Wieviel Instrument und wieviel Spielfertigkeit (-fähigkeit)???

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Debbie digitalis

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Hallo miteinander,

nachdem ich vor einiger Zeit festgestellt habe, dass sich die hier diskutierten Themen ganz grob in "Software"- und "Hardware"fäden unterscheiden lassen, drängt sich mir nun zunehmend die Frage auf:

Welchen Anteil hat die Qualität des Instruments einerseits
und die Spielfähigkeit bzw. Spielfertigkeit des Spielers andererseits
für ein gelungenes und befriedigendes musikalisches Ergebnis???

Oder anders gefragt:
Ist es möglich, auf einem minderwertigen Instrument vollendet zu spielen?
bzw.: Ist für vollendete Spieler die Qualität des Instruments an sich obsolet???

Liebe Grüße und freue mich, wenn es hier recht viele Antworten gibt!

Debbie digitalis
 
Ohh, ein interessanter Faden!

Ist es möglich, auf einem minderwertigen Instrument vollendet zu spielen?
Nein. Kann man mit einem Platten die Tour de France gewinnen?
Ist für vollendete Spieler die Qualität des Instruments an sich obsolet???
Nein. Klarkann ein Könner auf jedem Sch...hobel relativ toll spielen, aber gerade bei den letzten Prozentchen Perfektion hängt m.E. verdammt viel am Instrument.

Aber man kann das vereinfachen. Kein Instrument macht einen zu einem besseren Spieler. Aber bei einer gegebenen Spielstärke wirkt jede Qualitätssteigerung des Instruments grundsätzlich verbessernd. Ausnahme sind hochpräzise Spitzeninstrumente und stümpernde Anfänger wie ich - da wirkt die Qualität des Instruments eher negativ verstärkend - da sie aber Fehler deutlich aufzeigt, ist diese Qualität wiederum dem Lernfortschritt zuträglich.
 
Welchen Anteil hat die Qualität des Instruments einerseits
und die Spielfähigkeit bzw. Spielfertigkeit des Spielers andererseits
für ein gelungenes und befriedigendes musikalisches Ergebnis???

Es geht ja um ein Wechselspiel zwischen Mensch und Instrument, bei dem das klangliche Ergebnis von beiden Seiten abhängt. Es heißt immer, dass auf einem Spitzeninstrument sogar ein schlechter Pianist halbwegs etwas zustande bringt und dass selbst auf einem Schrottklavier ein Spitzenpianist wunderschön spielen kann.

Aber das ist schon eine plakative Betrachtungsweise. Denn natürlich wird man einem schlechten Pianisten immer anhören, dass er nicht gut spielt, da nutzt auch ein tolles Instrument nichts. Und selbst der tolle Pianist wird von dem, was ihm das schlechte Klavier an Klang und Mechanikgefühl zurückgibt, so beeinflusst, dass er nicht optimal spielen kann.

Das heißt also:

Ist es möglich, auf einem minderwertigen Instrument vollendet zu spielen?

Nein.

Ist für vollendete Spieler die Qualität des Instruments an sich obsolet???

Ebenfalls: Nein.

Wenn die Musik schön sein soll, dann müssen Instrument und Pianist beide ein Mindest-Qualitätsniveau haben. Interessant wird es dann wieder, wenn man auf einem relativ hohen Niveau die menschliche Seite des Instrument-Mensch-Wechselspiels betrachtet. Denn nicht jedes Spitzeninstrument passt zu jedem Pianisten. Und wenn es nicht passt, dann kann das Instrument noch so gut sein, - der Pianist wird nicht warm damit und die Musik wird es dann auch nicht sein.

Natürlich gibt es auf der menschlichen Seite viele Variablen, die die Musik beeinflussen. Aber die Passung zwischen Instrument und Pianist spielt dabei eine Rolle. Und vielleicht gehört das auch zu dem, was eine Musik so berührend macht oder was einem im Konzert plötzlich das Gefühl gibt, an etwas Besonderem teilzuhaben.

Grüße von
Fips
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es ist sicher eine gute Übung, auf einem nicht-perfekten Instrument zu üben. Das bedeutet auf einem Instrument, das man ein bisschen mehr "bitten" muss, um einen schönen Klang zu erzeugen. Oder ein verstimmtes, klapperndes, ungleiches, ..., bei dem etwas Konzentration für das Ausgleichen der Mängel verloren geht, deren Vorhandensein an einem guten Instrument dann zusätzlicher Puffer ist.
"Gut" und "gut" sind natürlich zwei Dinge. Es gibt gute Instrumente, bei denen man sich mehr bemühen muss, um einen bestimmten Klang zu erzeugen - übrigens auch bestimmte Räumlichkeiten. Erfahrene Klavierspieler berücksichtigen das bei ihrem Spiel und halten stets "Rücksprache" mit dem akustischen Ergebnis, weniger geübte Klavierspieler werden vermutlich an ihrer gewohnten mechanischen Umsetzung festhalten, auch wenn das Klangergebnis sich von dem gewohnten unterscheidet.

Bestimmte technische und klangliche Feinheiten können nur auf einem wirklich guten Instrument ausgeübt werden. z.B. Passagen, die einen besonderen Anspruch an die Mechanik stellen wie sehr große Dynamikabstufungen (besonders im Pianissimo), schnelle Repetitionen und dergleichen. Ebenso kann man auf einem ungehobelten Kasten keine klanglichen Feinst-Nuancen erzeugen.

Ab einem bestimmten Klavier-Niveau dürfte es aber möglich sein, ordentlich spielen zu lernen und zu üben, auch wenn man keinen Steinway D vor sich hat.
Wenn ich doch auch zugebe, dass ein besseres Instrument auf anderem Wege ein befriedigenderes Ergebnis liefert: Es macht nämlich mehr Spaß, darauf zu spielen, deshalb verbringt man möglicherweise mehr Zeit damit.
 
Ich habe seit langem nur noch ein ePiano (Clavinova CLP-950) von Yamaha. Das kann man eigentlich nur zum Platzieren der Finger brauchen. Einzelne Töne zu spielen oder gar eine Dynamik, die den Namen verdient kannste vergessen. Sobald ich aber dann mal wieder auf einem guten Piano spiele, merke ich wie leicht es mir fällt schöne Musik zu machen. Wenn jeder einzelne Ton hörenswert ist, wirkt das schon bezaubernd.
Bei manchen Stücken wird einem aber auch erst bewusst, wie schwierig sie sind, da man nun auf jede Nuance im Anschlag achten muss. Ich denke, Instrument und Spieler sollten sich ebenbürtig sein. Besser man kippt auf die Seite mit einem etwas zu guten Instrument als umgekehrt. Ich kann ja mit meinem Ferrari auch einkaufen gehen. Doch mit dem alten VW auf die Rennstrecke dann doch eher nicht.
 
Einen Ferrari würde ich nicht in der Garage hinstellen sondern vor der Haustür... und das E-Piano nicht im Zimmer sondern im Keller ohne Fenster:D
 
Jetzt stellt sich nur noch die Frage, was verwerflicher ist:

Mit dem Ferrari beim Bäcker zum Brötchenholen vorzufahren, oder Hanon auf dem Konzertflügel zu trommeln.
 
Doch mit dem alten VW auf die Rennstrecke dann doch eher nicht.

Der Vergleich zum Auto hinkt jedesmal, aber wird trotzdem immer wieder gern genommen. Also gut:

Es muss ja nicht gleich eine Rennstrecke sein (genausowenig wie beim Klavier!), aber in einem alten VW, der gut instandgehalten und gewartet ist, lässt sich ganz prima fahren - und nicht nur zum Bäcker, Brötchen zu holen! (Im Gegenteil, sowas sollte man zu Fuß tun, oder wenn schon mit dem Auto, dann mit 'ner runtergerittenen Plastikschüssel, wo's eh nicht drauf ankommt.) Das ist keine hohle Sprücheklopferei meinerseits, sondern praktischer Erfahrungswert. "Alter VW" ist nicht gleich "alter VW". (Mein Alltagsfahrzeug ist ein Jetta 1 Pendant namens "Fox", Anno 1990, mit dem ich jederzeit die 1400 km nach Kapstadt fahren würde und 2006 eine Urlaubstour von knapp 5000 km gemacht habe. Ein offenkundig fahrbares Auto, nicht ohne Spaßfaktor! Mein voriger Wagen war ein 1983er Golf, der mittlerweile bei meinen Eltern weiterlebt, mit 400.000 km durchaus noch brauchbar, wenn auch nicht durchrepariert.)

Zurück zum Thema Klavier: wieviele abertausende Kalimpakästen stehen in Haushältern [Edit: Haushalten... mein Auslandsdoitsh hat mal wieda zugeshlagen] , die, wenn man sie denn endlich mal ordentlich stimmen, regulieren und ggf. intonieren würde, sehr passable Klaviere wären! Mein 40 Jahre altes Ibach spielt sich völlig anders, nachdem es auf Kammerton gebracht wurde, die Achsen gängig gemacht wurden, das Spielgewicht ausgeglichen und die Mechanik grob einreguliert wurde. Und es ist noch mehr machbar, da bin ich sicher. Dass ein 110 cm hohes neues Yamaha uns da wesentlich mehr bieten kann, mag ich zumindest bezweifeln, zumal ich selber mehrere angespielt habe.

Ich wollt' auch nur sagen: die nötige Pflege vorausgesetzt, bedeutet "alt" nicht zwingend "runtergekommen und verschrottungsbedürftig". Und das gilt nicht nur für Klaviere...

Ciao,
Mark
*der grad neulich sein 1965er Morphy Richards Bügeleisen erfolgreich repariert hat*
 
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Einen Ferrari würde ich nicht in der Garage hinstellen sondern vor der Haustür...
Wie lange er da wohl (unversehrt) steht. Hier in der fränkischen Provinz ist die Ferraridichte so hoch, dass wir sogar ein fettes Ferrari-Center haben! Aber man sieht keine auf der Strasse. In Franken fährt man eben keinen Ferrari, nur die Zuhälter aus Hesse ;-). Böse Zungen behaupten, dass sich nachts viele Garagentore öffnen und die Ferraris dann in den Weinbergen oder im Spessart spazierengeführt werden.
 
Bevor es zum Ferrari Thread wird:

Ich lese zur Zeit ein schönes Buch über das Klavier (Piano, Piano von Dieter Hildebrand (nicht dem Kabarettisten)). Da stehen schöne Anekdoten über die Gr0ßen der Zunft drin, die ja früher auch auf den Flügeln konzertieren mussten, die sie in den Salons und Vortragslokalen vorfanden. Da waren z.T. übele Mähren dabei. So wird von Clara Schuhmann berichtet, dass sie in Paris auf einem Flügel spielen musste, bei dem mehrere Tasten nicht richtig bewegt werden konnten. Clara "umspielte" das Problem. Das ist es halt, was die wirklich Großen ausmacht. Auch mit wirklich minderwertigen Equipment noch hörbare Ergebnisse zu erzielen.

Andere Story: Ich war auf einem Workshop des von mir hochverehrten Joe Bonamassa (Blues Gitarrist). Der spielet natürlich auf Equipment vom Allerfeinsten. Als einer der Teilnehmer anmerkte, das solch teuere Sachen ja nun auch wirklich gut klingen müssten, sagte Mr. Bonamassa nur "lets change" - was soll ich sagen - er hat aus einer 08/15 Ibanezgitarre und einem 600 Euro Peavy Verstärker das gleiche rausgeholt wie vorher mit seinen Edelklamotten (vielleicht waren Nouancen hörbar ... ) - der Glückspilz der Joes Sachen spielen durfte, klang allerdings auch nicht besser als vorher. "It´s all in your fingers" sagt Clapton. Möglicherweise gilt das für das Klavier nicht ganz so uneingeschränkt ... aber ich vermute mal, auf unserem Niveau brauchen wir uns noch keine Sorgen machen, nur das Equippment würde uns vom Starpianisten-Ruhm trennen. Trotzdem macht natürlich auch uns ein schönes Instrument mehr Spass als eine Kommode....

Gruss

Hyp
 
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Ich bin der Meinung, dass ein Instrument, auch das des Anfängers, Mindestanforderungen erfüllen muss.

Es muss technisch in Ordnung sein, also darauf reagieren, was der Spieler tut. Klangliche Qualität (klangliche Schönheit) rangiert da erst an zweiter Stelle für mich.

An einem schlechten Instrument kann man nicht gut spielen lernen. Ein Gutes hingegen motiviert ungemein.

Ich selbst habe nach einem unerfreulichen halben Jahr an einem E-Piano meinen Flügel angeschafft und habe das nie bereut. Das Spielen daran ist immer ein Erlebnis, auf das ich mich freue. Es gibt immer Neues zu entdecken, klanglich, technisch und auch musikalisch. Und so soll es auch sein.
Der Flügel ist ein guter Lehrmeister. Wenns nicht klingt, bin ich selber schuld.

Wer mit seinem Instrument ständig kämpfen muss, wir nie wirliche Freude daran entwickeln, zu musizieren.

Soweit mein Plädoyer für ein gutes Instrument für jeden Spieler!:p:)
 
Hallo miteinander,

vielen Dank für die zahl- und an unterschiedlichen Meinungen reichen Antworten! Ich bewundere eure Fantasie, die hinsichtlich dieser Fragestellung geäußert wird - vielen Dank für die vielfältigen Antworten!

Allerdings: Für mich ist die Frage "Flügel der Spitzenklasse oder Durchschnittspiano" (bzw. wie und in welchem Maße können professionelle Pianisten von erstklassigen Instrumenten profitieren) weder belanglos noch nebensächlich. Ich glaube (ohne das wissenschaftlich und empirisch begründen zu können), dass ein gutes Instrument einen guten Spieler fördert und vielleicht auch einen noch unschlüssigen Spieler zu noch größerem Einsatz motivieren kann.

Daran anschließend die Frage:
Wurde die Musik, die wir heute hochschätzen, verehren und spielen überhaupt für Instrumente heutiger Qualität komponiert und gedacht??? Ist es vielleicht möglich, dass wir heute viel differenziertere Möglichkeiten (aufgrund der verbesserten Instrumente) haben, ein Stück zu spielen und zu interpretieren als zu Zeiten des Komponisten??? Wo befindet sich damit die Grenze zur "Werktreue"???

LG

Debbie digitalis
 
Hallo Debbie accustica,

Deine anschließende Frage hatte ich in ähnlicher Form mal an anderer Stelle gebracht, ich füge das mal hierzu als meine Gedanken dazu an:

Klassiker auf historischen Instrumenten...

Folgender Widerspruch ging mir letztens auf beim Konzertbesuch (u.a Mozart Klavierkonzert A-Dur KV 488 ) - es heute üblicherweise auf großen Konzertflügeln gespielt. Der Klang ist erheblich anders als von den zu Mozarts Zeiten vorhandenen Instrumenten . Im Programmheft zum Konzert war zudem ein Bild von Mozarts "Heimflügel" abgebildet: Tonumfang gerade mal 5 Oktaven bzw. maximal 65 Tasten...
Können dann Interpretationen bzw. das Spielen auf großen Konzertflügeln überhaupt nur annähernd den ursprünglichen Klanggedanken der Komponisten gerecht werden?

Oder umgekehrt: dass die Werke auf "modernen" Instrumenten immer noch sehr schön klingen, ist das wohl eher der großartigen Vision der Komponisten geschuldet?

Sollten wir vor diesem Hintergrund vielleicht auch etwas zurückhaltener sein, wenn es um die Bewertung der Spielbarkeit von Keyboards, Kleinklavieren, Digitalen Klavieren etc. geht...

Ergänzend dazu noch die Überlegung, dass die heutigen Klassiker zu ihren Zeiten großteils "Salonmusik, Unterhaltungsmusik im besten Sinne komponiert haben....


Nachdenklich

Gruß
BArbara
 
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