Hallo Tatsenfreund,
Ich habe zwar keine zarten Fingerchen (eher im Gegenteil, im allgemeinen Sprachgebrauch, Wurstfinger genannt), aber ich habe auch auf einem E-Piano angefangen und hatte dann beim Umstieg aufs Klavier trotzdem die gleichen Probleme wie Du. Mach Dir also absolut keine sorgen um Deine Finger. Zwischen der Anschlalgsdynamik von einem E-Piano und einem richtigen Klavier liegen Welten. Und selbst unter den Klavieren und Flügeln gibt es unterschiede. Je größer das Instrument, desto fester muss man anschlagen. Dann spielt natürlich die Marke, die unterschiedliche Hammermechanik. Die Seitenspannung und das Alter des Instruments ein Rolle. Ich habe teilweise auf Klavieren gespielt, die so oft bespielt wurden, dass die Anschlagsdynamik noch schlechter war als auf einem E-Piano. Sowohl was die Anschlagsdynamik vom Instrument als auch Dein Dynamisches Spiel betrifft: der Pianist wächst mit seinem Piano und das Piano wächst mit dem Pianisten. Je mehr Du au einem Klavier (oder
flügel) spielst, desto besser wird das auch mit Deinem Anschlag und Dein Klavier (wenn es noch einigermaßen neu ist) kommt Dir da auf wunderbare Art und Weise entgegen. Und ich kann das was Klavigen beschrieben hat absolut bestätigen. Es sind nicht nur die Finger, die spielen sondern auch die Hand, der Körper der Hintern etc. und je mehr Du auf einem richtigen Klavier spielst, desto mehr entwickelt sich die ganze Körperarbeit.
Und wenn Du magst hier noch meine kleine Geschichte, wie ich vom E-Piano spiel auf’s Klavier kam.
Die Erfahrungen eines E-Pianisten der zum K-Pianisten wurde:
Mein erstes E-Piano war eine Wurlitzer. Ich war stolz wie Oskar, dass ich so ein Instrument mein Eigen nennen durfte, zumal ich Fan von diesem Supertramp Keyboarder war (wie heisst der noch mal?). Ich wollte auch spielen wie er und habe, bevor ich auf dem Piano etwas anderes gelernt habe, einfach nur 3 Klänge in kurzen Interwallen auf die Tasten gekloppt. Irgendwann ist auch so etwas wie Musik dabei raus gekommen. Mein Wurlitzer fand das aber gar nicht toll, weil seine Tonzungen (So eine Instrument hat Metallplättchen anstatt Seiten, auch Tonzungen genannt) immer wieder abgebrochen sind. Mein Musikfachhändler hat sich natürlich darüber gefreut, weil ich alle 4-6 Monate zur Reparatur damit kam. Irgendein Klavierspieler meinte damals zu mir, ich hätte einen sehr harten Anschlag!!??? (konnte natürlich damals als E-Pianist damit nicht viel anfangen). Auf jeden Fall war ich irgendwann mit meinem Wurlitzer, der meinen Anschlag nicht mochte, nicht mehr ganz so happy. Doch!, ich habe mir schon Mühe gegeben, mit ihm sanfter umzugehen und habe ähmm!?, an meinem Anschlag gearbeitet. Aber mein Freund war so sensibel, dass er sich auch dennoch mit Tonverlusten beschwerte. Mit der Zeit kamen vollelektronische E-Pianos auf dem Markt, die selbst so ein Berserker wie ich nicht so schnell kaputtkriegen konnte. Also hab ich mir auch so ein Ding angeschafft und darauf rumgeklimpert. Aber jedesmal wenn ich mich dann auf ein richtiges Klavier gesetzt hatte, habe ich mich darüber gewunder, was mit meinem harten Anschlag plötzlich passiert war. Nicht das ich die Dinger (Tasten) nicht runtergedrückt bekommen hätte, das war kein Problem. Aber mein Spiel war so dynamisch, das aus einer sanften Ballade ein Holzhacker- und Schuhplattler- Song wurde. Na ja, aber ich hatte ja einen starken willen. Immer wenn ich die Gelegenheit hatte auf so einem Klavier oder Flügel zu spielen, habe ich solange darauf rumgeklimpert, bis das Instrument meiner Sturheit und meinem Anschlag weichen musste. Natürlich Klang das alles sehr abenteuerlich was ich da akkustisch aus den Instrumenten rausgeholt hatte. Aber ich hatte so viel Spass, dass ich mir vorkam wie der weltbeste Konzertpianist. Solche Gefühle konnte bis Dato kein E-piano aus mir herauslocken.
Vor etwa zwei Jahren habe ich mir einen Traum erfüllt und ein akkustisches Klavier (
Kawai K-3) gekauft. Ich habe ca. ein Jahr gebraucht um mit der Anschlagdynamik zurecht zu kommen. Während ich am Anfang selbst mit meinen starken Herculesfingern Probleme hatte (bei einfachen und langsamen Stücken, null Problem, aber wenn es um die Wurst ging – siehe oben), kann ich heute fast alle meine Klavierstücke ohne Mühe spielen. Ich habe auch den Eindruck, dass das Klavier sich auch ein wenig an mein Spiel angepasst hat und das eine „dynamische Beziehung“ zwischen uns entstanden ist. Immer wenn ich auf ein anderes Klavier umsteige habe ich Dynamikprobleme (die sich aber nach einer gewissen Einspielzeit wieder legen). Deshalb achte ich bei meinen Auftritten darauf, dass ich (nach Möglichkeit) das Instrument vorher kennenlerne. Es ist faszinierend, ein Klavier entwickelt mit der Zeit ein Eigenleben (was man von einem E-Piano kaum behaupten kann). So bin ich sozusagen vom E-Pianisten zum K-Pianisten geworden. Da ich nach wie vor sehr viel Wert auf ein dynamisches Spiel lege und meine Anschlagdynamik immer besser wird frage ich mich manchmal wann der folgerichtige Schritt vom K-Pianisten zum F-Pianisten kommt. Aber da ist da noch die berühmt berüchtigte Raum und Kostenfrage.
Grüsse
Yunus