ZEIT ONLINE: Egal, ob Fritzi flennt

wo hört denn die Resilienz von Kindern auf? Oder ist sie unendlich?

Mir scheint, Dir ist bei dem Thema nicht nach flachsen zu Mute...

Deine Fragen kann ich so nicht beantworten, außer dass sie sicher nicht unendlich ist. Aber es ist vielleicht auch verkürzt, nur von der Resilienz als Eigenschaft der Kinder zu sprechen. Denn es ist nicht nur ein einzelne Person, die das Kind erzieht, sondern eine ganze Menge sehr verschiedener Personen mit wahrscheinlich auch unterschiedlichen Ansätzen. Das Kind wird dann halt aus anderen Quellen das lernen, was die einzelne Person ihm nicht beibringt.

Und ab wann sollte man sich Gedanken um Erziehung und Pädagogik machen? Oder sind sie generell überflüssig?

Jeder von uns ist anders und jedes unserer Kinder ebenso. Ich denke, wir alle machen schon deshalb jede Menge Fehler in der Erziehung und wenn wir Glück haben, auch mal was richtig. Das Wichtigste ist wohl, dass wir ständig unser Verhalten und unsere Methoden reflektieren, um Fehler im besten Falle zu korrigieren oder wenigstens die Folgen zu mildern und umgekehrt erfolgreiche Ansätze auszubauen, statt auf Biegen und Brechen eine einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten.

Es mag sein, dass die Pädagogik helfen kann, zunächst einmal einen statistisch bevorzugten Ansatz für die Erziehung zu finden, da wir Menschen natürlich trotz allem eine weitgehend gemeinsame "Funktionsbasis" besitzen. Aber dann kommen die unterschiedlichen Zielvorstellungen der Eltern, Lehrer, der umgebenden Gesellschaft allgemein ins Spiel und natürlich die zunächst subtilen Unterschiede der Kinder, die sich bei entsprechender Erziehung dann zu Begabungen oder Defiziten entwickeln können. Am Ende bleibt uns nichts, als zu experimentieren, um das annähernd passende Mass zu finden.
 

Das machst Du ständig. Beweis: Du lebst und bist offenbar nicht im Knast. Die erste freiwillige Unterwerfung erfolgt unter den ZWANG, trinken und essen zu müssen. Und die metabolischen Überreste an dafür vorgesehenen Örtlichkeiten loszuschlagen. :021: Sicher unterwirfst Du Dich freiwillig der Regel, fremdes Eigentum nicht in Deinen Besitz zu bringen. An der roten Ampel zu halten. Pünktlich beim Zahnarzttermin zu erscheinen, falls es die Verkehrslage auch nur annähernd zulässt. Ständig unterwirfst Du Dich freiwillig, sonst wärst Du kein zivilisierter Mensch.

"Unterwerfung" - die nun einmal einen fragwürdigen Beigeschmack von Zwang und Gewalt hat; wem ich mich "unterwerfe", vor dem kapituliere ich irgendwie eben auch - würde ich das dennoch nicht nennen; schon eher scheint mir der Autoritätsbegriff hier passend ("Wortklauberei" ist bekanntlich ja auch das Geschäft der Philosophen

Gar nicht. Das Geschäft der Philosophen ist die saubere Definition. Und um dem lässlichen Vergnügen von weiteren "Wortklaubereien" vorzubeugen: Ich verwende das Wording und die Definitionen von Immanuel Kant. Nüchtern und unschwummerig. Unterwerfung meint Unterwerfung. Wer es für sinnvoll erachtet, etablierte philosophische Begriffe zu verschwurbeln – à la bonne heure. Hier haben wir einen kleinen Abriss der heute gebräuchlichen Bedeutungen:

Unterwerfung steht für:
  • Debellatio, das vollständige militärische Niederringen eines Kriegsgegners
  • Kapitulation, die Aufgabe des militärischen Widerstandes
  • die Unterordnung unter den Willen einer Autorität; siehe Untertan
  • die Unterwerfung des werbenden Ritters unter den Willen der umworbenen Dame; siehe Minne
  • Unterordnung in der Sexualität; siehe BDSM#Dominance and Submission
  • Unterwerfung (Bahn), eine kreuzungsfreie Entbündelung einer Bahnstrecke via Tunnel

Die rot gefetteten Wörter sind zutreffend. Die Autorität ist die Vernunft. Wenn man heute "irgendwas mit Willkür und äußerem Zwang" assoziiert, ist es ein Tribut an die Unklarheit des zeitgenössischen Sprachgebrauchs.


Ein interessantes Wort aus meiner Sicht ist auch der Begriff "Zwang", worunter man verschiedenes verstehen könnte.

Noch viel interessanter ist "Nötigung". Nötigung ist der Antrieb, etwas zu tun (ohne Nötigung tut sich gar nix, jeder einzelne Muskel und jede Gehirnzelle bedarf eines nötigenden Impulses). Dieser Antrieb kann von außen einwirken: Dann ist es Zwang. Auch Zwangsstörungen folgen einem "äußeren" Zwang, obwohl weit und breit niemand droht und der Betroffene gleichwohl eine Fremdbestimmung erlebt. Nötigen kann und soll aber auch die Vernunft. Auf pragmatische Weise: Tu X um Y zu erreichen. Oder assertorisch: Du definierst Dein Glück XYZ, also strebe XYZ an und unterlasse, was in die falsche Richtung führt. Oder apodiktisch: Du hast zwar absolut keine Lust und auch keine Zeit, dem Igelchen über die Straße zu helfen, aber es ist Deine Pflicht, weil das Überleben dieses kleinen Wesens von Dir abhängt und weil Du es kannst. Man nennt es landläufig "Gewissen", aber mit dem Gewissen kann man auch dealen. Es gibt keinen äußeren Zwang zur Igelhilfe.

Großer Unterschied zu jemandem, der in sich den neurotischen Zwang empfindet, Igel zu suchen und sie auf andere Straßenseiten zu transportieren. Oder wenn jemand mit vorgehaltener Pistole gezwungen wird, den stachligen Flohbären von der Fahrbahn runterzutragen. :001:

Aber DU, liebe Chiarina, hattest ja freundlicherweise kein Problem mit meiner Definition.

Warum es so wichtig ist, das mit der pöhsen Unterwerfung. Menschen mit mitteleuropäischem Kulturhintergrund haben sich eine Gesellschaftsform ausgedacht, die dem Individuum größtmögliche Freiheit der Entscheidungen lässt. Da wird eben gerade nicht gegängelt und gezwungen. Der demokratische Rechtsstaat hat selbst nicht die Mittel, sich selbst aufrechtzuerhalten. Er setzt voraus, dass seine Mitglieder sich freiwillig (= ohne dass alle 100 Meter ein bewaffneter Ordnungswächter steht) den Regeln unterwirft, denen er selbst zugestimmt hat (Demokratie von unten bis oben, repräsentativ zwar, aber immerhin).

Die akzidenziellen BEDÜRFNISSE müssen sich den Regeln unterwerfen. Muss ich ein Beispiel geben? Großkevin hat das Bedürfnis, vor seinen Kevinkollegen mit irgendeinem Produkt anzugeben, weil er dann in der Kevinrangordnung angesehener sein wird. Er hat aber kein Geld, um den teuren Schnickschnack zu kaufen, also stiehlt er ihn. Er hat ja ein BEDÜRFNIS – so würde er es jedenfalls für sich behaupten. Vielleicht erzählt ihm nach der Straftat der Kinder- und Jugendpsychologe, dass es Regeln gibt, denen er sich unterwerfen muss, falls er (assertorisch) keine Zukunft als Krimineller anstrebt.

Wäre Kevin klug, wäre er selbst darauf gekommen. Wäre Kevin vernünftig, hätte er sich gesagt, dass er nicht wollen kann, dass auch für alle anderen die Regel gelten sollte "Klau was Du haben willst". Wäre er weise ... ach, das führt zu weit. Ein knapp Strafmündiger ist noch nicht weise. Kann er nicht sein. Er braucht noch den äußeren Zwang: Ladendetektiv, Anzeige, jede Menge Stress.


Beschwichtigung dient größtenteils der Erhaltung der Art.

... weil es immer !!! zuvor der Erhaltung des Individuums dient. ;-) Der kleine Hund verschwendet keinen Gedanken an die Erhaltung seiner Art, sondern seines eigenen Wohlergehens. Frag Wolferl. :herz:
Der unvernünftige Kevin aus meinem Beispiel würde (falls er nicht völlig verworfen ist) auch Beschwichtigungsgesten vollführen. Er würde die Folgen seiner Tat spüren, Angst bekommen, weinen, erröten, Zerknirschung und Beschämung zeigen, Besserung geloben. Vielleicht würde er sogar nachdenken: Dass es Unrecht war, was er tat, oder aber, dass er es das nächste Mal geschickter anstellen muss.
 
@Barratt: Wolferl sagt: „ Sch... auf die Art! Hauptsache ich komme hier heil raus! " :-) Sie zeigt übrigens bei Hundebegegnungen das sogenannte Einfrieren mit Abwenden des Kopfes.

Ich setze bewusst ein freundlich zugewandtes Lächeln als Beschwichtigungssignal ein. Kann natürlich, abhängig von der Gewaltbereitschaft des Gegenübers, trotzdem in die Hose gehen.

Unsere Lichtgestalt stelle ich mir übrigens auch überwiegend lächelnd vor, außer natürlich, wenn sie dem bösen Hrolf, aufgrund schlechten Benehmens, eins drüberbrät. :lol:
 
Ein knapp Strafmündiger ... braucht noch den äußeren Zwang: Ladendetektiv, Anzeige, jede Menge Stress.
Also ich habe in dem Alter solchen Zwang nicht mehr gebraucht. Davor.... ach reden wir nicht drüber. :lol:

Ich halte es für Unfug, das an einem bestimmten Alter festzumachen. Bei den meisten "knapp strafmündigen" reicht das Wissen um die Regel.
 
(gemeinhin fällt das unter Sozialisation)
Denn es ist nicht nur ein einzelne Person, die das Kind erzieht, sondern eine ganze Menge sehr verschiedener Personen mit wahrscheinlich auch unterschiedlichen Ansätzen. Das Kind wird dann halt aus anderen Quellen das lernen, was die einzelne Person ihm nicht beibringt.
es wird sich peu a peu im Geflecht der sozialen/gesellschaftlichen Regeln einfügen (oder sich diesen unterwerfen und heimlich unterm Kissen gegen das böse Verb unterwerfen lamentieren) und zu den prägenden Orientierungen oder gar Erziehungsinstanzen zählt dabei ganz gewiß nicht das bisselchen Klavierstunden*)... insofern ist eine pädagogische Expertise aus dem Klavierunterricht sehr entbehrlich (zu schweigen davon, dass die Mehrheit der Kinder gar nicht in Klavierstunden geht...)

Selbst Profi-Fachbücher wie die sagenumwobene Familienkonferenz beseitigen dabei nicht die immer wieder zu beobachtenden Erziehungsprobleme oder Erziehungsunsicherheiten der jeweiligen Elterngeneration(en) und der Bildungsinstanzen (Schule, Lehrer, Lehrpläne etc) - stattdessen floriert der Ratgebermarkt.

Ob man nun, beim diskutieren über das sich einfügen in die Sozietät, den Begriff Regeln verwendet oder willkürlich als Synonym "festen Rahmen" verwendet, ist inhaltlich eigentlich wurscht - bestenfalls verwundert, dass für einen gängigen und völlig unverdächtigen Begriff partout ein Synonym verwendet wird. Ziemlich merkwürdig aber wirkt es, wenn gängige unverdächtige Begriffe willkürlich umgedeutet oder gar diskreditiert werden:
Um das erforderliche gute Lernklima zu schaffen, muss es aus meiner Sicht keine
"Unterwerfung gegenüber Regeln" (Zitat @Barratt )
geben, sondern eine Akzeptanz von Regeln. Ich mag das Wort "Unterwerfung" überhaupt nicht - ich muss da an die unterwürfige Geste eines Hundes denken.
Auch eine Akzeptanz von Regeln mag ich im Grunde nicht, denn eigentlich sind es Bedürfnisse anderer, die akzeptiert werden sollten! Regeln können hilfreich sein, diese Bedürfnisse nicht immer neu verhandeln zu müssen und einen festen Rahmen zu schaffen - sie sollten aber kein Selbstzweck sein! Im Einzelunterricht Klavier und auch im Gruppenunterricht zu zweit sind die Formulierung von Regeln normalerweise nicht nötig - ich habe noch nie eine formuliert. :004: Der Sinn von Handlungen ergibt sich im Unterricht von selbst. Die Rahmenbedingungen sind zeitlich sowieso festgelegt, pünktlich sind alle Schüler und wenn nicht, muss man nicht über Regeln sprechen, sondern um den Sinn von Pünktlichkeit und deren Bedeutung für den Unterricht und die beteiligten Personen.
Zunächst mal werden hier nur unter dem Gesichtspunkt des "Lernklimas" die Regeln, das böse sich diesen unterwerfen und das weniger böse, aber ebenfalls nicht gemochte akzeptieren derselben eingepfercht - von hier aus geht es dann, um die Scheinargumentation zu untermauern, in den noch viel engeren (nix Schule Zeugnisse wichtig etc) Bereich des privaten Klavierunterrichts: und dort wird entschieden, wie es um die Relevanz von Regeln steht??? Und der den Regeln übergeordnete Rahmen schrumpft dann zur "Rahmenbedingung" namens Pünktlichkeit...
...möglicherweise steckt in dieser argumentativen Jongliererei das
Licht der pädagogischen Begriffsbildungslust
;-):-D

___________
*) in aller Regel (Wortspielerei) nicht mehr als je ein Stündlein pro Schulwoche - wie viele Stunden im Jahr (!) sind das? Wie viele verbringt ein 7jähr. Kind in der Schule? Wie viele mit Freunden? Wie viele in der erzieherischen Obhut der Eltern? ---- keine weiteren Fragen
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ich habe in dem Alter solchen Zwang nicht mehr gebraucht. Davor.... ach reden wir nicht drüber. :lol:

Ich halte es für Unfug, das an einem bestimmten Alter festzumachen. Bei den meisten "knapp strafmündigen" reicht das Wissen um die Regel.

Das sehe ich auch so! Die Entwicklung der Empathiefähigkeit und Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Verhaltensregeln, die einem selbst auch zugute kommen, beginnt schon im Kleinkindalter. Und ich staune immer wieder, wie einsichtig und empathisch schon kleine Kinder sind. Die verstehen mehr, als man manchmal denkt.

Sogar das tut sie lächelnd. Im Licht der pädagogischen Begriffsbildungslust hier begreife ich: das ist ein klarer Beweis für ihre Heimtücke. :)
Das tue ich sogar breit grinsend, weil's so einen Spaß macht!
smilie_girl_170.gif
:004:

Mir scheint, Dir ist bei dem Thema nicht nach flachsen zu Mute...

Lieber Kalivoda,

eigentlich schon, aber ich habe erst jetzt den Flachs hinter deinen Worten verstanden! :003:

Ich bin ganz deiner Meinung, dass Kinder ein riesiges Anpassungsvermögen haben. Das sieht man schon an Kindern unterschiedlicher Kulturen. Ich bin auch der Meinung, dass Kinder keine perfekte Eltern brauchen (das wäre ja auch völlig unrealistisch), sondern Eltern, die präsent, empathisch, wertschätzend sind, reflektieren und ihre eigenen Grenzen kennen und artikulieren.

Diese enorme Flexibilität von Kindern hat aber Grenzen. Wo die liegen, ist individuell verschieden. Man kann sicher sagen, dass körperliche und seelische Misshandlungen die Entwicklung von Kindern sehr negativ beeinflussen.

Die Pädagogik hat im Laufe der Jahrhunderte sehr dazu verholfen, dass wir mehr über die Entwicklung, das Lernen und Verhalten von Kindern wissen. Sprüche (nicht nur) aus der Pädagogik wie:

"Das wichtigste Ziel einer Erziehung muss darin bestehen, den Eigenen Willen des Kindes zu brechen!" August Hermann Franke, 1663 - 1727

"Lieber einen toten Sohn, als einen ungehorsamen.! Martin Luther

"Gelobt sei, was hart macht." Friedrich Nietzsche

sind Gott sei Dank überholt. Die schwarze Pädagogik, von Alice Miller so beschrieben:

"Unter der 'Schwarzen Pädagogik' verstehe ich eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen, es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen." (Evas Erwachen, 2003),

auch sehr eindrücklich in ihrem Buch "Du sollst nicht merken" beschrieben, ist hoffentlich ein Relikt vergangener Jahrzehnte.

Eltern wollen nicht mehr den Willen ihres Kindes brechen (Schlagwort "autoritäre Erziehung), sie wollen aber auch nicht ihm jeden Willen lassen (Schlagwort "antiautoritäre Erziehung). Ratgeber bedienen gern die eine oder andere Richtung, anstatt Eltern einfach Mut zu machen, so zu sein wie sie sind und keine Rolle zu spielen. Das Letztere halte ich für sehr wichtig! Eltern sollten neben der Reflexion auch ihrem Gefühl trauen, anstatt ferngesteuert erzieherische Sätze von sich zu geben.

Vor dem Hintergrund halte ich es für äußerst bedenklich, wenn Kinder im Unterricht so behandelt werden wie im Artikel beschrieben (egal ob es nun die Realität ist oder nicht). Noch schlimmer ist es, wenn die Eltern dabei sitzen und zusammen mit der Lehrerin das Weinen ihres Kindes ignorieren, weil es die Lehrerin verlangt. Auch noch nach dem Unterricht.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ach. liebe chiarina, wird, so gesehen, unser (aller) Wille nicht nahezu täglich gebrochen? :denken:;-)
Das sehe ich nicht so. Natürlich können wir nicht ständig all den Impulsen unseres Willens nachgeben. Es gilt durch Kompromisse eine Balance zu finden und unseren Willen in Einklang mit den Bedürfnissen der Umwelt zu bringen. Die philosophische Frage des freien Willens lässt sich nicht so leicht beantworten, aber soviel ist klar: Wer ständig seinen Willen dem Willen anderer unterordnet, wird unglücklich. Wer ständig seinen Willen durchsetzt und ihn anderen aufzwingt, wird für eine Gesellschaft untragbar, wird schlimmstenfalls zum Verbrecher.
 
insofern ist eine pädagogische Expertise aus dem Klavierunterricht sehr entbehrlich (zu schweigen davon, dass die Mehrheit der Kinder gar nicht in Klavierstunden geht...)

Lieber rolf,

das ist falsch. Wenn man wie ich auch erwachsene Wiedereinsteiger unterrichtet, kommen als erstes die Erfahrungen aus der Kindheit hoch. Da wurde der Schüler körperlich misshandelt, vom Stuhl geschubst, am Ohr gezogen, im Rhythmus auf die Schultern geschlagen, er musste nachsitzen, es gab Einträge und traurige Smilies ins Hausaufgabenheft, die von den Eltern unterzeichnet werden musste u.v.a.. Die Stimmung im Klavierunterricht war dementsprechend voller Vorwürfe, Druck und abfälliger Bemerkungen.

Die Quantität von Aktivitäten sagt gar nichts über die Wirkung und nachhaltige Prägung beim Kind aus! Das sieht man schon bei sexuellem Missbrauch, der im Sportverein, Klavierunterricht (Wei Tsin Fu), bei Pfarrern etc. stattfindet/stattfand. Ein paar solcher Erlebnisse reichen aus, um ein Kind nachhaltig zu schädigen. Traumata können bei nur einem einzigen Mal entstehen!

Ob man nun, beim diskutieren über das sich einfügen in die Sozietät, den Begriff Regeln verwendet oder willkürlich als Synonym "festen Rahmen" verwendet, ist inhaltlich eigentlich wurscht - bestenfalls verwundert, dass für einen gängigen und völlig unverdächtigen Begriff partout ein Synonym verwendet wird. Ziemlich merkwürdig aber wirkt es, wenn gängige unverdächtige Begriffe willkürlich umgedeutet oder gar diskreditiert werden:

Ich sagte es schon: für die Lehrperson ist es ein wichtiger Unterschied! Ich versuche es noch einmal: der feste Rahmen ist das "Setting", die äußeren Gegebenheiten. Wie ein Bilderrahmen, der das Bild stützt und rahmt. Das Innere, also der Unterricht selbst, wird von bestimmten Regeln gestützt. Du kannst den Unterschied für nicht wichtig halten, ich tue es schon. Es ist wichtig für die Unterrichtsgestaltung, ganz besonders bei kleineren Kindern.

Liebe Grüße

chiarina
 

Ach. liebe chiarina, wird, so gesehen, unser (aller) Wille nicht nahezu täglich gebrochen? :denken:;-)

Lieber frosch,

es täte mir leid, wenn es so wäre! Das nicht jeder Wunsch erfüllt wird, ist nicht gleichbedeutend mit "den Willen brechen". Kennst du den Film "Das weiße Band"? Ein sehr empfehlenswerter Film, dann wird es vielleicht klarer, was damit gemeint ist.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich versuche es noch einmal: der feste Rahmen ist das "Setting", die äußeren Gegebenheiten. Wie ein Bilderrahmen, der das Bild stützt und rahmt. Das Innere, also der Unterricht selbst, wird von bestimmten Regeln gestützt. Du kannst den Unterschied für nicht wichtig halten, ich tue es schon.
dir ist aufgefallen, dass die Diskussion sich teilweise aus dem sehr engen Bereich Instrumentalunterricht herausbewegt hat und Bereiche der Sozialisation diskutiert hat? Wenn du dich nur und allein zum Klavierunterricht äussern willst, dann könntest du das etwas deutlicher kenntlich machen ;-) ...und auch dann bleibt es dabei, dass Klavierstunden nur einen höchst marginalen Anteil an der Sozialisation haben!...
 
dir ist aufgefallen, dass die Diskussion sich teilweise aus dem sehr engen Bereich Instrumentalunterricht herausbewegt hat und Bereiche der Sozialisation diskutiert hat? Wenn du dich nur und allein zum Klavierunterricht äussern willst, dann könntest du das etwas deutlicher kenntlich machen

Lieber rolf,

ich habe in diesem Beitrag zum ersten und einzigen Mal von einem festen Rahmen gesprochen. Ich habe in diesem Beitrag ausschließlich vom Unterricht und Lernverhalten von Schülern gesprochen und daher bezog sich der feste Rahmen natürlich auch darauf.

Im Grunde ist es aber doch so. Wir merken es oft nur nicht....;-)

Lieber frosch,

"den Willen brechen" kann man gleichsetzen mit "keinen Willen mehr haben". Es bedeutet, so zu agieren, dass das Kind nicht mehr will. Es bedeutet die innere Zerstörung aller Wünsche des Kindes.

Das hat nichts mit dem zu tun, dass wir im Leben natürlich Kompromisse eingehen.

Liebe Grüße

chiarina
 
und daher bezog sich der feste Rahmen natürlich auch darauf.
fein - und da du genaues lesen rätst: tut man dies, erblickt man in deinen Worten entgegen dem ersten oberflächlichen Anschein ("mag bei Regeln weder unterwerfen noch akzeptieren" etc) sehr wohl Regeln unumgänglich sind (=> Empathie & Verhaltensregeln) und der - wie sich nun (kleinlaut?) herausstellt - "feste Rahmen" einfach ganz schlicht was sachliches zu Unterrichtsmodalitäten meint.
...mich wundert daran lediglich: wozu erst so tun, als ob sich Regeln unterwerfen vulgo diese zu akzeptieren irgendwie pädagogisch nicht so supi sein soll, wenn sich am Ende dann s.o. erweist? ...rätselhaft... aber egal: zur Sozialisation bleibt das bissel Klavierunterricht marginal, ist auch gut so :-):-):drink:
 
Das Geschäft der Philosophen ist die saubere Definition. Und um dem lässlichen Vergnügen von weiteren "Wortklaubereien" vorzubeugen: Ich verwende das Wording und die Definitionen von Immanuel Kant. Nüchtern und unschwummerig. Unterwerfung meint Unterwerfung.Wer es für sinnvoll erachtet, etablierte philosophische Begriffe zu verschwurbeln – à la bonne heure.
Du kennst hoffentlich den Witz von der Katze, die im Backofen Junge bekommt, welche deswegen aber trotzdem noch keine Semmeln sind ...? Dass ein Philosoph einen bestimmten Begriff in einem bestimmten Sinn und Kontext verwendet macht diesen nicht schon zu einem etablierten philosophischen Begriff (wie "Metaphysik", "transzendentale Einheit der Apperzeption" etc.). Leider bin ich keine Sprachwissenschaftlerin. Tatsächlich aber weist doch manches darauf hin, dass die militärische Bedeutung von "Unterwerfung" offenbar die primäre zu sein scheint und damit nicht einfach von der Hand zu weisen ist. Und der unklare "zeitgenössische Sprachgebrauch" versteht offenbar darunter meist auch in erster Linie so etwas in dieser Art; sonst würde die "Unterwerfung unter eine Autorität" - und sei es angeblich die der Vernunft - bei manchen sicherlich nicht auch ein derartiges Unbehagen und ellenlange Diskussionen auslösen. Das philosophische Geschäft umfasst u.a. saubere Definitionen und Begriffsklärung (das meinte ich auch mit "Wortklauberei" - Ironie kommt offenbar nicht immer an), nicht aber willkürliche Begriffsverengungen.

Selbst Kant gesteht übrigens zu: "Eines der größten Probleme der Erziehung ist, wie man die Unterwerfung unter den gesetzlichen Zwang mit der Fähigkeit, sich seiner Freyheit zu bedienen, vereinigen könne", und - man glaubt es kaum, so viel laisser faire - empfiehlt zunächst, Kinder "in allen Stücken frey seyn" zu lassen, außer wo es sich selbst in Gefahr bringt oder wo die Freiheit anderer dadurch beeinträchtigt ist - offenbar besteht da demnach doch ein gewisser Widerspruch, den es erst aufzulösen gilt. Und was Deinen "Beweis" angeht: Essen und Trinken (und der ganze Rest) sind übrigens mindestens ebensosehr auch natürliche leibliche Bedürfnisse, ebenso wie es auch ein soziales Bedürfnis nach Eingebundenheit und möglichst wenig vermeidbaren Konflikten mit seiner Umgebung geben kann, die das Leben doch beträchtlich erschweren. Etwas, an das auch die Pädagogik anknüpfen kann ;-) .

Mein Bedenken, auch bei einem noch so wohldefinierten und - umgrenzten und damit entschärften Gebrauch, weswegen ich auch immer noch darauf herumreite, ist eben: Sprache kann manchmal auch als eine Art trojanisches Pferd fungieren. Und überkommenes Untertanen- und Obrigkeitsdenken jedenfalls ist nichts, was ich unkritisch lancieren wollte, schon gar nicht in Erziehungsfragen. Einem Kind auch Grenzen zu setzen ist sicherlich nötig, doch es gibt gegenwärtig schon genug derartige Tendenzen in der Gesellschaft. Worum es ja auch in dem Eingangsartikel geht.
 
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Tatsächlich aber weist doch manches darauf hin, dass die militärische Bedeutung von "Unterwerfung" offenbar die primäre zu sein scheint und damit nicht einfach von der Hand zu weisen ist

Doch, ist es. Bei meiner Tätigkeit (völlig fern dem Militärischen) ist die Bezeichnung völlig alltäglich.....

Du verstehst mich nicht. :002:. Muss jetzt auch leider weg.....

Liebe chiarina, hier bin ich wieder.

Vorab: Ich habe in diesem Faden wohl nicht mehr als gefühlt 20 % gelesen und die nicht immer gründlich. Bin auch gleich wieder raus hier.

den Willen brechen" kann man gleichsetzen mit "keinen Willen mehr haben".

Das sehe ich nicht so. Einen Menschen ohne jeden Willen gibt es m.E. nicht. Es geht wohl mehr darum, inwiefern dieser Mensch seinen Willen nicht mehr artikuliert und umzusetzen versucht oder vermag, weil er sonst "Strafe" oder aber auch andere (gefühlte oder tatsächliche) Nachteile (Hänselei, gesellschaftliche bzw. gruppenbezogene Ächtung, Liebesentzug, u.ä.) erfahren würde.

Es bedeutet, so zu agieren, dass das Kind nicht mehr will. Es bedeutet die innere Zerstörung aller Wünsche des

Auch hier glaube ich nicht daran, dass Wünsche "zerstört" im Sinne von "vernichtet" werden können. Sie bleiben mehr oder weniger latent vorhanden, werden aber überlagert durch externe "Manipulationen" unterschiedlichster Art. Diese können brachial sein ("Rohrstock") oder sehr subtil (Manipulation in Abhängigkeiten hinein, Übermaß an Fürsorge, "Ich-Botschaften" :004:, Schuldgefühle auslösen, "Framing"....).

Letztlich wird dadurch der eigene Wille "gebrochen". Das meine ich selbstverständlich nur im übertragenen Sinne, eher im Sinne von "geformt", bewusst oder auch unbewusst sich in einem (auf unterschiedlichste Art) vorgezeichneten Rahmen zu bewegen, weil sonst "Nachteile" zu erwarten sind.

Und psychische Verformungen sind nicht nur Produkte "schwarzer Pädagogik". Insbesondere sehr sensible Naturen leiden oft extrem, weil sie (nahezu permanent) spüren, ohne tatsächliche Gewaltausübung zu spüren bekommen, eben "aus dem Rahmen (der Gruppe, der Gesellschaft....) zu fallen", ausgegrenzt zu sein, in ihrer ganz eigenen Art den "Erwartungen" nicht zu entsprechen.....

Die "hohe Schule" des "Willenbrechens" setzt da ein, wo es der Mensch gar nicht mehr empfindet, nicht mehr dem eigenen Willen gemäß zu handeln, sondern froh und munter sich im erwarteten Rahmen bewegt. Je nachdem, wer diesen Rahmen setzt, welche Inhalte er hat, wird das Handeln (von Außenstehenden oder auch dem Menschen selbst) dann als adäquat oder eben nicht bewertet....Ein weites Feld....Ein paar nicht in jede Richtung hin abgeklopfte Gedanken....

Nur in diesem Sinne war die obige (überspitzte) Anmerkung gemeint.

Herzlichst grüßet der frosch :-)
 
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