Tempoangaben + Dynamik - wie genau müssen sie befolgt werden? Fragen der Interpretationsfreiheit

C

Chopinne

Guest
Ich habe die Suche bemüht, aber nichts Entsprechendes gefunden.
Und zwar habe ich die Tage mal wieder das Chopin Nocturne in cis - molll op. posth. zum Leben erweckt, dass ich mit 16/17 mal im Unterricht gespielt hatte. War nach 2, 3 Mal durchspielen alles wieder da. :) Also vom Text her natürlich; an der Interpretation kann und muss ich noch viel feilen. Allerdings habe ich mich dann mal aufgenommen und mir fielen zwar viele Fehler auf, die ich gemacht hatte (zB Rhythmus und Gleichmäßigkeit bettrefend, Phrasierungen könnten noch verbessert werden); ebenso war das Tempo langsamer als in den Referenzaufnahmen. In dieser Hinsicht jedoch haben mir die Referenzaufnahmen nicht wirklich gefallen; früher habe ich das Stück im "richtigen" Tempo gespielt, das ist nicht das Ding, ich könnte das Tempo erhöhen. Allerdings verbinde ich mittlerweile ganz andere Dinge mit diesem Stück und mir gefällt meine langsamere und schwerere Interpretation besser. Ich habe meinen Eltern, die mich ja damals das Stück auch haben spielen hören, die Aufnahme gezeigt und sie meinten: Ich würde mit viel mehr Gefühl spielen, sie würden das ebenfalls (als Laien!) so lieber hören als meine frühere Interpretation.

Nun stellt sich mir die Frage, wie genau man sich an diese Tempoangaben halten solllte bzw an den Referenzaufnahmen orientieren. Angenommen, ich feile an obigen anderen Kritikpunkten und bekomme am Ende ein schön und gut gespieltes Stück, das aber langsamer ist und auch z.T. bewusst manche Stellen anders betont. Zum Beispiel setze ich bei den schnellen Läufen in der r.H. gern eine andere dynamische Entwicklung ein als in Referenzaufnahmen. Mein Stück dauert 5:15 Min, gerade mal nachgesehen, also keine krasse Verfremdung in Bezug auf das Tempo.

Im Prinzip bin ich wieder bei der Frage: Wie weit darf ich bei meiner Interpretationsfreiheit gehen, ohne Profi mit erarbeitetem Status zu sein, dem man das zugesteht - und ab wann wird das als dilettantisch verstanden im Sinne von: "Die spielt das Stück so, weil sie nichts von Musik versteht und/oder es nicht anders hinbekommt"/"Was für eine Anmaßung"?
Eigentlich sollte mir das egal sein; ist es aber nicht.

Danke schonmal und VG
 
Nun stellt sich mir die Frage, wie genau man sich an diese Tempoangaben halten solllte
und was steht da? Lento con gran espressione - also weder Largo noch Allegretto

ob das, was man zu hören bekommt, ruhig oder zu eilig rüberkommt, ist gar nicht einmal sooo sehr eine Frage des messbaren Tempos (Kempff spielte ein Mozart andante messbar langsamer als Rubinstein, dennoch wirkte Rubinstein ruhiger und langsamer (Kaiser, große Pianisten))

(eilig kann wirken, wenn man nach einer Phrase zu früh weiterspielt)

((spielst du rhythmisch exakt den Mittelteil mit den kuriosen Taktsystemen rechts zwei Dreivierteltakte auf einen Viervierteltakt links?))

...und das alles hat nichts mit "Profi-Nichtprofi-Animositäten" zu tun --- übrigens Ciccolini und Margulis spielen dieses Nocturne sehr ruhig/langsam, Weissenberg auch
 
und was steht da? Lento con gran espressione - also weder Largo noch Allegretto

ob das, was man zu hören bekommt, ruhig oder zu eilig rüberkommt, ist gar nicht einmal sooo sehr eine Frage des messbaren Tempos (Kempff spielte ein Mozart andante messbar langsamer als Rubinstein, dennoch wirkte Rubinstein ruhiger und langsamer (Kaiser, große Pianisten))

(eilig kann wirken, wenn man nach einer Phrase zu früh weiterspielt)

((spielst du rhythmisch exakt den Mittelteil mit den kuriosen Taktsystemen rechts zwei Dreivierteltakte auf einen Viervierteltakt links?))

...und das alles hat nichts mit "Profi-Nichtprofi-Animositäten" zu tun --- übrigens Ciccolini und Margulis spielen dieses Nocturne sehr ruhig/langsam, Weissenberg auch


Ok, mir gings ja neben dem Tempo auch um die Frage der dynamischen Ausgestaltung.
Rhythmisch muss es korrekt sein, das ist mir klar!! Das einzige, was ich da an Freiraum habe (das reicht ja auch),, ist die Agogik.
Aber zB baue ich eben dynamische Höhepunkte an anderer Stelle auf als in Referenzaufnahmen oder von meiner KLin damals gefordert.

Danke schonmal für die Antwort, das Tempo wird also weniger ein Problem sein.
 
Das Grundtempo muss stimmen, dann kannst du dir in der Romantik Freiheiten erlauben. Übe ein wenig mit Metronom damit du das verinnerlichst, dann kannst du ein wenig freier spielen!
 
@Pianojayjay: Das ist ja die Frage. Das "Grundtempo"??? Was ist noch innerhalb der Grenzen und wer definiert das? Und bist Du sicher, dass Metronom hier das geeignete Mittel wäre? Auf welches Tempo?

Danke schonmal
 
Das ist ja die Frage. Das "Grundtempo"??? [...] wer definiert das?
Damit hast Du Dir die Antwort schon selbst gegeben. Was heißt überhaupt "Referenzaufnahme"? Du mußt Deinen eigenen Stil entwickeln, d.h. den Notentext akribisch studieren und Dich fragen "Was könnte der Komponist intendiert haben?" Und nicht danach schielen, was andere machen ... Da wir den Komponisten nicht mehr befragen können, ist der Notentext unser einziger Maßstab.

NB: Selbst wenn es (z.B. im Falle von Rachmaninov oder Bartók) Tondokumente der Komponisten gibt, stellt sich immer noch die Frage, ob sie die idealen Interpreten ihrer Werke waren (vielleicht nicht unbedingt in technischer Hinsicht, aber von Rachgmaninov ist bekannt, daß er bei Auftritten und Afnahmen hochgradig nervös war). Und die Schülergenerationen bedeutender Leute sind auch immer mit Vorsicht zu genießen ...
 
Damit hast Du Dir die Antwort schon selbst gegeben. Was heißt überhaupt "Referenzaufnahme"? Du mußt Deinen eigenen Stil entwickeln, d.h. den Notentext akribisch studieren und Dich fragen "Was könnte der Komponist intendiert haben?" Und nicht danach schielen, was andere machen ... Da wir den Komponisten nicht mehr befragen können, ist der Notentext unser einziger Maßstab.

NB: Selbst wenn es (z.B. im Falle von Rachmaninov oder Bartók) Tondokumente der Komponisten gibt, stellt sich immer noch die Frage, ob sie die idealen Interpreten ihrer Werke waren (vielleicht nicht unbedingt in technischer Hinsicht, aber von Rachgmaninov ist bekannt, daß er bei Auftritten und Afnahmen hochgradig nervös war). Und die Schülergenerationen bedeutender Leute sind auch immer mit Vorsicht zu genießen ...


Ja, das versuche ich ja gerade, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Daher spiele ich es auch heute anders als damals. Ich wollte nur mal nachfragen....wie weit dieser eigene Stil gehen "darf"...aber wohl eine vielschichte Fragenstellung, über die kein Konsens erzielt werden wird.
 
Hi,

zum Tempo, bzw Tempoangaben: das sind Ausdrucksangaben und keine Messwerte.
Das Stück muß so gespielt werden, daß es diesen Tempoausdruck bewirkt (oh Gott, war das jetzt verständlich?).

Das und romantische Agogik mit tickendem Metronom zu üben wird mMn schwierig, was aber nicht bedeutet, daß man das Stück nicht auch streng mit Metronom spielen können muß.

Bei den Dynamikangaben ist es eigentlich wie mit den Tempoangaben. Es sollte der vom Komponist bezeichnete Dynamikausdruck erreicht werden.

Zu den Betonungen:
Musikalische Phrasen eines bestimmten Stils (hier Chopin) verlangen eigentlich ganz bestimmte Betonungen.
Es ist wie bei einer Satzbetonung. Wenn man das nicht richtig/anders macht, wird der Satz unverständlich oder grotesk oder ....

Gruß
 
Das einzige, was ich da an Freiraum habe (das reicht ja auch),, ist die Agogik.
Aber zB baue ich eben dynamische Höhepunkte an anderer Stelle auf als in Referenzaufnahmen oder von meiner KLin damals gefordert.
um das ganz krass zu beantworten: wenn du "dynamische Höhepunkte" gegen die Phrasierungsbögen des Komponisten gestaltest, wenn du z.B. dynamische Vorgaben ins Gegenteil verkehrst, dann entsteht keine "subjektive Interpretation" sondern ein lächerlicher Eindruck.

wenn du mit Ciccolini, Margulis, Weissenberg nicht einverstanden bist (was voraussetzt, sich das mit Noten angehört und verstanden zu haben), dann kannst du natürlich eine Alternative probieren - aber möglichst nah am Notentext mit allen seinen Vorgaben (z.B. die in allen Fassungen vorgeschriebene Echowirkung (wer das Nocturne wirklich kennt, weiß welche Stelle das ist))
 
Ok, ich glaube das ist ein Missverständnis - verfremden tu und will ich das Nocturne nicht!! ;)
Ich rede auch nicht von völlig gegensätzlichen dynamischen Gestaltungen.

@rolf: Ich nehme an, Du meinst Takt 1 mit dem Echo? ;) Da zum Beispiel spiele ich das erste Mal ungefähr mp und bei der Wiederholung pp/ppp und etwas tragender/ verhallender.....

Was ich meinte: zum Beispiel in Tkt 13 spiele ich den Lauf in der r.H. zwar von f nach pp, also übereinstimmend mit der Notierung; aber ich mache ein viel stärkeres/deutlicheres ritardando gegen Ende aufs a im nächsten Takt zu als in allen Referenzaufnahmen. Ich reize also die Agogik ziemlich aus. ;)
 
Ich nehme an, Du meinst Takt 1 mit dem Echo? ;)
nein
Was ich meinte: zum Beispiel in Tkt 13 spiele ich den Lauf in der r.H. zwar von f nach pp, also übereinstimmend mit der Notierung; aber ich mache ein viel stärkeres/deutlicheres ritardando gegen Ende aufs a im nächsten Takt zu als in allen Referenzaufnahmen. Ich reize also die Agogik ziemlich aus. ;)
...also schon bei der ersten geringfügigen quasi-Gelegenheit ein unmotiviertes Rubato - wozu soll das gut sein? was bringt das für den weiteren Verlauf? was erklärt oder verdeutlicht das?
 

nein

...also schon bei der ersten geringfügigen quasi-Gelegenheit ein unmotiviertes Rubato - wozu soll das gut sein? was bringt das für den weiteren Verlauf? was erklärt oder verdeutlicht das?


Gut, aber das ist doch in gewisser Hinsicht auch ein "Echo" in Takt 1. Weitere Stellen:
- Tkt 19 bis 22 + Tkt 23 bis 26: wird auch etwas wieder aufgegriffen
- Tkt 46: Wiederaufgreifen von Tkt 13....
- Tkt 57f: Wiederholung leicht abgewandelt bzw um eine Note ergänzt
Ich finde mehrere solche Stellen, da musst Du mir vll "Echo" anders definieren bzw bezeichnen.

und zu Deinem anderen Punkt: Wie kommst Du bitte auf "unmotiviert"? Es entspricht dort einfach meiner Intuition bzw meinem Empfinden. Dafür lasse ich das Stück später "aufleben" bzw energischer werden, in Tkt 49f - hier umso mehr
 
Na, das ist wieder mal sehr "freundlich". Wäre besser gewesen, Du erklärst, was an einem ausgeprägten ritardando an dieser Stelle für den weiteren Verlauf so störend ist, dass Dich das als Profi pikiert - hätte ich von lernen können. Oder auf andere Fragen oben geantwortet. Gerade weil ich nicht glaube, dass meine Empfindung ausschlaggebend ist für eine gewinnende Interpretation, hatte ich hier um Rat gebeten, inwiefern ich mich darauf verlassen soll/kann.


Ich gehe dann mal schlafen - danke an alle konstruktiven Antworter!
(PS: Ohne den Nick zu sehen, hätte ich bei dieser Antwort getippt, es handelt sich um pppetc....)
 
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Ja, das versuche ich ja gerade, meinen eigenen Stil zu entwickeln.

Wenn Du einen eigenen Stil entwickeln willst, solltest Du Stücke spielen, die hohe Interpretationsfreiheit zulassen. Oder auch mal selbst was komponieren oder improvisieren. Das vorsätzliche Ignorieren von Anweisungen des Komponisten ist jedenfalls kein eigener Stil sondern eher einfach nur schlechtes Spiel.
 
Wenn Du einen eigenen Stil entwickeln willst, solltest Du Stücke spielen, die hohe Interpretationsfreiheit zulassen. Oder auch mal selbst was komponieren oder improvisieren. Das vorsätzliche Ignorieren von Anweisungen des Komponisten ist jedenfalls kein eigener Stil sondern eher einfach nur schlechtes Spiel.

Danke für die Vorschläge, andere Stücke zu spielen - welche wären das zB?
Aber: Unverständnis für die Passage mit "Ignorieren von Anweisungen des Komponisten".
Ich schrieb, ich spiele das ritardando (das dort als Anweisung steht!!) stärker aus als üblich. Ignoriere ich damit also die Anweisung? Nee, würde ich nicht sagen. Mir geht es darum, herauszufinden, wo die Grenzen der Freiheiten sind, die man sich (z.B gerade in der Agogik) nehmen kann.
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Nachtrag:
Ok, also nochmal deutlicher formuliert, da ja einige (nicht alle) offenbar etwas Anderes in meine Frage hineininterpretieren wollen, als beabsichtigt. Die Frage lautet:

"Wo hört das Ausreizen der interpretatorischen Freiheiten im Rahmen der Anweisungen des Komponisten auf und beginnt die Verschandelung eines Werkes durch Verfremdung und Dilettantismus?"

Ich hoffe, das war nun deutlich. Mir wurde in der Vergangenheit schon eher vorgeworfen, zu "formal" zu spielen; ich solle "pianistischer" werden und mir mehr Freiheiten hinsichtlich der Geschmacksfrage zugestehen. (Unterrichtsstunde an der Universität der Künste Berlin)
Daher wollte ich anhand meines Beispiels mit dem Chopin Nocturne obige Frage aufwerfen. Weil ich eben nicht das Stück verfremden möchte - ich habe zu großen Respekt vor der Arbeit des Komponisten - gleichzeitig aber zu obiger Umsetzung aufgerufen wurde, der ich auch mit Vergnügen im Rahmen der Möglichkeiten nachkommen würde.
Eigentlich doch eine ziemlich spannende Fragestellung?! Und wenn ich mich hier schon anheischig mache, auf jede Nachfrage sorgfältig zu antworten, dann finde ich es respektlos resp. hämisch, mit zwei dahingeworfenen Worten zu replizieren ( @rolf ); dann antworte bitte gar nicht oder schreibe wenigstens, dass Dir die Diskussion hinfällig erscheint (aus zu nennenden Gründen).

Das ist essentiell für die Diskussionskultur, mit deren Vorhandensein sich dieses Forum oft genug brüsten möchte.
Eine gute Nacht!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das ist ein op.post., zu dem es nach meiner spontanen Erinnerung mindestens zwei Varianten, aber keine "autorisierte veröffentlichte Fassung" gibt, oder? ;-)
 
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Und wenn ich mich hier schon anheischig mache, auf jede Nachfrage sorgfältig zu antworten, dann finde ich es respektlos resp. hämisch, mit zwei dahingeworfenen Worten zu replizieren ( @rolf ); dann antworte bitte gar nicht oder schreibe wenigstens, dass Dir die Diskussion hinfällig erscheint (aus zu nennenden Gründen).

Das ist essentiell für die Diskussionskultur, mit deren Vorhandensein sich dieses Forum oft genug brüsten möchte.
aha, Madame sind grantig, Madame trachten, anderen Leuten die Leviten zu lesen...

nun gut:
du beantwortest also jede Nachfrage sorgfältig - schaun wir mal:
- wozu soll das gut sein? was bringt das für den weiteren Verlauf? was erklärt oder verdeutlicht das?
wo bitte sind deine sorgfältigen Antworten auf diese Fragen?
richtig: bis jetzt nirgendwo.
(da schrumpft meine Hochachtung vor "sorgfältigen Antworten" und respektvoll-Blabla auf ein Minimum)

Was hast du als Exempel für deine (private) agogisch-dynamische Freiheit genannt? aha:
zum Beispiel in Tkt 13 spiele ich den Lauf in der r.H. zwar von f nach pp, also übereinstimmend mit der Notierung; aber ich mache ein viel stärkeres/deutlicheres ritardando gegen Ende aufs a im nächsten Takt zu als in allen Referenzaufnahmen. Ich reize also die Agogik ziemlich aus. ;)
und als Begründung für diese verzerrende (!) Maßnahme kam lediglich:
Wie kommst Du bitte auf "unmotiviert"? Es entspricht dort einfach meiner Intuition bzw meinem Empfinden.
...da kann ich mich nur wiederholen: ach so...

das erste was deiner Intuition entgangen ist, ist eine korrekte Taktangabe: der "Lauf" befindet sich, wenn man vom ersten Takt an richtig zählt, in Takt Nummer 15
das zweite was deiner Intuition entgangen ist, sind ein paar ganz schlichte musikalische Formalitäten:
Takt 1-4 Einleitung
Takt 5-8 zweigliedriger Vordersatz (überraschende Wendung T7-s6) - Hauptthema
Takt 9-12 zweigliedriger Nachsatz (Halbschluß auf D)
Takt*) 13-16 Variante des Vordersatzes (deutliche Wendung T7-s) - Hauptthema
Takt 17-20 abgeänderter Nachsatz mit Vollschluß (effektvoll u.a. durch Einsatz des sN usw)
(Takt 21 setzt dann der Mittelteil ein)
Betrachtet man diesen Aufbau, stellt man fest, dass die Takte 7-8 und 15-16 korrespondieren: 15-16 ist eine deklamatorische Variante von 7-8 (und zwar eine sozusagen aufbrausende, con forza)
=> eine auffallende Tempoänderung in einer Themenexposition (nein, nicht "sonatig" sondern im Sinne von Thema vorstellen) ist verzerrend, egal ob bei Mozart oder bei Chopin. (Man stelle sich irgendwo ein auffallendes "intuitives Ritardando" zwischen Vorder- und Nachsatz vor...)
das dritte was deiner Intuition entgangen ist, ist der "Lauf" selber: er ist mit exakten Notenwerten vorgegeben, dazu die Anweisung con forza - es ist also kein irgendwie rhythmisch freies "Passagechen" mit vielen kleingestochenen Noten, sowas kommt erst in der Coda. Genau genommen ist es kein "Lauf", keine "Passage", sondern eine deklamatorische Variante eines relevanten Thementeils. Eine Deklamation, die aufbrausend einsetzt, dann aber gebremst wird - stell´ dir das in einer Rede vor: meine Damen und Herren, wie ich zuvor (Themavorstellung) schon eindringlich dargestellt habe, ist gegenseitiger Respekt und das höfliche Beantworten von Fragen für eine zivilisierte Diskussionskultur... wirklich... (ritardando, diminuendo) von...... ganz....... immenser................... Wich----tig-------keit
(das vorgeschriebene Diminuendo bringt den Klangverlauf ins anfängliche, "eigentliche" Piano zurück, bedarf keiner Verlangsamung)
das vierte wäre der harmonische Spannungsverlauf - das ist noch einfacher zu verstehen (da bin ich jetzt zu faul, das darzustellen)

Atmendes Tempo - niemand sagt, dass man stur metronomisch spielen soll - hat mit dem Spannungsbogen der Themen und mit dem formalen Aufbau zu korrespondieren.
Wenn man schon irgendwo in Takt 1-20 ein wenig verzögern will, dann bieten sich an:
Takt 4 (5 dann im Tempo) (kann der Spannung dienen: was kommt denn jetzt?)
Takt 11 (zweite Hälfte) bis Takt 12 (Mitte) (unterstreicht den Halbschluß des unaufgelösten ersten Themendurchgangs)
Takt 20 die l.H. Figur (Wendung nach A-Dur), 21 dann im Tempo (unterstreicht den Vollschluß und den Übergang in die parallele Tonart A-Dur, verdeutlich zudem den Abschluß des ersten Teils)

Zuletzt kann man ja eine weitere Orientierung darin finden, dass man nachschaut, wo und warum der Komponist selber Tempoänderungen vorschreibt/einbaut - da gibt es einige.
____________
*) setzt auftaktig auf der 4. Zählzeit in Takt 12 ein
 
Das ist ein op.post., zu dem es nach meiner spontanen Erinnerung mindestens zwei Varianten, aber keine "autorisierte veröffentlichte Fassung" gibt, oder? ;-)
das bedeutet aber nicht, dass man da nach dem Motto ist die Katze fort, tanzen die Mäuse in der Scheune Tango restlos alles machen kann, was man gerade will ;-) - man hat halt die Entscheidung, diese oder jene Fassung zu spielen
 
aha, Madame sind grantig, Madame trachten, anderen Leuten die Leviten zu lesen...

Nehein, Monsieur, Madame sind keineswegs grantig; Madame sind nur konsterniert darüber, dass Monsieur, der ansonsten so gute, ausgefeilte Ratschläge ersteilt, auf einmal zu keinen ganzen Sätzen mehr in der Lage zu sein schien - falls es Dir aber beliebt, das (wie es Deiner Art entspricht) lakonisch ins Lächerliche zu ziehen, so sei es Dir vergönnt. Mein Tag startete schön.

nun gut:
du beantwortest also jede Nachfrage sorgfältig - schaun wir mal:

wo bitte sind deine sorgfältigen Antworten auf diese Fragen?
richtig: bis jetzt nirgendwo.
(da schrumpft meine Hochachtung vor "sorgfältigen Antworten" und respektvoll-Blabla auf ein Minimum)

Bitte gib´ mir ein Beispiel für Fragen, auf die ich nicht geantwortet habe. Es wird Dir nicht gelingen. Lediglich hast Du belegt, dass Dir eine Antwort auf eine Frage von Dir nicht in den Kram passte: Und zwar meine Begründung für das ausgeprägte ritardando. Dennoch ist es falsch, zu behaupten, ich hätte nicht geantwortet (weniger besonnene Gestalten würden das an dieser Stelle als Lüge deklarieren). Vielleicht habe ich ja deswegen so unzulänglich geantwortet, weil ich es nicht besser wusste? Dem Profi sollte bewusst sein, dass jemand, falls er hier eine solche Frage stellt, noch größere Lücken aufzuweisen hat. Mir wurde in Berlin gesagt: "Versuche, Dir mehr interpretatorische Freiheiten zu nehmen und Dich auf Deine Intuition zu verlassen!" - daher ist diese als Begründung hier meiner Meinung nach vollkommen ausreichend. Es ist dann Dir überlassen, zu sagen, wieso Du das als unangebracht empfindest. Dass Du es an Respekt mangeln lässt, überall, wo Du "Lücken" (und sei es hier nur im Wissen über das Klavierspiel, das ich schließlich nicht studiert habe) witterst, ist mir schon vorab aufgefallen. Das ist jedoch kein besonders schöner Charakterzug, lieber Rolf; auch, wenn ich Dein Fachwissen sehr schätze. Das nicht nur hier, sondern auch in Bezug auf Literatur.

das erste was deiner Intuition entgangen ist, ist eine korrekte Taktangabe: der "Lauf" befindet sich, wenn man vom ersten Takt an richtig zählt, in Takt Nummer 15
das zweite was deiner Intuition entgangen ist, sind ein paar ganz schlichte musikalische Formalitäten:
Takt 1-4 Einleitung
Takt 5-8 zweigliedriger Vordersatz (überraschende Wendung T7-s6) - Hauptthema
Takt 9-12 zweigliedriger Nachsatz (Halbschluß auf D)
Takt*) 13-16 Variante des Vordersatzes (deutliche Wendung T7-s) - Hauptthema
Takt 17-20 abgeänderter Nachsatz mit Vollschluß (effektvoll u.a. durch Einsatz des sN usw)
(Takt 21 setzt dann der Mittelteil ein)
Betrachtet man diesen Aufbau, stellt man fest, dass die Takte 7-8 und 15-16 korrespondieren: 15-16 ist eine deklamatorische Variante von 7-8 (und zwar eine sozusagen aufbrausende, con forza)
=> eine auffallende Tempoänderung in einer Themenexposition (nein, nicht "sonatig" sondern im Sinne von Thema vorstellen) ist verzerrend, egal ob bei Mozart oder bei Chopin. (Man stelle sich irgendwo ein auffallendes "intuitives Ritardando" zwischen Vorder- und Nachsatz vor...)
das dritte was deiner Intuition entgangen ist, ist der "Lauf" selber: er ist mit exakten Notenwerten vorgegeben, dazu die Anweisung con forza - es ist also kein irgendwie rhythmisch freies "Passagechen" mit vielen kleingestochenen Noten, sowas kommt erst in der Coda. Genau genommen ist es kein "Lauf", keine "Passage", sondern eine deklamatorische Variante eines relevanten Thementeils. Eine Deklamation, die aufbrausend einsetzt, dann aber gebremst wird - stell´ dir das in einer Rede vor: meine Damen und Herren, wie ich zuvor (Themavorstellung) schon eindringlich dargestellt habe, ist gegenseitiger Respekt und das höfliche Beantworten von Fragen für eine zivilisierte Diskussionskultur... wirklich... (ritardando, diminuendo) von...... ganz....... immenser................... Wich----tig-------keit
(das vorgeschriebene Diminuendo bringt den Klangverlauf ins anfängliche, "eigentliche" Piano zurück, bedarf keiner Verlangsamung)
das vierte wäre der harmonische Spannungsverlauf - das ist noch einfacher zu verstehen (da bin ich jetzt zu faul, das darzustellen)
Atmendes Tempo - niemand sagt, dass man stur metronomisch spielen soll - hat mit dem Spannungsbogen der Themen und mit dem formalen Aufbau zu korrespondieren.
Wenn man schon irgendwo in Takt 1-20 ein wenig verzögern will, dann bieten sich an:
Takt 4 (5 dann im Tempo) (kann der Spannung dienen: was kommt denn jetzt?)
Takt 11 (zweite Hälfte) bis Takt 12 (Mitte) (unterstreicht den Halbschluß des unaufgelösten ersten Themendurchgangs)
Takt 20 die l.H. Figur (Wendung nach A-Dur), 21 dann im Tempo (unterstreicht den Vollschluß und den Übergang in die parallele Tonart A-Dur, verdeutlich zudem den Abschluß des ersten Teils)

Wie kannst Du behaupten, das sei meiner Intuition entgangen, und versuchen, mich hier durch diesen rhetorischen Trick bloßzustellen? Du hast mich nicht nach der Analyse des Stückes gefragt; und selbst wenn, fiele sie für mich garantiert nicht unter "Intuition". Ich empfinde Deine Formulierungen auch hier als unrechtmäßig, solltest Du sie nicht belegen können. Du hast lediglich einmal "ein Echo" erwähnt; weiters nichts. Hättest Du geschrieben: "Wie gestaltet sich denn der Aufbau des Stückes?", hätte ich versucht, es zu analysieren. Selbstverständlich kann ich nicht sagen, ob ich auf all das gekommen wäre, aber auf vieles davon bestimmt.
Durch Rhetorik lasse ich mich jedenfalls nicht demontieren; das versuche bei "unbedarfteren" Zeitgenossen.

Es sei vielleicht auch erwähnt, dass es schwierig ist, sich über Agogik und Co einig zu werden, ohne Aufnahmen zu hören. Ich denke nicht, dass ich übertreibe (Rolf, gerade Du hast mich Chopin spielen gehört; selbst, wenn noch einiges zu verbessern war, denke ich nicht, dass "Verzerrung" etwas ist, das mein Spiel auszeichnet) - wollte das auch eher in allgemeinerer Form diskutieren, was nicht möglich scheint. Ich habe das Thema wohl "falsch" eröffnet, auch gut. Das nächste Mal würde ich die Frage allgemeiner stellen, so, wie ich sie dann nochmalig gepostet habe.

Abschließend, lieber Rolf, danke ich Dir aufrichtig (!) und herzlich für die ausführliche und fachkompetente Antwort! Den Ton kann ich übergehen, alt genug dafür bin ich.

Herzliche Grüße und einen angenehmen Mittwoch.
 

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