Was tun bei Abnutzung und aufkommender Langeweile zu lange geübter Werke

Joh

Joh

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Hallo zusammen,

ich habe gerade (mal wieder) das Problem, dass ich ein Konzertprogramm schon seit einiger Zeit bühnenreif vorbereitet, auch schon mehrfach aufgeführt habe und im Moment noch 3 Wochen warmhalten muss, da noch weitere Auftritte anstehen.

Im Moment weiß ich nicht mehr so richtig, was ich noch konkret daran üben soll, da eigentlich alles läuft und die musikalischen Vorstellungen für mich komplett geklärt sind. Natürlich: Technik kann und muss man immer üben, wobei mir da auch langsam keine neuen Übemethoden mehr einfallen. Langsam durchspielen ebenfalls, um die Gedächtnisinhalte zu festigen.
Das gravierende ist jedoch: Meine bildliche Vorstellung, Inspiration und Interesse an den Stücken nimmt im Moment kontinuierlich ab, da ich einfach schon zu viel die letzte Zeit daran geübt habe. Ich habe Angst, dass bei den kommenden Auftritten das zunehmende Desinteresse dem Publikum auffällt und sich das auch auf mein Spiel niederschlägt. Das bloße "Runterspielen" des Programmes, wie ich es schon öfters bei vielen Berufsmusikern erlebt habe, möchte ich auf keinen Fall erreichen.

Was für Methoden benutzt Ihr, um das zu vermeiden und das Gehirn immer wieder aufs neue zu fordern und euch für die Musik zu begeistern?
 
Hallo Joh,
suche z.B. nach interessanten Mittelstimmen und mache diese auch dem Publikum wahrnehmbar.

Grüße

Toni
 
Was für Methoden benutzt Ihr, um das zu vermeiden und das Gehirn immer wieder aufs neue zu fordern und euch für die Musik zu begeistern?
gar keine Methoden!
es muss halt das eigene Interesse an den Stücken vorhanden sein, dann langweilt die nötige Beschäftigung auch nicht

was ich zudem mache: mehr Zeit für das üben schwierigerer Sachen integrieren (also z.B. Gaspard üben, obwohl "nur" Chopinscherzi dran sind), das eigentliche Konzertprogramm dann wie zur Erholung zwischendurch spielen -- bei mir funktioniert das
 
gar keine Methoden!
was ich zudem mache: mehr Zeit für das üben schwierigerer Sachen integrieren (also z.B. Gaspard üben, obwohl "nur" Chopinscherzi dran sind), das eigentliche Konzertprogramm dann wie zur Erholung zwischendurch spielen -- bei mir funktioniert das

Um ehrlich zu sein: ich übe auch parallel schon an neuen Werken und stelle das Konzertprogramm etwas zurück. Die Frage ist nur: wie lange geht das gut? Unerwartete Dinge passieren gerne während des Auftritts.
 
Um ehrlich zu sein: ich übe auch parallel schon an neuen Werken und stelle das Konzertprogramm etwas zurück. Die Frage ist nur: wie lange geht das gut? Unerwartete Dinge passieren gerne während des Auftritts.
das meinte ich nicht, sondern deutlich schwierigeres als im Programm üben - das trainiert einerseits, andererseits sind dann die Programmstücke daneben "leichter", wirken wie erleichternd

musst du ja nicht machen ;-)
 
Unerwartete Dinge passieren gerne während des Auftritts.
Erfahrungstatsache: Leichtsinns- und Flüchtigkeitsfehler passieren vorrangig eher bei der Erledigung von Routineaufgaben als bei den schwierigsten Stellen, weil dann äußerste Konzentration angesagt ist. Kenne ich von wichtigen Auftritten und Leistungssingen mit meinen Chören: Gerade besonders lange im Repertoire befindliche Sachen sind besonders anfällig für Konzentrationsschwächen - alles tausendmal geprobt und hat immer geklappt, oder eben auch nicht. Warum soll das bei Pianisten sinngemäß anders sein?

Gegen Routine hilft nur Weglegen, um ein "Totüben" oder "Kaputtspielen" auszuschließen - und Wechsel zu noch anspruchsvolleren Aufgaben (rolfs Empfehlung) oder Wechsel zu artverwandter Literatur, um eine Musiksprache durch noch mehr Literaturkenntnis besser und differenzierter im Detail zu verinnerlichen. Stets vermeiden, sich an temporär nicht lösbaren Problemen festzubeißen, ohne natürlich nur neue Baustellen zu schaffen und nichts zu Ende zu bringen. Eine Ausnahme ist nur extremer Zeitdruck vor Auftritten, der möglichst nicht durch schlechtes Zeitmanagement verursacht sein sollte...!

LG von Rheinkultur
 
Gegen Routine hilft nur Weglegen, um ein "Totüben" oder "Kaputtspielen" auszuschließen - und Wechsel zu noch anspruchsvolleren Aufgaben (rolfs Empfehlung) oder Wechsel zu artverwandter Literatur, um eine Musiksprache durch noch mehr Literaturkenntnis besser und differenzierter im Detail zu verinnerlichen. Stets vermeiden, sich an temporär nicht lösbaren Problemen festzubeißen, ohne natürlich nur neue Baustellen zu schaffen und nichts zu Ende zu bringen. Eine Ausnahme ist nur extremer Zeitdruck vor Auftritten, der möglichst nicht durch schlechtes Zeitmanagement verursacht sein sollte...!

Weglegen geht leider momentan nicht - der nächste Auftritt ist kommende Woche.
Noch anspruchsvollere Werke als Beethovens und Chopins dritte Sonate? Hm... mal überlegen...

Artverwandte Literatur könne ich mal probieren - und wenn ich nur ein wenig vom Blatt spiele - vielleicht inspiriert mich das ein wenig. Wie schon gesagt, beim Konzertprogramm sind prinzipiell alle Probleme gelöst und ich bin nicht mehr genug künstlerisch inspiriert.
 
Weglegen geht leider momentan nicht - der nächste Auftritt ist kommende Woche.
Noch anspruchsvollere Werke als Beethovens und Chopins dritte Sonate? Hm... mal überlegen...

Artverwandte Literatur könne ich mal probieren - und wenn ich nur ein wenig vom Blatt spiele - vielleicht inspiriert mich das ein wenig. Wie schon gesagt, beim Konzertprogramm sind prinzipiell alle Probleme gelöst und ich bin nicht mehr genug künstlerisch inspiriert.
Wenn der Auftritt in der kommenden Woche ansteht, wäre eine Auszeit in begrenztem Umfang durchaus zu verantworten: Mal in einer Übesitzung ganz bewusst auf die Vortragsstücke verzichten und vielleicht ein anderes Repertoirestück von Beethoven und Chopin vornehmen, um nicht in der Routine zu erstarren. Ein Stück sollte auf der Agenda stehen, weil ein bestimmter Aspekt zur Ausarbeitung und Optimierung ansteht - nicht aber, damit ein Ritual absolviert ist: Das schlechte Gewissen ist beruhigt, da man ja sein Stück wieder brav geübt hat. "Prinzipiell alle Probleme gelöst"? Dann bist Du ja bestens im Zeitplan und erlebst, dass das Loslassen genauso zum Leben gehört wie das Festhalten. Offensichtlich kannst Du Dir ein gesundes Maß an Gelassenheit erlauben - genieße es ruhig, auch das gehört zum Erfolg dazu.

Aus anderen Bereichen der Arbeitswelt kennt man das Phänomen des "Präsentismus": Wenn man immer an seiner Arbeitsstelle präsent ist, hat man alles im Griff und ein reines Gewissen. Dabei ist dem Arbeitgeber gute Qualität und nicht die Verweildauer am Schreibtisch seitens seiner Angestellten wichtig. Ich denke, diese Konstellation ist in der Welt der Tasten ebenso denkbar.

Damit wünsche ich einen erfolgreichen Auftritt in der nächsten Woche. Niemals vergessen: Wer zuviel übt, droht den Kollegen in den Rücken zu fallen, weil er womöglich zu gut spielt...!
:pokal::pokal::pokal::pokal::pokal::pokal:

LG von Rheinkultur
 
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In solchen Situationen lege ich die Stücke tatsächlich weg und nutze die Zeit für Etüden (gerne Chopin, aber auch die Übungen von Cortot und Brahms). Bach ist auch immer gut, um das Gehirn zu "waschen". Wenn ich dann nach ein paar Tagen wieder an die Vorspielstücke herangehe, sind die wie neu.

LG, Mick
 
Wenn ich dann nach ein paar Tagen wieder an die Vorspielstücke herangehe, sind die wie neu.
Wenn der Auftritt schon in der nächsten Woche ist, kann Joh tatsächlich die Stücke nicht mehr tagelang beiseitelegen. Aber so etwa einen halben Tag lang können gut ausgearbeitete Stücke auch in dieser Situation mal liegenbleiben und reifen.

LG von Rheinkultur
 
Ich würde sie ruhig auch einen ganzen Tag (oder sogar zwei) beiseite legen. Wenn man ein Stück wirklich kann, dann kann man es eine Woche später noch genau so gut, selbst wenn man es während dieser Woche überhaupt nicht gespielt hat.

Ich kenne das Phänomen übrigens auch, dass Stücke "erlahmen". Allerdings muss ich sie in der Regel nicht für Auftritte warmhalten, sondern kann sie einfach eine Weile weglegen. Meistens habe ich dann nach einiger Zeit wieder Lust darauf und bin kurz darauf wieder dort, wo ich aufgehört habe. Bei Auftritten übe ich mehr oder weniger gezielt auf den Auftrittstag hin. Hatte aber bisher immer nur einen einzigen Auftritt und nicht mehrere hintereinander.

Grüße von
Fips
 

Weglegen geht leider momentan nicht - der nächste Auftritt ist kommende Woche.
Noch anspruchsvollere Werke als Beethovens und Chopins dritte Sonate?
gibt es einige, sogar von Beethoven und Chopin :-) (muss ich sowas wie op101,106 wirklich aufzählen?)
und dann gibt es etliche Klaviersachen, die auch noch anspruchsvoller bzw. manuell schwieriger als diese sind.

wie dem auch sei, die Antworten auf deine Frage scheinen dir nicht zu behagen - tja, hättste halt nicht gefragt, was andere machen... Du musst es ja nicht so machen. Man kann alles mögliche veranstalten, nur eines sollte man unterlassen: lamentieren. ;-)
 
Johannes, ich kenne das Problem. Wieviel zeit hast du zwischen den nächsten Konzerten? Wenn du es die leisten kannst, leg die Stücke alle Weg und widme dich dem neuen Programm. Das alte kannst du und du kannst es ganz schnell wieder abrufen! Du bist doch inzwischen so weit, dass du da auf dich selbst vertrauen kannst!
 
Ein Stück sollte auf der Agenda stehen, weil ein bestimmter Aspekt zur Ausarbeitung und Optimierung ansteht - nicht aber, damit ein Ritual absolviert ist

Das ist sehr gut und treffend formuliert - Danke!

Ich freue mich über so viele Rückmeldungen, welche ich mir alle als Inspirationshilfe zu Herzen genommen habe. In der Tat ist es wohl am besten, Dinge kurz ruhen zu lassen - auch nur für einen Tag - und danach Dinge in Stücken versuchen neu zu entdecken, damit man nie unkonzentriert übt.
 
In der Tat ist es wohl am besten, Dinge kurz ruhen zu lassen - auch nur für einen Tag - und danach Dinge in Stücken versuchen neu zu entdecken, damit man nie unkonzentriert übt.
Genau. Ein Stück reift nicht nur, indem es auf der Tastatur "traktiert" wird, sondern auch, indem das Unterbewußtsein Bewegungsabläufe und Strukturen verarbeitet. Bekannt ist das Phänomen, dass abends gelernte Texte (etwa ein Gedicht) nach dem Erwachen am nächsten Morgen sofort präsent sind. An anderer Stelle habe ich von den Brüdern Alfons und Aloys Kontarsky berichtet, die in jungen Jahren als Klavierduo dem berühmten Eduard Erdmann (Hamburg) vorspielten, der sie für den Folgetag nochmals zum Vorspielen einbestellte. Ohne Instrument in der Pension zur praktischen Realisierung waren beide in der Lage, alle Kritikpunkte und Veränderungswünsche des Meisters umzusetzen. Solche Ereignisse zeigen, dass wichtige Arbeitsschritte bei der Einstudierung keineswegs nur am Instrument erfolgen müssen.

In diesem Sinne frohes Schaffen und Wachsenlassen wünscht
mit LG Rheinkultur
 
Ob ein Tag reicht, das weiß ich nicht. Ich arbeite aber derzeit an zwei stücken für die ich mich letztes Jahr noch nicht bereit gefühlt habe. Jetzt lagen sie neun Monate und meine Lehrerin war heute Titel begeistert ;)
 

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