Wer hat den Groove?

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Leoniesophie

Leoniesophie

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7. Juni 2010
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Wie ist das denn jetzt?

Manchmal höre ich eine Darbietung und denke, wow, da kommt was rüber zu mir. Das kann ein instrumentales oder ein gesungenes Stück sein. Ich kann nicht anders als mitzuwippen, mitzuklopfen oder mitzuhopsen. Es groovt!

Aber wie schafft es ein Künstler, daß es groovt? Wie springt der Funke über? Ich vermute mal, daß ein ganz ausgeprägtes Rhythmusgefühl vorhanden sein muß, sozusagen daß Metrum, daß im Innern durchläuft und die Basis für das Ganze ist. Kann ich z.B. ein Stück, daß ich nach Noten erlernt habe, jemals groovig spielen? Oder funktioniert das nur bei freier Improvisation? Es scheint aber damit zu tun zu haben, daß man den Rhytmus fühlen muß, der ganze Körper muß es verinnerlicht haben.
 
Ein interessantes Thema!

Natürlich kann man ein nach Noten erlerntes Stück groovig spielen. Ich verweise auf das "Real Book". Wer´s vielleicht noch nicht kennt, das ist ´ne dicke Schwarte voller Jazz-Standards, die Bibel aller Amateurjazzer. Dort kann man Stücke lernen, nach Noten. Aber wie anders als "groovy" spielt man Jazz?? Leider steht im Real Book nicht, wie man "groovy" wird. Die Antwort ist einfach: üben. Wer sich in diversen Hobbyjazzbands umgetan hat, also geübt hat, kann dann irgendwann auch so etwas wie rhythmisch spielen, meistens jedenfalls. Das gilt natürlich auch für Solospieler, die sich mit Jazz, Rock, Blues etc. beschäftigt haben. Sie haben geübt. Und deswegen klappt es auch.

Manchmal meine ich auch, es ist eine Art Frau-Problem. Ich hatte in der Schule und an der Uni ´ne Menge Mitschülerinnen, die konnten richtig gut Klavier spielen. Aber einen simplen Boogierhythmus ´mal ´ne Minute auf dem KLavier durchhalten, das konnten sie nicht. Sie hatten es halt nie geübt. Aus Mangel an Interesse? Sicherlich. Pianistisches Können war ja im Übermass vorhanden.
Wenn ein Mann ein bisschen Klavier spielen kann, will er gleich ´ne Band aufmachen. Frauen möchten scheinbar lieber den Kinderchor begleiten.....
CW
 
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Manchmal meine ich auch, es ist eine Art Frau-Problem. Ich hatte in der Schule und an der Uni ´ne Menge Mitschülerinnen, die konnten richtig gut Klavier spielen. Aber einen simplen Boogierhythmus ´mal ´ne Minute auf dem KLavier durchzuhalten, das konnten sie nicht. Sie hatten es halt nie geübt. Aus Mangel an Interesse? Sicherlich. Pianistisches Können war ja im Übermass vorhanden. Wenn ein Mann ein bisschen Klavier spielen kann, will er gleich ´ne Band aufmachen. Frauen möchten scheinbar lieber den Kinderchor begleiten.....
CW

Als Frau-Problem würd ichs jetzt nicht bezeichnen, aber doch ist da etwas dran. Zum Beispiel das Ehepaar unter mir: er singt und stampft am Klavier, haut in die Tasten und egal, wann es etwas schief klingt und alles nicht mehr so ganz zusammenpasst, er grölt weiter aus vollem Halse und stampft noch etwas lauter.... sie hingegen ganz gepflegt akuratesten Barock. In unserer WG dasselbe: mein Mitbewohner (Mann) mit der Mundharmonika möchte mit mir (Frau) etwas Grooviges spielen. Ich sage: nicht "meine" Musik am Klavier, kann ich nicht, spiel ich nicht. Er sagt: kann ich auch nicht .... Unterschied: er spielt trotzdem und fühlt sich dabei pudelwohl.

LG, Sesam
 
Wie ist das denn jetzt?

Manchmal höre ich eine Darbietung und denke, wow, da kommt was rüber zu mir. Das kann ein instrumentales oder ein gesungenes Stück sein. Ich kann nicht anders als mitzuwippen, mitzuklopfen oder mitzuhopsen. Es groovt!

Aber wie schafft es ein Künstler, daß es groovt? Wie springt der Funke über? Ich vermute mal, daß ein ganz ausgeprägtes Rhythmusgefühl vorhanden sein muß, sozusagen daß Metrum, daß im Innern durchläuft und die Basis für das Ganze ist. Kann ich z.B. ein Stück, daß ich nach Noten erlernt habe, jemals groovig spielen? Oder funktioniert das nur bei freier Improvisation? Es scheint aber damit zu tun zu haben, daß man den Rhytmus fühlen muß, der ganze Körper muß es verinnerlicht haben.

Hi, Leoniesophie

ich denke:

- Groove kann man nur selbst erfahren. Plötzlich ist man drin, anfangs für Sekunden, dann für länger...
- Groove kann man nicht in Noten pressen, das RealBook umgeht das ja auch komplett, indem Synkopierung fehlt.
- Groove kommt aus dem Innersten

Als ich mal Walking-Bass gelernt habe (im wesentlichen Viertelnoten mit tertiären Verzierungen ) habe, sagte mein Basslehrer: "Selbst, wenn du Viertel spielst, denke ternär dabei. Das höre ich raus!"

Und wenn ich mich dann durch die Wechsel durchkämpfte, frage er mich stirnrunzelnd: "Woran denkst du?"
Ich hatte dann immer in Vierteln gedacht. Sobald ich aber jede Viertel als Triole dachte, veränderte sich auch mein Spiel, da ich dann automatisch "dead notes" etc. richtig setzte und auch die Viertel je nach Melodieverlauf geringfügig vor/hinter den Schlag setzte.
Und dann lächelte er...:p

Speziell durch gezieltes Vor- und Nachlaufen zum Beat bekommt man Drive.
Z.B. aufsteigende/absteigende Linie: aufsteigend minimal! nachlaufen, dann auf der höchsten Note genau auf dem Beat landen und dann abwärts minimal voreilen. Wie auf der Achterbahn.:D
Das bekomme ich nur gut hin (manchmal), wenn ich das Bild der Achterbahn "denke"; bewusst kann ich das nicht steuern.
Fühlen kann ich das aber ganz genau!

Grooove muss ja nicht immer ternär sein, - ist aber oft hilfreich.
Mit den richtigen Bildern im Kopf grooved jede Musik.

Zur Zeit spiele ich Reggae. Schlagzeug und Bass spielen entspannt ternär, die Herren Gitarristen tun es leider nicht.
Das ist wie Materie und Antimaterie, der Groove ist weg. :D

Soweit zu meiner Jagd nach Groove,

Lieber Gruß, NewOldie
 
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Sobald ich aber jede Viertel als Triole dachte, veränderte sich auch mein Spiel,...

Und geht das dann praktisch? Ich denke mir dann einen Dreier-Takt?
Was mache ich dann mit der vierten Viertel aus dem Viervierteltakt? Zählt die dann zu nächsten Triole? Und bin ich nach 12 Vierteln wieder "Eins" angelangt?
Meinst du mit ternär das Denken in Triolen?

LG
Leonie
 
Hi Leonie, du zählst zuerst die Viertel normal:

1 2 3 4

dann triolisch, also 12 Schläge in der Zeit von den 4 Schlägen.

1 er lei 2 er lei 3 er lei 4 er lei

dann fasst du ternäer jazz-phrasiert zusammen:

(1 er) lei (2 er) lei (3 er) lei (4 er) lei

Schwepunkte habe ich markiert. "lei" als off schwächer betont.
Lei ist die normale "und-Achtel" die jetzt ternär verschoben wurde.
Also nicht als "und" oder als zickge 16tel "e" spielen; Ausnahme: Funk.

Im Prinzip murmelst du dein Jazz Mantra: dooo da dooo da dooo da dooo da

Dann passt das schon:p

Lieber Gruß, NewOldie

PS einfach mal probieren:

C-Dur Tonleiter in Vierteln zuerst normal mitzählen, dann zu "dooo da dooo da dooo da dooo da" .
bei "doo da" geht den Körper automatisch mit, und es hört sich (nicht nur) für dich anders an! (Obwohl ja nur Viertel)
 
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Und geht das dann praktisch? Ich denke mir dann einen Dreier-Takt?
Einen Dreier-Takt nicht, aber,

man kann es auch so erklären:

In einem 4/4-Takt gibt es acht Achtel, zwei auf jeden Schlag. Die Achtel sind normalerweise alle gleich lang. Im Jazz spielt man sie aber ungleich lang, als sog. "unequal eights". Was heißt das?
Das erste Achtel wird doppelt so lang wie das zweite Achtel gespielt, also im Verhältnis 2:1. Oder, was auf dasselbe hinausläuft, man teilt jeden Viertelschlag gedanklich in drei (!) - daher das leicht irreführende Wort vom "Dreier-Takt" - Achtel auf und spielt die ersten beiden Achtel miteinander verbunden, die dritte einzeln.

Wenn man es dann noch schafft, die kurze Achtel etwas betonter als die lange Achtel zu spielen, hat man den wesentlichen Schritt zum Groove getan.

Viel Spaß beim Üben!
CW
 
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Es scheint aber damit zu tun zu haben, daß man den Rhytmus fühlen muß, der ganze Körper muß es verinnerlicht haben.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass der/die Musiker nur sporadisch zeitlich präzise abgestimmte Brocken hinwerfen, die der Zuhörer nur dann sinnvoll einsortieren kann, wenn er _selber_ den (vorzugsweise: richtigen) Rhythmus am Laufen hat. Wenn er verstehen will muss er also mitmachen. Geht das nur mir so?
 
Hallo, jetzt weiß ich, was Ihr meint, New Oldie und Cwtoons :p

dann fasst du ternäer jazz-phrasiert zusammen:

Diese Ternär-Phrasierung ist ja über den Stücken angegeben. Da steht dann z.B. eine punktierte Viertel mit einer Sechzehntel und darüber eine kleine Drei, manchmal auch mit einer kleinen Klammer versehn. Ja, das kenne ich. Ist auch spielbar. Ok, ein Beispiel: Ich spiele also ein Jazzstück mit dieser Ternär-Phrasierung, nehme es auf und denke, hm irgendwie ist das alles viel zu "brav" , es funzt nicht. Wisst Ihr, was ich meine?
Wenn ich dazu komme, werde ich mal eine Einspielung reinstellen.
Wenn ich zu Wiki " Groove" google, kann ich diesen mehrdeutigen Begriff auch schön erklärt bekommen.Groove (Musik)
Groove ist also aus dem englischen für "Furche, Rille" und ist beim Rhythmus das, was bei der Melodie der Riff ist, zusammengefasst als "Ostinato".

Aber ich frage mich halt, wie komme ich dahin, daß es wirklich groovt?
Wahrscheinlich alles Übungssache :p Fällt Euch noch was ein, wie man den Groove findet beim Selber-Musik-machen? Denn es scheint ja so zu sein, daß beim Musikhören daß Groove-feeling sich bei den meisten Zuhören einstellt.

Habt Ihr schöne Beispiele?
Ich hab' hier mal eins: YouTube KLAZZ Brothers amp Cuba Percussion Summertime - YouTube

Irgendwie hat man nachts die meiste Ruhe zum Schreiben
:cool:
 
... ich finde ,es "groovt" am besten, wenn man sich nicht genau an die Noten (Takt) hält - über 4, 8, 16 Takte schon, damit das Ohr den Eindruck gewinnt, dass passt irgendwie doch zu der Melodie.

Das ist ähnlich wie beim improvisieren, ich könnte zwar eine Improvisation auswendig lernen und spielen, das klingt aber fast immer anders als das Original - eben gelernt und nicht gefühlt.
 
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Hi Leoniesophie,

schönes Beispiel!:p

meine Analyse, warum der Bass schon am Anfang grooved.

1.) Er hört/spürt den "Son Clave" bereits innerlich/körperlich, auch wenn er anfangs scheinbar frei spielt.
2.) Phrasierungen und Vibraoto!!! im Bass liegen bereits im Puls (32tel) des kommenden Rhythmus
3.) Latin patterns sind, auch wenn sie (der besseren Lesbarkeit halber) auf Viertel gestreckt sind, ternär zu fühlen.

Für Basser und alle anderen Musiker gibt es die Zen-Übung, den Charakter des Gesamten Stückes in einen einzigen ganz lang ausgehaltenen Ton zu legen.
Das ist eine innere Übung, die sich auf das äußere Spiel auswirkt.
Begründung: Es geht natürlich nicht, aber man spürt in der Verzweiflung, ob man den inneren Gestaltungswillen überhaupt hat.
(Nur falls mich jemand für komplett durchgeknallt halten sollte..:D)


Der Groove ist im Kopf; (oder auch nicht). :p

Lieber Gruß, NewOldie
 
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Hallo,

ich würde mal empfehlen, einfach einen E-Bass zur Hand zu nehmen und mit Schlagzeugbegleitung einfache Rhythmen zu spielen oder mit einer Aufnahme mitzuspielen.
Der Fokus liegt beim Bassspielen von vornherein eher auf der Erzeugung von "Groove", da die Menge an Tönen vergleichweise reduziert ist und das Instrument eher am Körper liegt als
ein Klavier. Auch möglich: Aufstehen, beim Spielen in Vierteln oder Halben "gehen".
Alternativ eine einfache Basslinie am Klavier (Boogie etc.) mal länger spielen und dabei auf den Groove achten (z.B. vorstellen, dass jemand dazu tanzt etc.).

Marcus Miller Red Baron - YouTube
Patti Ballinas & Nathan East - YouTube

Aja, ein paar Frauen gibts doch: http://www.youtube.com/watch?v=VC02wGj5gPw
 
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Hallo Leonie,

freut mich zunächst ´mal, dass meine Erklärung angekommen ist.
Weshalb swingt die Kiste trotzdem nicht?

Natürlich kann man die Achtel in der beschriebenen Weise spielen. Das ist die Voraussetzung, aber noch lange nicht die Garantie dafür, dass der Groove um die Ecke kommt. Es gibt außerdem auch Jazznummern, die haben in der Melodie überhaupt keine Achteltöne, nur Viertel. Können die also per definitionem sowieso nicht swingen?

Doch, können sie schon.
Das ist der springende Punkt.

Wir, die wir meistens aus dem klassischen Klavierunterricht kommen, sind rhythmisch von der Spielausbildung oft unterentwickelt. Man spielt vielleicht schon durchaus anspruchsvolle Klassiker, man hat eine - im Idealfall - gute und deswegen brauchbare Technik dank hunderter - oder tausender? - von Stunden am Klavier. Aber Groove zu produzieren braucht auch sehr lange, auch hunderte von Übungsstunden. Und am besten Banderfahrung noch dazu, und sei es eine noch so kleine Amateurband, das hilft.

Diese Jungs, die Du hier verlinkt hast, das ist eine auf Groove spezialisierte Truppe. Das wird schon aus der Besetzung deutlich: Es gibt kein einziges nur melodieführendes Instrument, Trompete, Sax oder so etwas. Sie sind wie die Rhythm-Section einer Bigband, die den Rest der Kapelle zu Hause gelassen hat.
Was sollen die denn anderes produzieren als Groove, Groove und nochmals Groove?
Es wäre interessant zu wissen, auf wieviele Übungsstunden die zusammen in diesem Stil kommen.....

Und als letztes: Deren Musik - Latinjazz im weitesten Sinne - hat nicht die unequal eights. Die Achtel werden gleichlang gespielt.
CW
 
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