Wie geht Ihr mit UNSPIELBAREN Stellen um

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Also mein erster Schritt bei "unspielbaren Stellen" ist zu verstehen, warum der Komponist es so und nicht anders aufgeschrieben hat. Die Notation eines Musikstückes ist ja oft nur eine mögliche "Kondensation" des Klangeindrucks/der Aussage die der Komponist sich wünscht und die Entscheidung für eine Notation ist somit oft direkt eine weitere Information über die Intention des Komponisten.

Die Gründe für "unmögliche" Notationen sind zahlreich und auch vom Komponisten abhängig. Es kann sein:
a) Dass der Komponist es nicht besser weiß (tritt oft bei neuer Musik auf, welche von nicht-Pianisten geschrieben wurde ;-) :-D )
b) Dass der Komponist ein anders instrumentiertes Klangbild im Kopf hat. Anstatt die Stelle dann "klaviertypisch" aufzuschreiben, schreibt er gewissermaßen einen Klavierauszug auf.
c) Der Komponist möchte, dass die Stelle schwer und unangenehm ist. (Das wollte Skrjabin z.B. tatsächlich abundzu. So ist in den Erinnerungen Sabanejews zu lesen, das Skrjabin absichtlich unangenehme Fingersätze notiert hat, weil er wollte, dass Stellen "unangenehm" zu spielen sind, sodass der Pianist gewissermaßen die "unangenehme Gefühlslage" einer Stelle nachempfindet).
d) Der Komponist war nachlässig, und hat aus Ungeduld "irgendetwas" notiert.

Am häufigsten ist wohl b). Hier muss man dann entziffern, was der Komponist womöglich wirklich gehört und gewollt hat. Man muss die Stelle instrumentiert in verschiedenen Besetzungen denken, und überlegen, was am ehesten der Notation entspricht. Hierfür lohnt es sich, sich auch mit anderen Werkgattungen des selben Komponisten zu beschäftigen. Anschließend kann man dann versuchen diesen Klangeindruck auf dem Klavier zu reproduzieren. Die Notation ist hier also nur eine Hilfestellung um die eigentliche Absicht des Komponisten zu verstehen, und diese dann wiederzugeben.

Zusammengefasst: Notation ist meines Erachtens oft eine Botschaft des Komponisten an uns. Meines Erachtens sollte man diese nicht "sklavisch" (à la "Malen nach Zahlen") befolgen, sondern verstehen, warum der Komponist es so und nicht anders aufgeschrieben hat. Je nach Komponist muss man hierfür auch verstehen, wie er orchestriert und instrumentiert hat, um die betreffende Stelle eher als "Klavierauszug" zu begreifen. Anschließend kann man versuchen, das "rekonstruierte Klangbild" auf das Klavier zu übertragen.
 
@Triangulum bei c-des (weiß-schwarz direkt nebeneinander) für die rechte Hand ist es gut möglich, beide mit dem Daumen anzuschlagen und beliebig zu differenzieren (gleichlaut, c lauter oder c leiser) - irgendwo bei Ravel kommt das öfter vor.
Mir macht innerhalb einer Oktave der Griff c-des-f-c mit 1235 keine Probleme; wäre das einen Halbton höher (cis-d-fis-cis) könnte man da nicht mehr 11-2-5 nehmen, da ginge es nur 1235. In deinem Notenbeispiel ist das 32stel vor dem besagten Griff das, was es schwierig macht, denn der Griff selber inklusive Binnendifferenzierung ist nicht gar so problematisch.
Zwei Tasten mit dem Daumen - da gibt es allerlei kurioses, z.B. die kleine Terz dis-fis mit dem quer gelegten Daumen in Chopins 3. Scherzo; kurios auch die sechstönigen Akkorde kurz vorm Choral in Debussys versunkener Kathedrale - - aber das alles ist nicht "unspielbar", sondern relativ bequem, wenn man gerade so Dezimen fassen kann.
Zwei Tasten mit dem Daumen, aber eine davon hervorgehoben: das ist fies und allein auf weißen Tasten wohl nicht machbar (Schlummerkind)
 
Ich mache es mir als Amateur ganz einfach, ich spiele einfach keine Werke mit für mich unspielbaren Stellen, es gibt doch wahrlich genug Klavierliteratur:musik064::005::008:.
 
c) Der Komponist möchte, dass die Stelle schwer und unangenehm ist.
Beethoven die Dezimenvorschläge in der A-Dur Sonate op.2 Nr.2 haben keinen speziellen klanglichen oder kompositorischen Grund, die hat Beethoven aus Bosheit reingeschrieben, damit die Leute, die sich flink und flugs mit seinen Sachen produzierten, da gehörig stolpern und versagen :-D
Ok, die sind unangenehm, aber nicht "unspielbar"
 
Dezimenvorschläge in der A-Dur Sonate op.2 Nr.2 haben keinen speziellen klanglichen oder kompositorischen Grund, die hat Beethoven aus Bosheit reingeschrieben, damit die Leute, die sich flink und flugs mit seinen Sachen produzierten, da gehörig stolpern und versagen :-D
Ich sehe da aber eine Imitation, die die Dezimen zwingend erfordern!
 
Eine "unspielbare" Stelle der Art, dass man auf dem Klavier kein crescendo und decrescendo auf einem Ton machen kann, findet sich auch in den Bunten Blättern von Schumann:

Schumann.PNG

Dieser wunderbare erste Ton (wie man sieht, gibt es noch weitere) soll wie das gesamte Stück "mit Innigkeit" klingen. Er erklingt quasi aus dem Nichts, ganz allein ohne Begleitung schwebt er dort oben. Idealerweise taucht der Hörer schon mit diesem ersten Ton in die Atmosphäre des Stücks ein, dieser erste Ton lockt den Hörer und enthält bereits den Kern der musikalischen Aussage. So wie mal Maria Callas sagte, dass sie sich vor dem ersten Ton wie eine Schauspielerin in das Stück hineinfühlt und die entsprechende Person WIRD.

Hier stellt man sich vor dem Spielen ebenso intensiv die Atmosphäre des Stücks, die Sehnsucht, Innigkeit und Süße des Klangs vor. Man stellt sich vor, man KÖNNTE auf einem Ton wie eine Sängerin cresc. und decresc. machen, man stellt sich vor, wie dies klingen würde. Die Umsetzung dieser inneren, sehr intensiven und klaren Klangvorstellung transportiert diese zum Hörer und tatsächlich bekommt dieser Ton damit eine ganz besondere Note und Klangfarbe, was ja der Sinn dieser dynamischen Zeichen auf einem Ton ist.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zwei Tasten mit dem Daumen, aber eine davon hervorgehoben: das ist fies und allein auf weißen Tasten wohl nicht machbar (Schlummerkind)
Ich hab es gerade noch einmal ausprobiert. Wenn man den Daumen durchstreckt (allerdings ist mein Mittelgelenk sehr flexibel), das Gewicht des Daumens auf das h legt, funktioniert es. Wollte man das a hervorheben, wäre es einfacher. Ganz risikolos ist das alles trotzdem nicht.
 
Das ist so eine Stelle, wo Betz sicherlich das "Vorauspedal" nahelegen würde (vor dem ersten Ton Pedal runter)
würde ich bei einer solchen Stelle immer auch ohne die Klammern machen. Es ist viel einfacher, in ein offenes Klavier zu spielen.
Ich finde diese Klammern in Schumanns Stück einfach grandios! Ich spüre sofort, wie es klingen muß. Es ist eine Suggestivangabe.
 

Ich nutze die Gunst der Stunde und stelle hier noch so einen Akkord ins Netz. Wenn ich die unteren beiden Töne (g1b1g2b2) mit der rechten Hand greife, fehlen mir oben über 5 cm. Gibt es Hände (Pranken), die das greifen können oder ist das unspielbar? Die beiden untersten Töne (mit oberstes g mit dem Daumen greifen, geht auch nicht, da eine schwarze Taste dazwischen liegt. Es funktioniert nur über das Pedalisieren.
 

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die Gunst der Stunde und stelle hier noch so einen Akkord ins Netz. Wenn ich die unteren beiden Töne (g1b1g2b2) mit der rechten Hand greife, fehlen mir oben über 5 cm. Gibt es Hände (Pranken), die das greifen können oder ist das unspielbar? Die beiden untersten Töne (mit oberstes g mit dem Daumen greifen, geht auch nicht, da eine schwarze Taste dazwischen liegt. Es funktioniert nur über das Pedalisieren.
Ich würde de Stelle durch arpeggieren Links und brauchbares Pedal lösen.
Sollte ich das Bedürfnis spüren den Akkord zusammen anzuschlagen würde ich das untere b weglassen und rechts nur g-g-b mit 1-4-5 spielen.
 
Den Anhang 20210504_145320.jpg betrachten
Das wäre ein schönes Beispiel für 'unspielbar'. Der Akkord mit crescendo und decrescendo und die Auflösung - nach dim. bis pp - mit piano (cantabile ) . Da muss die Fantasie mithelfen!
 
Ich würde de Stelle durch arpeggieren Links und brauchbares Pedal lösen.
Sollte ich das Bedürfnis spüren den Akkord zusammen anzuschlagen würde ich das untere b weglassen und rechts nur g-g-b mit 1-4-5 spielen.
Ein Dankeschön für die Antwort. Durch Arpeggieren + Pedal hatte ich das bislang auch gelöst. Die Noten sind aus der Barmotin-Sonate. Der war nicht gerade zimperlich, was das Greifen der Dezime angeht. In der Regel ist die Spielweise klar ausnotiert: Diese Akkorde sind zu arpeggieren, jene nicht und das Beispiel ist ohne Arpeggio notiert. Daher war meine Frage, ob man so etwas greifen kann bzw. ob es so große Hände gibt. Wenn nicht, ist es klar, man kann sich die Notierung ersparen, weil sowieso alle arpeggieren müssen. Dann wäre es im engeren Sinne auch unspielbar.
Was die Ansicht des Komponisten angeht, da braucht man gar nicht erst zu versuchen, etwas herauszufinden (zu unbekannt, äußerst dürftige Quellen).
 
Ich frage mich immer, ob Rachmaninow wohl die Akkorde am Ende des letzten Préludes aus op. 32 greifen konnte. Ich muss da ein wenig tricksen...
 

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