Workshop mit Alan Fraser in Bonn (11.-13. Mai 2012)

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Hasenbein, wenn dein Unterricht so gut ist, ist das schön für deine Schüler. Aber, wie du selbst kürzlich schriebst - die allermeisten Lehrer leisten so etwas nicht ansatzweise...

Also, erstmal sehe ich meinen eigenen Unterricht stets kritisch und verbesserungswürdig und möchte ihn mitnichten als leuchtendes Beispiel hinstellen.
Bestimmte Dinge, u.a. auch welche, die zu virtuosem Spiel hinführen, können andere Lehrer besser. (Liegt aber auch daran, daß ich bei den normalen Musikschülern wenig Druck mache und entsprechend standardmäßig zu wenig geübt wird - bei den angesehenen Virtuosenschmieden funktioniert es u.a. deshalb so gut, weil meist ein engagierter Elternteil dabei ist und auch die Übesitzungen überwacht und kontrolliert, und weil stets eine hohe Mindestübezeit pro Tag vorgegeben wird.)

Aber das Prinzip, daß der Schüler am Ende der Stunde (bzw. am Ende eines Stundenteils, in dem ein bestimmtes Stück durchgenommen wurde) besser klingen sollte als zu Anfang, ist für mich selbstverständliche Grundlage, und wenn das wirklich stimmt, daß "die allermeisten Lehrer" das "nicht ansatzweise" leisten, dann wäre das ein ganz großes Armutszeugnis für die heutige Methodik!

Die Tipps des Lehrers müssen doch so gegeben werden, daß sie sofort umsetzbar sind (und somit in der Ausführung durch den Lehrer überprüfbar, so daß er mit relativ großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß der Schüler es richtig verstanden hat und zu Hause keinen allzu großen Unsinn treibt), und das wiederum muß doch zur Folge haben, daß der Schüler irgendetwas, was vorher nicht so gut hinhaute, noch in der Stunde zumindest ein bißchen besser hinbekommt, sonst kann der Schüler ja gar nicht wahrnehmen, was die Tipps bewirken und daß sie sinnvoll sind!

Ich kann mir ehrlich gesagt eine Stunde, in der man z.B. an der Interpretation eines Stückes, das man schon ganz gut kann, arbeitet, gar nicht vorstellen, in der der Schüler am Ende nicht besser klingt als am Anfang! Was soll denn das für eine Stunde sein? (Außer natürlich einer Stunde, in der man an Analyse o.ä. arbeitet, klar.)

LG,
Hasenbein
 
Ok du hast natürlich Recht. Ein Unterricht, der keine Veränderung (am besten natürlich eine Verbesserung :D ) beim Schüler bewirkt, hat per Definitionem seine Funktion gründlich verfehlt.
Was ich ausdrücken wollte war, dass Fraser an der Klangqualität gearbeitet hat. Dass es nach dem Unterricht besser geht als vorher liegt ja meistens daran, dass im Unterricht mit dem Schüler geübt wird bzw. motorische Probleme angegangen werden. Die natürlich auch in Verbindung mit Interpretation und Musik stehen, das ist klar - dennoch wird bei den meisten Schülern ein rein musikalisches Arbeiten nicht gut möglich sein, allein schon wegen der mangelnden Beherrschung des Stückes (...nicht geübt.).

Fraser verstand es eben sehr gut, bei jedem die Anschlags- und Spielbewegung so zu verändern, dass der Ton, der herauskam, sofort runder, schöner, tragender war.
Das können natürlich auch andere - aber die dürfen von mir aus dann auch "Klavierworkshops" veranstalgen, bei denen sie propagieren, den Ton zu verbessern.

Über die Qualität des Klavierunterrichts braucht man sich nicht allzuviel aufzuregen, man wird damit nämlich sowieso nie fertig. Am besten einfach bemühen, selbst ordentlich zu unterrichten. Wer dann bei einem schlechten Lehrer für 15 Euro die Stunde Unterricht nimmt, hat einfach irgendwie Pech gehabt.
 
Hallo,

ich habe auch an diesem Workshop teilgenommen. Grundsätzlich, stimme ich Stilblüte und partita zu.
Was mich persöhnlich betrifft, ich unterscheide mich von Laien und Studenten... Ich bin sozusagen Profi in fortgeschrittenem Alter ;-). Ich hatte eine lange Pause (etwas 15 Jahre). Seit 6 Jahren bin ich in meinem eigentlichen Beruf zurück - unterrichte. Plötzlich habe ich entdeckt, dass ich sehr gern spiele, und will mich auf dieser Ebene weiterentwickeln. Für mich war dieser Workshop sehr nützlich, interessant und bereichend.
Sein pianistische Stil unterscheidet sich von der russischen Klavierschule (Armgewicht). Vor dem Workshop habe ich die Übungen von Feuchwanger probiert und habe versucht, sein Stil anzuwenden. Eine ganz interessante Erfahrung. Bei manchen Stellen hat es mich weiter gebracht, meine Hand ist geschmeidiger geworden, manche unbequemen Stellen sind angehnemer geworden. Ich war aber nicht damit zufrieden und irgendwie einverstanden, dass man die Finger nicht aufheben sollte (die werden von der Taste selbst nach oben gebracht). Ich habe gelernt, sehr starke Finger zu haben, und mit "gekochten Spaghetti" ist nicht immer möglich, gut zu spielen. Frasers Stil - niedrige Sitzposition, hängende Hand wie Schlauch (auch bei Feuchwanger), etwa ausgestreckte Finger, aber immer noch diese höhe Position von Mittelhand (Stilblüte) - hat mir mehr imponiert. Ich habe sofort zu Hause ausprobiert, in seinem Stil zu spielen und habe festgestellt, dass es für mich unbequem ist, so hoch zu sitzen. Habe sofort den Hocker runtergedreht, und es war so was super! Ich habe ganz andere Klangfarben entdeckt!
Was ist tol fand.... ganz ganz viel Arbeit an Klang, Farbe und Orchestrierung. Nach diesem Workshop sind meine Ohren dreimal gewachsen :-))) Es ist erstaunlich, was ein Wochenende bewirken kann!
Für mich, der keinen Klavierlehrer hat, was es so was wichtig, eine Aussensicht zu bekommen, eine Rückmeldung. Natürlich, würde ich nicht alles 1 zu 1 von Fraser übernehmen, auch nicht alles von Feuchwanger, auch nicht von der russischen Klavierschule. Von allem nehme ich das, was mir passt, was mein Spiel farbenreicher, easier macht.
Deswegen keine schlechte Investition.
Auch als Klavierlehrer habe ich viel gelernt und auch festgestellt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
 
Hallo zusammen,

schön, dass ihr etwas schreibt zum Workshop mit Alan Fraser. Ich war auch sehr neugierig!
Ich freue ich, dass eigentlich alle in gewisser Hinsicht bereichert rausgegangen sind. So soll es sein.

Wenn man etwas komplett Anderes vorgesetzt bekommt, ist es in jedem Fall einen Versuch wert. Vielleicht ist es nicht der große Aha!-Effekt, aber ich meine, es schadet gewiss nicht, hin und wieder über dein eigenen Tellerand zu schauen und andere Blickwinkel kennen zu lernen.

Ich habe in meinem kurzen Klavierspielerleben, das sind nun 4 Jahre, schon mehrfach Dinge umgelernt, und das hat gewiss gut getan.
Das würde ich auch jederzeit wieder tun, wenn es nötig zu sein scheint.

Danke, dass ihr uns ein bissel durchs Schlüsselloch gucken lasst.

LG
violapiano
 
Ich habe ebenfalls am Workshop mit Alan Fraser teilgenommen und möchte meine Eindrücke kurz schildern:
Feldenkraisübungen zu machen, aber nicht die Verbindung zum Klavierspiel herzustellen
Diesem Eindruck möchte ich widersprechen, denn Alan Fraser hat sehr wohl den Bezug zwischen den Feldenkrais-Übungen und dem Klavierspiel hergestellt. Zum Beispiel, dass die Feldenkrais-Übungen dem differenzierten Klavierspiel dienen. Eindrucksvoll war es zu erfahren, dass durch die Feldenkrais-Übungen die Beweglichkeit z. B. in den Schultergelenken zunimmt. Und die Erkenntnis, wie manchmal Bewegungen in Gelenken von Muskeln gesteuert werden, die recht weit von diesen Gelenken entfernt liegen.
Aber wenn jemand sagt: Paß auf, immer Handgelenk tief; oder: Paß auf: Finger immer lang und aus dem Grundgelenk - dann ist das eindeutig eine mechanistische, nicht-audiomotorische Herangehensweise
Diesen Eindruck kann ich überhaupt nicht bestätigen. Im Gegenteil, Alan Fraser legte besonderen Wert auf audiomotorisches Herangehen; die stetige Klangkontrolle über das Hören ist wichtig und war während des Workshop stets präsent.
Er hat auch keineswegs gesagt, dass das Handgelenk immer tief gehalten werden müsse. Im Gegenteil, auf die Bewegungen des Handgelenkes bei der Klangerzeugung wurde großen Wert gelegt. Dabei wurden viele Bewegungen aus einem eher tief stehenden Handgelenk begonnen. Keinesfalls wurden irgendwelche Gelenke in fixierten, starren Positionen gehalten.

Besonders beeindruckt war ich davon, wie deutlich sich Änderungen von Bewegungen auf den Klavierklang auswirken. Zum Bespiel, wie sich ein eher "platter, gepresster" Klang zum einem vollen, runden, glockenartigen Klang wandeln kann.

Sehr gefallen haben mir auch seine Ausführungen zu Musikästhetik (z. B. an welchen Stellen klingt ein Rubato ausdrucksvoll klingt, und an welchen aufgesetzt und künstlich).

Fazit:
Ein Klavierpädagoge mit weit überdurchschnittlichen pädagogischen Fähigkeiten - und ein Workshop, durch den ich mein Klavierspiel deutlich hörbar verbessern konnte und kann. Zeit und Geld waren auf jeden Fall gut angelegt.

PS: Ein Bezug zu Affen oder etwas wie
Lerne zu greifen - ohne opponierenden Daumen
kam übrigens an keiner Stelle des Workshop vor.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe das mit der dogmatisierten Handstellung auch gar nicht so in Erinnerung, wie Partita es beschreibt; soweit ich zurückdenke, hat er die Handhaltung schon an die Situation angepasst (ich erinnere mich konkret an eine Stelle in einem meiner Stücke), jedoch immer auf die stabile Mittelhand und Durchlässigkeit des Handgelenks geachtet.

Ich habe zwar in meinem zweiten längeren Beitrag nochmal extra erwähnt, dass er nicht so 100% dogmatisch eine Lehre vom tiefen Handgelenk und ausgestreckten Finger vertreten hat - vielleicht kam es in meinen Beiträgen, die durchaus auch kritisch waren, nicht so heraus. Insofern möchte ich Blütes Einschätzung hier nochmal unterstreichen. Gerade bei ihren Stücken war er da sehr undogmatisch. In meinen hingegen war es anders und für mich an mancher Stelle eben einfach nicht wirklich im Tempo praktikabel (Fanfaren). An anderen Stellen habe ich aber, wie bereits beschrieben, den Eindruck, dass seine Art zu spielen oder so manche Übemethode, die er mir genannt hat, durchaus hilft.

Ich fand sehr sinnvoll, was Sorell gesagt hat: Sie würde nichts zu 100% von Fraser, nichts zu 100% von Feuchtwanger, nichts zu 100% von der russischen Schule übernehmen, sondern das herausfiltern, was für sie hilfreich und sinnvoll ist. Das kann je nach Stück und Stelle auch immer etwas Anderes sein. Diesen Transfer, diese Forschungen, welche Lösungen sich für eine gegebenes Problem am besten anbieten, nimmt einem niemand ab - kein Fraser, kein Feuchtwanger, keine russische Schule und auch kein anderer Klavierlehrer, so gut er auch sein mag, da niemand sonst in seinem eigenen Körper und in der eigenen Psyche drinsteckt als man selbst. Letztlich gibt es doch verschiedene Möglichkeiten, ein Problem zu lösen und alle sinnvollen führen erstmal zu einem besseren Klangergebnis - und jeder Klavierlehrer wird einem immer nur Lösungsmöglichkeiten zeigen können - welche davon dauerhaft für die Stelle brauchbar ist, muss man selbst herausfinden und entscheiden (bzw. dann unter Beobachtung eines Lehrers gegenchecken lassen, wenn man es nicht selbst kann).

Das bedeutet natürlich auch, dass ein Lehrer auch bereit sein muss, nicht dogmatisch zu lehren, sondern auch einzusehen, wenn einem Schüler ein anderer Lösungsansatz besser hilft. Im Übrigen hat Fraser auch das getan: Ich erinnere mich an eine Stunde, in der er einem Schüler sagte, er solle sich bitte höher setzen (er hat sogar zweimal den Stuhl höher drehen lassen), obwohl er selbst extrem tief sitzt und in der Regel einen tiefen Sitz empfiehlt.

Wie man Unterricht per DVD oder Video geben kann, ist mir zwar auch ein Rätsel - davon halte ich auch nichts, aber das steht erstmal auf einem anderen Blatt als der konkrete Unterricht am lebenden, realen, direkt vor ihm sitzenden Objekt, den wir erfahren haben. Insofern: Ich bin definitiv kein Fraser-Anhänger, aber möchte trotzdem deutlich machen, dass er nicht der 100%ige unnatürliche Dogmatiker ist, für den er teilweise gehalten wird. Es gibt positive und negative Dinge - wie überall - ich habe mir die positiven als Möglichkeiten herausgepickt.

liebe Grüße,
Partita
 
Alan Fraser legte besonderen Wert auf audiomotorisches Herangehen; die stetige Klangkontrolle über das Hören ist wichtig und war während des Workshop stets präsent.
Er hat auch keineswegs gesagt, dass das Handgelenk immer tief gehalten werden müsse. Im Gegenteil, auf die Bewegungen des Handgelenkes bei der Klangerzeugung wurde großen Wert gelegt. Dabei wurden viele Bewegungen aus einem eher tief stehenden Handgelenk begonnen. Keinesfalls wurden irgendwelche Gelenke in fixierten, starren Positionen gehalten.

Besonders beeindruckt war ich davon, wie deutlich sich Änderungen von Bewegungen auf den Klavierklang auswirken. Zum Bespiel, wie sich ein eher "platter, gepresster" Klang zum einem vollen, runden, glockenartigen Klang wandeln kann.

Sehr gefallen haben mir auch seine Ausführungen zu Musikästhetik (z. B. an welchen Stellen klingt ein Rubato ausdrucksvoll klingt, und an welchen aufgesetzt und künstlich).

Fazit:
Ein Klavierpädagoge mit weit überdurchschnittlichen pädagogischen Fähigkeiten - und ein Workshop, durch den ich mein Klavierspiel deutlich hörbar verbessern konnte und kann. Zeit und Geld waren auf jeden Fall gut angelegt.

Dimo, Du hast alles ganz super toll ausgedrückt!!!! Das kann ich nicht... mit mienem beschränkten Deutsch :-(((

Ich würde nur noch dazu das fügen:

Während Workshop hat Alan Fraser folgendes gesagt:

"If you can do it one way, you are machine,
if you can do it two ways, you have dilemma,
if you can do it three ways, you have a choice"

Mehr kann man dazu nicht sagen...
 
Was mich aber auch interessiert: Was habt ihr für Werke gespielt und an welchen Stellen konntet ihr besonders große Veränderungen nach dem Workshop erkennen?

LG, MPF
 

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