Was tun bei Abnutzung und aufkommender Langeweile zu lange geübter Werke

Ich kenne das Phänomen tatsächlich auch, habe grade das selbe Problem mit der Waldsteinsonate.
Mein Tipp (als Amateurspieler), wie z.T. schon genannt, spiele andere Werke, IMO gibt es technisch deutlich anspruchsvollere Sonaten als die dritte (sonst hätte ich sie noch nicht spielen können :D), lege die Stücke tatsächlich 1-2 Tage beiseite. Was ich auch gerne mache: Das Stück in 2-3 Teile aufteilen, und dann jeden Tg nur einen dieser Teile üben, und auch nur die technisch schwierigen Stellen. So vermeidet man, das Stück unnötig oft durchzu"leiern". Ich bereite gerade die Rigolettoparaphrase und die Waldsteinsonate vor, und spiele zur Ablenkung die zweite Scriabin-Sonate.
Was mir auch hilft: Leichte Werke spielen. (momentan Consolations von Liszt).
 
Erfahrungsbericht nach einem Konzert:

die technisch schwierigen Stellen haben alle wunderbar geklappt. Viele Dinge, die eigentlich sehr leicht waren und beim Üben in letzter Zeit vernachlässigt wurden, dafür nicht immer so ganz - man merkt dann plötzlich, dass man es doch noch mal hätte konzentriert üben sollen.

Für mich gilt daher: alle Teile des Stückes immer wieder üben, auch die leichten Passagen. Besonders hier muss man Übungen erfinden und neues entdecken, damit die Konzentration nicht abreißt.
 
Hi,

ein etwas esoterischer Ansatz meinerseits: Versuch viele neue Sinneseindrücke in der "echten Welt" zu sammeln, das kann helfen das Stück aus einer anderen Perspektive zu sehen.

Du hast geschrieben:
Das gravierende ist jedoch: Meine bildliche Vorstellung, Inspiration und Interesse an den Stücken nimmt im Moment kontinuierlich ab

Das offensichtlichste ist hier natürlich daran zu denken, dass man das Stück "totgeübt hat". Aber ich meine, wenn einem keine neuen Seiten an einem Stück auffallen, kann es doch auch einfach sein, dass man momentan zu blind ist um diese neuen Seiten zu sehen? Dass einem Assoziationen fehlen die man gerade dringend bräuchte.

So blöd es klingt, das klappt bei mir: Versuch dir einen Tag freizunehmen, und in die Natur hinauszuradeln, versuch mit so wachen Augen wie möglich durch die Welt zu laufen, und alle Sinneseindrücke aufzunehmen. Und versuch dann diese ganzen "Inspirationen" in dein Spiel einfließen zu lassen. Mir hilft das. Ich dachte auch, die Waldsteinsonate totgeübt zu haben. Habe mir dann in der Zeit einen Tag freigenommen, und bin hier etwas in der Natur herumgeradelt. Nunja, als ich dann am nächsten Tag geübt habe, sah ich auf einmal in dem Seitenthema Große Kornfelder, in anderen Stellen fühlte ich mich wie beim Sonnenaufgang... Und es machte auf einmal wieder wirklich Spaß.

Okey, es klingt arg esoterisch. Aber hey, ich bin angehender Physiker, mir glaubt man, dass ich kein Esoteriker bin...

LG,

Daniel
 
Das offensichtlichste ist hier natürlich daran zu denken, dass man das Stück "totgeübt hat". Aber ich meine, wenn einem keine neuen Seiten an einem Stück auffallen, kann es doch auch einfach sein, dass man momentan zu blind ist um diese neuen Seiten zu sehen?
Blind? Ich würde eher ergänzen: "Betriebsblind" - vor lauter Bäumen keinen Wald mehr sehen können. Da hilft tatsächlich der Abstand, um die Balance von draußen wiederfinden zu können. Deshalb steht der Dirigent auch vor dem Orchester und sitzt nicht unter den Musikern, wo die einen Details überpräsent sind und die anderen übertönt werden.

Der Erfahrungsbericht offenbart ein ganz typisches Phänomen: Flüchtigkeits- und Leichtsinnsfehler passieren vielfach gerade an harmlosen Stellen und in bestens vertrauter Umgebung beim entspannten Zurücklehnen. Es tröstet, dass Fehlleistungen vom Künstler selbst sehr fein registriert werden, aber beim Zuhörer nicht unbedingt so störend ankommen müssen.

LG von Rheinkultur
 
Hi,
vielen Dank für eure Anregungen. Ich denke, Daniels Posting trifft die Problemlösung ziemlich gut.
Natürlich hat sich von den Zuhörern keiner beschwert. Mich hat es trotzdem etwas geärgert, nicht 100% gegeben zu haben, aber das ist wohl Jammern auf hohem Niveau...
 

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