Vom Blatt spielen

Könnt ihr gut vom Blatt spielen?

  • Ich kann sehr gut vom Blatt spielen

    Stimmen: 8 10,4%
  • Ich kann gut vom Blatt spielen

    Stimmen: 20 26,0%
  • Ich kann nicht so gut vom Blatt spielen

    Stimmen: 23 29,9%
  • Ich nur unter großen Mühen vom Blatt spielen

    Stimmen: 20 26,0%
  • Ich kann nicht vom Blatt spielen

    Stimmen: 6 7,8%

  • Umfrageteilnehmer
    77
fällt mir nicht ein, da bleib ich gerne ein wenig in der Naivität stecken-

oder kannst du dem Statement nicht zustimmen ?


Okay, dann erklär ich es Schritt für Schritt


Indem Kaiser meint, dass das Auswendigspiel unterschätzt würde, meinte er damit , dass dem unbedarften Publikum jenes Auswengispiel! als die Großtat schlechthin erscheint.

Er meinte, das Auswendigspiel werde überschätzt.
Womit er nicht ganz unrecht hat. Nur seine Begründung finde ich ziemlich hanebüchen. Er sagte, das Auswendigspielen sei eigentlich keine besondere Leistung. Das könne man schon hinkriegen, auch die kompletten Beethoven-Sonaten, höchstens die Bach Fugen vielleicht nicht.

Nun, die Erfahrung zeigt, daß die Fähigkeit zum Auswendigspielen manchen Klavierschülern einfach so in die Wiege gelegt wurde. Sie tun praktisch nichts dafür und können trotzdem nach zwei, dreimal Spielen ihr Stück schon auswendig. Mir ist das ein totales Rätsel. Wenn ich ein Stück 500 mal gespielt habe, kann ich es immer noch nicht auswendig. Und ich habe da vielleicht schon hundert Stunden in die Ausarbeitung des Stücks, seiner technischen und musikalischen Klippen investiert. An der Faulheit liegts bei mir bestimmt nicht.

Wo ist jetzt die "Leistung"? Der eine kanns nach 3 mal Spielen - ist das eine Leistung?

Der andere kanns nach 500 mal spielen immer noch nicht. Also ein Totalversager.

Aber was sagt das Auswendigkönnen über die musikalischen Qualitäten?
Kann man aus der Tatsache, daß ich das Stück (wie alle anderen Stücke auch) nicht auswendig kann, schließen, daß ich ein musikalischer Volltrottel bin, oder um es in deinen Worten auszudrücken, ein purer Dilettant?

Und kann man andererseits daraus schließen, daß der Instant-Auswendiglerner ein musikalisches Genie ist? Ich hatte schon solche Schüler, die selbständig praktisch überhaupt kein Stück erarbeiten konnten, Noten sind wie böhmische Dörfer für sie - aber wenn ich ihnen das Stück vorspiele (vom Blatt :D ) dann spielen sie es direkt nach. So eine Art Miniplayback-Show.

Aber wieder zurück zum Kaiser von München

Dabei sagte er ganz genau, wie die Reihenfolge ist. Bei ernsthaften Arbeiten stellte sich das Auswendigspiel meist wesentlich früher ein, als die Beherrschung des Stückes.
Das Auswendigspiel ist nicht die Krönung des Schaffens sondern erstmal nur eine Voraussetzung.

Das Auswendigspielen ist überhaupt keine Voraussetzung.
Gut, manche Leute können Stücke erst spielen, nachdem sie sie auswendig können.

Zu denen gehöre ich zum Glück nicht. Zum Glück für mich. Sonst könnte ich nämlich überhaupt kein Stück spielen.

Punktum: wer ein Stück nicht auswendig "by heart" kennt, kennt es nur ungenügend.

Wenn er dann beim Auftritt die Noten stehen haben wil, ist nichts dagegen zusagen. Sind die Noten aber notwendig, weil immer wieder nachgelesen muss, wie es wohl weiterginge, ist dies purer Dilettantismus.

Na dann...

(Auch meine eigenen Kompositionen kann ich nicht auswendig spielen 8) )
 
Wenn er dann beim Auftritt die Noten stehen haben wil, ist nichts dagegen zusagen.

Sind die Noten aber notwendig, weil immer wieder nachgelesen muss, wie es wohl weiterginge, ist dies purer Dilettantismus.

evtl. ein wenig herb im sprachlichen Ausdruck, aber inhaltlich kann ich nicht völlig widersprechen. freilich gibt es Situationen (etwa wenn man kurzfristig als Begleiter einspringt und nicht viel Vorbereitungszeit hatte), in denen auch auf dem Podium manches mehr oder weniger vom Blatt gespielt wird (z.B. müssen langsame bzw. leichte Abschnitte nicht 100% memoriert werden). für ein Soloprogramm halte ich allerdings wirkliches vom Blatt spielen für sehr riskant.

Gruß, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
(...)
Mir ist das ein totales Rätsel. Wenn ich ein Stück 500 mal gespielt habe, kann ich es immer noch nicht auswendig. Und ich habe da vielleicht schon hundert Stunden in die Ausarbeitung des Stücks, seiner technischen und musikalischen Klippen investiert. An der Faulheit liegts bei mir bestimmt nicht.
(...)

ich hatte Deinen Beitrag leider zu spät bemerkt - was ich da zitiere, klingt für mich sehr ungewöhnlich. ich kann mir nicht vorstellen, gräßlich schwierige Abschnitte überwiegend mit Blick in die Noten im Tempo zu spielen (allerdings besteht die Möglichkeit, dass hier manches "Gewohnheiten" sind)

mir jedenfalls geht es anders, ich versuche das an einem Beispiel zu demonstrieren:
der "fugato"-Abschnitt aus der Lisztsonate gilt als knifflig; ich habe mir antrainiert, diesen ein wenig accelerando zu spielen, und ich hatte ihn auch lange und oft "blind" trainiert.
- ich kann diesen Abschnitt auswendig im Tempo
- ich kann diesen Abschnitt auswendig im Tempo blind
- ich kann ihn aber nicht im Tempo, wenn ich dabei in den Noten mitlese (das lenkt mich irgendwie ab) ((ok, ich könnte unscharf auf die Noten schauen und ihn so quasi blind spielen, aber wozu))

sicher: während des einlernens brauche ich auch bei schwierigen Stellen die Noten, schlichtweg um Harmonien zu sehen (da lese ich nicht jede Note, sondern sie sind quasi wie Gedächtnisstützen)

es ist schwierig, über den eigenen Schatten zu springen, deshalb sei mir wegen meiner Frage nicht böse: könnte es sein, dass Du ziemlich viel auswendig mit Kontrollblick in die Noten spielst? - so könnte ich mir das vorstellen, es wäre auch eine Art "Gewohnheit".

Gruß, Rolf
 
es ist schwierig, über den eigenen Schatten zu springen, deshalb sei mir wegen meiner Frage nicht böse: könnte es sein, dass Du ziemlich viel auswendig mit Kontrollblick in die Noten spielst? - so könnte ich mir das vorstellen, es wäre auch eine Art "Gewohnheit".

Warum mir das niemand glaubt... :rolleyes:

Ich spiele nicht auswendig. Auch nicht quasi "gewohnheitsmäßig auswendig". Im Prinzip gibts da keinen Unterschied, ob ich eine Haydn Sonate nach Noten spiele, die ich schon seit dreißig Jahren kenne und im Prinzip "kann", oder ob ich frisch gekaufte Noten eines mir bisher unbekannten Komponisten auf dem Notenpult stehen habe. Klar, bei der Haydn Sonate hab ich mir die gestalterischen Sachen schon zigmal durchdacht - das heißt aber nicht, daß ich in der Zeile, die ich gerade spiele bereits weiß, was in der nächsten Zeile kommen wird. Das was dann kommt, erkenne ich natürlich sofort wieder - und die Finger kennen sich dann irgendwie aus, aber ob es dann im konkreten Fall in dur oder moll weitergeht, das wird aufgrund des Notenbilds spontan vom Gehirn entschieden, da gibt es keinen Finger-Automatismus. Und das ist auch bei Bach Fugen oder Scriabin Etüden oder Schönberg Klavierstücken nicht anders.
 
Erstmal Entschuldigung- ich hatte zu schlampig geschrieben:

Natürlich meinte Kaiser, dass das Auswendigspiel überschätzt würde.

ansonsten kann ich manchen Behauptungen von Haydnspaß nicht glauben.

es werden nur Extreme genannt.

Leute, die nach 3 maligem Anhören bereits ein Stück nachspielen können:

Nun kein Problem, denn das kann ich auch, solange es sich um ein einfaches volkslied im Stile von Hänschen klein handelt. Bei starker Konzentration geht vielleicht noch das kleine g-dur Menuett von Bach- aber dann ist das ende der Fahnenstange erreicht.

Ein genie, was nach mehrmaligem Anhören eine 2 stimmige Invention auswendig kann, ist mir noch nicht untergekommen.

auf der anderen Seite, sagst du, dass selbst bei 500 maligen anhören kein Auswendigspiel -Gefühl sich einstellt.

Das krieg ich nicht in meinen Kopf rein. Mir kommt das vor, wie eine trotzhaltung: Nein, ich will nicht auswendigspielen und diese Suppe ess ich auch nicht.

Es wäre eine Erklärung, wenn es sich so verhält,, wie Rolf es beschreibt. Du spielst eigentlich auswendig aber brauchst zur sicherheit die Noten.

Aber bereits
 
Nun habe ich in deinem neuen Posting gesehen, dass du selbst bei Stücken, die du schon oft gespielt hast nur anHand des Notenbildes erkennst, wie es weitergeht und dass du das jeweils spontan so machst, wie es in den Noten steht.

Da fehlen mir echt die Worte.
 
auf der anderen Seite, sagst du, dass selbst bei 500 maligen anhören kein Auswendigspiel -Gefühl sich einstellt.

Das krieg ich nicht in meinen Kopf rein. Mir kommt das vor, wie eine trotzhaltung: Nein, ich will nicht auswendigspielen und diese Suppe ess ich auch nicht.

Es geht einfach nicht. Trotzhaltung ist es bestimmt nicht. Ich habe tatsächlich für die Aufnahmeprüfung an die Musikhochschule drei Stücke auswendiggelernt, darunter eine Haydn Sonate :D. Für die Abschlußprüfung hab ich auch ein 45 Minuten Programm auswendiggelernt (Bach,Brahms,Zwölftonstücke...)
Es war Streß pur - ich hätte es garnicht auswendig spielen müssen - war irgend so ein übertriebener Ehrgeiz. Im nächsten Leben würde ich das so bestimmt nicht mehr machen.
 
Ich spiele nicht auswendig. Auch nicht quasi "gewohnheitsmäßig auswendig". Im Prinzip gibts da keinen Unterschied, ob ich eine Haydn Sonate nach Noten spiele, die ich schon seit dreißig Jahren kenne und im Prinzip "kann", oder ob ich frisch gekaufte Noten eines mir bisher unbekannten Komponisten auf dem Notenpult stehen habe. Klar, bei der Haydn Sonate hab ich mir die gestalterischen Sachen schon zigmal durchdacht - das heißt aber nicht, daß ich in der Zeile, die ich gerade spiele bereits weiß, was in der nächsten Zeile kommen wird. Das was dann kommt, erkenne ich natürlich sofort wieder - und die Finger kennen sich dann irgendwie aus, aber ob es dann im konkreten Fall in dur oder moll weitergeht, das wird aufgrund des Notenbilds spontan vom Gehirn entschieden, da gibt es keinen Finger-Automatismus. Und das ist auch bei Bach Fugen oder Scriabin Etüden oder Schönberg Klavierstücken nicht anders.

so ungefähr hatte ich mir das, was ich mit "Gewohnheit(en)" meinte, auch vorgestellt. wiedererkennen und sich damit natürlich aus auskennen.

mal angenommen: Du nimmst Dir lose Blatt Kopien (weil Nachbars Waldi den Notenband gefressen hat), spielst ein Stück, dass Du schon seit Jahren spielst - ein Windstoß, das Blatt fällt runter: müsstest Du dann stoppen, oder würdest Du weiterspielen?

gänzlich rätselhaft ist mir allerdings, wenn Du bei Skrjabins op.8 Nr.12 wirklich nur und ausschließlich auf die Noten schaust und im Tempo spielst - ok, ich muss da auch nicht permanent die Klaviatur fixieren, aber die raschen Sprünge der linken Hand muss ich schon überblicken.

changiert halt alles: auswendig spielen heisst ja nicht, jede Sekunde auf die Tasten schauen - mit Noten spielen heisst sicherlich auch nicht, restlos alles selbst im wildesten Getümmel mitlesen.

anders gefragt: immer mal ein "Kontrollblinzeln" auf die Tasten - das machst Du doch (hoffentlich)? :p

Gruß, Rolf
 
anders gefragt: immer mal ein "Kontrollblinzeln" auf die Tasten - das machst Du doch (hoffentlich)? :p

Gruß, Rolf

ICh denke, dass Haydnspaß da ein besonderes Talent hat, was ich bisher nur bei
Leonard Hokanson beobachtet habe.

Ich habe bei Klavierabenden oft sehr nahe am Flügel gesessen und konnte bei Beethoven, der ja gerne so schreibt, dass sich linke und rechte Hand am entgegensetzten Rand der Klaviatur befinden, ggenau beobachten, dass sein linkes Auge dem Bass folgte- während das Rechte den diskant kontrollierte. In diesen Momenten hat er was von Quasimodo an sich-

aber es gibt ja leute, die ihren augen unabhängig in verschiedene Richtungen bewegenn können.

Und so könnte es sein: Mit einem auge ist er in den Noten- mit dem anderen auf den Tasten.
 
mal angenommen: Du nimmst Dir lose Blatt Kopien (weil Nachbars Waldi den Notenband gefressen hat), spielst ein Stück, dass Du schon seit Jahren spielst - ein Windstoß, das Blatt fällt runter: müsstest Du dann stoppen, oder würdest Du weiterspielen?

Keine Chance zum Weiterspielen! 1, 2 Takte hätte ich noch im Kopf, aber dann finito 8)

gänzlich rätselhaft ist mir allerdings, wenn Du bei Skrjabins op.8 Nr.12 wirklich nur und ausschließlich auf die Noten schaust und im Tempo spielst - ok, ich muss da auch nicht permanent die Klaviatur fixieren, aber die raschen Sprünge der linken Hand muss ich schon überblicken.

Ich spiel ja nicht so schnell ^_^

Das Auf-die Tasten-Gucken hilft mir überhaupt nicht. Stelle ich immer wieder von neuem fest. Ich treffe die Töne sicherer, wenn ich nicht auf die Tasten gucke.

anders gefragt: immer mal ein "Kontrollblinzeln" auf die Tasten - das machst Du doch (hoffentlich)? :p

Wenn das Stück langsam genug ist - ja :)
 

Also, dass man das sichere Treffen der Tasten ohne hingucken so perfektionieren kann wie Haydnspaß, kann ich mir auch gut vorstellen. Schließlich gibt es nicht nur blinde Pianisten, sondern sogar professionelle blinde Organisten, also scheint dies eine Fertigkeit zu sein, die auch immer weiter entwickelt werden kann.

Eine Frage habe ich an Haydnspaß:
Ob es dir so geht, dass du die Stücke, die du schon so oft gespielt hast, ohne Noten mental komplett durchspielen kannst, und es nur darum geht, dies nicht am Klavier dann zu können, oder ob dies auch das mentale Spielen betrifft?

Bei mir geht dem Auswendigspiel vorneweg, dass ich das betreffende Stück innerlich komplett "durchspielen" kann, mache das häufig mehrfach hintereinander vor dem Einschlafen. Selbst bei manchen todlangweiligen Besprechungen mit passiver Teilnahme während der Arbeit :D
Das irre dabei ist, dass ich bei vorhandenen realen Stolperstellen mental genauso an denselben Stellen stolpere. Habe manchmal den Eindruck, auch mental an diesen Stolperstellen arbeiten zu können, weiß aber nicht ob das nur eine Täuschung ist.
 
Ob es dir so geht, dass du die Stücke, die du schon so oft gespielt hast, ohne Noten mental komplett durchspielen kannst, und es nur darum geht, dies nicht am Klavier dann zu können, oder ob dies auch das mentale Spielen betrifft?

Das Spannende am Musikmachen ist doch, daß man im Voraus nie weiß, wie das Stück weitergeht. Das ist doch eigentliche Grund, warum ich Klavier spiele. Der "Whoa - wer hätte das gedacht!!!" -Effekt ist das, was mich an der Musik reizt. :D

Wenn ich alles schon im Voraus wüßte, dann bräuchte ich das Stück ja garnicht zu spielen.
 
Also, dass man das sichere Treffen der Tasten ohne hingucken so perfektionieren kann wie Haydnspaß, kann ich mir auch gut vorstellen. Schließlich gibt es nicht nur blinde Pianisten, sondern sogar professionelle blinde Organisten, also scheint dies eine Fertigkeit zu sein, die auch immer weiter entwickelt werden kann.

Siehe >>Inselbegabung<<.
Aber ich habs auch gemerkt das immer wenn ich mir auf die Finger guck, den Abstand zu groß einschätz und zu weit die Finger spreiz, ist irgendwie komisch, ist aber so:D.
 
(1)
Keine Chance zum Weiterspielen! 1, 2 Takte hätte ich noch im Kopf, aber dann finito 8)
(2)
Ich spiel ja nicht so schnell ^_^
(3)
Das Auf-die Tasten-Gucken hilft mir überhaupt nicht. Stelle ich immer wieder von neuem fest. Ich treffe die Töne sicherer, wenn ich nicht auf die Tasten gucke.
(4)
Wenn das Stück langsam genug ist - ja :)

hallo,
ich staune und wundere mich weiterhin! Deshalb ein paar Bemerkungen und Fragen:

(1)
hier meinte ich ja etwas, was Du schon jahrelang spielen kannst. Ich finde, bei jahrelanger Beschäftigung hat man das irgendwie im Ohr - also ganz streng genommen kann es ja nicht sein, dass Du z.B. ohne Noten beim hören ein Stück nicht erkennst (also das wäre wirklich absonderlich). Allerdings kann ich das trotzdem teilweise nachvollziehen: wenn ich irgendwas jahrelang nicht gespielt habe (und mich auch nicht damit befasst habe), es aber im Unterricht vorkommt, dann brauche ich natürlich die Noten - erst wenn ich da reingeschaut habe, setzt die Erinnerung wieder ein. Also es gibt durchaus Stücke, die ich zwar mal gespielt habe, die ich aber ohne Noten nicht zusammensetzen könnte (bestenfalls teilweise).
aber wie Du es beschreibst, scheinst Du das ständige mitlesen auch dort zu brauchen, wo Du etwas schon sehr lange spielen kannst - da habe ich die Frage, ob das mitlesen dann nur mehr eine Art vergewisserndes Überwachen ist (also damit meine ich, dass nicht jede Note akribisch gelesen und "entziffert" wird) und sozusagen auf gesehene Zusammenhänge reagiert (die in sich quasi halbautomatisch, quasi "wie auswendig mit Noten aber ohne Tastenbild"), oder ob wirklich wie bei echtem prima vista alles ad hoc gelesen werden muss?

(2)
das muss man sicher nicht vertiefen - Deine Aversion gegen sehr schnelle Stücke und gegen manche Komponisten teilst Du ja gerne mit. es gibt halt schnelle Stücke, auch unter den Etüden von Skrjabin :) und die sind ja nicht eben einfach zu spielen - wo es nicht einfach ist, sondern ein furioses Getümmel stattfinden soll, da stelle ich mir halt das spielen mit gleichzeitigem mitlesen als wenigstens im Tempo kaum durchführbar vor.

(3)
auf den ersten Blick wirkt das absonderlich - aber nur auf den ersten! Ich kann das nachvollziehen, es ist aber nicht ganz einfach zu beschreiben (und ich bitte Dich, nicht mit Ärger zu reagieren: ich versuche es aus meiner Perspektive):
das Lied "Stehe still!" aus den Wesendonckliedern stellt im ersten Teil ein paar technisch nicht leichte Aufgaben, lästigerweise auch für den Gesangspart.
a) als ich das lernte, spielte ich natürlich oft von den Noten, wobei ich die Begleitung und die Singstimme "überwachte", und das ging nach einer Weile auch im hohen Tempo (also Augen auf den Noten, quasi blind spielend)
b) drei Stellen sind heikel und benötigen sehr spezielle Bewegungen: die musste ich mir auf den Tasten zusammenstellen
c) daran nun ulkig: zeitweilig konnte ich das besser mit Noten als mit Blick auf die Tasten spielen! will sagen: nur die heiklen Stellen konnte ich ohne Noten. Für alles andere musste ich (auch wegen der Klangvorstellung, wie es mit Gesang läuft bzw. laufen soll) eben in die Noten schauen.
d) da mir dabei unwohl ist, wenn ich das öffentlich mache, hatte ich dann den Klavierpart inklusive Gesangslinie extra auswendig vorbereitet, also oft genug gespielt und letztlich gar nicht mehr in die Noten geschaut.
ich betrachte das (für mich) als Übungs- oder Gewöhnungsstadien, und ich muss zugeben, dass ich Liedbegleitung anders erarbeite als Solostücke. Aber das interessante daran ist c): zeitweilig konnte ich das nicht spielen, sondern war in diesem Stadium quasi orientierungslos, wenn ich auf die Tasten geschaut hatte --- für mich wirkt das so ähnlich wie Deine Beschreibung.
keinesfalls unterstelle ich Dir, dass Du in irgendeinem Übungsstadium (falls es sowas überhaupt gibt und falls sich sowas generalisieren ließe) steckenbleibst!! also bitte nicht mißverstehen!!!
----- ich wollte erzählen, dass mir eben auch oft passiert, dass ich beim Blick auf die Tasten wie orientierungslos bin - das kommt mir dem, was Du beschreibst, ähnlich vor. Mir geht das beim spielen von Stücken, die ich nicht "auswendig/inwendig" kann so: z.B. die Appassionata kann ich nicht ohne Noten, für die Hälfte der Sonate muss ich in die Noten schauen - ich brauche sie im Unterricht, aber ich will sie selber nicht öffentlich spielen, also lasse ich die mir en detail gar nicht in den Kopf - spielen kann ich sie trotzdem, aber eben mit den Noten: und da ist der Blick eben wirklich oft nicht auf den Tasten.
in diesem Sinne kann ich nachvollziehen, was Du erzählst.

(4)
ok, das ist pointiert scherzando - klar, wenn viel Zeit zwischen den Tönen ist, kann man auch beim prima vista spielen alles mögliche machen (umblättern, sich kratzen, Nas putzen) :p

übrigens gehe ich davon aus, dass Du bei Deinem mit Noten spielen nicht buchstabierst a la "oben f2 mit fünf, unten des mit fünf / unten as mit zwei oder drei, danach oben des2 mit drei (klar, ist der Quartsextakkord von Des) / jetzt oben as1 mit eins, und unten des1 & f1 mit eins und zwei" - sicher überblickst Du Harmonien/Griffe und Melodieabschnitte wie in einem Blick: man sieht ja auch gleich Wörter beim lesen, keine bloßen Buchstabenfolgen.

Gruß, Rolf
 
scherzndo!!

Das Spannende am Musikmachen ist doch, daß man im Voraus nie weiß, wie das Stück weitergeht. Das ist doch eigentliche Grund, warum ich Klavier spiele. Der "Whoa - wer hätte das gedacht!!!" -Effekt ist das, was mich an der Musik reizt. :D

Wenn ich alles schon im Voraus wüßte, dann bräuchte ich das Stück ja garnicht zu spielen.

James Bond müsste noch in der spektakulärsten Prügelei oder Autojagd entweder das Textbuch mit sich schleppen und reinschauen, oder sich soufflieren lassen - ich fürchte, unter solchen Bedingungen wäre der Andrang im Kino nicht sehr groß... :D
 
hallo,
ich staune und wundere mich weiterhin! Deshalb ein paar Bemerkungen und Fragen:

(1)
hier meinte ich ja etwas, was Du schon jahrelang spielen kannst. Ich finde, bei jahrelanger Beschäftigung hat man das irgendwie im Ohr - also ganz streng genommen kann es ja nicht sein, dass Du z.B. ohne Noten beim hören ein Stück nicht erkennst (also das wäre wirklich absonderlich).

Du glaubst garnicht, wie oft mir das passiert :D

Allerdings kann ich das trotzdem teilweise nachvollziehen: wenn ich irgendwas jahrelang nicht gespielt habe (und mich auch nicht damit befasst habe), es aber im Unterricht vorkommt, dann brauche ich natürlich die Noten - erst wenn ich da reingeschaut habe, setzt die Erinnerung wieder ein. Also es gibt durchaus Stücke, die ich zwar mal gespielt habe, die ich aber ohne Noten nicht zusammensetzen könnte (bestenfalls teilweise).

Das beruhigt mich zumindest schonmal ein bißchen.

aber wie Du es beschreibst, scheinst Du das ständige mitlesen auch dort zu brauchen, wo Du etwas schon sehr lange spielen kannst - da habe ich die Frage, ob das mitlesen dann nur mehr eine Art vergewisserndes Überwachen ist (also damit meine ich, dass nicht jede Note akribisch gelesen und "entziffert" wird) und sozusagen auf gesehene Zusammenhänge reagiert (die in sich quasi halbautomatisch, quasi "wie auswendig mit Noten aber ohne Tastenbild"), oder ob wirklich wie bei echtem prima vista alles ad hoc gelesen werden muss?

Das kann man vermutlich nur in einem wissenschaftlich kontrollierten Test feststellen.

ich muss zugeben, dass ich Liedbegleitung anders erarbeite als Solostücke. Aber das interessante daran ist c): zeitweilig konnte ich das nicht spielen, sondern war in diesem Stadium quasi orientierungslos, wenn ich auf die Tasten geschaut hatte --- für mich wirkt das so ähnlich wie Deine Beschreibung.
keinesfalls unterstelle ich Dir, dass Du in irgendeinem Übungsstadium (falls es sowas überhaupt gibt und falls sich sowas generalisieren ließe) steckenbleibst!! also bitte nicht mißverstehen!!!

Es ist einfach so, daß ich, wenn ich auswendig spiele (wie gesagt, das kam eigentlich nur zweimal vor in meinem Leben), daß ich komplett unfähig bin, die Interpretation zu kontrollieren. Ich spiele tausendmal besser, wenn ich nach Noten spiele.

(4)
ok, das ist pointiert scherzando - klar, wenn viel Zeit zwischen den Tönen ist, kann man auch beim prima vista spielen alles mögliche machen (umblättern, sich kratzen, Nas putzen) :p

übrigens gehe ich davon aus, dass Du bei Deinem mit Noten spielen nicht buchstabierst a la "oben f2 mit fünf, unten des mit fünf / unten as mit zwei oder drei, danach oben des2 mit drei (klar, ist der Quartsextakkord von Des) / jetzt oben as1 mit eins, und unten des1 & f1 mit eins und zwei" - sicher überblickst Du Harmonien/Griffe und Melodieabschnitte wie in einem Blick: man sieht ja auch gleich Wörter beim lesen, keine bloßen Buchstabenfolgen.

Das hängt natürlich auch ganz vom Stück ab. Neben den Noten gibt es ja auch Vortragsbezeichnungen, Artikulation, Dynamik sowie Dinge, die garnicht notiert sind (Agogik, Pedal etc.) - da kann man eigentlich nichts dem Zufall überlassen :shock:
 
Das Spannende am Musikmachen ist doch, daß man im Voraus nie weiß, wie das Stück weitergeht. Das ist doch eigentliche Grund, warum ich Klavier spiele. Der "Whoa - wer hätte das gedacht!!!" -Effekt ist das, was mich an der Musik reizt. :D

Ok, wenn das bei dir der eigentliche Grund ist, kann man nix gegen sagen. Was mich betrifft: JEIN. Ich finde, es ist das spannende am Musik hören unbekannter Stücke, dass man im Voraus nie weiß, wie das Stück weitergeht. Und ich gebe dir insofern recht, als das man ein Stück auch dadurch interessant gestalten kann, dass man dem Zuhörer zeigt, wenn was Neues kommt - besondere Harmoniewechsel z.B.
Ich habe noch meine alte Klavierlehrerin im Ohr, obwohl es fast 40 Jährchen her ist, wenn sie mir zurief beim Spiel: "Zeig, dass was Neues kommt!!!"

Jedoch möchte ich als Zuhörer niemals den Eindruck gewinnen, dass der Spieler nicht weiß, wie das Stück weitergeht. Das kann natürlich eine Gratwanderung sein, z.B. zwischen subtiler zarter Agogik und stockungsartiger Pause...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Siehe >>Inselbegabung<<.
Aber ich habs auch gemerkt das immer wenn ich mir auf die Finger guck, den Abstand zu groß einschätz und zu weit die Finger spreiz, ist irgendwie komisch, ist aber so:D.

Das Video ist sehr beeindruckend aber mit blind Spielen hat das nur am Rande zu tun. Tatsache ist jedoch, daß es Stellen gibt, bei denen ich bewußt wegsehe, um mich besser zu konzentrieren. Der Blick geht dann ins Leere. Dabei geht es insbesondere um musikalisch besonders anspruchsvolle Stellen. Und das Phänomen, mich zu verspielen, wenn ich meine Finger beobachte, kenne ich auch. Das hat aber vielleicht auch damit zu tun, daß man für die Treffsicherheit auf die Zieltasten und nicht auf die Finger sehen muß.

Mir fällt noch etwas anderes ein: Zur Zeit spiele ich ein paar vierhändige Stücke gemeinsam mit meinem Klavierlehrer. Im Prinzip sind die nicht weiter schwer, aber zu hause habe ich zunächst in der üblichen Sitzposition geübt und dann ging im Unterricht nichts mehr. Ich habe mir dann gemerkt, vor welcher Taste ich beim Vierhändigspielen im Unterricht sitze und setze mich zu hause genauso hin. Jetzt klappt es wieder. Wir spielen übrigens vom Blatt und ich glaube, daß man nach einiger Zeit recht genau weiß, wo die Noten auf der Klaviatur zu finden sind. Wenn man aber woanders sitzt als für gewöhnlich, fehlt diese Orientierung. Am schlimmsten waren für mich Oktavsprünge, da habe ich teilweise in die falsche Richtung gespielt :D
 
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