Anfängerunterricht ohne und mit Noten gestalten

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Klingt für viele sicherlich erstmal überzeugend, was Du schreibst (bis auf das Pseudo-Argument "schließlich machen es doch 'alle' so, also muss es gut sein", was natürlich Schwachsinn ist).

Leider ist vielen Lesern aber nicht klar, worin der zugrundeliegende Grundfehler Deiner Methodik liegt: Nämlich dass gleich mit Noten begonnen wird! Noten als Ausgangspunkt des Musizierens.

Eine wirklich guter Anfängerunterricht, da sind sich nicht nur diverse bedeutende Autoren und die "Russische" und "Europäische" Klavierschule einig, findet erstmal OHNE NOTEN statt.

Das heißt, bevor der Schüler überhaupt daran herangeführt wird, wie man denn das ganze Zeug, das er bislang so gespielt hat, notieren würde, wird bereits eine "Terrainkenntnis" (und natürlich vor allem das audiomotorische Spiel) etabliert.

Das bedeutet: Wenn dann die Notenschrift eingeführt wird, wird nicht die Erfordernis der Notation (bzw. die möglichst einfache Lesbarkeit) als Ausgangspunkt genommen, sondern die ganz praktische Überlegung "ich möchte jetzt aber gerne dies und das notieren (was bis jetzt noch nicht als Notation dran war), wie kann ich das denn bewerkstelligen?"

Deshalb gehe ich (Verbesserungsvorschläge immer gerne willkommen) typischerweise so vor:

Melodie nach Gehör spielen bzw. improvisieren im Tonraum ab f1 (das c1 liegt bereits auf einer Hilfslinie, ist also schon ein "Sonderton" und deshalb denkbar ungeeignet, ins Prinzip der Notenschrift einzuführen), sinnvollerweise erstmal mit f1-g1-a1, später dann können e1, d1 und c2 dazukommen.

Hier ist auch wichtig, bei der Einführung und auch später die Schüler Melodien SELBER AUFSCHREIBEN zu lassen - dies ist äußerst nützlich, um sicherzustellen, dass das Funktionsprinzip verstanden wurde. Die Kleinen freuen sich nen Ast, wenn man sagt "denk dir mal eine kleine Melodie mit f, g und a aus (vorher hat man auch schon immer improvisiert bzw, Vorspielen-Nachspielen und Frage-Antwort gemacht, die kennen das also), und jetzt schreib die mal auf" und anschließend verkündet "Deine erste Komposition! Willkommen im Kreis der Komponisten!"

Wichtig hierbei, eben nicht immer den Daumen dem f1 zuzuweisen (von dem, was der Schüler bislang ohne Noten gespielt hat, ist ihm so etwas ohnehin fremd), sondern Melodien auszuwählen, wo das mal so, mal so ist. Fünffingerfiguren sind natürlich für das Erlernen des Umgangs mit allen Fingern wichtig - jedoch kennt er das zum einen schon aus dem Ohne-Noten-Spiel, zum anderen kommt es hier einfach auf die Liedauswahl an; der Lehrer hat sicherzustellen, dass typische "Fingerfolgen" hinreichend vorkommen.

Begleitungen können auch in diesem Stadium problemlos gespielt werden - nämlich als Bordunbässe. Im Unterricht nimmt man es einmal durch, und für zu Hause gibt es dann einen Zettel, auf dem die Töne der Bordunbegleitung einfach als Notennamen notiert sind (im Grunde eine sehr simple Anfangsform eines Akkordsymbols!)

Dann wird der Tonraum, der notiert wird, bis zum c1 erweitert und auch oben ggf. noch ein bisschen ausgebaut, so dass man mit rechts bereits viele Melodien nach Noten spielen kann, die man mit links begleitet.

Parallel macht man auch immer Sachen, bei denen links Melodieaufgaben erhält (Notation ja auch bereits möglich, z.B. durch Notation im Violinschlüssel plus Anweisung "1 Oktave tiefer").

Bassschlüssel-Einführung dann (wieder aus der ganz praktischen, erlebten Anforderung heraus "verdammte Kiste, wie notiere ich denn nun tiefe Töne? Mit ganz vielen Hilfslinien kann ja nicht sein") auf traditionelle Weise über "c1 sieht im Bassschlüssel spiegelbildlich zu c1 im Violinschlüssel aus".

Undsoweiter undsofort.
 
@hasenbein Finde ich sehr interessant. Ähnlich arbeitet meine KL mit Kindern. Habe ich vom Flur aus mit bekommen :001:. Wie gestaltest du den Anfängerunterricht bei Erwachsenen. Nein, keine Sorge, ich habe nicht vor Klavierunterricht zu geben. Ich bin nur neugierig.
 

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