kennt ihr dieses phänomen?
- ihr glaubt wunders wie schnell / brillant / virtuos zu spielen, und wenn ihr euch aufnehmt, klingt es, als ob ihr von ton zu ton schleicht ...
- ihr tretet pedal, dass die klänge nur so ineinander schmieren, und beim anhören der aufnahme fragt ihr euch, wo das pedal geblieben ist ...
offensichtlich ist die wahrnehmung beim spielen eine andere als beim blossen zuhören. aber wie komme ich da zu einer stimmigen interpretation?
liebe grüsse,
eine nach diesem wochenende ratlose
ariadne
Ich habe bis jetzt nur selten meine Stücke aufgenommen (ist auch schon Jahre her), kann mich aber bei den wenigen Malen nicht an eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung beim Spielen und dem späteren Höreindruck erinnern. Außer in einem Fall.
Was Rolf angemerkt hat, nämlich dass einem das Stück beim Spielen normal oder langsam vorkommt, auf der Aufnahme dann aber eher schnell klingt, kenne ich von einer damals mitgeschnittenen Schulaufführung. Ich dachte mir später, das gibts doch nicht, das wir das in diesem überhöhten Tempo gespielt haben (war vierhändig). Es war wohl die Aufregung, die unsere "Schwingungsfrequenz" - ich nenne es jetzt mal so - erhöht hat. Dadurch klang es subjektiv gar nicht so schnell, obwohl es das objektiv war.
Wenn es um Wahrnehmung geht, ist immer ein psychologisches Moment dabei. Ein Mensch nimmt eben entsprechend seiner momentanen "Schwingungsfrequenz" wahr, aber ein Aufnahmegerät zeichnet einfach nur objektiv auf, was ist. Die Mehrzahl meiner Aufnahmen fand zu Hause ohne irgendwelche Zuhörer statt. Nur diese eine Schulaufführung war vor Publikum. Und gerade da trat dieses Phänomen der Wahrnehmungsdiskrepanz auf.
Das Thema ist sehr spannend. Im Moment fühle ich mich dazu angeregt, mich beim Üben öfter mal wieder aufzunehmen, um zu prüfen, wie das eigentlich heute aussieht mit meiner Wahrnehmung.
Viele Grüße von
Fips
Noch ein Gedanke als Anhang:
Könnte es gelegentlich auch an der Aufnahmequalität liegen, wenn die Aufnahme anders klingt als beim Spielen? Denn das menschliche Ohr nimmt ja - noch vor jeder Subjektivität - den Schall auch anders auf als ein Mikrofon.
Ein Extrembeispiel, nur zur Verdeutlichung: Eine Aufnahme aus dem Jahr 1895 klingt fürchterlich, obwohl die Musik, die das Mikrophon damals erreicht hat, sicher sehr schön war. Hier ist die Diskrepanz zwischen dem, was der Spieler damals live hörte und dem, was er später in der Wiedergabe der Aufnahme hörte, offensichtlich. Der Grund dafür liegt hier allein in der Aufnahmequalität.
Natürlich ist diese Art von Diskrepanz heute nur noch gering, aber privat aufgenommene Aufnahmen entsprechen ja normalerweise nicht dem üblichen Stand der Aufnahmetechnik (bzgl. Hardware, Mikrofon-Aufstellung, Raumakustik etc.).
Ich denke, ihr versteht schon, was ich meine.