Unterschiedliche Lerntypen im Musikunterricht

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méchant village

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9. März 2017
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Angeregt vom Bach-Kurs mit Frau Rosar würde ich mich germ mit den unterschiedlichen Lerntypen speziell in der Musik und vor allem den daraus resultierenden Lehransätzen beschäftigen. Das Internet hat bisher nicht viel „ausgespuckt“.
Für Anfänger könnte es vielleicht hilfreich sein, das eigene Üben mit diesem Wissen zu optimieren.
Für weiterführende Literatur und Informationen wäre vielleicht nicht nur ich sehr dankbar.

LG Barbara
 
Im Internet kursieren mittlerweile unterschiedlichste Lerntypenansätze, ich selbst habe während meines Studiums folgende Typen kennengelernt:

- Visueller Lerntyp
- auditiver Lerntyp
- haptischer Lerntyp
- kognitiver Lerntyp

In aller Regel sind wir aber Mischtypen mit einer mehr oder weniger starken Tendenz zu einem dieser Lerntypen.
Daraus folgt, dass ich in meinem Unterricht grundsätzlich versuche, alle Sinne anzusprechen. Zudem biete ich differenzierende Übungen für die jeweiligen Lerntypen an. Ein Beispiel aus meinem Training mit Eiskunstläufern, in diesem Fall arbeiten wir an einem Sprung:

- Dem visuellen Typ springe ich vor, erkläre ihm zuvor, worauf er achten soll. Vielleicht zeige ich ihm mehrere Versionen, auch ungünstige, zum Vergleich.
- Der auditive Lerntyp soll dabei einen Rhythmus verinnerlichen. Er spricht dabei z.b. : Die-ser-Sprung-wird- hoch oder ich frage ihn, was er gehört hat, z.B. das Kratzen der Zacke (was in der Regel ein Fehler wäre)
- Den haptischen Lerntyp stelle ich an die Bande und lasse ihn bestimmte Positionen spüren, ich führe z.B. seine Beine oder Schultern.
- Dem kognitiven Lerntyp erklärte ich physikalische Hintergründe oder geben ihm Metaphern: Stell dir vor, du hast vor dem Absprung einen großen Ball an deiner rechten Seite im Arm und bringst ihn beim Abprung noch näher an dort ran.

Was könnte diesen Typen am Klavier am meisten helfen?

- visueller Typ = Notenbilder, Tastenbilder...
- auditiver Typ = Hören anderer Spieler, Erinnern der Melodien, Spielen nach Gehör...
- haptischer Typ = Erinnern an das Gefühl bestimmter Griffe (Spreizung, Gelände mit schwarzen Tasten, Position von Schulern, Armen, Händen)...
- kognitiver Typ = Analyse des Stückes (Akkorde und deren Brechungen, Kadenzen)

Wir haben uns an der Uni mal selbst getestet und ich kann auch aufs Klavier bezogen bestätigen, ein auditiv-visueller Mischtyp zu sein, was meine beiden letzten KL auch recht schnell erkannt haben.
 
@Klimperline
Danke für die tollen Ausführungen und ganz konkreten Anregungen zum Üben!

Lassen sich diese Lerntypen eins zu eins aufs Klavierspielen/ musikalische Bereiche übertragen? Gibt es in der Musik evtl andere Kriterien?
(Ich bin zB durch frühe Schulung in Sprachen visuell-auditiv, am Klavier komplett visuell)
 
Liebe mechant village,

ergänzend zu Klimperline ein paar links, die vielleicht interessant sind:

1. https://userpages.uni-koblenz.de/~luetjen/sose15/lernt.pdf

2. http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/...RD/LEHRTECHNIKORD/SUGGESTOPAEDIE/lerntyp.html

3. https://www.geo.de/geolino/mensch/5849-rtkl-lernen-welcher-lerntyp-bist-du

4. https://www.mit-kindern-lernen.ch/l...merkstrategien/123-unterschiedliche-lerntypen

Es wird unabhängig vom Lerntyp immer dann effektiv gelernt, wenn möglichst viele Sinneskanäle angesprochen werden und sowohl im Unterricht wie auch beim eigenen Üben ein musikalischer Sachverhalt aus möglichst vielen Perspektiven erfahren wird. Im Unterricht wird durch Hören, Fühlen, Sprechen, Sehen und eigener Aktivität am meisten gelernt. Lernen geschieht durch die Verbindung von Emotion, Kognition und Ratio, körperlicher Bewegung und der Beteiligung aller Sinne, besonders des Gehörs.

Beim Klavierspielen geht es nicht ohne Ohr und ohne Bewegung - insofern müssen das Gehör, die motorischen/haptischen Fähigkeiten, die kognitiven Fähigkeiten (Analyse, Reflexion etc.) ganz unabhängig vom Lerntyp geschult werden.

Dazu kommt, dass es reine Ausprägungen von Lerntypen nicht gibt - es muss also ausprobiert werden, was jedem individuell weiterhilft.

Wenn du dich als "am Klavier komplett visuell" bezeichnest, ist es interessant, was genau du damit meinst! Visuell kann vieles bedeuten: es gibt Klavierspieler, die sich Stück anhand des Tastenbildes merken. Sie schauen fast immer auf die Tasten.

Mich würde das wahnsinnig machen. :D Ich gehöre auch zu den visuellen Typen und bei mir äußert sich das darin, dass ich immer weiß, wo ich gerade auf einer Seite bin, auch wenn ich auswendig spiele. Ich habe die Noten praktisch vor mir. Dagegen habe ich noch nie im Leben eine Mindmap (für visuelle Typen angeblich sehr hilfreich) erstellt - das ist nichts für mich und würde mir nicht helfen.

Ich habe den Eindruck, dass dich bei deinem Spiel oder Üben irgendetwas stört und du durch die Frage nach Lerntypen und den sich daraus ergebenden Konsequenzen nach dem Schräubchen suchst, an dem du drehen kannst.

Meine Erfahrung ist, dass sich das durch genaue Beobachtung, gerade auch bei der gemeinsamen Arbeit mit dem Lehrer im Unterricht am ehesten herausfinden lässt. Genau das hat auch Inge Rosar gemacht. Was hilft dir weiter? Kannst du dir Stellen am besten merken, wenn du in Bildern denkst und passende Metaphern findest? Oder hilft dir die Analyse? Oder musst du nur an den Klang denken und schon weißt du, wie er gespielt werden muss? Was hilft dir, wenn du sagst, du bist ein visueller Typ?

Als @KrautundRueben gestern Unterricht hatte, war bei besagter Stelle der Knackpunkt die Bewegung der Hände auf der Klaviatur, die durch "Wegweiser" und Orientierungspunkte ihren Weg fanden (das muss dahin, der Ton bleibt gleich, da wo der vierte Finger links war, kommt jetzt der zweite Finger rechts hin u.ä.). Meiner Meinung nach muss man sich unabhängig vom Lerntyp immer solche Dinge merken wie auch, dass man solche Passagen in Akkorden spielt und damit die Anzahl der zu merkenden Informationen verringert. Aber ob diese Herangehensweise die Initialzündung ist oder eine Zusatzinformation, ob man sich die Passage vorrangig mit dem Ohr merkt oder analytisch oder danach, wie sich die Finger auf den Tasten anfühlen, kann unterschiedlich sein.

Ich plädiere deshalb immer für ein sehr variables Üben, bei dem man eine Stelle von all diesen Seiten betrachtet, um dann das zu nehmen oder zu behalten, was am besten funktioniert.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt bearbeitet:
Lerntypen sind ein interessantes Gebiet. Trotzdem habe ich Zweifel daran, dass die genannten Klassifizierungen zutreffen. Allerdings bedeutet Zweifel haben keine Ablehnung!
Platt gesagt: eine kognitive Null wird, auch wenn sie haptisch geschickt ist, keine sonderlich erfreulichen Ergebnisse am Instrument erzielen - da hat @chiarina sicher recht: bei allen ist von allem mehr oder weniger was dabei.
Sicher mitentscheidend sind noch andere Stellschrauben: Wille, Interesse, Neugier, Faszination u.v.a.
Aber ich gestehe: über das selber lernen am Instrument hab ich mir nie Gedanken gemacht - stattdessen hab ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich dies oder das in möglichst kurzer Zeit zuverlässig hinkriege. Vermutlich gehöre ich zu den "auditiven": ich vergesse keine Klänge, keine Klangfolgen. Aber ohne Orientierung auf der Klaviatur, ohne angemessene Klanggestaltung (Motorik, Technik) und ohne kognitives Verständnis (das ganze Musiktheoriezeugs) nützt das zuverlässige "auditive" leider nichts...
Wie dem auch sei: ein interessantes Gelände, wobei ich davon überzeugt bin, dass da das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist (und dass es womöglich auch gar nicht benötigt wird: gewaltige "Lernerfolge" gab es schon, bevor man Lerntypen erfand oder zu erkennen wähnte)
 
@chiarina
Danke für die Links!
Es ging mir nicht primär um mich, nicht darum wie ich lernen kann, das war nur ein Beispiel, sondern wirklich ganz allgemein um die Lerntypen in der MUSIKpädagogik.
(Abgesehen davon ist es vielleicht ganz hilfreich zu wissen, wie man tickt, um noch besser zu werden.)

Wie @rolf auch schreibt: ich bin mir unsicher, ob diese vier Grundtypen eins zu eins auf die Musik übernommen werden (können). Zumal sie wohl auch in anderen Fachkreisen nicht ganz unumstritten sind.

Wie ich jetzt rauslese (bevor ich mich mit den Links beschäftigt habe) würdest Du, wie @Klimperline, diese vier Grundtypen als Basis nehmen.

Jetzt geh ich mal an meine Hausaufgaben und ziehe mich zum Lesen zurück.
LG Barbara
 
Wie ich jetzt rauslese (bevor ich mich mit den Links beschäftigt habe) würdest Du, wie @Klimperline, diese vier Grundtypen als Basis nehmen.

Liebe mechant village,

es gibt auch andere Unterteilungen in Lerntypen (steht, glaube ich, in den links), dazu zählt zum Beispiel der kommunikative Lerntyp, der schlecht für sich allein lernen kann, sondern am besten in Gruppen und im Dialog lernt. Aber man kann diese vier Typen als Basis nehmen.

Ich persönlich gestalte meinen Unterricht eher wenig nach diesen Typen. Dazu gibt es zu viele Mischformen und beim Klavierspielen braucht man alle Sinne. Da ich die Noten auch beim Auswendig spielen quasi vor mir habe (visueller Typ), ist die Visualisierung vermutlich meine größte Hilfe. Aber ohne auditive Klarheit, ohne Analyse wäre das alles nichts. Gerade beim Vorspielen ist es ungeheuer wichtig, sich nicht auf einen Zugang zu verlassen. Wenn der mal ausfällt, kann man dann problemlos auf andere Herangehensweisen zurückgreifen. Man ist also mehrfach abgesichert.

Trotzdem lohnt es sich, sich damit zu beschäftigen, denn die Aufmerksamkeit wird darauf gerichtet, wie man selbst lernt, was gut für einen ist und welche Stärken und Schwächen man hat. Oft denkt man, man müsse etwas so oder so lernen und wundert sich, dass es immer noch nicht funktioniert - dann sollte man eine andere Herangehensweise suchen (gerade in Mathe sind die Herangehensweisen an das Verständnis äußerst unterschiedlich - umso schlimmer, wenn man einen Matheunterricht bekommt, der nur auf eine Vermittlungsweise setzt).

Das machen die meisten instinktiv. Es gibt diejenigen, die ganz schnell beim Erlernen eines Stückes alles auswendig können und fast nur noch auf die Tasten schauen. Es gibt diejenigen, die den Notentext unbedingt brauchen, um überhaupt zu wissen, wo sie sind. Es gibt diejenigen, die sich das Ganze am liebsten vorspielen lassen würden, um anschließend nach Gehör nachzuspielen. Beim Vorspielen fällt das Auswendig lernen manchen sehr schwer, anderen wieder gar nicht. Die einen verstehen Harmonielehre schnell, die anderen brauchen länger.

Ich meine, dass so viele andere Faktoren noch hineinspielen - rolf erwähnte schon Interesse, Wille, Motivation etc., dazu kommt auch Begabung, Intelligenz u.v.a. -, dass eine Begrenzung der Unterrichtsmethodik auf Lerntypen zu einseitig wäre. Hilfreich ist es dort, wo man erkennt, wie man am besten lernt und was funktioniert.

Als Lehrer versuche ich also, zu ermöglichen, dass jeder seinen Weg finden kann ---> methodische Vielfalt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Liebe @chiarina ,
Hausaufgaben gemacht, und Deinen Text nochmal gründlich durchgelesen (4h30 war doch sehr früh ;-)).
Die Einteilungen in den Links unterscheiden sich auch. Aus haptisch wird kinästhetisch, kognitiv fällt weg (weil es um Kinder geht? Aber einige meiner Enkel brauchten das schon im Vorschulalter), kommunikativ kommt dazu.
Als Halblaie finde ich, daß es gar nicht genug Ansätze geben kann, weil jeder Ansatz zu einer anderen Herangehensweise führt, zum Nachdenken anregt und übertragen aufs Klavier neue Übeperspektiven eröffnet. Ähnlich wie Du schreibst: nur nicht ZU einspurig, sonst landet man evtl im Stau und gerade den gilt es ja zu vermeiden.

Weshalb ich das Ganze hier bei den Anfängern eingestellt habe (würde auch zum Üben und bei den Klavierlehrern reinpassen): mein persönliches AHA-Erlebnis am Sonntag, der kleine Nebensatz „der visuelle Typ braucht eben die Noten“ der Tonfall von Inge Rosar ließ durchblicken: ist doch ganz normal! Geht man eben seinen persönlichen Weg in aller Ruhe weiter. Deckt sich mit Deinem zweiten Absatz. Denn: wir üben ja nicht nur mit dem Lehrer/ für den Lehrer, leiern das Pensum nicht einfach runter. (Leiern nicht aufs Klavierspiel bezogen, versteh mich richtig, sondern auf die Art und Weise zu üben).
Für mich ist es spannend zu sehen welche unendlichen Möglichkeiten sich da ergeben und es ist ent-spannend diese Vielfalt auch selber anzugehen.
Wieviel mimimi und buhuhu kann dadurch vermieden werden!

Völlig klar, wie @rolf schreibt, und Du es auch betonst, daß noch ganz andere Dinge eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Vorneweg das Üben selber. Wenn ich bloß übers Üben nachdenke, wird daraus kein Mozart. :teufel:
Für den ein oder anderen einspurigen Klavierlehrer (für den, der es braucht: das -In hintendran bitte denken, ich mag es nicht) der Kategorie „taugt nix peng aus“ könnte ein derart mitdenkender Schüler unbequem werden. :teufel:

Dem Nicht-Können nimmt es jedoch die Spitze. Es wird ein „SO kann ich es nicht, wie könnte es unter einem anderen Gesichtspunkt der vier Ober- und vielen Untergruppen denn funktionieren“ daraus. :blume:

Liebe Grüße
Barbara
 
Als Lehrer versuche ich also, zu ermöglichen, dass jeder seinen Weg finden kann ---> methodische Vielfalt.

Wenn wir jetzt noch schaffen, das unseren Lehrern in der Schule beizubringen ...

Nein, soll kein tumbes Rundumlehrerbashing sein, definitiv nicht. Ich hatte viele gute bis sehr gute Lerher.

Aber wenn eine Fremdsprachenlehrerin in der Mitelstufe genau vorschreibt, wie man mit Zuhalten usw. mit dem Vokabelheft lernen soll und bei einer Schülerin nix hängen bleibt, weil das für sie die falsche Merthode ist, aber sich von der Lehrerin anhören muss, sie wäre dann wohl einfach faul, dann erhalte ich das Verbindungsstück zwischen Haupt und Rumpf (vulgär: Ich krichen Hals).

Grüße
Häretiker
 
Ja, ich orientiere mich im Großen und Ganzen an diesen vier Lerntypen, plädiere aber ebenfalls für eine möglichst hohe methodische Vielfalt, unterschieden nach Gruppensituation und Einzelunterricht. In der Gruppensituation behandle ich ein Thema schon deshalb unter den verschiedensten Gesichtspunkten, damit ich möglichst alle erreiche. Wichtig ist mir dabei, nicht immer die selben Bilder, Sätze, Übungen einzusetzen, denn manchmal hängt es nur an einem einzigen Ausdruck, der bewirkt, ob ein Schüler etwas versteht oder auch nicht. Etwas verstanden zu haben, betrachte ich als Voraussetzung dafür, etwas zu behalten, weiter zu verfeinern oder übergeordnet anwenden zu können. In der Einzelsituation kann ich hingegen mehr die besonderen Stärken des Schülers ansprechen um zum schnellen Erfolg zu kommen. Natürlich müssen trotzdem auch im Einzelunterricht möglichst viele Sinne angesprochen werden, damit sich das neu Gelernte besser festigen lässt.

Ich glaube @méchant village so verstanden zu haben, dass du dich fragst, ob Deine eigenen Stärken je nach Art des zu Lernenden variieren können: Das Erlernen von Sprachen fällt dir leicht, weil Du die Aussprache schnell im Ohr hast und nachsprechen kannst, hingegen ist es Dir schwer möglich, ein nur gehörtes Stück am Klavier nachzuspielen. Ich würde auch sagen, dass sich hier Schwächen der Lerntypentheorie aufzeigen, denn natürlich spielen noch viele weitere Faktoren eine Rolle. In meinem Beispiel könnte es z.B.sein, dass Du betroffene Sprache sehr früh, also noch innerhalb des Zeitfensters gelernt hast, in dem das Gehirn noch darauf eingestellt ist, dem Menschen eine weitere Muttersprache zu gönnen. Die Musik hingegen kam erst später dazu, sie lernst du nicht mehr automatisch durch Kopieren sondern musst sie verstehen und dann bewusst lernen und üben. Die Methode des Vormachens ist deshalb auch bei kleineren Kindern die erfolgreichste. Sie kopieren dich ohne viel darüber nachdenken zu müssen.

Nun ein praktisches Beispiel, wie ich mir selbst ( Spätanfänger, auditiv-visueller Lerntyp) Notentext erarbeite, was mir übrigens deutlich leichter fällt, als das Ganze dann motorisch zu übertragen. An der Motorik arbeite ich aber seit zwei Monaten schwerpunktmäßig und gaaanz langsam spüre ich eine Verbesserung:

- Ich höre mir das Stück an und spiele es 1x vom Blatt durch. Tempo, Gestaltung, Artikulation bleiben unbeachtet, denn ich möchte nur wissen, was in dem Stück passiert, wo sich Problemstellen befinden könnten.
- Ich schaue mir die grobe Struktur des Stückes an: Wo befinden sich die einzelnen Stimmen? Welche Themen gibt es, wo gibt es Wiederholungen, wo leichte Variationen der Themen, wo liegen die Unterschiede?
- ich spiele die einzelnen Stimmen durch, die sich durchaus auf beide Hände verteilen können. Grund: ich möchte die Melodieverläufe im Kopf haben
- Ich beginne entgegen anderer Ratschläge dann doch ganz vorne, nehme mir z.B. die erste Phrase vor, teste Fingersätze, schaue, ob diese Fingersätze auch bei den leichten Variationen noch passen oder auch dann noch, wenn ich das Thema vielleicht zeitweise mit beiden Händen parallel spielen muss.
- Mein visuelles Gedächtnis betrifft vor allem Tastenbilder, nicht die Notenbilder, also lerne ich das Stück nun auswendig, beginnend mit den ersten Takten, benutze dazu die Noten. Dabei präge ich mir den Klang ein, aber auch Fingersätze und Tastenbild. Die Fingersätze verschwinden irgendwann im motorischen Gedächtnis, können aber auch wieder bewusst gemacht werden. Die Tastenbilder bleiben mir am stärksten bewusst, in der Regel weiß ich aber auch, wo ich mich gerade im Notentext befinde. Innerlich von den Noten ablesen kann ich aber nicht, was sich mit meinen Erfahrungen aus der Schule deckt, denn ich konnte immer genau sagen, wo etwas steht: Diese Vokabel befindet sich auf Seite 67, drittletzte Zeile auf der rechten Seite. WAS dort genau steht, wie man das Wort also übersetzt, konnte ich aber nicht ablesen.
Zurück zum Auswendiglernen: Sobald ein Abschnitt funktioniert, wird er in kleinen Abständen wiederholt, damit er allmählich aus dem Kurzzeitgedächtnis heraus und idealer irgendwann ins Langzeitgedächnis wandert. Die Abstände des Wiederholens verlängern sich im Lernprozess dann immer mehr zugunsten weiterer neu zu lernender Abschnitte.Gegebenenfalls nutze ich zusätzliche Eselsbrücken um mir den Text zu merken, bilde z.B. Sätze aus der Harmonienfolge.
Und ganz neu: Soweit mir bekannt, überlege ich mir vom ersten Tag des Lernens die motorische Umsetzung. Ich hoffe, es wird mir helfen!
 
Wenn wir jetzt noch schaffen, das unseren Lehrern in der Schule beizubringen ...

Nein, soll kein tumbes Rundumlehrerbashing sein, definitiv nicht. Ich hatte viele gute bis sehr gute Lerher.

Aber wenn eine Fremdsprachenlehrerin in der Mitelstufe genau vorschreibt, wie man mit Zuhalten usw. mit dem Vokabelheft lernen soll und bei einer Schülerin nix hängen bleibt, weil das für sie die falsche Merthode ist, aber sich von der Lehrerin anhören muss, sie wäre dann wohl einfach faul, dann erhalte ich das Verbindungsstück zwischen Haupt und Rumpf (vulgär: Ich krichen Hals).

Grüße
Häretiker


Nun ja, wenn Du weißt, wie ein Kind die Vokabeln verinnerlichen kann, ist es doch wirklich nicht schwer, ihm auf seinem Weg Mut zu machen. Sicherheitshalber hätten meine das Vokabelheft zwar perfekt führen müssen (falls es vorgezeigt werden muß), aber es zählt doch bei der Abfrage nur, daß die Vokabeln „sitzen“.
Gerade beim Thema Vokabeln gibt es sehr, sehr viele Ansätze!
Das gilt aber auch für alle anderen Fächer.
Genau wie fürs Klavier.
Mut, mal auszuscheren, Mut zu unkonventionellen Methoden.
 

Meine Vermutung ist, dass man auf dem "Kanal" am schnellsten lernt, den man am Besten trainiert hat. Und das diese Lernpreferenzen dadurch selbstverstärkend sind. Erfolg macht Spaß => Was Spaß macht, macht man mehr, übt es mehr => mehr Erfolg. Es kann also durchaus sein, das am Anfang einfach ein Zufall stand, z.B. im Kindergarten wurde besonders viel vorgelesen und jemand entwickelt eine Vorliebe für das auditive Lernen.
 
Das Lerntypen-"Paradigma" war eine Zeitlang sehr in Mode in der Schuldidaktik.

Mittlerweile ist man wieder zumindest partiell wieder davon abgekommen, weil fast alle irgendwie "Mischtypen" sind, wie ja auch einige in dem Faden angemerkt haben.

In der Musik kann ja auf die auditive Seite gar nicht verzichtet werden, genauso wenig wie auf die haptische. Ganz gleich, ob Klavier, Geige oder Klarinette - meine Hände (und Arme) muss ich in irgendwelcher Form einsetzen.

Die visuelle Seite klappt bei mir persönlich beim Klavierspielen deutlich weniger gut als beim Lesen z.B.: einen Notentext visuell einfach so abspeichern kann ich nicht.

Die kognitive Seite - so vermute ich - trennt eher die Profis von den Amateuren, mit einer großen Spannbreite dazwischen: je mehr man musiziert, desto mehr erschließt sich einem auch kognitiv, so man denn will.

Ich begreife etwas besser, wenn ich es vorgespielt bekomme, als wenn mir jemand eine Analyse zu einer Stelle vorlegt. Aber das könnte sich durchaus auch noch ändern.
 
Hochinteressantes Thema!

Das Thema "Lernen" im physiologischen und psychologischen Sinne bei Mensch und Tier finde ich faszinierend und als ewig Lernende und Beratende beschäftige ich mich damit täglich.

Ich habe als Lernende immer versucht alle Sinne möglichst gewinnbringend zu benutzen, das ist für mich als Medizinerin auch unabdingbar ( wie sieht etwas aus, wie riecht jemand, wie fühlt es sich an, wie hört sich -zum Beispiel Lunge und Herz an, u.s.w.) und auch die Möglichkeit mir etwas vorzustellen.
Alles, was ich kognitiv erarbeiten konnte fiel mir besonders leicht zu erlernen.
Anatomie war zwar sauspannend, musste aber etwas mühsamer auswendig gelernt werden, überwiegend visuell.

Beim Klavierspielen muss ich mich überwiegend auf‘s visuelles, auditives und haptisches Lernen verlassen. Musiktheorie kognitiv zu erfassen finde ich ( ab einem fortgeschrittenen Level ) sauschwer, bleibe aber am Ball, weil s.o. Weil das so ist, lege ich den Schwerpunkt auf meine auditiven Fähigkeiten.

Insgesamt versuche ich immer alle Lernkanäle zu trainieren.
 
@Klimperline
@Klafina
@Klein wild Vögelein
Danke für eure präzise Beschreibung, wie ihr vorgeht.

Jeder hat seine Schokoladenseiten. :blume:
Wenn wir jetzt unsere guten Seiten richtig nutzen, müßte THEORETISCH mehr „Hirn“ für den Teil frei sein, der uns nicht ganz so leicht fällt.
Man braucht sich nur bewußt zu machen, daß es auch für die Nicht-Schoko-Seite mit dem richtig gemischten Ansatz einen Weg gibt.
 
Mein Sohn hat eine Auditive Verarbeitungs und Wahrnehmungs Störung.

Dass sollte ich dann wohl dem Musiklehrer sagen das er dann vermehrt die anderen Bereiche nutzt, aber auch das Auditive geschult wird.
:denken:
 
Mein Sohn hat eine Auditive Verarbeitungs und Wahrnehmungs Störung.

Dass sollte ich dann wohl dem Musiklehrer sagen das er dann vermehrt die anderen Bereiche nutzt, aber auch das Auditive geschult wird.
:denken:

Kann gut sein, kann aber auch nach Hinten los gehen. Es ist gar nicht schön für ein Kind wenn immer die Defizite im Fokus stehen, ein guter Lehrer bekommt auch so mit wo es fehlt, ein schlechter Lehrer wird die Info eventuell aus Ausrede für sich selbst verwenden. Wie sich sowas auswirkt kann man nie sagen.
 
Kann gut sein, kann aber auch nach Hinten los gehen. Es ist gar nicht schön für ein Kind wenn immer die Defizite im Fokus stehen, ein guter Lehrer bekommt auch so mit wo es fehlt, ein schlechter Lehrer wird die Info eventuell aus Ausrede für sich selbst verwenden. Wie sich sowas auswirkt kann man nie sagen.


Dann werde ich besser erst was sagen, wenn er mich darauf anspricht.
 
s ist gar nicht schön für ein Kind wenn immer die Defizite im Fokus stehen, ein guter Lehrer bekommt auch so mit wo es fehlt, ein schlechter Lehrer wird die Info eventuell aus Ausrede für sich selbst verwenden. Wie sich sowas auswirkt kann man nie sagen.

Liebe beo,

es ist zwar richtig, dass immer die Stärken im Vordergrund stehen sollten, aber der Sohn von Tini wird auch welche haben, die man im Gespräch benennen kann.

Ich bin der Meinung, dass man unbedingt (!!!) vorher so etwas klären sollte. Im Unterricht wird eine solche Wahrnehmungsstörung zwar schnell auffallen, aber der Lehrer wird mangels Vorgespräch immer unsicher sein, ob seine Wahrnehmung nun stimmt. Und nur ein guter Lehrer wird so reagieren, dass das Kind keinen Schaden nimmt. Die Sache kann auch sehr nach hinten losgehen! Als Eltern überlässt man dann die Findung und Lösung dem Lehrer, den man noch gar nicht kennt - das halte ich für keine gute Idee!

Als Lehrer ist es extrem unangenehm, Eltern darauf anzusprechen, ob das Kind Störungen hat. Eltern sollten lieber die konstruktive Zusammenarbeit suchen und Klarheit in die Situation bringen. Solche Wahrnehmungsstörungen sind ja nichts Aussätziges oder Anstößiges (kommen auch öfter vor als man denkt), also immer munter raus damit. :)

Liebe Grüße

chiarina
 
@chiarina von der Seite habe ich das nie gesehen. Ich kenne nur die Seite des Kindes, das einfach abgeschrieben wird, weil es eine "Störung" hat. Egal wie viel ich erreiche im Leben es bleibt ein Teil von mir.

@Tini1990 ja ich hab auch eine Auditive Wahrnehmungstörung. Als ich eingeschult wurde konnte ich den Klang von Z und SCH nicht unterscheiden. Und bis heute habe ich Schwierigkeiten Sprache zu verstehen, was allerdings meistens nur mir auffällt. Ich bin sehr geschickt darin mir etwas zusammen zu reimen, und niemand rechnet damit, das jemand Englisch zwar recht gut spricht, aber nicht gut versteht, meist ist es umgekehrt.
 

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