Stückauswahl fürs Schülervorspiel

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Gestern beim Weihnachts-Schülervorspiel meiner Kinder gewesen. Lauter süße und motivierte Kinder, aber fast alle (inkl. meiner eigenen) mit für sie erkennbar zu schweren Stücken unterwegs. Das Konzert war sozusagen der Höhepunkt, auf das die Kinder ihr aktuelles Stück hin vorbereitet haben. D.h. sie sind dann mit ihrem Stück gerade so halbwegs mit Ach und Krach durchgekommen.

Meine Tochter war am Nachmittag noch in Tränen aufgelöst, weil es einfach an einigen Stellen bis zum Schluss holperte.

Ich frage mich da: warum zieht man nicht ein Stück wieder raus, dass die Kinder vor ein paar Wochen/Monaten abgeschlossen haben und macht das vorspielreif? Hätten da nicht Kinder wie Zuhörer mehr davon? Sind die Kinder, die Eltern oder die Lehrer die Treiber für die Stückauswahl?

Wie macht ihr das bei der Stückeauswahl fürs Vorspiel? Wie bereitet ihr die Kinder / Schüler darauf vor?

Meine KL hat auch schon ehrgeizige Pläne für mich, was ich im Sommer zum besten geben soll. Aber ich bin heute schon entschlossen, das zu unterlaufen (aber noch lasse ich sie in dem Glauben... ;-) ). Im Sommer spiele ich "Von fremden Ländern und Menschen", das ich jetzt zwei Monate intensiv geübt habe, mit dem ich mich jetzt vom Spielfluss absolut wohlfühle, aber wo ich bis zur Vorspielreife immer noch viel Luft nach oben sehe. Aber bis zum Sommer ist es dann bestimmt "gereift".

Und das Stück, das meine KL eigentlich im Sommer von mir hören will, gibts frühestens zum nächsten Weihnachtskonzert... :super:
 
Ich weiß ja nicht, was für Stücke in dem Konzert so drankamen, aber bei "Weihnachtslieder im Sommer durchnehmen, damit die dann beim Weihnachtsvorspiel klappen" ist einfach ein Rubikon überschritten.
 
In vielen Laienchören ist das völlig normal, bereits im Sommer mit den (anspruchsvolleren) Stücken für die Winterkonzertsaison zu beginnen. Man entwickelt da im Laufe der Jahre eine gewisse Hornhaut ;-)

Da ich nicht dabei war und nicht weiß, was gespielt wurde und was du gehört hast, kann ich nicht beurteilen, ob die Stücke tatsächlich bei allen "erkennbar zu schwer" waren oder ob alle nur sehr nervös waren. Natürlich sollte ein Stück für ein Vorspiel "sitzen", aber es kann auch wichtig sein, sich der Situation einfach mal zu stellen und "durchzukommen", auch wenn es holpert und zu erleben, dass die Welt nicht untergegangen ist.

Es ist natürlich sehr schade, wenn in der Vorbereitung zuhause Tränen fließen, aber darüber kann man ja sprechen - mit dem Kind und auch später mit der/dem KL.
 
Es kamen Weihnachtslieder dran und die waren auch alle gut und sehr schön, weil wirklich recht einfach. Da braucht es gar nicht so viel Vorbereitung ab Sommer, die klappen vielleicht auch kurzfristiger.

Aber ein kleiner Junge hat hinterher geweint, weil sein kleiner Boogie nicht so lief, wie er wollte, ein anderer kleiner Junge hat sich tapfer durch die Elise gekämpft und meine Tochter ist durch Amelie geruckelt. Fand ich halt schade und unnötig, weil sie andere Stücke viel besser kann. Aber ich will mich da nicht einmischen, wenn die KL das so machen will.

Also das war schon alles ganz süß, aber von meiner Tochter weiß ich ja, dass das Stück gerade so "fertig" geworden ist. Und bei den anderen war es ganz offensichtlich genauso. Und einige Kinder waren auch unglücklich danach.

Deswegen frag ich mich, ob das einfach immer so läuft bei Vorspielen (ich kenne bisher nur die dieser einen KL), so als Zuckerl zum üben: "bis dahin soll es fertig sein". Oder macht ihr das anders?
 
aber ein kleiner Junge hat hinterher geweint, weil sein kleiner Boogie nicht so lief, wie er wollte
Das ist super schade und man muss da aufpassen (auch dass deine Tochter geweint hat und gestresst war!).
Erstmal ist Klavierspielen ein Hobby und soll nicht mit Stress verbunden sein.
Natürlich sind Vorspiele manchmal mit Stress verbunden und da muss man als Erwachsener gut Acht geben, mit welchen Erwartungen und mit welcher Einstellung man dem und den Kindern gegenüber tritt.
Generell kumulieren sich Konzerterfahrungen: wenn ich positive Erfahrungen mache, motiviert das, ich gehe psychisch fit und stark in ein Vorspiel, mache eine weitere positive Erfahrung und so weiter.
Mit negativen Erfahrungen anders herum, bis es dann immer wieder zu Zusammenbrüchen kommt. So ist das Hobby dann schnell ein Albtraum. Das kann leider stark negative Auswirkungen auf das ganze Leben haben, wenn man nicht aufpasst und in diesen Teufelskreis gerät. Muss ja nicht sein.

Ich weiß nicht, wie schlimm die Situation tatsächlich war, ein wenig Frusttoleranz darf man natürlich schon lernen.
 
Ähm, wenn die Kinder die Stücke nicht beherrschen, kann das aber auch daran liegen, dass sie zu schwierig sind. Natürlich ist es für die Zuhörer toll und ein "Ahhh"-Moment, wenn ein kleiner Junge schon die Elise spielen kann, aber die wenigsten kleinen Kinder können sie spielen.
Ich befürchte, und das muss nicht stimmen, dass da das Ego der KL eine große Rolle spielt. Man bekommt als KL mehr "Be-Achtung", wenn die Kinder sich "goldig" durch etwas durchquälen, als wenn sie einfache, unprätentiöse, Stücke gut vorspielen.
Aber die Kinder sind diejenigen, die danach frustriert sind. So vergällt man es den Kleinen von Anfang an.

Es kann natürlich schiefgehen, weil man aufgeregt ist, oder einen Blackout hat, nicht "fit" ist, oder oder. Da muss man als KL das Kind bestärken und sagen - wenn es das Stück eigentlich gut beherrscht - dass das vorkommt, und jeder mal einen schlechten Vorspiel-Tag hat. Ich habe einmal grandios das Präludium von Bach (Nr. 5, Wohltemperiertes Klavier Bd. 1) verhauen. Ich konnte es, es hat mir Spaß gemacht, aber an dem Abend wußte ich: "Das wird heute nichts". War dann auch so.

Edit: Anfänger, egal welchen Alters, sollte man motivieren, dass sie immer wieder vorspielen, auch die einfachsten Stücke, aber nicht immer den gleichen Leuten, sondern unterschiedlichen Menschen, und - wenn möglich - an anderen Orten, auf unterschiedlichen Klavieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei meiner letzten KL war es so, dass nur Stücke ausgewählt wurden, die schon sicher waren. Nach Ihrer Meinung sollte man über den Stücken stehen, weil beim Vorspiel eh noch viel Stress dazu kommt. Meinte auch, Vorspielen muss man üben. Alle anderen KLs hielten nix von Vorspielen, die aktuelle kann wegen Corona nicht
 
Wenn ein Stück "bis zum Schluss holpert" ist es meiner Meinung nach zu schwer für ein Vorspiel. Es kommt ja noch die Aufregung in der konkreten Situation hinzu, die schon alleine dafür sorgt, dass nur Dinge klappen, die auch verinnerlicht wurden. Wenn so etwas gleich bei mehreren Schülern vorkommt, würde ich auch hellhörig werden.

Ich habe jetzt noch nicht sooo viele Klaviervorspiele erlebt, aber etliche mit anderen Instrumenten (eigene und auch bei meinen Kindern) und kann feststellen, dass bei keinem ein Stück genommen wurde, das gerade eben fertig wurde. Alle (ca. 4 verschiedene Lehrkräfte) haben Stücke ausgewählt bzw. vorgeschlagen, die bereits Wochen vor dem Termin gut liefen und in die fürs Vorspiel nochmal zusätzliche Zeit in die "Feinpolitur" investiert wurde. Auch mit Extraproben (Korrepetition bei Melodieinstrumenten), sofern nötig.
 
Ich hatte Musik-LK im Abi (wir haben unsere 2 LKs einfach "Haupt- und Nebenfach" genannt), und da musste man an 4 der halbjährig stattfindenden Vorspiele teilnehmen (regelstudienzeit waren 4 Jahre, also hatte man 8 mal die Möglichkeit).
Man bekam Unterricht an einem Instrument gesponsert (supergeil), und musste die Vorspiele mit diesem Instrument bestreiten.
Die ersten beiden Vorspiele habe ich "verpasst" (naja ... auf deutsch ... ich hatte halt Schiss), bei der dritten Möglichkeit gabs dann eine spanische Romanze (MIT Dur-Part, aber dafür auf einer Westerngitarre), und danach war kein Halten mehr.
Ich habe meine Vier Gitarrenvorspiele absolviert, und bei den weiteren Vorspielen saß ich dann mit anderen Instrumenten auf der Bühne.

Mich hat das Vorspielen total gepusht ... natürlich, weil ich das Glück hatte, dass die Stücke am Vorspieltag auch geklappt haben.
Ich habe noch Jahre später regelmäßig an diesen Vorspielen teilgenommen ... immer, wenn es eine 2. Gitarrenstimme gab, und der eigentliche Gitarrenlehrer gerade keine Zeit hatte.
Ohne diese Vorspiele hätte ich auch nicht den Mut gehabt, einige Jahre lang in einer Kneipe Klavier zu spielen ... oder eine Abiturfeier zu bespielen.
Ich hätte die letzten 20 Jahre einfach nicht so oft auf irgendwelchen Bühnen gestanden.

Scheitern gehört dazu ... aber ich glaube, dass man das mit Kindern tatsächlich sehr sensibel besprechen muss. Für Kinder ist es eben nicht einfach nur ein Stück, oder ein Vorspielabend, der nicht funktioniert hat ... das ist vor allem emotional um einiges schlimmer. Dem Film, den sich Kinder damit einbauen können, muss man als Erwachsener entgegenwirken ... egal ob als Elternteil, KL oder einfach als Bekannte.

Aber man sollte dabei nicht auf eine alte Baumarktwerbung zurückgreifen, die da lautete "Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt".
 
Wenn alle durch ihre Stück nicht gut durchgekommen sind, wüde ich auch auf zu schwere oder zu kurzfristig erarbeitete Stücke schließen.
Als Lehrkraft ist man manchmal in einem Zwiespalt. So ein Vorspiel ist ein schönes Ziel, um auch mal etwas schwereres zu nehmen, weil die Schüler öfters vorm Vorspiel mehr Motivation zum Üben zeigen. Es ist aber sehr schade, wenn es nicht bis zum Vorspiel sitzt. Wenn Schüler wiederholt Erfahrungen machen, dass sie Konzerte verhauen, ist es überhaupt nicht gut - es kann sich ein ausgeprägtes Lampenfieber entwickeln, auch wenn vorher keins da war. Denn sie lernen, dass sie immer schlecht vorspielen und sehen dann dem nächsten Vorspiel mit Angst entgegen.
Meine Faustregel ist, dass man das Stück spätestens 2 Wochen vor dem Konzert / Vorspiel können muss. Es kommt ja noch dazu, dass der Lehrer oder Schüler mal krank werden kann und Stunden ausfallen - auch deswegen sollte es nicht mit so heiße Nadel gestrickt sein.
Es gibt aber auch Schüler, die sich selber überschätzen. Sie können nicht einschätzen, dass ein Vorspiel erschwerte Bedingungen hat einerseits durch den zusätzlichen Stress / evtl. Aufregung und andererseits dass man da nur eine Chance hat, nicht mehrere, wie zu Hause beim Üben. Das können manche Kinder oder erwachsene Spätanfanger schlecht einschätzen, auch aus mangelnder Erfahrung.
 

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