10 000 Stunden; die Expertise Theorie

Stellt sich die Frage überhaupt?
Wettbewerb ist doch auch ohne zu gewinnen a) eine Erfahrung und kann b) selbst bei einer "schmuddeligen" Jury, anderen Teilnehmern oder sonstigen Hörerschaft einen Eindruck hinterlassen.
Von den Gewinnern mal abgesehen sehe ich den praktischen Wert solcher Veranstaltungen mehr im "Netzwerken" und Erfahrung sammeln als im "Wettkampf".
 
aber trotzdem ist es für sensible Klavierspieler extrem frustrierend zuzuschauen, wie hemmungslos zuweilen geschoben wird!
Ja klar, die muss man dann halt entsprechend vorbereiten oder hält sie fern. Als Vorbereitung für´s Leben, vor Allem das berufliche im Musikgeschäft (wenn das das Ziel ist), ist es sicher nützlich, sich so früh wie möglich ein dickes Fell anzueignen.
 
Es geht nicht nur um Fell und Fairness, zumindest später nicht mehr, denn Wettbewerbe sind

a) sehr teuer - Reisekosten, Übernachtungskosten (je nach Entfernung muss die gesamte Zeit im Voraus gebucht werden, auch wenn man in der 1. Runde rausfliegt), auswärts Essen, Anmeldegebühr, ggf. Visum etc.

b) im Umkehrschluss: lukrativ. Fünfstellige Preisgelder oder Gewinne mit entsprechendem Gegenwert (Konzerte, CD-Aufnahmen, Agenturvertrag etc.), manchmal gar sechsstellig, sind bei mittleren und Großen Wettbewerben normal.

c) damit Richtungsweisend und können im krassesten Fall ein Leben verändern. Eine gesamte Karriere aufbauen kann kein Wettbewerb, auch Chopin nicht. Sie kann aber den entscheidenden Schubs geben, der einem guten Musiker mit entsprechenden weiteren nötigen Eigenschaften zur professionelle Konzertätigkeit hilft. Auch Professuren, Solostellen im Orchester etc. bekommt man u.U. leichter / früher, wenn man Wettbewerbserfolge aufzuweisen hat. Da kann es wirklich absolut wichtig sein, wer einen Wettbewerb gewinnt...
 
Genau deswegen schrieb ich ja "von den Gewinnern mal abgesehen".
Natürlich muss der von mir geschilderte praktische Wert in Relation zur Investition (Zeit, Geld) stehen.
 
Fakt ist, eine Jury, die nachweisbar(!) Schiebung betreibt und/oder gegen Regeln verstößt, gehört an den Pranger! Aufsichtsbehörden, Sponsoren, Foren, Social media. Die jungen Menschen erwarten zurecht, dass man fair mit ihnen umgeht, egal ob sensibel oder "dickfellig".
 
Gar nicht! Manche Wettbewerbe sind mit wechselnder Jury mal so mal anders!

Soweit, so klar.


Um die ging es mir mit meiner Frage. Wie Stilblüte schon schrieb, ist so ein Wettbewerb mit Kosten verbunden und die möchte man doch lieber zielgerichtet einsetzen statt damit nur den Frust zu fördern.
 
Fakt ist, eine Jury, die nachweisbar(!) Schiebung betreibt und/oder gegen Regeln verstößt, gehört an den Pranger! Aufsichtsbehörden, Sponsoren, Foren, Social media. D

Ich habe mich als Student mal einige Zeit für sauberere Wettbewerbe eingesetzt. Nicht den eigenen Lehrer in der Jury, usw.
waren die bescheidenen Forderungen. Ich kann nicht genau abschätzen, was es mich gekostet hat meinen Namen in diesem Zusammenhang bekannt gemacht zu haben, aber nachteilig, sehr!! nachteilig war es in jedem Fall!
 
Fakt ist, eine Jury, die nachweisbar(!) Schiebung betreibt und/oder gegen Regeln verstößt, gehört an den Pranger! Aufsichtsbehörden, Sponsoren, Foren, Social media. Die jungen Menschen erwarten zurecht, dass man fair mit ihnen umgeht, egal ob sensibel oder "dickfellig".

Tja, das mit dem "nachweisbar" ist ein weites Feld. Auf der einen Seite gibt es Jury-Entscheidungen, bei denen ich den Kopf schüttle, weil ich gern anders entschieden hätte. Auf der anderen Seite weiß ich selber, wie es ist, in einer Jury entscheiden zu müssen. Manchmal ist die Sache klar, manchmal nicht. Kandidat A spielt den Notentext fehlerfrei, macht dynamisch "alles richtig", eiert aber im Tempo rum, ohne daß ein interpretatorisches Konzept erkennbar wäre und läßt artikulatorische Nuancen vermissen. Kandidat B spielt weniger brillant, leistet sich falsche Noten, bringt aber alle Übergänge auf den Punkt, hat bei polyphonen Stellen alle Stimmen gestaltend im Blick. Kandidat C bekommt auf weite Strecken alles virtuos hin, wird gegen Ende aber zappelig, steigt völlig aus und versemmelt den Schluß. Wie soll ich das im Ranking oder in der Punktzahl ausdrücken? Wer soll in die nächste Runde kommen?

Leute, die sich über Juryentscheidungen aufregen, sind tausendmal häufiger als Jurymitglieder, die bewußt unfaire Entscheidungen treffen.


Beispiele wie das folgende sollten sich immerhin auf Nachfrage belegen lassen:

Jugend musiziert Regionalwettbewerb, wir beobachten 2 Teilnehmer, die sagen wir 11 Jahre alt sind; A ist für sein Alter Recht weit fortgeschritten (begabt!?!?) und spielt ziemlich gut, B ist deutlich schlechter (weniger begabt??) hat aber seinen Lehrer und den Leiter der Musikschule an der er unterrichtet wird in der Jury. Ergebnis
A 16 Punkte; B 24 Punkte
 

Ich habe schon oft in der Jury von „Jugend musiziert“ Regionalwettbewerben gesessen. In verschiedenen Städten und Regionen. Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass da irgendwas geschoben würde. Häufig ist es bei den Jurygesprächen aber so das da wirklich zwei Meinungen aufeinander treffen, wie der und der Beitrag zu bewerten ist. In Regionalwettbewerbe kommen auch Kinder und Jugendliche die keine Cracks sind und entsprechend mittelmäßig spielen. Jedes Jurymitglied hat aber andere Ansichten darüber, was denn nun wichtiger ist und dann sind die auch mal 5 bis 6 Punkte auseinander.
Ich hatte bisher immer den Eindruck, das dann aber eine wirkliche Überzeugung vertreten wird („mit der Atemtechnik kann ich keinen ersten Preis vergeben“, „wenn wir sie weiterleiten, tun wir dem Mädchen kein Gefallen, beim LW wird sie gnadenlos untergehen“, „in der Altersgruppe sollte man schon ein Vibrato machen“, „in der Altersgruppe muss man noch kein Vibrato machen, wichtiger ist erstmal eine ruhige Luftführung“).
Und nicht, dass man einem Kollegen einen Gefallen tun möchte.
 
Jedes Jurymitglied hat aber andere Ansichten darüber, was denn nun wichtiger ist und dann sind die auch mal 5 bis 6 Punkte auseinander.

Sollten derartige Dinge nicht vorab innerhalb der Jury festgelegt werden?

Dass es individuelle Unterschiede in der Bewertung gibt, das verstehe ich natürlich - aber nicht in dieser Bandbreite. 5 bis 6 Punkte reichen doch praktisch von der absoluten Topleistung bis zum "warum spielst Du hier überhaupt mit?", um das mal etwas überspitzt auszudrücken:blöd:
 
5 bis 6 Punkte reichen doch praktisch von der absoluten Topleistung bis zum "warum spielst Du hier überhaupt mit?"

Ein Problem jenseits von Schiebung sind natürlich Meinungen und Wertungsunterschiede.
Auch da gibt's ein Problem, es werden nur die obersten Teile der Skala genutzt. Ich werde nie vergessen, wie fassungslos ich angestarrt wurde, als ich bei einer meiner ersten Jury Tätigkeiten (nicht Jugend musiziert!) die volle Notenskala von 2 bis 25 ausnutzte. Eine mittlere Leistung bewertete ich mit 15 Punkten eine mäßige mit 5, meine Kollegen mit 23 und 19, weil alles unter 20 Punkten als unmöglich angesehen wurde und keine Verwendung fand!
Das führt dann zu ziemlich engen Ergebnissen auch bei großen Leistungsunterschieden. Und dies wiederum erlaubt auch leichter die Einflussnahme zugunsten oder zu Ungunsten einzelner Teilnehmer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das erinnert mich an die Benotung von Klavierprüfungen, bei denen die Bewertung meistens zwischen 1,0 und 1,9 liegt, seltener bei 2,x, darüber noch viel seltener.
Das liegt aber auch daran, dass nicht der Schlechteste 3,9 und der beste 1,0 erhält, sondern alle einzeln benotet werden. Und durch das starke Aussieben bei der Aufnahmeprüfung bleiben meist nur gute bis sehr gute Leistungen übrig.

Bei JuMu hat das eher pädagogische Gründe. Kann ich auch nachvollziehen. Ein Kind mit 5/25 wird vermutlich hinschmeißen (oder gar die Eltern sind nicht mehr bereit, Unterricht zu finanzieren...).
 
Sollten derartige Dinge nicht vorab innerhalb der Jury festgelegt werden?
Besser wäre das, aber man kann ja kaum alle Eventualitäten vorhersehen. Das wären dann endlose Diskussionen über jeden Parameter. Natürlich wird die grobe Richtung abgesprochen, meistens ist das „ Musikalischer Ausdruck ist wichtiger als technische Perfektion.“ Aber man kann ja nicht vorhersehen mit welchen Ideen die Kollegen dann im Jurygespräch rausrücken :D
@Alter Tastendrücker. Ja, das mit der Punkteskala hat sich halt so durchgesetzt und jetzt kann man kaum zurück. Wenn jemand im Regionalwettbewerb nur 18 Punkte bekommt, wissen alle Kollegen, dass das eine nur sehr mittelmäßige Performance war, die Schüler nicht unbedingt und sind dann sogar stolz, dass sie einen 3. Preis bekommen.
Ich finde das in Ordnung. Im Beratungsgespräch kommt ja zur Sprache was verbessert werden kann. Ich sehe den Regionalwettbewerb auch eher wie Breitensport an. Da sollen gerne auch Nicht-Überflieger mitmachen, wenn sie Lust auf Wettbewerb haben. Das ist auch für meine Schüler eine Motivation sich besonders sorgfältig mit einem Stück auseinanderzusetzen.
Beim LW sieht das dann ja sowieso anders aus.
 
Wird denn nicht schon vorher beim innerschulischen Wettbewerb gesiebt und entschieden, wer beim regionalen mitmachen darf?
 

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