Unterschiede Orgeldienst kath.Messe<->ev. Gottesdienst ?

Es ist reizvoll, die unterschiedlichen
kirchenmusikalischen Gepflogenheiten theologisch zu begründen.



Ich habe diesen Beitrag leider erst spät, aber mit umso größerem Vergügen gelesen. Man könnte vielleicht sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, daß die unterschiedliche Traditionen hier einen gemeinsamen Glaubenskern überdecken. Denn Lutheraner und Katholiken haben ja die Vorstellung von der Realpräsenz des Herrn im Abendmahl gemeinsam, mögen sie diese auch mit den unterschiedlichen, letztlich scholastischen, Begriffen der Trans- vs. Consubstantiation beschreiben. Folglich hätte sich auch auf lutherischer Seite eine Tradition entwickeln können, diese Realpräsenz musikalisch zu versinnbildlichen. Aber der Fokus auf der Wortverkündigung (das Kirchenlied ist ja nur deren gesungene Variante) wie auch die generelle Skepsis gegenüber allen "zeichenhaften Handlungen" hat diese Möglichkeit über Jahrhunderte in den Hintergrund gedrängt. In meiner Jugend wäre eine Improvisation vor dem Abendmahl noch völlig undenkbar gewesen. Da und auch während der Austeilung wurde "anständig" gesungen, gewissermaßen als musikalisches Repetitorium des kleinen Katechismus; der Organist konnte allenfalls bei erhöhtem Andrang von Gläubigen den Raum zwischen den einzelnen Strophen mit Mini-Improvisationen strecken. Der "moderne" Usus einer Orgelimprovistion vor dem Abendmahl wäre also ein Stückchen okumenischer Annäherung. Danke für diese Anregung.

Friedrich
 
Denn Lutheraner und Katholiken haben ja die Vorstellung von der Realpräsenz des Herrn im Abendmahl gemeinsam, mögen sie diese auch mit den unterschiedlichen, letztlich scholastischen, Begriffen der Trans- vs. Consubstantiation beschreiben. Folglich hätte sich auch auf lutherischer Seite eine Tradition entwickeln können, diese Realpräsenz musikalisch zu versinnbildlichen. Aber der Fokus auf der Wortverkündigung (das Kirchenlied ist ja nur deren gesungene Variante) wie auch die generelle Skepsis gegenüber allen "zeichenhaften Handlungen" hat diese Möglichkeit über Jahrhunderte in den Hintergrund gedrängt.

Ich muß schlicht nachfragen, weil ich in theologischen Dingen nicht bewandert bin, also Nachholbedarf habe; ich spiele lediglich gerne Orgel, auch im Gottesdienst:
- Du meinst, beim Abendmahl bei den Evangelen wäre der Fokus auf die Wortverkündigung z.B. mittels Kirchenlied als deren gesungene Variante? Und das da die Möglichkeit anderer musikalischer Untermalung in den Hintergrund gedrängt sei?

Ich frage deshalb nach, weil es bei meinen (evangelischen) Orgeldiensten mit Abendmahl Usus ist, dass das Abendmahl mit Orgelmusik untermalt wird, also nicht mit Kirchenlied. Ob improvisiert, oder Literaturstück, ist wurscht. Ich bevorzuge Literaturstücke, und zwar gerne Bach, und zwar gerne schöne langsame Stücke mit Flötenregistern, um ein und das andere von den unsterblich schönen Stücken des Meisters an den Mann/die Frau zu bekommen. Und wohlgemerkt, wenn die Leute schon wieder auf ihren Plätzen sind, und das Stück noch nicht zu Ende, wird es zu Ende gespielt. Empfinde ich sogar als noch schöner, weil die ungeteilte Aufmerksamkeit so der Musik zukommen kann. Rel. selten kommt zwar auch der Kirchenchor zu Einsatz, und singt Quempas-Lieder im Hintergrund - allermeistens ist es aber Orgelmusik, manchmal auch Posaunenchor.

Also ich verstehe nicht ganz, wieso darin keine musikalische Versinnbildlichung einer Realpräsenz (was für ein Wort - "Real" im Zusammenhang mit Dingen, wo es um "Glauben" geht, nebenbei...) gesehen wird, wenn man Musik, die "Soli Deo Gloria" komponiert wurde, anbringt. Und warum du da auf evangelischer Seite Nachholbedarf siehst, erst recht nicht. Was den Stellenwert der Kirchenmusik im allgemeinen, und der Orgelmusik - um die es hier geht - im besonderen angeht, hätte ich gedacht, dass auf evangelischer Seite kein Nachholbedarf da ist, eher anders herum auf katholischer Seite?
 
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Hallo Mindenblues,

ich denke, wir reden einfach vonverschiedenen Epochen: Du von Deinen gegenwärtigen Erfahrungen, ich von meinen weit zurückliegenden Erinnerungen an meine Zeit als Dorforganist (Ende der 60er, Anfang der 70er). Wenn ich damals gelgentlich versuchte, Deinem Ansatz zu folgen und während des Abendmahls irgendeinen Bachband aufzuschlagen, gab es einen Verweis wegen Störung der Konzentration auf das Wesentliche; der Meister hatte sich mit dem Platz vor und nach dem Gottesdienst zu begnügen. Stattdessen ließ man die Gemeinde lieber iterativ laut, falsch und viel zu langsam versichern, wie sehr doch "glänzet Christen inwendiges Leben / obgleich sie von außen die Sonne verbrannt". Katechese durch Gesang (die Lieder konnte *man* natürlich auswendig, und überallumherschweifend waren die Blicke der ehrbaren Matronen und giftigen alten Schachteln, ob es etwa jemand nötig hatte, ein Gesangbuch aufzuschlagen) war neben der Predigt und der sog. Christenlehre (wo die Lieder gelernt wurden) eines der drei Hauptinstrumente religöser Unterweisung nach der Zeit des Konfirmandenunterrichts. Vielleicht war das eine Extremform, die mit der starken rationalistischen Tradition in der weiland markgräflich-ansbachischen Kirche zu tun hatte.

Daß heutzutage die Praxis vor und während des Abendmahls sogar in den Kernlanden des bayr. Protestantismus anders ist, ist mir nicht entgangen, und ich konstatiere nur vor dem Hintergrund von Gomez' Ausführungen, daß damit ein, sagen wir mal, quasi-katholisches "zeichenhaftes" Element in die Gemeindemusik hineingekommen ist, in dem man ein Stück formaler ökumenischer Annäherung sehen könnte, weil es das es früher eben nicht gab (nota bene in meiner Region; die Zersplitterung protestantischer Formen ist natürlich in Rechnung zu stellen). Einen "Nachholbedarf" auf wessen Seite auch immer: hilfe - nein, in solch normativen Kategorien betrachte ich die Sache nicht; eher als der brechtsche "rauchende Zuschauer". Was die historische Entwicklung insgesamt betrifft, hast Du zweifellos recht, generell lag der Nachholbedarf in punkto Kirchenmusik auf katholischer Seite; aber immerhin ist da seit dem Konzil doch etliches geschehen.

>Realpräsenz (was für ein Wort - "Real" im >Zusammenhang mit Dingen, wo es um "Glauben" geht, nebenbei...)

Nicht von mir, sondern Theologenjargon; ich kann Zeugen aus beiden Fakultäten dafür anrufen, um Deinen Zorn von mir abzuwenden :)

Es wäre im übrigen interessant zu hören, ob ähnliche kirchenmusikalische Tendenzen auch bei den "echten" Reformierten vorhanden sind, wo die Wortzentriertheit traditionell ja noch größer ist.

Wer weiß, am Ende einigen sich Lutheraner und Reformierte gar auf eine "protestantisch-ökumenisch" Variante des alten Kampfliedes das da lautet (zu singen auf die Melodie "nun danket alle Gott"):

Die Reformierten sind mit uns vom Papst geschieden /
und dennoch leben wir mit ihnen nicht in Frieden. /
Zum einen lehren sie die Gnadenwahl nur schlecht /
zu andern feiern sie das Abendmahl nicht recht.

Friedrich
 
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