hallo,
Deine Frage ist mehr als berechtigt, und ich hoffe, Dir ein paar grundsätzliche Antworten geben zu können:
1. man muss unterscheiden zwischen "manuell anspruchslos" (also geringen Aufgabenstellungen für die Motorik) und quasi "künstlerisch einfach gehalten bzw. leicht verständlich".
- denn hier können Probleme für den Übenden auftauchen, wenn das entsprechende Klavierstück zwar "manuell anspruchslos" gesetzt ist, aber zugleich von immensem künstlerischem Niveau: nahezu jeder Anfänger kann manuell die "Arietta" (nur das Thema, keine der Variationen) aus Beethovens Sonate op.111 spielen, wird aber von dieser Musik und der für sie notwendigen Klanggebung heillos überfordert sein; hier lassen sich noch sehr viele manuell harmlose Stücke nennen, beliebt ist ja der erste Satz der Mondscheinsonate, manches Chopinprelude usw.
2. "leicht" in beiderlei Sinn sind also Werke, die quasi inhaltlich leicht verständlich sind und zugleich keine zu hohen manuellen Forderungen stellen. Hier haben einige der großen Komponisten extrem wertvolle und herrliche Beiträge geleistet, indem trotz aller Schlichtheit des künstlerischen und instrumentalen Niveaus SCHÖNE, liebenswerte, hörenswerte und damit spielbare "leichte" Stücke vorliegen; teilweise sind diese eigens für den Verstehenshorizont von Kindern/Jugendlichen bzw. für "Anfänger" in jedem Sinne gemacht, teilweise sind es Musikstücke, die ohne klavierpädagogische Ambitionen eben schlicht und unaufwändig gehalten sind.
aus diesen kann eine sinnvolle Auswahl getroffen werden, wenn man das Klavierspielen bzw Musizieren an Werken mit verständlichem, aber dennoch "hohem" musikalischen Niveau erlernen will:
Schumann: Album für die Jugend
Tschaikowski: Album für die Jugend
Chatschaturjan: Bilder der Kindheit
Bartok: Mikrokosmos I (II)
Bach: Notenbüchlein
Kabalewski: Klaviersachen für den Unterricht (weiss gerade den exakten Titel nicht)
(evtl Haydn, kleine Sonatinen)
Ich persönlich halte diese für ideal, da sie eben auch das Verstehen von Musik fördern - es sind geniale UND von Grund an Musik erklärende Kunstwerke!
ebenso geeignet, wenn auch mit weniger "interpretatorischem" Aufwand sind:
Mozart: seine Kompositionen aus der Kindheit (da gibts ein Bändchen mit Sachen, die Mozart mit 4-5 Jahren komponiert hat)
Beethoven: Sonatinen aus der Bonner Zeit; Sonatine G-Dur
Chopin: zwei Polonaisen (mit 6 komponiert)
Diabelli: vierhändige Sachen (da gibts sehr viel)
Natürlich gibt es darüber hinaus aus der "Kunstmusik" AUCH leicht verständliche und leicht spielbare, also für Anfänger geignete Stücke:
Debussy: "le petite Negroe" (eigens für eine Klavierschule komponiert!)
Mendelssohn: einzelne Lieder ohne Worte
Schubert: einzelne Tänze
Chopin: die "perpetuum mobile" Mazurka C-/G-Dur
Natürlich braucht man einen Klavierpädagogen, der hier eine auf die individuellen Fähigkeiten des Schülers abgestimmte Auswahl treffen kann UND der hierbei sinnvolle Übungstechniken einsetzt - falsch ist immer, erst Noten lesen, dann vom ersten zum letzten Takt stümpernd buchstabieren.
Da Du schreibst, mit Debussys "kleinem Neger" überfordert zu sein: ich fürchte, Du hast noch keine Bekanntschaft mit der angemessenen Übungsweise gemacht... - - - eigentlich ist dieses geniale Stück bestens für Anfänger gemacht, die eben nicht an den Noten kleben sollen, sondern isoliert leicht lernbare/spielbare Bewegungsmuster nach einer kleinen Eingewöhnungszeit zusammensetzen!!!
kurz gefasst:
1. allein links die chromatischen Terzen als zwei Bewegungsmuster staccato lernen, welche sich aus dem Tastenbild ergeben (die beiden Gruppen von schwarzen Tasten erfordern den Wechsel 2-4 mit 1-3, die beiden "Lücken" erfodern den Wechsel 1-5 mit 2-4)
2. als Rhythmusübung rechte Hand (einfache Ragtimesynkopen) und linke Hand (gleichmäßige Achtel) klopfen, erst mit den Unterarmen, dann nur noch aus den Handgelenken
3. das kann man dann zusammensetzen
(soviel zum im Notenbild mit den vielen Vorzeichen "schwierig" erscheinenden Anfang)
ok, der Rest dieses Stückes wird ähnlich zu "trainieren" sein, will sagen, auch da werden Bewegungsmuster zusammengesetzt --- man kann sich hier prima das automatische spielen angewöhnen! Ich mache mit Anfängern dieses Stück nach spätestens einem Dreivierteljahr vom allererstenmal Klavieranfassen an gerechnet (und man bedenke, wie viele Ferien es in einem Dreivierteljahr gibt...)
Hilft Dir diese Antwort ein wenig? Würde mich freuen,
liebe Grüße,
Rolf