Ja, und die Goldberg Variationen entstanden lange vor dem modernen Flügel, auf dem sie heute meist gespielt werden.
Ich finde, es spricht nichts dagegen, die Möglichkeiten moderner Instrumente im Sinne der Komposition zu nutzen, auch wenn sie vielleicht damals noch nicht zur Verfügung standen.
Es gab auch schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen "Hack" für das fehlende sostenuto Pedal", nämlich das sehr rasche Wechseln des Haltepedals - die Bassnoten klingen dann noch weiter, wenn auch gedämpft. Wenn der Komponist diese Technik andeutet, kann man auf einem modernen Flügel besser das Sostenuto-Pedal nehmen, finde ich.
Nein, das war kein Hack, sondern Technik by design. Nehmen wir den Beethovenschen Broadwood und schauen uns dann die Waldsteinsonate an, dann wird klar, dass das Sostenuto des Kontra-C schon klar gewollt war
und unmittelbar mit der zur Verfügung stehenden Technik zu tun hatte.
Allerdings komplett anders als von Dir dargestellt: Die Dämpfer waren zwischen Diskant und Bass zweigeteilt und der gewünschte Effekt, nämlich das Durchklingen des Basstons über Harmoniewechsel (die mit dem Diskant 'normal' pedalisiert wurden) hinweg, entsprächen mit der heutigen Sostenuto-Technik genau dem intendierten Effekt.
Das Rachmaninoff-Beispiel entbehrt nicht eines gewissen Humors, denn die Hyper-Kontraste zwischen den gehaltenen Akkordnoten und den als
pp notierten Figurationen brauchen kein Sostenuto-Pedal; die Figurationen sind längst vor dem Ausklingen der r/l-Akkorde weg. Allerdings will man eine komplett andere Klangfarbe zwischen den Sostenuto-Akkorden und den lapidaren Unisono-Figurationen haben - und das macht man mit dem linken Pedal, also Una Corda.
Was den Liszt angeht: Ich bin fanatischer "Auf-die-Füße-Schauer" bei Pianisten und ich darf Dir aus erster Hand berichten, dass auch ein Herr Horowitz das mittlere Pedal speziell in diesem Stück nicht genutzt hat.
Braucht er auch nicht. Wenn man's drauf hat, dann halten sich auch fette Bässe über einer Melodie darüber ohne Pedalwechsel, ohne dass die Meldodie darunter leidet. Schönes Beispiel:
[YT]
]View: https://youtu.be/crnQMSfxHgw?t=3529[/YT]
Am Schluß des Preludes bleibt der rechte rechte Fuß konsequent auf dem Pedal. Klingt das verschwommen? Nein. Hätte es irgend einen Vorteil gebracht, stattdessen das mittlere Pedal zu nutzen? Nein. Klingt es geil? Ja.
Deine Argumentation läuft komplett ins Leere, wenn man sich tatsächliche Pianisten im Konzert mit relevantem Repertoire anhört.
Vielleicht doch eher mal einen kleinen Fokus auf das linke Pedal legen, Ohren spitzen, mit dem Klaviertechniker diskutieren? Dann kommt vielleicht so etwas heraus, wo Beethoven in Op. 110 im letzten Satz
'poi a poi tutte le corde' schreibt und der Techniker von Igor Levits Aufnahme tatsächlich kein binäres 2 vs. 3 Saiten erzielt sondern etwas Graduelles, das einem bei genauem Hinhören echt umhaut.
But that's just me.
Nachtrag: Ich habe die youtube-Aufnahme mit Zhukov extra mit der Zeitmarkierung versehen, aber das Forum kappt das leider weg. Wer sich's also genau anhören möchte was ich meinte, der steuert 59:01 für das Chopin As-Dur Prélude an und hört sich vor allem den Schluß an.