Deutsche Volkslieder

Wir tun der wirklichen Volksmusik unrecht, wenn wir sie auf Stadl und jodel reduzieren, auch die bayrische hat das so wie die gesamt alpenländische nicht verdient.
Wenn es "Deutsche Volksmusik" heißt, dann ist es die Vielfalt der Stile wie der Idiome, die den (ja auch kulturellen) Reichtum eines ehemals deutschen Flickenteppichs ausmacht.
 
Das ist mir manchmal selbst so ergangen, wenn ich im Fernsehen etwas mit Volksmusik beschriebenes sah und gar nicht schnell genug abstellen konnte. Auch hier war davon ja schon häufiger die Rede. Deshalb finde ich diesen Faden gut und erhellend.
 
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Vielleicht ist auch dies ein Grund dafür, dass das authentische deutsche Volkslied als identitätsstiftender Kultur-Bestandteil nicht mehr relevant ist.
Das war einfacher, denke ich mir. Radio, Gramophon usw. gab es noch nicht. Was die Leute sich zulegten, war ein Gesangbuch für den Kirchgang. Wie wurden Volkslieder weitergegeben?
Es wurde von der einfachen Bevölkerung noch keine Musik konsumiert, es wurde musiziert. Das aber nicht zu jeder Tageszeit, da gab es andere Sorgen und Probleme.
Einmal habe ich es miterlebt, wie in einer Gaststätte am Schleizer Dreieck einer ein Lied anstimmte (Schwarzbraun ist die Haselnuss) und die halbe Kneipe sang sofort mit. Wo und wann traf sich die einfache Landbevölkerung vor 100 bis 200 Jahren?
Das war bei den Männern im Wirtshaus oder allgemein bei familiären oder öffentlichen Feiern, wäre meine Vorstellung. Beim Osterfeuer, untern Maibaum oder zu Pfingsten, sind ebenfalls nur Vorstellungen, wobei dann der Volkstanz mit zugehörte.
 
Das Schöne am Volkslied ist aus meiner Sicht dessen Einfachheit. Man braucht nicht musikalisch gebildet sein, um es singen zu könnnen - es besteht aus eingängigen Melodien und einfachen Formteilen (ABA....). Die Texte sind ebenfalls eingängig, treffend und manchmal poetisch (s. Stimmen der Völker von Herder).

Kinder können anhand dieser Lieder viel lernen. Wie ist die Form, wie gestaltet man eine Melodie, wie begleitet man sie? Im Instrumentalunterricht können sie die ihnen bekannten Lieder nach Gehör spielen und so den ersten Kontakt zum Instrument bekommen. Mir gefallen auch Lieder heutiger Liedermacher, allerdings der etwas weniger bekannten wie Gerhard Schöne oder Fredrik Vahle. Aber unsere Volkslieder sind m.E. unersetzlich und gehören zu unserer Kultur und Geschichte.

Liebe Grüße

chiarina
 
Kinder können anhand dieser Lieder viel lernen. Wie ist die Form, wie gestaltet man eine Melodie, wie begleitet man sie? Im Instrumentalunterricht können sie die ihnen bekannten Lieder nach Gehör spielen und so den ersten Kontakt zum Instrument bekommen. und gehören zu unserer Kultur und Geschichte.

nicht nur Kinder, Chiarina! Ich hab vor einiger Zeit angefangen, auf dem Klavier überwiegend Volkslieder zu spielen, also nur mit Texten und Akkorden drüber, wie damals mit der Gitarre. Rechts spiele ich die Melodie und links eine passende Begleitung. Meistens Volkslieder.

Siehe: https://www.clavio.de/threads/freies-klavierspiel.26120/#post-679015

Das macht richtig viel Freude und geht ruckzuck.

Ich mag vor allem Zupfgeigenhansel:

View: https://m.youtube.com/watch?v=ap2Xpr-eh18


und Liederjan:

View: https://m.youtube.com/watch?v=4k-ytilUoBQ&list=PLtgyLE9HfXACyyegoz7gju02gnkpsQqyt&index=3&t=0s


Ich habe sehr schöne Erinnerungen an eine Zeit, wenn mein verstorbener Mann und ich mehrstimmig die Lorely singend, mit den Hunden durch den Wald spazieren gegangen sind.
https://m.youtube.com/watch?v=LnLze9GVgZQ&list=PLtgyLE9HfXACyyegoz7gju02gnkpsQqyt&index=53
 
Wir tun der wirklichen Volksmusik unrecht, wenn wir sie auf Stadl und jodel reduzieren, auch die bayrische hat das so wie die gesamt alpenländische nicht verdient.

Das Jodeln (auch wenn die heute überlieferten Melodien wohl nicht weiter zurückreichen als bis ins 18. Jh.) ist allerdings eine der ursprünglichsten Formen musikalischer Ausdrucksformen im alpenländischen Raum, was nicht weiter verwundert, wenn man sich der Ursprünge bewusst ist. Zitat aus dem MGG:

Rufe und Rufformeln findet man überall in den Alpen bei Bauern, Sennerinnen, Hirten, Kuhtreibern, Wildheuern, Jägern, Köhlern, Holzarbeitern, Flößern, Schlittenfahrern, insgesamt bei Berufsgruppen, Bergsteigern und Wanderern, die sich im Freien aufhalten und sich über größere Distanzen Signale geben. Langgedehnte Rufe mit anschließendem Jodler koordinieren die Arbeit von Holzfällern im Freien und machen auf sich oder auf Gefahren aufmerksam. Mit Zurufjodlern verständigen sich auch Burschen und Mädchen oder Wanderer auf der Alm und in den Bergen. [...]

Diese »Elementarformen des Singens« (W. Wiora 1949, S. 19) gehören einer vor-liedhaften Entwicklung an: der (Alm-)Schrei, die Viehlock- und Arbeitsrufe, das Jauchzen und Juchzen als Signal, aber auch als Ausdruck der Freude, die zum Rezitativ erhobene Sprache, Alpsegen und Kuhreigen, primär-klangliches Singen im Hin- und Herpendeln innerhalb eines Mehrklanges, wie beim Jodel(n).

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Wo wir beim Thema sind... :-D
 
Hier noch einmal das komplette Inhaltsverzeichnis, in dem wird es so erwähnt, könnte wohl hinkommen. Die zweite Auflage ist von 1907:

Die Angabe mit 1818 für die Melodie braucht aber auch nicht unbedingt verkehrt sein, falls der Text auf eine ältere Melodie aufgesetzt wurde, denn entweder hatte es vor 1920 keine Melodie oder wurde zu einer anderen gesungen. Diese bezieht sich auf Robert Götz.
Ebenfalls aus dem Jahr 1920 stammt die Vertonung des in jugendbewegten Kreisen viel gesungenen Liedes Jenseits des Tales standen ihre Zelte [...]

https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Götz
Und ich habe jetzt bei eBay ausgerechnet auf die von 1920 geboten und weiß nicht, was in welcher Ausgabe enthalten ist. Eine bereits gemeinfreie wäre mir lieber.
 
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Ist das so? Dann müsste es ein deutsches Phänomen sein. Ich habe so meine Zweifel, dass die heutige Jugend in Frankreich, England, Italien oder sonstwo noch die gleichen Lieder singt wie die Generation ihrer Großeltern oder der Generationen davor.
Also Spanier singen auf jeden Fall noch ihre Volkslieder. Wie es bei anderen Nationen ist, weiß ich nicht.
 
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Wobei das nicht wirklich alt war, nur traditionell. Doch "Wearing of the Green" ist von 1798 und wird immer noch häufig gesungen, teilweise mit anderen Texten, wie z.B. "The Orange and the Green" von den Irish Rovers. Die typische Melodie hatte sich auch bei den Kellys nicht verändert, wenn ich mir diese alte Aufnahme anhöre, nur mit etwas mehr Temperament vorgetragen.


View: https://www.youtube.com/watch?v=B6q6uN87ZtY

In Deutschland hat es Santiano geschafft, alten Shantys einen neuen Anstrich zu geben, wie hier, ohne die Melodie oder den Text dieses alten niederländischen Liedes zu verunstalten.


View: https://www.youtube.com/watch?v=s2GGjlo49ms

Noch ein Beispiel, wie ein Angelo Kelly bei so einem alten Song das Publikum mitnimmt. Die meisten Versionen werden ähnlich gespielt, wie er den spielt.
Das Lied The Star of the County Down ist eine irische Ballade von Cathal Mac Garvey (1866–1927). Die Melodie ist weitaus älter und bereits im 1726 erschienenen[...]

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Star_of_the_County_Down


View: https://www.youtube.com/watch?v=mkTI1L2Ap3s

Bei Santiano ist es Geschmackssache, die haben als Zielgruppe kein jüngeres Publikum (nehme ich an). Irgendwie ist es aber auch die Sprache. Und dann, was ich spielen oder lernen möchte, kann ich für mich allein entscheiden. Nicht so, wenn ich mich damit einer Zielgruppe nähern möchte.
Wie geht ein Kelley nun auf seine Zielgruppe ein, derselbe Song und schon hört es sich anders an (etwas mehr nach "Eines Morgens ging ich so für mich hin", doch nicht wirklich).


View: https://www.youtube.com/watch?v=RT73bB9ZhCo

Vielleicht Unsinn, wenn ich das schreibe, nur so ein Gedanke. Gibst 3 Lieder vor, jeder darf sich von diesen dreien eins aussuchen und eine Woche üben. Jeder darf es interpretieren, wie er es möchte, nur die Melodie muss erkennbar bleiben. Die Klasse lässt Du entscheiden, welche Version sich am besten anhörte.
 
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In Deutschland hat es Santiano geschafft, alten Shantys einen neuen Anstrich zu geben, wie hier, ohne die Melodie oder den Text dieses alten niederländischen Liedes zu verunstalten.

Santiano ... interessant, dass Du ausgerechnet diese Formation erwähnst. Ich oute mich: Deren Musiksprache fasziniert mich. Keine Ahnung warum.:denken:





Eigentlich dürfte mich das überhaupt nicht ansprechen. Was stimmt nicht mit mir? :konfus:

@Demian Als Profi kannst Du sicher analysieren, wie diese Männer es anstellen, solcher Musik ein gewisses Etwas zu verleihen, das auch glasharte Skeptiker wie mich erreicht.
 
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Die Angabe mit 1818 für die Melodie braucht aber auch nicht unbedingt verkehrt sein, falls der Text auf eine ältere Melodie aufgesetzt wurde

Das hat nichts zu sagen. Bekannte Melodien wurden oft mit neuem Text gesungen.

Übrigens wurden die Volkslieder auch bei der Arbeit oder zu anderen Gelegenheiten gesungen, besser gesagt vor sich hin geträllert.

Wenn jemand bei einem anderen eine coole Melodie aufschnappte, trug er sie weiter. Die "Marseillaise" hat so eine Geschichte. Ein junger Mann hörte sie irgendwo am Rhein und trällerte sie vor sich hin, als ein Trupp Freiwilliger aus Marseille vorbeikam (nicht am Rhein, logo). Die ließen sich das Lied vorsingen, adaptierten es, und so wurde es ein bekannter und beliebter Gassenhauer. :001:

Leider sind viele alte Lieder überliefert mit der Anweisung "Zu singen nach der Melodie xy". Für Historiker ärgerlich, wenn sie xy nicht kennen und auch nirgends eine Notation finden. :005:
 
Etwas rauer, doch ebenfalls mit der erforderlichen Portion Gefühl, welches für einen Song wie 500 Miles erforderlich ist. War zumindest mein Eindruck, als ich die Versionen von Justin Timberlake, Joan Baez und anderen verglich. Nebenher auch erfolgreich ins Deutsche geholt, wo alle Welt den Song wohl mehrheitlich nur auf Englisch kennt.



View: https://www.youtube.com/watch?v=Op9Y-Al4gGE
 

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