Unbekanntes Tafelklavier - Restaurierung/Hilfe bei Bestimmung?

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19. Jan. 2011
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Liebe Kollegen,

nun möchte ich Euch doch mal mein Restaurierungsobjekt vorstellen. Ich habe es via Ebay gefunden, aber den geforderten Preis nicht bezahlt... ;) Okay, für die Neugierigen: 700 Euro inklusive Anlieferung.

Ein paar Daten:

Spielhöhe 69 cm
Breite 185, Tiefe 82 cm
Tonumfang 73 Tasten Kontra-F bis F'''
Stählerne Anhangplatte mit 1 Strebe zum Stimmstock
Mopstick-Dämpfer ursprünglich bis g'', die letzten fünf Dämpfer entfernt
Steg geteilt zwischen gr.A und B

Das Instrument war in einem unspielbaren Zustand - und ist es jetzt immer noch, dafür in Teilen... :D Ich hatte allerdings den Eindruck, dass es sich um ein solide gebautes Stück handelt, im Resonanzboden entdeckte ich zunächst keine Risse (später schon...) Die Konstruktion ist irre schwer. Die Oberfläche hielt ich aufgrund weißlicher "Korrosion" zunächst für Nussbaum, es kam aber schönes Mahagoni zum Vorschein. Das Gehäuse ist mittlerweile abgeschliffen und mit Schellack eingelassen, die Beine, die man auf den Fotos nicht sieht, sind noch zu bearbeiten.

Ansicht v oben.jpg

Im Moment sind alle Saiten entfernt, sie müssen auch erneuert werden (ja, ich weiß, keine modernen Saiten...) Tonnamen und Saitenstärken sind auf dem Stimmstock mit Tinte vermerkt.

AuslösundFänger.jpg

Die Mechanik ist eine "double action". Die Tasten ließen sich nicht bewegen, wie sich herausstellte, war jeweils eines der Bleigewichte durch Korrosion so weit "aufgequollen", dass die Tastenenden aneinander hakten. Das ist inzwischen alles gereinigt, die Gewichte sollen noch mit Zaponlack konserviert werden.

Tasten-Vorderplättchen mit "englischem Profil" (Terminologie von Andreas Beurmann).

Vorderplättchen.jpg

Auf dem Stimmstock signiert und nummeriert – völlig unleserlich :(
Das Vorsatzbrett ist außerdem hinten mit Bleistift signiert - man liest dort "Lomla" oder "Somla"

Signatur.jpg

Mit den Arbeiten geht es immer langsam voran, aber ich bin optimistsich, irgendwann drauf spielen zu können. Für die ziemlich vergammelten Hämmer werde ich mir sicher noch fachliche Hilfe holen bzw diese machen lassen.

Wenn ihr mögt, werde ich über die Fortschritte berichten - bis zum Youtube-Video mit Konzert auf dem fertig restaurierten Instrument! :)

Es grüßt und dankt für Euer Interesse

Die Drahtkommode
 

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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Drahtkommode,

Da hast Du ja mal ein Ding, dass Deinem Namen voll gerecht wird :D
Leider kann ich Dir den Erbauer auch nicht benennen, wünsche Dir aber bei der Restaurierung viel Freude.:cool:

LG
Michael
 
geiloooo mann!!!! geilest teil und absolut mega geile arbeit!!!! wann kommen die mechanik fotos?
schau jedes teil ganz genau durch! vielleicht hat der hersteller irgendwo eine nachricht für dich hintergelassen. ;) mir passiert es oft... und da freue ich mich wenn ich mit den alten herren "ein kontakt" habe. :)

lg
emmanuel
 
Tasten-Vorderplättchen mit "englischem Profil" (Terminologie von Andreas Beurmann).

Jaa Drahti, geixxes Teil. Ich mag die alten Tafis auch.

Das "englische Profil" ist etwas anders zu verstehen: als Methodologie des englischen Klavierbaues zur Identifizierung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert.

Unter den Alten Fexen derer Tafi-Macher gab es per Shop, per Werkstatt jeweils ein einziges, für alle Klaviere, die die Hütte verließen, charakteristisches Tastenfront-Profil, was es NUR von dem einen Tastenmacher gab. WEHE, wenn das wer anderer zu kopieren gewagt hätte.. Da wäre der aber voll brastig losgezogen, hätte den Verbrecher gesucht und gleich mal flott ohne Verthun umgebracht.

Quasi also die "Unterschrift" des Klavierbauers, die niemand fälschen durfte: Egal, was auf dem Fallboard, der Tastenklappe steht, denn die mag lügen. Da waren so etliche Macherer keine Kinder von Traurigkeit. Nennt sich seither "badge engineering", a la "du blöder Kunde willst ja eh betrogen werden, was wir Klavier-, Tafimachers dir auf der Tastenklappe erzählen, das ist alles wie es ist, take it or leave.."

So, wie die einen heute "Pearl River", "Ritmüller", "Essex" oder "Guangdong Heibei Piano Comp. Ltd." dranschreiben, egalo: 140.000 Klaviere per anno, wer will das denn schon genauer wissen.. Oder Hailun, Wendl & Lung, egal. Alles nur Aufkleber, aus derselben Fabrik. Namen sind Schall & Rauch, auch. Na welchen Verkaufszügigen Namen möchten Sie denn heute mal? :) Breitestes chinesisches Geschäftslächeln.

Ganz egal. Alles erlaubt. Jede leise Irreführung statthaft, die man als beabsichtigten Betrug niemals zugeben braucht. Weil, dann müsste der Behaupter die Absicht ja beweisen können, kann er aber nicht, ätsch..

Das Frontprofil der Tasten aber lügt nicht.

DAS Markenzeichen. Die Unterschrift der Klaviermacher. Die da glasklar (..dem Eingeweihten..) sagt: Das Ding hier habe Ich gebaut! Hinweis an die Kollegen. Wehe, das veränderte mal wer..
 
Hallo und danke für die Kommentare!

@ Klaviermacher: Nomen est omen... ;)

@ Klavierrestaurator. Ja Wow! Deine Begeisterung! Ich kann sie nachvollziehen! :cool:

Hier ein Blick auf die Mechanik, der tiefste Ton ist "angespielt". Man erkennt die Zwischenglieder zwischen Taste und Hammer, die für die Double action charakteristisch sind. Sonst ist leider ein Brett davor.... :o

Klaviaturrahmen.jpg

Hier als Ergänzung noch der Blick auf eine Skizze, die die Mechanik exkat abildet:

http://en.wikipedia.org/wiki/File:Broadwood_grand_square_action.svg

@ weas: Ich bin mir nicht sicher, ob das noch für die Jahre um 1840 gilt, aus dieser Zeit schätze ich das Instrument. Aber was eine genauere Bestimmung angeht, werde ich mich noch an den zust. Kurator im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg wenden, der die Sammlung Beurmann betreut - aber danke für die Hinweise!

Es grüßt freundlichst
Die Drahtkommode
 
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ooo ja! man kann mich mit solchen sachen schon sehr anmachen! alles was echt alt ist, ist meins!

echt cool dein teil! absolut geil die mechanik. ist aber doch eine englische und keine double action oder?

ich hab eine lipp-tafi aus 1864 und der hat eine echte englische mechanik. auch ein geiles teil!

bin voll gespannt auf die doku! und wünsche dir viel erfolg und freude bei der arbeit!

lg
emm
 
Saiten ab!

Liebes Forum,

nun sind auch die letzten Saiten ab. Auf dem Bild erkennt man schön die Markierungen für die Saitenstärken. Interessant auch die Tonnamen: A, Ais, B (für H...). Das lässt ja auch auf einen bestimten Sprachraum des Erbauers schließen... Wo was diese Art der Bezeichnung noch üblich? :confused:

Saiten ab.jpg

Klavierrestaurator, Deins schau ich mir dann im Juli gern mal an ;)

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
Dass die Engländer unser "H" ein "B" nennen, ist bekannt, aber "Ais" habe ich im Englischen noch nie gehört. Das heißt bei ihnen entweder A# (A sharp) oder Bb (B flat). Oder war "Ais" damals, vor mehr als hundert Jahren, im Englischen Usus?
 
Dass die Engländer unser "H" ein "B" nennen, ist bekannt, aber "Ais" habe ich im Englischen noch nie gehört. Das heißt bei ihnen entweder A# (A sharp) oder Bb (B flat). Oder war "Ais" damals, vor mehr als hundert Jahren, im Englischen Usus?
Ein Zwitter .. :lol:

Ne ich hab keine Ahnung - aber es ist doch das Ding mit Leder statt statt Pergament - so wie es im englischen Tafelklavierbau verwendung fand....

LG
Michael
 
Niederlande?
 

Klimperer, ich war nicht ganz korrekt, die Beschriftung lautet A# :cool:

Englische Beschriftung, Mechanik wie Braodwood... (s. Skizze in Beitrag 5)
Ob es ein Engländer ist? :p
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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