Ansprüche an Klavierlehrer

Fortepiano

Fortepiano

Dabei seit
24. Okt. 2015
Beiträge
40
Reaktionen
28
Hallo gemeinsam,

zunächst ein Paar Zeilen zu mir:
ich bin studierte Pädagogin. Da mit der Beruf nicht lag und ich in Musik meine Leidenschaft fand, gebe ich nun seit zwei Jahren hauptberuflich Klavierunterricht für Kinder und Erwachsene.

Mir macht diese Tätigkeit großen Spaß, ich kann grundsätzlich Inhalte gut vermitteln und bin auch kreativ in meinen Unterrichtsmethoden. Ich habe z.T. in Russland Klavier gelernt und habe dadurch realtiv gute Theoriekenntnisse (Theorie war da an der Musikschule Pflicht) und kann auch komponieren. Imprirovisation machen ich auch im Unterricht mit fortgeschrittenen SchülerInnen. Das klappt schon alles ganz gut.
Da ich aber leider nicht Musik studiert habe, bin ich manchmal etwas verunsichert, was die Anprüche mancher SchülerInnen und ihrer Eltern angeht.
Z.B. hat mich die Mutter einer Schülerin am Donnerstag gefragt, ob ich ein Lied einer unbekannten Sängerin in Noten aufschreiben kann und mir einen Zettel mit dem Namen der unbekannten Künstlerin in die Hand gedrückt. Da war ich schon etwas baff. Prinzipiell kann ich das machen. Aber ist es schon aufwendig für mich und ich weiß jetzt nicht, ob ich für den Aufwand nicht eine Unterrichtstunde verechnen soll/ darf?
Oder letzte Woche hatte ich eine SchülerIn zu einer Probestunde, die von mir PrimaVista das Stück "All of me" von John Legend hören wollte. Nicht dass ich das Stück nicht spielen konnte, aber ich fand die Notation nicht so geglückt und habe es auch nicht perfekt hinbekommen. Das Prima Vista- Spiel bereitet mir eher Kopfzerbrechen. Bei mir hat es nicht zwangsläufig mit der Schwierigkeit des Werkes zu tun. Ich spiele Chopins Walzer Op. 69 Nr. 2 vom ersten Mal besser als "Thank you for the Music" von Abba. Manche Stücke können noch so einfach sein, die kriege ich vom ersten Mal einfach nicht gut hin. Wisst ihr, woran das liegt und wie ich dem Problem entgegen wirken kann?

Welche Ansprüche stellen eure SchülerInnen? Schreibt ihr Lieder für sie auf? Spielt ihr immer die Stücke vor, auch wenn sie unbekannt sind? Wieviele "Freiheiten" lasst ihr insbesondere den erwachsenen Schülerinnen?

Würde mich sehr über eure Antworten und einen Erfahrungsaustausch freuen!

Liebe Grüße

Fortepiano
 
Als Klavierlehrer würde ich Grenzen setzen, niemals vorspielen von ganzen Stücken, erst recht nicht als eine Art Werbung für den Unterricht, und niemals sozusagen als Beiwerk mal kurz Noten nach Gehör plus einer einfachen Begleitung schreiben, es sei denn , ich, die Lehrerin, böte das freiwillig an.

Die Aufgabe eines Klavierlehrers ist das Klavierspiel zu unterrichten an vom Klavierlehrer selbst zusammengestellten Material. Das Wunschkonzert sollte unterbleiben, auf unterschiedliche Geschmäcker eben mit einem vielfältigen Angebot reagieren.

Wer sich als Lehrer das Heft aus der Hand nehmen lässt, wird nicht nur nicht geachtet, sondern auch noch ausgenützt.
 
Z.B. hat mich die Mutter einer Schülerin am Donnerstag gefragt, ob ich ein Lied einer unbekannten Sängerin in Noten aufschreiben kann und mir einen Zettel mit dem Namen der unbekannten Künstlerin in die Hand gedrückt.

nen vogel hatse

Ich spiele Chopins Walzer Op. 69 Nr. 2 vom ersten Mal besser als "Thank you for the Music" von Abba.

kann ich mir gut vorstellen, vor allem wenn du dir die noten von irgendwelchen hobbytranscribern ausm internet gezogen hast. außerdem hast du wahrscheinlich mit ner standard walzerbegleitung bei chopin mehr erfahrung als mit diesem synkopischen gedudel in der linken hand, was man oft bei popsongs sieht
 
Ich spiele Chopins Walzer Op. 69 Nr. 2 vom ersten Mal besser als "Thank you for the Music" von Abba. Manche Stücke können noch so einfach sein, die kriege ich vom ersten Mal einfach nicht gut hin. Wisst ihr, woran das liegt und wie ich dem Problem entgegen wirken kann?
Vorab, ich bin selbst nur fortgeschrittener Anfänger, also null Ahnung.
Meine Vermutung ist aber, dass das an Hör- und Spielgewohnheiten liegt. Wer klassisch ausgebildet ist und sich ausschließlich mit klassischen Stücken beschäftigt, trifft bei Jon Schmidt oder Abba auf völlig fremde Strukturen. Problem beheben: Spielen, hören, selbst arrangieren. Da muss man aber auch Spaß dran haben.

Ansonsten gebe ich @elli Recht:
Du gestaltest den Unterricht, nicht Deine Schüler und schon gar nicht deren Mütter.
Wenn Du an Grenzen stößt (z.B. Abba vom Blatt spielen) sei ehrlich ("kann ich nicht, das muss ich mir erst anschauen, nächste Woche...").
Wenn Du etwas nicht unterrichten kannst, dann sag das dem Schüler und vermittel ihn zu einem Lehrer, der das kann.
 
Hallo Fortepiano!
Ich stimme allen meinen Vor-Schreibern zu. Du wirst zwar bezahlt, aber du bist weder ein Sklave, noch ein Automat. Wenn Schüler nicht zufrieden sind, steht es ihnen ja frei, sich einen "besseren" Lehrer zu suchen.
Es klingt für mich aber auch danach, dass du grundsätzlich etwas verunsichert bist, da du eben nicht Klavier studiert hast. Dazu zwei Gedanken:
1. Du schreibst, dass du hauptberuflich unterrichtest. Das zeigt ja, dass genügend Menschen Spaß daran finden, deine Schüler zu werden und zu bleiben, und zwar offenbar mit einer gewissen Beständigkeit. Wenn man es ökonomisch betrachtet, könnte man sagen: Ein guter Lehrer ist einer, den die Schüler bezahlen wollen.
2. Dennoch: Kennst du vielleicht studierte Pianisten / Klavierlehrer persönlich, die du um Rat fragen könntest? Vielleicht würde es dich beruhigen oder dir weiterhelfen, mal bei jemandem im Unterricht zu hospitieren, dessen Unterricht einen guten Ruf hat, oder sogar jemanden bei dir ein paar Stunden protokollieren zu lassen und dann freundliche Tipps zu empfangen. Das wäre übrigens für alle (Klavier-)Lehrer hin und wieder hilfreich, nicht nur für Quereinsteiger. Und genau sowas tut man auch im Studium. Es ist noch kein perfekter Lehrer vom Himmel gefallen...
 
Ich bin schon etwas verwundert.

Für Klavierlehrer aus dem Rock-Pop-Jazz-Bereich gehört es nämlich zum ganz normalen Arbeitsalltag, für Schüler Sachen rauszuhören oder zu arrangieren oder zumindest zu recherchieren, ob und wo es vernünftige notierte Versionen von Stücken gibt, die man entweder direkt so spielen oder in modifizierter Form benutzen kann.

"Klassik"-Klavierlehrer machen sich im Vergleich zu uns in Sachen Unterrichtsvorbereitung einen lauen Lenz. Einfach für den Schüler irgendein Stück oder eine Übung aus den vorhandenen Heften (die oft im Unterrichtsraum lagern, so dass man das in der Stunde tun kann) raussuchen, fertig.

Mit fortgeschritteneren Schülern oder aber wenn das Stück sehr einfach ist, kann man natürlich in der Tat den Schüler auch selber raushören lassen, klar.

Ich finde den Wunsch, dass ein bestimmter Song, den die Schülerin gerne mag, im Unterricht durchgenommen wird, keineswegs überzogen. Das hat mit "Sklave" oder "Automat" nichts zu tun. Wie gesagt: Wie Du an die Noten kommst, ob durch Selber-Raushören oder Irgendwie-Besorgen (bzw. Der-Mutter-Sagen-sie-soll-Heft-XY-kaufen-da-ist-das-drin), ist ja Dir überlassen.

Es versteht sich von selbst, dass man natürlich gegenüber Schüler und Eltern kommuniziert, dass es nicht sinnvoll ist, ständig "Wunschstücke" zu spielen, sondern dass es einen didaktischen Plan aufeinander aufbauender, pädagogisch sinnvoller Stücke gibt.

Übrigens: Sein eigenes Gehör mal wieder ein wenig zu trainieren sowie seine Kenntnisse darüber aufzufrischen, was junge Leute eigentlich so hören, kann ohnehin nicht schaden.

LG,
Hasenbein
 
Dass die Eltern etwas vorgespielt bekommen wollen, kann ich gut verstehen. Sie hoffen, daran die Qualität des Lehrers erkennen zu können. Manchmal ist ihnen sogar bewusst, dass das eigentlich Quatsch ist, aber welche andere Möglichkeit haben sie denn? Schließlich wollen sie das Beste für ihr Kind und das ist ein legitimes Anliegen.

Also sollte ein Lehrer, dem dieses Problem der Eltern ja bekannt ist, ein oder zwei Paradestückchen auf Lager haben und alle sind zufrieden.

Eine Transkription eines Popsongs und dann das Erstellen eines spielbaren Arrangement sind Fähigkeiten,die ein Klavierlehrer haben sollte. Den Eltern ist allerdings freundlich und schonend beizubringen, dass so ein Job mit dem Klavierunterricht nichts zu tun hat. Normalerweise kauft man solche Arrangements. So etwas wissen Eltern als musikalische Laien nicht.

CW
 
Spielt ihr immer die Stücke vor, auch wenn sie unbekannt sind?
Ich als Schüler habe schon den Anspruch, auch unbekannte Werke vorgespielt zu bekommen, einfach aus den Grund, weil mir der Lehrer dann zeigen kann, wie es sich anhört.

Natürlich erwarte ich keine perfekten Prima Vista-Kenntnisse -
Obwohl mein Lehrer da ein echtes Tier ist. Neulich spielte er mir Beethovens Op 10,1 in der Endgeschwindigkeit vom Blatt.

An sich richte ich mich aber voll nach dem Lehrer :super:
 
Oh, so viele Antworten schon? Vielen lieben Dank!

Also klar, ich stelle natürlich einen Lehrnplan auf und die SchülerInnen kaufen sich die Notenbücher, mit denen ich arbeite. Meine Frage wäre, wie weit die Extrawünsche der SchülerInnen gehen dürfen bzw. ob man es extra verrechnet. Denn um beispielsweise diesen Song hier aufzuschreiben, benötige ich schon einige Stunden.
Die Schülerin ist gerade Mal sieben Jahr alt und hat seit vier Wochen Klavierunterricht. Sie in das Song Aufschreiben miteinzubeziehen zumindestens jetzt bei diesem Song, fände ich etwas überfordernd.

Ja, ich schreibe schon Mal gemeinsam mit einem Schüler einen beliebten (Pop)Song auf. Wenn ihn das Niveau nicht überfordert und das auch direkt in der Stunde passiert, sehe ich es auch nicht als Extrawurst.

@Stilblüte

Ja genau, dadurch dass ich Klavier nicht studiert habe, weiß ich eben nicht, ob und wie weit die Wünsche der SchülerInnen gehen dürfen.
Leider gibt es keinen Klavierlehrer, bei dem ich hospitieren könnte. Ich kann mich nur an meinen eigenen Unterricht erinnern, bei dem ich nicht solche Ansprüche gestellt habe, sowohl in Russland als auch in Deutschland.
Ich kenne eine Cellistin, die gerade in Musik promoviert. Sie hat auch schon Mal Unterricht angeboten, aber es lief wohl nicht so bombig. Sie hat ausschließlich improvisiert mit den SchülerInnen, was bei Cello vllt üblich ist?


Liebe Grüße

Fortepiano
 
Hi Fortepiano,

Als fachfremde Lehrerin bekommst Du vermutlich auch Anfragen von Schülern, die eben nicht zu einem studierten klassischen Klavierlehrer gehen wollen (weil sie befürchten, dass sie dort nur "langweilige" Sachen zu üben bekommen werden). Vielleicht gehen manche Eltern sogar davon aus, dass Du fügsamer bist, weil Du gebürtige Russin (?) bist, traurig aber wahr.

Das mag Dich verunsichern, Du kannst die Eigenschaften aber auch als Stärke vermarkten.

Wo die klassischen Lehrer sich weigern, die Noten aufzuschreiben (weil das nicht zum klassischen Lehrplan passt), kannst Du es machen. Du darfst dafür zwar nicht extra Geld kassieren (Urheberrecht), Du kannst aber diese Arbeit bereits bei der Festsetzung des Jahreshonorars mitberücksichtigen.

Edit: ich verstehe aber nicht, warum man einige Stunden braucht, um den Song für eine 7-jährige Schülerin aufzuschreiben. Spielen wird sie eh nur 2 Zeilen davon, Melodie in der rechten Hand und paar Einzelnoten in der linken Hand, wenn sie überhaupt schon beidhändig spielen kann, ansonsten nur die Melodie des Refrains auf zwei Hände verteilen. Das schafft man in 5 Minuten.

Oder letzte Woche hatte ich eine SchülerIn zu einer Probestunde, die von mir PrimaVista das Stück "All of me" von John Legend hören wollte. Nicht dass ich das Stück nicht spielen konnte, aber ich fand die Notation nicht so geglückt und habe es auch nicht perfekt hinbekommen.

Die meisten Anfänger denken, dass wenn jemand Klavier gelernt hat, kann er alles vom Blatt spielen ohne zu Üben, schließlich kann man dann doch Klavier spielen? Diesen Wunsch, das Lied vorgespielt zu bekommen, würde ich also nicht als eine Prüfung sehen. Sie freut sich drauf, selber spielen zu können, und will nur ihr Lieblingslied schon mal auf dem Klavier hören. Es kommt auch nicht auf die Perfektion an, bei Popliedern spielt man eh nicht nach Noten, und ob Du genau das gespielt hast, was in den Noten steht, merkt sie auch nicht. Hauptsache, es klingt irgendwie nach dem Lied und dass Du ihr Deine Freude vermittelst.
 

Sorry, Fortepiano, wenn Du mehrere Stunden brauchst, um ein so einfaches Lied wie das im Video aufzuschreiben, dann ist das Dein Bier.

Ein guter KL hat ausreichend Gehör- und Theoriefähigkeiten, um das in einer halben Stunde abzufrühstücken.

Die Frage stellt sich ohnehin, inwieweit überhaupt das Gehör und die Theorie in Deinem Unterricht eine Rolle spielen (z.B. auch indem der Anfängerunterricht ohne Noten erfolgt oder indem Stücke auf etwas fortgeschrittenerem Level analysiert werden), oder ob Du die ganze Zeit nur Noten abspielen lässt. Letzteres wäre, selbst wenn Du Dir voll Mühe gibst, nicht als guter Unterricht zu bezeichnen, sorry.

LG,
Hasenbein
 
Hallo Fortepiano,

egal, wie lange Du brauchst, um eine Transkription zu erstellen: es ist eine "Sonderleistung", die Du Dir extra honorieren lassen solltest, sei es pauschal oder nach Zeitaufwand. Als Klavierlehrerin bist Du nicht die "Maîtresse de plaisier" Deiner Schüler. Und wem Du den kleinen Finger reichst, der nimmt selbstverständlich die ganze Hand - und die dann immer wieder (auch ohne zu fragen oder gar danke zu sagen).
 
Denn um beispielsweise diesen Song hier [...] aufzuschreiben, benötige ich schon einige Stunden.
Die Schülerin ist gerade Mal sieben Jahr alt und hat seit vier Wochen Klavierunterricht.

Die Frage mal andersherum gestellt: Ist das siebenjährige Mädchen nach 4 Wochen Klavierunterricht in der Lage, den verlinkten, doch recht flotten Song samt Begleitung auf die Tasten zu bringen? Oder war das mehr so eine Wunschvorstellung der jungen Dame?

Ich vermag nur aus der "Schülerinnen-Sicht" zu schreiben.
Oder letzte Woche hatte ich eine SchülerIn zu einer Probestunde, die von mir PrimaVista das Stück [...] hören wollte. [...]
Welche Ansprüche stellen eure SchülerInnen?

Ich habe die Probestunde ehrlich gesagt anders aufgefasst - eher als Test, ob man miteinander klar kommt und ob man "einander versteht" (also ob die Lehrkraft verständliche Hinweise gibt oder aber ob man überhaupt nicht versteht, worauf sie hinaus will, manchmal gibt es ja solche Kommunikationsdifferenzen), in gewisser Weise auch als Test, ob die Lehrkraft überhaupt Bock darauf hat, sich mein Niveau anzutun. Ganz sicher aber hätte ich von ihr kein Vorspiel gefordert - was bringt es mir zu wissen, dass jemand die Stücke X oder Y auf Zuruf spielen kann, wenn ich aber das pädagogische Konzept des Unterrichts nicht zugänglich empfinde? (DASS sie auf Zuruf bislang alles nur irgendwie Erdenkliche spielen kann, ist bewundernswert und toll, aber m. E. noch kein hinreichender Ausweis pädagogischer Qualität)

[...] Wieviele "Freiheiten" lasst ihr insbesondere den erwachsenen Schülerinnen?

Bei einem vertrauensvollen Arbeitsverhältnis sollte m. E. der zu unterrichtenden erwachsenen Person bei der Stückauswahl (N.B. aus dem "klassischen" Repertoire) größtmögliche Freiheit eingeräumt werden - vorausgesetzt, dass diese ggf. von der unterrichtenden Person das Urteil: "Ist im Augenblick noch zu schwer" zu akzeptieren bereit ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,

egal, wie lange Du brauchst, um eine Transkription zu erstellen: es ist eine "Sonderleistung", die Du Dir extra honorieren lassen solltest, sei es pauschal oder nach Zeitaufwand.

Klavierunterricht nach Ryan Air Prinzip?

Ich habe die Probestunde ehrlich gesagt anders aufgefasst - eher als Test, ob man miteinander klar kommt und ob man "einander versteht" (also ob die Lehrkraft verständliche Hinweise gibt oder aber ob man überhaupt nicht versteht, worauf sie hinaus will, manchmal gibt es ja solche Kommunikationsdifferenzen), in gewisser Weise auch als Test, ob die Lehrkraft überhaupt Bock darauf hat, sich mein Niveau anzutun. Ganz sicher aber hätte ich von ihr kein Vorspiel gefordert - was bringt es mir zu wissen, dass jemand die Stücke X oder Y auf Zuruf spielen kann, wenn ich aber das pädagogische Konzept des Unterrichts nicht zugänglich empfinde? (DASS sie auf Zuruf bislang alles nur irgendwie Erdenkliche spielen kann, ist bewundernswert und toll, aber m. E. noch kein hinreichender Ausweis pädagogischer Qualität)

Jeder stellt sich was anderes darunter vor. Bei manchen Anfängern geht es z.B. in der Probestunde um die Grundsatzfrage, ob sie überhaupt Klavier lernen wollen (oder doch lieber Querflöte?).
 
Da ich keine Klavierlehrerin bin, kann ich lediglich meine Erfahrungen aus Schüler- bzw. Mutter-einer-Schülerin-Sicht berichten:

Bei KLs die vorwiegend Rock/Pop/Jazz unterrichten, ist das raushören, aufschreiben und arrangieren von Stücken absolut üblich und gehört zum täglichen Brot. Das wird unentgeltlich gemacht, gehört zur Vorbereitung der Stunde und sollte im Unterrichtspreis als Vorbereitungszeit mit einkalkuliert sein. Mit fortgeschrittenen Schülern wird das dann auch zusammen mit dem Schüler erarbeitet.

Bei KLs, die vorwiegend Klassik unterrichten, habe ich ein solches Engagement bis jetzt nur einmal erlebt.

Welche Vorbereitungen und wie viel Zeitaufwand zum "Pflichtheft" eines KLs gehören, entzieht sich meiner Kenntnis und dürfte auch vom Arbeitgeber abhängig sein.

Für mich als Mutter einer engagierten Klavierschülerin war es am Anfang etwas schwierig abzuschätzen, welches Engagement eines KLs ich jetzt gratis akzeptieren soll, und was ich ihm/ihr extra vergüten soll. Das ging von zusätzlichen Unterrichtsstunden vor einem Auftritt/Wettbewerb, der z.T. weiten Reise und Betreuung zu/an solchen Anlässen, bis zum Komponieren von mehrhändigen Stücken. Falls der KL für Leistungen, die im Unterrichtspreis nicht enthalten sind, etwas verrechnet, ist es wichtig dass er das im Vorfeld auch ganz klar kommuniziert und seinen Preis mitteilt.
 
Naheliegender Gedanke: Was im Preis enthalten ist, hängt auch vom Preis ab. Bei unter 100 Euro im Monat kann man kein All-Inclusive erwarten, denn dann braucht der Lehrer zum Überleben so viele Schüler, dass für Extraleistungen keine Zeit mehr ist.
 
Liebe Fortepiano,
Wenn du im sozialen Sektor je gearbeitet hast, hast du sicher gemerkt, dass das Anstrengende nicht die eigentlichen Klienten sondern die Angehörigen sind. Eltern die sich selber ihrer Verantwortung entziehen aber alles von den lieben Sozialarbeitern verlangen. Da muss man sich klar abgrenzen. Man ist schließlich Profi im Gebiet. Und dies darf man auch mit klaren Worten nett bestimmen.
Lg
Beflügelt
 
Bei KLs die vorwiegend Rock/Pop/Jazz unterrichten, ist das raushören, aufschreiben und arrangieren von Stücken absolut üblich und gehört zum täglichen Brot. Das wird unentgeltlich gemacht, gehört zur Vorbereitung der Stunde und sollte im Unterrichtspreis als Vorbereitungszeit mit einkalkuliert sein.
So ist es - im Notentext werden lediglich wichtige Details ausgeschrieben und eine solide, stilsichere Kenntnis entsprechender Spielpraktiken vorausgesetzt. Der Unterricht ist auf eine gute Vermittlung entsprechender Fertigkeiten inklusive theoretischer und notationsspezifischer Kenntnisse ausgerichtet; das Notenschreiben und Einrichten von Stimmen gehört dazu und ist keine getrennt zu honorierende Zusatzaufgabe. Entsprechend sollte das Honorar so angesetzt sein, dass man nicht zwischen Grundpreis und Zusatzleistungen unterscheidet und ständig Sonderzahlungen aushandeln muss.

Bei KLs, die vorwiegend Klassik unterrichten, habe ich ein solches Engagement bis jetzt nur einmal erlebt.
Das liegt ein wenig in der Natur der Sache: Klassisch-romantische Literatur ist sehr weitgehend präzise ausnotiert - improvisatorische Bestandteile oder Veränderungen des Notentextes sind in der Regel nicht vorgesehen. Allerdings liegt @hasenbein richtig mit seiner Folgerung, dass ein guter "klassischer" Lehrer deshalb keineswegs nur Noten abspielen und musikalisch gestalten lässt (das wäre dann der von ihm so benannte "laue Lenz"). Theoretische Übungen und Analysen sind in Abstimmung mit der zu spielenden Literatur zu konzipieren - und spätestens dann führt kein Weg an der Erstellung individueller Arbeitsmaterialien durch die Lehrkraft vorbei. Das ist vergleichbar mit dem Einrichten von Stimmen (Bogenführung) für Streichinstrumente und Hilfestellung bei Rohrbau, Blatt, Mundstück, die für Holzbläser relevant ist. Das gehört zum Handwerkszeug dazu und wird nicht extra abgerechnet, solange es nicht um besonders hohe Materialkosten geht.

Für mich als Mutter einer engagierten Klavierschülerin war es am Anfang etwas schwierig abzuschätzen, welches Engagement eines KLs ich jetzt gratis akzeptieren soll, und was ich ihm/ihr extra vergüten soll. Das ging von zusätzlichen Unterrichtsstunden vor einem Auftritt/Wettbewerb, der z.T. weiten Reise und Betreuung zu/an solchen Anlässen, bis zum Komponieren von mehrhändigen Stücken.
Das können in dieser Form tatsächlich erhebliche Sonderleistungen sein, die über ein "normales" Unterrichtsverhältnis hinausgehen. Projektbezogene Zusatzproben, Blockunterricht, längere Anfahrten zu Auftritten/Wettbewerben führen bei erfolgreichen Musikpädagogen mit gut gefüllten Auftragsbüchern schnell zu eingeschränkter Verfügbarkeit und Terminkollisionen. Und das Komponieren von hochwertiger Originalliteratur ist eine andere Dimension als die Niederschrift einfacher Übungsmodelle oder das Fixieren eines herausgehörten Pop-Titels als Lead-Sheet.

Allerdings entwickelt sich eine solche ausgebaute künstlerische Präsenz junger Nachwuchsmusiker schrittweise - auch hier würde ich einen höher angesetzten Gesamtpreis einem fallweisen Aushandeln von getrennt zu honorierenden Sonderleistungen vorziehen. Bei fallweisen erheblichen Mehrkosten ist der Einzelfall maßgebend.

LG von Rheinkultur
 

Zurück
Top Bottom