Unabhängigkeit der Hände insbes. Verzierungen Bach

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Alex_S.

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Mir fällt es schwer die Verzierungen zu spielen, wie sie z.B. Tatjana Nikolajeva hier in Bachs Prelude C-Dur BWV 924 mit der linken Hand macht und dabei gleichzeitig die rechte konstant zu halten. Hat jemand Übetips dafür? Beide Hände einzeln gehen gut, nur zusammen wird die rechte schwammig.



Das Thema Triller und Unabhängigkeit der Hände gibt es schon hier, allerdings habe ich keine Spieltips für die Verzierungen bei Bach gefunden. Die würde ich auch gerne spontan spielen können. Danke schon einmal für Gedanken zum Thema.
 
Ja, an den Verzierungen knabbere ich auch! Da bin ich schon ganz gespannt auf Übetipps!
 
Bei Verzierungen sich immer bewußt machen: so kniffelig und schwierig sie auch sein mögen, es sind Verzierungen, „Nebensächlichkeiten“. Wenn sie vom Wesentlichen ablenken, lieber weglassen. Aber so einfach und pauschal ist es dann doch nicht …

Disclaimer 1:
In der französischen Barockmusik sieht das leider etwas anders aus. Da sind die Verzierungen in der Tat wesentlich. Die Musik klingt sonst wie ein abgenagtes Skelett. (Und bevor ich Couperin und Konsorten mutwillig verhunze, höre ich mir lieber Sokolov oder Tharaud an.)

Disclaimer 2:
Auch beim alten Bach gibt es Stücke, in denen Verzierungen wesentlich sind, z.B. die Aria der „Goldberg-Variationen“. Zum Glück gibt es genügend Aufnahmen. Man muß nicht alles selber spielen.

Disclaimer 3:
Für Beethoven gilt Ähnliches. Der 3. Satz der „Waldstein-Sonate“, die Arietta aus op. 111 - die Triller dort sind integraler Bestandteil der Komposition. Da heißt es dann: üben, üben, üben - oder verzichten. (Auch die Triller bei Mozart verlangen dem Durchschnitts-Pianisten in der Regel viel Schweiß ab.)

Disclaimer 4:
Bei Chopin sollte man lieber von „Koloraturen“ als von „Verzierungen“ sprechen.
 
In BWV 924 sind die Triller ja notiert, gleiches gilt z.B. für die Gigue aus der Partita Nr. 1 mit ähnlicher Begleitfigur, insofern schon beachtlich.
Triller wie bei Mozarts Sonata facile gehen bei mir sehr gut. Technisch kann ich das spielen. Bei Bach ist das ein Problem der rythmischen Unabhängigkeit.
Die Überlegung ist, in Zeitlupe anzuffangen. Problem ist aber imo, dann kann ich das nur bei diesem Stück und mit Hilfe des motorischen Gedächtnisses hinbekomme. Spontan weglassen und Hinzufügen wird dann schwierig.
 
In diesem Faden hier https://www.clavio.de/threads/wie-wuerdet-ihr-diese-verzierung-spielen-bach-bwv-933.26867/ hat @mick Quellen verlinkt, die eine Übersicht über die Verzierungen geben - etwas übersichtlicher (und hoffentlich weitgehend korrekt, ich hab's nicht komplett gelesen) finden sich Beispiele in diesem pdf im ersten Kapitel: http://www.pian-e-forte.de/noten/pdf/verzierungen.pdf

Gerade bei BWV 924 kann man das ja gut üben, weil man die Verzierungen schön zu den Sechzehnteln der rechten Hand aufteilen kann. Beispiel Mordent: da spielst Du ja die Hauptnote, dann die untere Nebennote und dann wieder die Hauptnote. In der Sechzehntelpause die Hauptnote und die untere Nebennote quasi als Zweiunddreißigstel, und dann wieder die Hauptnote, wenn die rechte Hand einsetzt. Zu langsam würde ich das allerdings nicht üben, damit sich keine Behäbigkeit für die Verzierung einschleicht.

Hast Du denn eine/n Lehrer/in, mit dem Du das gemeinsam erarbeiten kannst?
 
Mir wurde mal als Tipp gegeben, dass man Verzierungen als Reflex (Muskelreflex) spielen soll, also nicht so "ausnotiert".

Es gibt Nachkriegsausgaben, in denen die Verzierungen komplett ausnotiert wurden, bis hinab zu 128steln (5 Balken). Das ist aber augenmusikalisch überhaupt nicht mehr sinnfällig.
 
Gerade bei BWV 924 kann man das ja gut üben, weil man die Verzierungen schön zu den Sechzehnteln der rechten Hand aufteilen kann.
Solche Notierungen gibt es ja zahlreich auch im Netz wo das so notiert ist. Allerdings kommt das imo nicht dem Sinn dieses Triller nach. Das ist ja quasi eine Betonung/Verlängerung der Note. Wenn man langsam spielt, muss der Triller trotzdem schnell gespielt werden, also unabhängig von der Geschwindigkeit des Stückes ist es immer die gleiche Trillergeschwindigkeit, wie ich auch @StefanN verstehe.
 
Allerdings kommt das imo nicht dem Sinn dieses Triller nach.
Ja, dann spielste die ersten beiden Töne halt als 64tel.

Da Du auf meine Frage nach dem Lehrer nicht geantwortet hast, gehe ich davon aus, dass Du keinen hast?

Bevor man Verzierungen als "Reflex" spielen kann, könnte es sinnvoll sein, sie sich ausnotiert vorzustellen und auch so zu hören und sich nicht von oben, sondern von den Grundlagen her zu nähern. Aber das können andere sicher besser erklären als ich.

Wenn Du schreibst, dass beim Spiel beider Hände zusammen das Ganze "schwammig" wird, könnte Dein nächstes Ziel sein, das Stück erst einmal wirklich gleichmäßig zu spielen und Dir um die Verzierungen noch keine Gedanken zu machen. Wenn es nicht mehr "wackelt" oder "schwammt", dann könntest Du in der linken Hand einfach mal Achtel spielen statt Viertel, den Ton also doppeln. Steigt die rechte Hand dann aus der Gleichmäßigkeit aus oder kannst Du den Puls beibehalten? So lange Du Dich ohne die Verzierungen nicht absolut wohl und sicher fühlst, werden die Verzierungen nicht so locker und leicht kommen, wie Du sie haben willst. Egal, ob Du sie Dir nun ausnotierst oder nicht.
 
Solche Notierungen gibt es ja zahlreich auch im Netz wo das so notiert ist. Allerdings kommt das imo nicht dem Sinn dieses Triller nach. Das ist ja quasi eine Betonung/Verlängerung der Note. Wenn man langsam spielt, muss der Triller trotzdem schnell gespielt werden, also unabhängig von der Geschwindigkeit des Stückes

Aber Nikolayeva (die Aufnahme, die du selbst eingestellt hast) spielt die Verzierungen (die in den Takten 3-5) als Zweiunddreißigstel rhythmisch exakt passend zu den Sechzehnteln der rechten Hand, also nicht unabhängig von der Geschwindigkeit des Stücks.
 
Es gibt Nachkriegsausgaben, in denen die Verzierungen komplett ausnotiert wurden, bis hinab zu 128steln (5 Balken). Das ist aber augenmusikalisch überhaupt nicht mehr sinnfällig.
nach welchem Krieg @StefanN , nach dem dt.-franz. 1870-71? ;-) es gibt spielpraktische instruktive Ausgaben von Busoni (1866-1924) - die sind musikalisch wie technisch nicht falsch und bieten Ausführungsmöglichkeiten.
 
neenee, so aus den 1950ern..,
mal so aus der Hirnmasse heraus fallen mir die Ausgaben der manchmal recht bizarren Köstlichkeiten von CPhE Bach von Mme Caland ein

Busoni ist selbstverständlich ein Hausschatz des Klavierspieiers... ich meine aber, dass er die Verzierungen meistens(!) nicht in den Noten ausschreibt, sondern in Kleinstich obendrüber/untendrunter oder in Fußnoten.

So éclatant mit fünf Balken wie bei Madame ist mit das beim hochverehrten Maestro nicht aufgefallen.

(Ich sitze wieder mal im Zug, deshalb kann ich gerade nicht nachgucken.)

Und ja, Reflex hin und her, aber die Verzierungsgeschwindigkeir soll auch zum Tempo passen.

Einstiger Rüffel meines seligen Orgellehrers, als ich ihm "O Mensch, bewein' dein' Sünde groß" (stark verzierte Solostimme) aus dem Orgelbüchlein vorspielte: "Das ist kein Mozart!". Ich hatte die Prallern und Mordants wirklich unsensibel reingekantet.
 

Danke an alle fürs feeedback
Aber Nikolayeva (die Aufnahme, die du selbst eingestellt hast) spielt die Verzierungen (die in den Takten 3-5) als Zweiunddreißigstel rhythmisch exakt passend zu den Sechzehnteln der rechten Hand, also nicht unabhängig von der Geschwindigkeit des Stücks.
Man kann das Video bei Youtube langsamer anhören, z.B. 1/2 da hört man, dass die Triller teilweise passend sind, teilweise aber sehr frei.
Ja, dann spielste die ersten beiden Töne halt als 64tel.
Das wäre eben die klassische Methode, die auch meine Klavierlehrerin auch präferiert hat. Damit habe ich es aber bisher nicht zufriedenstellend geschafft.
Da Du auf meine Frage nach dem Lehrer nicht geantwortet hast, gehe ich davon aus, dass Du keinen hast?
Ich hatte über 10 Jahre eine Lehrerin, inzwischen nicht mehr aktiv, aber da Klavier nicht mein Hauptinstrument ist und ich einem nicht musikalischen Beruf nachgehe und Familie habe, ist Klavierunterricht nicht drin. Ich glaube aber die Antwort meiner Lehrerin zu kennen und daher suche ich nach eine Zweit- oder Drittmeinung.
Bevor man Verzierungen als "Reflex" spielen kann, könnte es sinnvoll sein, sie sich ausnotiert vorzustellen und auch so zu hören und sich nicht von oben, sondern von den Grundlagen her zu nähern. Aber das können andere sicher besser erklären als ich.
Wenn Du schreibst, dass beim Spiel beider Hände zusammen das Ganze "schwammig" wird, könnte Dein nächstes Ziel sein, das Stück erst einmal wirklich gleichmäßig zu spielen und Dir um die Verzierungen noch keine Gedanken zu machen. Wenn es nicht mehr "wackelt" oder "schwammt", dann könntest Du in der linken Hand einfach mal Achtel spielen statt Viertel, den Ton also doppeln. Steigt die rechte Hand dann aus der Gleichmäßigkeit aus oder kannst Du den Puls beibehalten?
Genau die Rechte ist das Problem. Bei Albertibässen ist das kein Problem für mich einen Triller zu spielen oder eine Melodie rubato zu spielen und gleichzeitig die Begleitung gleichmäßig zu halten. Aber wenn der erste Ton weggelassen wird in der Begleitung wie hier, dann holpert es in der Begleitung.
So lange Du Dich ohne die Verzierungen nicht absolut wohl und sicher fühlst, werden die Verzierungen nicht so locker und leicht kommen, wie Du sie haben willst. Egal, ob Du sie Dir nun ausnotierst oder nicht.
Ich mache mal später ein Video.
 
Aber wenn der erste Ton weggelassen wird in der Begleitung wie hier, dann holpert es in der Begleitung.
Dann brauchst Du also eher Tipps, wie Du die Figuren der rechten Hand üben kannst, und noch keine Hinweise zur Ausführung von Verzierungen.
Die rechte Hand soll nicht irgendwie "reinstolpern", sondern mit der linken Hand zusammenarbeiten.
 
Dann brauchst Du also eher Tipps, wie Du die Figuren der rechten Hand üben kannst, und noch keine Hinweise zur Ausführung von Verzierungen.
Die rechte Hand soll nicht irgendwie "reinstolpern", sondern mit der linken Hand zusammenarbeiten.
Ja, die Begleithand, in dem Fall die rechte, möchte ich konstant halten können, egal was die Linke macht. Was es für mich hier schwierig macht, ist, dass der erste Ton nicht von der Begleithand gespielt wird.

Edit: Rechte gegen Linke getauscht
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Leseverständnis:
"Begleithand" ist rH, in gebrochenen Akkorden
die Hand mit den Verzierungen ist lH, in Vierteln

Ich finde dieses kleine Präludium nicht trivial.

1. Übevariante: beide Hände von unten nach oben gleichmäßig in Sechzehnteln (dh jedes Viertel ist ein Sechzehntel, und ohne Verzierungen), möglichst klangschön aneinander anschließen. Das erste Sechzehntel gibt den Impuls für die folgenden drei Sechzehntel. Das muss souverän sitzen.

2. Dann erst kann man die jeweils ersten Sechzehntel "festhalten", so dass sie zu Vierteln werden. Diese Viertel geben weiterhin den Impuls zu den jeweiligen drei Sechzehnteln.

3. Erst wenn das sitzt, baut man die Verzierungen ein - als zusätzliche Energieschübe für die gebrochenen Akkorde. Das ist für mich am schwersten.

Als solche Booster sehe ich auch die charakteristischen ersten zwei Töne in jedem Halbtakt des bekannten "großen" C-Dur-Präludiums (WTK I) bis kurz vor Schluss und dann nstürlich noch im dritt- und vorletzten Takt auf dem ersten Viertel.
 

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