oder keine Zeit etc.
Er merkt selbst, dass es langasm knapp wird und er hier der Schlechteste ist, aber auf die Idee, jemanden ernsthaft zu fragen oder irgendwas zu aendern, kommt er nicht. Er hat sich nicht mal ordentlich ueber das Studium informiert.
Man muss jedes Jahr eine Pruefung spielen, deren Repertoire ihn das ganze Jahr beschaeftigen wuerde - falls er es ueberhaupt schafft. Im 2. Jahr muss man eine romantische Sonate spielen, und mir ist bisher keine eingefallen, die er auch nur annaehernd spielen koennte (Chopin, Brahms, Schumann, Liszt, Mendelssohn, Grieg ...?)
Mittlerweile regt mich das furchtbar auf, weil es einfach grauenhaft ist zu sehen, wie jemand so in sein Verderben rennt. Selbst wenn er besteht, wird er es wahnsinnig schwer haben und womoeglich noch rausfliegen. Ganz davon abgesehen leidet die Reputation der Ausbildungsstaette, wenn so schlechte Studenten hier ihren Abschluss machen koennen.
Ich fuerchte, ihm ist das alles bewusst, er will es nur nicht wahrhaben. Ich moechte aber auch nicht hingehen und ihm sagen, dass ich ihn fuer ungeeignet halte und er lieber Modedesigner werden soll (dafuer ist er der perfekte Kandidat!), denn so tief ist unsere Freundschaft nicht, dass ich das fuer meine Aufgabe halte. Ich gebe ihm schon zu verstehen, dass was falsch laeuft, aber es so direkt zu formulieren, ohne gefragt zu werden, wuerde vermutlich etwas zwischen uns zerstoeren, und da wir uns taeglich dauernd ueber den Weg laufen, waere das ungeschickt.
Alles in allem ist er in einer echt beschissenen Situation - er ist 22, hat noch nichts studiert, wartet seit bald zwei Jahren darauf, hier einen Studienplatz zu kriegen und wird ihn entweder nicht bekommen oder sehr sehr harte, evtl. erfolglose fuenf Jahre vor sich haben.
Am meisten aergere ich mich ueber seine Lehrer, von denen es scheinbar keiner fuer noetig hielt, ihm frueh genug zu sagen, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat.
Tja, und ich rege mich jetzt drueber auf und bin genervt, wenn ich ihn sehe, obwohl ich nix dafuer kann und er irgendwie auch nicht, er ist halt wie er ist...
ratlose Gruesse, eure Stilbluete
ps> sorry fuer den Buchstabensalat, mein Computer hat das Lan-Kabel heute nicht fressen wollen