Theodor Leschetizky

Stilblüte

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Ich lese gerade ein beinahe 100 Jahre altes Buch, das mein Lehrer Jerome Rose mir ausgeliehen hat. Vorher hat er mir ungefähr zwanzig Mal gesagt, dass er es zurückhaben will, und seinen Namen reingeschrieben. Es heißt "Leschetitzky as I knew him" von Ethel Newcomb. Newcomb beschreibt darin, wie sie als junge Schülerin nach Wien kommt und den Unterricht des alten Meisters genießt, der äußerst streng und fordernd ist, aber anscheinend sehr gut unterrichet hat, denn er hatte sehr viele Studenten und Assistenten mit Sub-Studenten. Aus seiner Klasse gingen Größen wie Paderewski, Schnabel, Wittgenstein, Elly Ney und andere hervor.

Es gibt auch ein Buch über seine Unterrichtsmethode, habe ich gesehen, aber bisher nicht gelesen. Bisher hatte ich nie von Leschetitzky gehört, was aber ja nicht viel heißen mag. Hat sich schonmal jemand mit ihm beschäftigt, z.B. @koelnklavier, @Rheinkultur, @rolf, @Gomez de Riquet oder sogar @mick ?

Das Buch ist sehr interessant, man liest aus den Worten förmlich heraus, wie er es schaffte, seine Schüler dazu zu bringen, das Beste aus sich herauszuholen und nur mit dem Besten zufrieden zu sein. Ein bisschen erinnert mich der geschilderte Unterricht an die Russische Schule. Geschlagen wurde bisher zwar keiner, aber der Druck in den Vorspielen, im Unterricht und überhaupt muss enorm gewesen sein, gleichwohl auch der Ehrgeiz...

Ethel Newcomb beschreibt sich anfangs als eher ahnungslos und ohne Technik (leider steht nicht dort, wie alt sie ist / war). Ein paar Jahre später hat sie in 10 Tagen "das" Tschaikowsky Klavierkonzert eingeübt und auch gleich an zwei Flügeln aufgeführt. Leschetitzky war allerdings unzufrieden. Nicht, weil sie im dritten Satz aus versehen eine Seite ausgelassen hat (ohne allerdings dass sie abgebrochen hätten!), sondern weil sie nicht frei oder schön genug gespielt hat.
Dann bringt sie Carneval von Schumann mit, und er fragt, ob sie nicht lieber Carneval von Schütt spielen kann, das wäre weniger abgedroschen. Ich habe das Stück gesucht, die Noten gibt es bei IMSLP, allerdings keine Einspielung bei Youtube.

Sehr lustig ist übrigens auch das Englisch von damals! Manche Formulierungen kommen mir gar syntaktisch "deutscher" vor als heute. Vielleicht kann @sla019 etwas dazu sagen?
 
Ich habe eine CD mit ihm, er hat einige Welte-Mignon Aufnahmen gemacht! Außerdem war er ein sehr respektabler Komponist, er schrieb sogar ein Klavierkonzert. Bücher über ihn als Pädagogen findest du so einige bei Amazon!
 
Ein fast unerschöpflicher Fundus, wenn es um Pianisten und Klavierpädagogen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geht, ist das Buch von Harold C. Schonberg (nicht mit oe!): Die großen Pianisten. Seinerzeit erschienen bei Scherz (auch als Taschenbuch).
 
Danke! Das sind ja schon mal viele interessante Hinweise. Mit L. beschäftigt hat sich aber wohl noch niemand wirklich... Da bin ich mal gespannt!
 
Hier noch ein paar Litderaturhinweise:
  • Burkhard Muth: Theodor Leschetizky - der bedeutendste Klavierlehrer, den die Welt je gesehen hat? Eine Einführung in Leben, Werk und Wirken des Pädagogen, Pianisten und Komponisten. Fernwald, Muth 2003, ISBN 3-929379-09-0.
  • Malwine Brée: Die Grundlage der Methode Leschetizky. Mit Autorisation des Meisters herausgegeben von seiner Assistentin Malwine Brée. Mit 47 Abbildungen der Hand Leschetizkys. (zahlreiche Auflagen).
  • Malwine Brée: The Leschetizky method: a guide to fine and correct piano playing. Mineola, New York 1997.
 
Beim Betrachten des Videos über Anna Yesipova, das Rheinkultur verlinkt hat, habe ich mich über den tosenden Beifall gewundert, der überhaupt nicht mehr aufhören will. Das war gar kein unhöfliches Publikum, das war Aufnahmetechnik state of the art. :idee:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ein anderer bringt die Methode des einstigen Mitbegründers des Sankt Petersburger Konservatoriums folgendermaßen auf den Punkt:
http://www2.gol.com/users/cegledy/Leschmethod.htm

Allerdings ergibt sich die Frage, ob man eine solche Methode prinzipiell von anderen ihrer Art abgrenzen kann und muss. Ebenso wie Liszt war Leschetizky Schüler von Czerny, ebenso wie Bruckner war er Schüler von Sechter - und Verbindungslinien weisen bis in die Gegenwart, da ja einer der Lehrmeister von Jerome Rose bei Schnabel studiert hat, der seinerseits Leschetizky-Schüler war. Hören wir also mal bei einer Meisterklasse zu - vielleicht tragen diese Impulse zur Erhellung bei:



LG von Rheinkultur
 
Auf jeden Fall sieht man hier mal wieder sehr gut, dass sich das, was man im Zusammenhang mit Leschetizky oder anderen auf Fortgeschrittenst-Level arbeitenden Lehrern als "gut unterrichten" bezeichnet, völlig unterscheidet von dem, was man bei der Arbeit mit ganz normalen Klavierschülern im Privat- oder Musikschulunterricht "gut unterrichten" nennen würde.

Denn hier arbeitet ein Musikfanatiker mit Musikfanatikern, und es geht um Höchstleistung und "Antreiben"; dort hingegen arbeitet man mit Schülern, die motiviert bzw. "bei der Stange gehalten" werden müssen sowie nur eingeschränktes Interesse und eingeschränkten Musikgeschmack mitbringen.

Der normale KL kann daher nur sehr begrenzt Anregungen für seinen Unterricht daraus beziehen.

Das, was in Rheinkulturs Link steht, ist im übrigen eine Ansammlung der üblichen Sprüche, die im Muskpädagogikbereich (nur in variierender Ausformulierung) gerne von sich gegeben werden und den Betreffenden als unheimlich tiefsinnig und bewandert erscheinen lassen. Nicht dass ich das, was da so gesagt wird, falsch fände, versteht mich nicht falsch - aber gerade aus heutiger Sicht sind das doch, wenn man es mal näher besieht, sehr wohlfeile Aussagen; jedenfalls kein Grund, hier irgendwie Leschetizky deswegen hervorzuheben.
 
Ich höre gerade sein Klavierkonzert :super:
 

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