Verminderter Septakkord

aths

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Nachdem ich nun geraume Zeit leider keinen Klavierunterricht mehr nehme, ist auch mein Interesse an der Musiktheorie etwas schwächer geworden.

Bis ich dies hier auf Youtube sah:

Da gibt es einen Akkord den ich zunächst als C-Es-Ges-A erkannte wenn ich die Fingerstellung richtig sehe, aber keine Sexte höre (keine subdominantische Funktion) sondern die Septime (eher eine dominantische Eigenschaft, wenn auch schwach). Das wäre C-Es-Ges-Heses.

So einen Akkord scheint es wirklich zu geben und "Verminderter Septakkord" zu heißen.

Ich weiß nicht wer auf die Idee gekommen ist, drei kleine Terzen zu stapeln aber der Akkord klingt ... gut?
 
Ich weiß nicht wer auf die Idee gekommen ist, drei kleine Terzen zu stapeln aber der Akkord klingt ... gut?
solche Akkorde sind uralt!

sie waren in der Barockzeit und Klassikzeit, ja sogar noch in der Romantik, beliebte "harmonische Weichenstellungen" (z.B. in Beethovens Pathetique (1.Satz) und sogar tief in der Romantik in Brahms g-Moll Rhapsodie)

das liegt daran, dass sich die Schichtung kleiner Terzen prima umdeuten lässt:
h-d-f-as/gis
- b-d-f-as---------------B7
- ces-des-f-as--------Des7
- h-d-e-gis-------------E7
- h-d-f-g----------------G7

wie du siehst: alteriert man nur einen einzigen Ton der Terzenschichtung nach unten, erhält man vier verschiedene Septakkorde

streng genommen müsste h-d-f-as auf den Dominantseptnonakkord von c-Moll bezogen werden:
g-h-d-f-as ist D79 von c-Moll
....aber mankann, wie oben beschrieben, den verminderten Sept(non)akkord haltvierfach umdeuten, ihn also zu einer neuen anderen Dominante machen

(etwas komplizierter, weil noch vieldeutiger, sind Akkorde wie h-d-f-a -- das ist, u.a., der Tristanakkord in seiner einfachsten Schichtung: ein Septakkord der II.Stufe der moll-Skala)
 
sie waren in der Barockzeit [...] beliebte "harmonische Weichenstellungen" [...]
Bist Du ganz sicher? Ich dachte, in der Barockmusik war dieser Akkord vor allem ein starkes Ausdrucksmittel (Schmerz, Erschrecken ...).
das liegt daran, dass sich die Schichtung kleiner Terzen prima umdeuten lässt:
h-d-f-as/gis
- b-d-f-as---------------B7
- ces-des-f-as--------Des7
- h-d-e-gis-------------E7
- h-d-f-g----------------G7
Ja, alles ganz toll ... aber das funktioniert doch nur in einer einigermassen gleichstufigen Stimmung. Auch aus diesem Grund scheidet der Barock mehr oder weniger aus. Vielleicht kennst Du ja Ausnahmen, das würde mich interessieren.
 
Der verminderte Septakkord hat (für mein Empfinden, natürlich!) in dem verlinkten Bluesstück eine eher rhythmische Funktion als eine klare harmonische Aussage. Das würde den Gedanken der Umdeutung unterstützen. Allerdings empfinde ich kein starkes Auflösungsbestreben. Schlussfähig wäre der Akkord (wie immer, für mein Empfinden) nicht, dazu wäre die dominantische Wirkung wiederum zu stark.

Was mich insgesamt fasziniert, ist, dass die Schichtung von drei kleinen Terzen nicht in den Ohren jault.
 
Bist Du ganz sicher? Ich dachte, in der Barockmusik war dieser Akkord vor allem ein starkes Ausdrucksmittel (Schmerz, Erschrecken ...).

Ja, alles ganz toll ... aber das funktioniert doch nur in einer einigermassen gleichstufigen Stimmung. Auch aus diesem Grund scheidet der Barock mehr oder weniger aus. Vielleicht kennst Du ja Ausnahmen, das würde mich interessieren.

Modulationen durch enharmonische Umdeutungen des verminderten Sepakkordes im Barock kenne ich auch nicht, aber Modulationen, die durch chromatisches Verschieben eines verminderten Septakkordes nach oben oder unten entstehen, sind bei Bach nicht gerade selten. Ob man bei solchen Ketten von verminderten Septakkorden, wie sie beispielsweise in der Chromatischen Fantasie auftreten, noch von einem starken Ausdrucksmittel sprechen kann, weiß ich nicht. Allein die Häufigkeit des Auftretens in diesem Werk nutzt diesen Affekt enorm ab. Ist allerdings auch ein extremes Beispiel!

LG, Mick
 
Modulationen durch enharmonische Umdeutungen des verminderten Sepakkordes im Barock kenne ich auch nicht, aber Modulationen, die durch chromatisches Verschieben eines verminderten Septakkordes nach oben oder unten entstehen, sind bei Bach nicht gerade selten.
Matthäus Passion Einleitung: geht in Richtung Mehrdeutigkeit der verminderten Septakkorde
ansonsten wird man auch bei Scarlatti fündig
 
Matthäus Passion Einleitung: geht in Richtung Mehrdeutigkeit der verminderten Septakkorde
Halte ich für eine gewagte Hypothese. Auch rein optisch müsste man das ja irgendwie erkennen können, in erster Linie wohl anhand enharmonischer Verwechslungen, sehe ich allerdings nicht. Das Konstrukt der enharmonischen Verwechslung wurde wohl im Barock nach und nach entdeckt und hier und da verwendet, aber sicher einhergehend mit dem verwendeten Stimmsystem. Je gleichstufiger es wurde, desto eher wurde diese Möglichkeit in Betracht gezogen, z.B. in der von Mick angesprochenen Chromatischen Fantasie und Fuge. Aber den verminderten Septakkord als Modulationsdrehscheibe zu verwenden geht schon noch einen Schritt weiter und ist sicher kein Stilmittel des Barock gewesen.
ansonsten wird man auch bei Scarlatti fündig
Mag sein, wo denn?
 
... was gibt's da so "blumig" (oder wie heißt das Wort mit b nochmal) nachzufragen? Harmonische Wendungen können natürlich auch Stilmittel sein, im Barock z.B. Quintfallsequenzen oder auch der Neapolitaner - aber eben nicht der verminderte Septakkord als Modulationsmittel. Aber ist schon klar, merkst, dass Du Deine Thesen nicht wirklich belegen kannst und weichst auf Nebenschauplätze aus. Schade. Echt, Rolf, so sehr ich viele Deiner Beiträge hier schätze (z.B. über Klaviertechnik) - wenn Du mal NICHT Recht hast, wirst Du absolut ungeniessbar. So macht eine Diskussion keinen Sinn. Typisch für dieses Forum, auch mit ein Grund, warum ich mich hier so selten beteilige, habe wirklich besseres zu tun.

Und mal wieder ciao ...
 
[...zickiges blabla...]
Und mal wieder ciao ...
Was soll das Getue?
Schau dich halt in der spätbarocken Musik um (Gluck, Händel, teilweise Bach, Scarlatti, Vivaldi), dann wirst du genügend Material finden - dass dort natürlich noch nicht so krass vorgegangen wird, wie in Beethovens op.13 (Beginn der Durchführung), ist keiner sonderlichen Erwähnung wert. Aber vorkauen mag ich niemandem was anläßlich zickiger Pamperei.
(nebenbei: weder Quintfallsequenzen noch Septakkordketten, weder Kadenzen noch Neapolitaner sind von "der Barockmusik" als ihr ureigenstes "Stilmittel" gepachtet...)
 

(nebenbei: weder Quintfallsequenzen noch Septakkordketten, weder Kadenzen noch Neapolitaner sind von "der Barockmusik" als ihr ureigenstes "Stilmittel" gepachtet...)
Mal ne Zwischenfrage: wenn ich etwas als harmonisch "typisch Barock" kennzeichne müsste - wäre dass dann der häufige Funktionenwechsel und die meist viel selbstständigeren Stimmen?
 
Eben, was soll es?
Schau dich halt in der spätbarocken Musik um (Gluck, Händel, teilweise Bach, Scarlatti, Vivaldi), dann wirst du genügend Material finden - dass dort natürlich noch nicht so krass vorgegangen wird, wie in Beethovens op.13 (Beginn der Durchführung), ist keiner sonderlichen Erwähnung wert. Aber vorkauen mag ich niemandem was anläßlich zickiger Pamperei.
Alles klar, Du kannst Deine Aussagen also nicht stichhaltig belegen. (Übrigens würde ich Gluck nicht unbedingt als typischen Barockkomponisten bezeichnen.)
(nebenbei: weder Quintfallsequenzen noch Septakkordketten, weder Kadenzen noch Neapolitaner sind von "der Barockmusik" als ihr ureigenstes "Stilmittel" gepachtet...)
Behauptet ja niemand. Aber die Quintfallsequenz ist doch sicher ein ziemlich markantes Stilmittel im Barock, dem wirst Du kaum widersprechen können. Dass sie auch in späteren Jahrhunderten gerne verwendet wurde, spricht ja nicht dagegen.
 
Den verminderten Septakkord finde ich ein spannendes Thema, denn ich habe, eben wegen der erwähnten Vieldeutigkeit, oft (ich schreibe mal ganz vermessen: noch) Schwierigkeiten, wenn er mir in einem Stück begegnet, seine Funktion richtig zu verstehen.

Die Möglichkeit, die Umdeutung eines verminderten Septakkords für Modulationen zu nutzen, wird in der Harmonielehre von Krämer (Harmonielehre im Selbststudium) beschrieben. Krämer führt dazu ein Beispiel aus der Matthäuspassion an:

Erbarmt-euch.GIF

Beim "Erbarmt euch, haltet ein" kann der Septakkord "c-dis-fis-a" einerseits als "his-dis-fis-a" in Cis-Dur, andererseits als "c-es-fis-a" in g-moll interpretiert werden. (Ich hoffe, dass ich Eure Diskussion richtig verstanden habe, und dass das Beispiel wirklich dazu passt...)

Angesichts der Bedeutung dieses Moments im Passionsgeschehen (Pilatus hat gerade die Kreuzigung Jesu befohlen, die "gläubige Seele" bittet die Henkersknechten um Erbarmen) kommt es mir plausibel vor, dass Bach diese harmonische Wendung als Ausdruck von Schmerz und Verzweiflung einsetzen wollte.
 
Danke für die Literaturstelle, das ist doch mal ein konstruktiver Beitrag!
 
Ich versuche mal, mein Erstaunen zum verminderten Septakkord zu präzisieren, wobei ich gleich im Voraus bitte, mir die mangelnde musikalische Praxis zu verzeihen.

Der verminder Dreiklang kommt in jeder modalen Tonleiter vor, weshalb ich ihn als verwendbares Akkordmaterial sehem würde, auch wenn der vii° oder ii° im Pop unüblich zu sein scheint.

Der verminderte Septakkord lässt sich nicht mehr mit weißen Tasten spielen. Man verlässt den modalen (oder sollte ich sagen, diatonischen?) Tonraum. Der Spannungsgehalt ist krass. Es drückt förmlich im Ohr, als ob die Luftschwingungen kondensieren und stofflich werden.

Insofern hatte ich den Akkord im eingangs verlinkten Blues auch eher als rhythmisches Element wahrgenommen.

Das von Rondo gebrachte Beispiel (danke dafür, ich habe die Stelle auch auf Youtube gleich mal angehört) mit dem Schmerz-Empfinden funktioniert aber auch. Den C-Schlüssel zu lesen ist ziemlich ungewohnt für mich, ich habe ziemlich lange das a' gesucht :D
 
Das weitere spannende am verm. Septakkord ist ja auch, dass 2 seiner Töne zur Mollsubdominante gehören.
Hier treffen also dominantische und subdominantische Wirkung mit voller Kraft zusammen.
(Ganz ähnlich wie der Vierklang in Dur auf der 7. Stufe, bloß dann mit Dursubdominante)

Dass der Verminderte Septakkord (Edit: in fast allen Skalen) nicht leitereigen ist, erstaunt mich eher weniger. Drei verminderte Intervalle in einer Tonleiter ergäben dann doch einen schrägen Klang :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Welcher leitereigene Septakkord entsteht denn auf der 7. Stufe in Moll (harmonisch)?

Wenn der mal nicht zufällig vermindert ist ...

LG, Mick
 
Hier treffen also dominantische und subdominantische Wirkung mit voller Kraft zusammen.
?
Wo ersetzt ein verminderter Sept(non)akkord eine Subdominante bzw. wo hat ein solcher eindeutig subdominantische Funktion? Zumeist (wenn er nicht isoliert als "Klangfarbe" oder Symbol herumsteht) hat der verminderte Seüptakkord (zwischen)dominantische Funktion (sei es als Dominante, sei es als Doppeldominante - sehr schön ist die dominantische Funktion im ersten Praeludium WTK dargestellt)
und wie @mick schon richtig gesagt hat, ergibt sich der verminderte Septakkord aus VII-II-IV-VI der harmonischen moll-Skale (#g-a-h-c-d-e-f ist a-Moll, die fetten markieren besagten Akkord)
...im erwähnten ersten Praeludium ist auch sehr schön zu hören, dass der verminderte Septnonakkord keinesfalls zwangsläufig ein affetuoso-"Schmerz"symbol ist: da gibt es den schönen achttaktigen Abschnitt mit dem Orgelpunkt-G :-) ... überhaupt ist WTK I & II in Sachen Verwendung verminderter Septakkorde informativ :-)

@Ludwig : ich nehme an, dass du dir folgendes gedacht hast (am Beispiel a-Moll)
#g-h-d-f
#g-h gehört zur Dominante E-Dur
d-f gehört zur Subdominante d-Moll
das ist aber irreführend, denn bei dominantischer Funktion/Verwendung ist das d die Septime und das f die None der Dominante
 

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