deine Frage ist völlig berechtigt, und sie zählt zu denen, die am schwierigsten und am leichtesten zu beantworten sind (oft ist ja das vermeintlich "leichte" am allerschwierigsten)
ich kann dir nur ein paar Tipps geben:
- blind üben (außer Sprungstellen): sich vorstellen, man schleiche im finsteren und wolle nicht erwischt werden, also wie Winnetou ja auf kein Ästchen tapsen :)
Grund: siehst du nichts, schaltest du den vom sehen initiierten Kontrollmechanismus aus
und das immer schneller!!!
- was ich gerne tue: ich stelle einen Spiegel neben die Klaviatur, sodass ich wie ein Zuschauer meine Hände von der Seite sehen kann: dann spiele ich einen Abschnitt einer Passage, und schaue zu
Grund: ich überschreibe das Kontrollsehen, indem ich das wahrnehme, was ich sonst (von oben) nicht sehe - und ich freue mich über die freien fließenden Bewegungen
- erklären: übe eine Stelle/Passage nicht wie sonst, sondern stell dir vor, du würdest sie gerade jemandem so erklären, dass er sie dann schnallt
Grund: du machst dir den Sinn bewusst, schaltest Angst etc. aus (jetzt bist du ja in der Rolle des "Lehrers", der das alles kann und erklärt)
- hören können ohne Geräusche: kannst du in deiner Vorstellung, innerlich also, hören, was und wie du es haben willst? wenn ja, prima!
das waren nur Fingerzeige, ich kann ja nicht wissen, ob und wie du sie auffasst und ausprobierst - überhaupt hat das "ausprobieren" ja das selbe Problem: dann möchte das Denkgehäuse das Probierte/Neue überwachen...
also vielleicht der verrückteste Tipp:
nimm dir ein dir gänzlich neues Stück, etwas, was du noch nie angefasst hast (und trau dich!!): z.B. Chopin op.25 Nr.8 (!!!!eine der schwierigsten), davon den ersten Takt nur die rechte Hand
- "lern" ohne Klavier die Noten auswendig (kinderleicht)
- stell es dir mit geschlossenen Augen vor (Tastenbild, Fingergefühl)
- präzisiere das Fingergefühl, indem du dir die Fingergruppen für die Sexten vorstellst
-----und das lange lange Zeit
wenn du die Bewegungsfolge ohne Tasten "in deiner Hand spüren" kannst:
- fass die erste Sexte weich entspannt und schlaff an
- Augen zu!!!!
- fühl sie "schleichend im finstren wie Winnetou"
- fass die erste an, denk die zweite voraus: dann weich aber rasch alle beide
- so weiter, bis du den ersten Takt in 2-erGruppen gespielt hast
Zwischenbemerkung: immer ohne es zu sehen
du wirst spüren, dass das leicht ist, angenehm - alle Bedenken wie "oh ach und weh und jammer, eine böse etüde" sind ausgeblendet!!!
- spiel sie alle immer wieder weich, langsam, gelangweilt blind
lange Zeit
dann spiel was anderes (mit den gewohnten Lästigkeiten)
geh spazieren
setz dich ans klavier, fass weich und schlaff die erste Sexte an, Augen zu, bissle fühlen, NIX denken, NIX wollen - und plötzlich spielst du fehlerfrei und schnell und mühelos die 12 ersten Sexten blind
das funktioniert bei vielen
hilft dir das? ich hoffe - wichtig ist: etwas NEUES NEU und ANDERS machen
liebe Grüße, Rolf