Spielt Ihr Bach mit Pedal?

  • Ersteller des Themas Hans Borjes
  • Erstellungsdatum

Spielt Ihr Bach mit Pedal?


  • Umfrageteilnehmer
    64
Hans Borjes

Hans Borjes

Clavio-Förderer
Dabei seit
18. Mai 2008
Beiträge
459
Reaktionen
1
Hallo,

mir ist neulich bei einer CD aufgefallen, daß das Cembalo darauf viel länger nachklingt als ein Flügel ohne Pedal. Haben Cembali/Spinette eigentlich (traditionell) ein Haltepedal?

Ich habe es dann mal ausprobiert, die Menuette BWV 114/115/116 mit Pedal zu spielen. Als Anfänger schwierig: man gibt erstmal zuviel Pedal. Aber nach ein paar Tagen klappt es mit der Dosierung besser, und mir scheint, als hätte ein Flügel ein Effektgerät eingebaut, das man mit dem Pedal regeln kann: Hall. So stelle ich mir ein Klavier mit Oberdämpfer vor (habe noch nie eins (bewußt) gespielt). Fast kann man sagen, mit dem Halleffekt kann man das Wohnzimmer etwas größer machen ;)

Da wäre doch mal interessant, wie Ihr das so handhabt.

Hans
 
hallo hans,

ich bin - leider - noch nicht beim großen meister "angelangt", aber Corelli & Scarlatti sind ja fast zeitgenossen. dort setze ich ganz sparsam und vorsichtig an der einen oder anderen stelle auch mal (verbotenerweise???) das pedal ein, um eine besondere betonung zu geben oder um eine längere pause zu überbrücken.

generell mag ich aber die barockmusik gerade wegen des "pedalmangels". das zwingt einen dazu, ausdruck mit dem anschlag zu schaffen - wodurch ich mich stärker auf die musik konzentrieren kann / muss.
 
ganz sparsam und vorsichtig an der einen oder anderen stelle auch mal (verbotenerweise???) das pedal ein, um eine besondere betonung zu geben oder um eine längere pause zu überbrücken.
So hätt ich es auch geschrieben.

Bei manchen Stücken ist, an bestimmten Stellen, die Betonung oder ein leichter "nachhall" einfach schöner anzuhören.
 
Hallo,

mir ist neulich bei einer CD aufgefallen, daß das Cembalo darauf viel länger nachklingt als ein Flügel ohne Pedal. Haben Cembali/Spinette eigentlich (traditionell) ein Haltepedal?

Daß das Cembalo auf der CD viel länger nachklingt, liegt natürlich nicht am Cembalo sondern an der Akustik des Aufnahmeraums. Ich hab auch eine Platte mit Beethovensonaten (Ashkenazy) gespielt auf einem Steinway, die in einer Kirche aufgenommen wurde.

Und natürlich hat das (Klavier-)Pedal viele Anwendungsbereiche, dazu gehört auch das Hinzufügen des räumlichen Klangs. Das funktioniert sogar schon bei einem einzelnen Ton!

Woher das "Pedalverbot" für Bach kommt weiß ich nicht. Es scheint sich aber kein echter Pianist daran zu halten 8)

Hier noch ein interessanter Artikel von Herbert Henck zum Thema "Wie soll man Bach spielen?"
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Woher das "Pedalverbot" für Bach kommt weiß ich nicht. Es scheint sich aber kein echter Pianist daran zu halten 8)

:confused: Habe noch nie was von einem "Pedalverbot" bei Bach gehört, noch überhaupt von Verboten, wenn es um Musik generell geht. Die Frage ist doch wohl eher, wie man es selber gerne hält bzgl. Pedal bei Bach, und das war ja auch die Themenfrage. Ich setze das Sustainpedal (ich nehme an, es geht um dieses Pedal) auch nur sehr sparsam ein, weil barocke Musik für mich gerade durch Artikulation lebt, und die wird durch Pedallatschen weichgespült. Das b-moll Präludium und Fuge aus WTK1 fällt mir z.B. schwer, ohne Pedal zu spielen. Aber es ist möglich, beide Stücke legato ohne Pedal zu spielen, wenn man's kann und mag. Das Ergebnis ist der Mühe wert. Pedallatschen ist natürlich einfacher.

Das kein echter Pianist Bach ohne Pedal spielt, wie Haydnspaß meint, ist natürlich Unsinn. Glenn Gould hat so gut wie nie das Pedal benutzt, und auch bei den wunderschönen WTK-Aufnahmen von S. Richter höre ich so gut wie kein Pedal (aber Hall, ist wohl ebenfalls in einer Kirche aufgenommen worden). Die beiden Herren halte ich schon für "echte" Pianisten...

Pedal oder nicht Pedal bei Bach hat für mich nix mit "echtem" oder "unechtem" Pianisten zu tun, sondern wie man für sich selber die Frage beantwortet, wie das polyphone Gewebe Bachscher Musik am besten zur Geltung kommt.

Und bzgl. "echtem" Pianisten: Derjenige Pianist ist für mich besonders "echt", welcher sich auf die unterschiedliche Kompositionsart unterschiedlich einstellen kann. Sprich, wer Bach spielt, als hätte er eine Chopin-Ballade vor sich, oder Chopin spielt, als wäre es eine WTK-Fuge, hat - für mich persönlich - das Thema verfehlt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Sprich, wer Bach spielt, als hätte er eine Chopin-Ballade vor sich, oder Chopin spielt, als wäre es eine WTK-Fuge, hat - für mich persönlich - das Thema verfehlt.

Nanu - und wo bleibt die "künstlerische" Freiheit? Ich bin doch nicht der Plattenspieler für Herrn Bach oder Monsieur Chopin!

Nicht dass es eine Zielsetzung sein muß, aber bestehende Stücke aus ihrem Kontext herauszulösen und nach Tageslaune zu spielen ist doch das "Kreative". Wie Klaviermacher hier "Alle meine Entchen" als Rag gespielt hat, hat ihn jedenfalls keiner gesteinigt, weil er völlig an der Intention dieses wunderschönen Kinderlieds (deutsches Kulturgut!!!!) vorbeizischt ...
 
Ich bin eigentlich ein überzeugter Spieler von Bach ohne Pedal. Sehr sehr wenige Ausnahmen gibt es bei langsamen Sätzen (das erwähnte b-moll Präludium oder das viel zu bekannte C-Dur-Präludium klingen in meinen Ohren sowohl mit als auch ohne Pedal schön, aber ich bevorzuge auch hier meist die Spielweise ohne Pedal.)
Aber ich finde jeder muss für sich wissen, ob er Bach mit Pedal mag oder nicht. (Ich selbst gehe ja so weit, selbst Mozart oftmals ohne Pedal zu spielen.)
 
Hier ist meine Antwort klar. NEIN. Komplett ohne, das Pedal versaut Werke Bachs.
 
:confused:
Das kein echter Pianist Bach ohne Pedal spielt, wie Haydnspaß meint, ist natürlich Unsinn. Glenn Gould hat so gut wie nie das Pedal benutzt

Ich glaube niemand will hier bezweifeln, dass Glenn Gould ein "echter" Pianist. Aber er ist/war halt auch ein ziemlich extremer, was sich auch im kompletten weglassen des Pedals wiederspiegelt. Bei Bach kommt dieser "Cembalostyle" sehr gut aber z.B. Goulds Mozartaufnahmen sind naja, sagen wir mal nicht unumstritten;-)

Bei Bach kann man alles komplett ohne Pedal spielen, wenn man will. Meiner Meinung nach muss man aber nicht. Ein Pianist (weiß leider nicht mehr welcher) hat auf eine verwandte Frage, nämlich "darf man Bach überhaupt auf einem modernen Flügel interpretieren oder muss man historisch korrekt das Cembalo nehmen" geantwortet: "Sind sie denn mit dem Auto hier oder mit dem Pferdefuhrwerk"?`

Gruß
JoKa
 
Ich spiele Bach ohne Pedal. Meiner Meinung nach widerstrebt das dem Sinne des Kontrapunktes und Bachs Musik. Bei Bachs Werken ist eine totale Transparenz notwendig, dass alle Stimmen gut heraushörbar sind und eigenständig wirken. Wenn man Pedal benutz, finde ich dann zerstört man diese Klarheit und Transparenz. Das hört sich wie ein Brei an....


Zweitens ist Bachs Musik zu harmoniereich ,als das man sie Pedalisieren könnte ohne dabei Dissonanzen herbeizuführen und die Schönheit und Vollkommenheit seiner Musik zu zerstören.
 
Na, wenn das keine kontroverse Diskussion ist!

Ohne ahnen zu können, wie sich die Dinge weiterentwickeln, macht es mir im Augenblick Spaß, mit dem Pedal herumzuprobieren. Egal, ob ich es dann später weiter bei Bach einsetzen werde, hier kann ich anscheinend prima hauchzarte Dosierung üben, weil jedes Bißchen zuviel offensichtlicher hörbar wird als bei anderen Epochen.

Vielleicht hilft das dann auch bei anderen Stücken bewußter und zurückhaltender mit dem Pedal umzugehen?
 

hans, das isses. du sprichst mir aus der Seele.
 
Gab es zu Bach's Zeiten überhaupt schon Tonhaltepedale?:confused:
 
Hallo,

ich spiele Bach mit Pedal, wenn ich ihn denn auf dem Klavier spiele, was selten vorkommt.

Zur Cembalodebatte möchte ich beisteuern:

Ein historisches Cembalo hat einen immensen Nachklang, die Kopien historischen Instrumente auch. Das liegt eben nicht am Aufnahmeraum. Man kann das ganz einfach feststellen, wenn man eine Aufnahme mit einem Cembalo der 60-er Jahre als Vergleich hört. Damals war man der Ansicht, historische Instrumente hätten nie vernünftig funktioniert und man könne es im 20. Jh. alles besser. Dabei hat man auch die Dämpfung "verbessert". Mit dem Resultat, dass es riesige Instrumente waren (unter Cembalisten "Panzer" genannt", die kaum einen nennenswerten Sound produzieren.

Zweitens praktizieren Cembalisten neben einem Grund-Anschlag im "ordentlichen Fortgehen" (C. Ph. E. Bach) eben auch bei Klangstrukturen, die keine melodische sondern eine harmonische Funktion haben, ein Überlegato, das genau den Effekt das Klavierpedals hat. Bach notiert es für die l. H. im bekannten WTK 1 C-Dur ja akribisch aus. Auf dem Cembalo würde ich mit der r. H. analog verfahren.

Das natürlich keine polyphonen Strukturen verwischt werden sollen, ist selbstverständlich.

Viele Grüße
Axel
 
Zur Cembalodebatte möchte ich beisteuern:

Ein historisches Cembalo hat einen immensen Nachklang, die Kopien historischen Instrumente auch. Das liegt eben nicht am Aufnahmeraum.
Vielen Dank, Axel, für die sachkundige Ergänzung. Neben Aufnahmen hatte ich bisher noch keine Gelegenheit, Cembali näher anzuhören, seit ich Klavierspielen lerne. Das, was ich bisher von historischen Instrumenten an Aufnahmen (z.B. im Radio) gehört habe, scheint vom langen Nachklang der Cembali zu leben. Was wäre ein trockenes Cembalo-Pling-Pling dagegen?

Die Schlußfolgerung, man dürfe beim Flügel kein Pedal nehmen, weil die Cembali auch keins hatten, scheint mir zumindest fragwürdig.

Spricht anscheinend nichts dagegen, es weiter mit dem Pedal zu probieren.
 
Ein historisches Cembalo hat einen immensen Nachklang, die Kopien historischen Instrumente auch. Das liegt eben nicht am Aufnahmeraum. Man kann das ganz einfach feststellen, wenn man eine Aufnahme mit einem Cembalo der 60-er Jahre als Vergleich hört.

Hallo Axel,

finde ich sehr interessant, was du da schreibst. Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen auf einem historischen Cembalo zu spielen. Meinst du das wirklich so, daß der Ton nachklingt nachdem die Taste wieder losgelassen wurde? Auch in einer trockenen Akustik? Kann ich mir irgendwie garnicht vorstellen. Aber schön wärs ja.

Daß man in den 60er Jahren ein anderes Klangideal bei den Aufnahmen hatte, ist klar. Aber daß es tatsächlich am Instrument liegt hätte ich nicht gedacht.

Ich hab seit kurzem eine Aufnahme des kompletten WTC I & II mit Ottavio Dantone (Cembalo), und der Klang dieses Cembalos ist wirklich fantastisch, ebenso wie das Spiel von Signore Dantone. Bisher fand ich immer, daß das WTC auf einem Cembalo überhaupt nicht vernünftig zu spielen geht.

lg
Haydnspaß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Axel,

finde ich sehr interessant, was du da schreibst. Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen auf einem historischen Cembalo zu spielen. Meinst du das wirklich so, daß der Ton nachklingt nachdem die Taste wieder losgelassen wurde? Auch in einer trockenen Akustik? Kann ich mir irgendwie garnicht vorstellen. Aber schön wärs ja.


Hallo Haydnspaß,

ja doch. Natürlich relativ leise, aber es tut dem Gesamtklang gut.

Die Springer eines historischen Cembalos hängen mit der Schmalseite eines Filzstreifens an der Saite. Die Berührungsfläche ist sehr klein. Wenn ich in der Nähe meines Cembalos huste, hört man deutlich einen "Nachhall" im Instrument.
Bei einem "Panzer" dagegen sind als Dämpfer befilzte Metallplatten an den Springern, die sich beim Loslassen der Taste auf die Saite legen. Klar, damit ist die Dämpfung "perfekt", aber um welchen Preis...

Im Cembalobau des 20. Jh. gab es eine Zeit, wo man dachte, man könne alles besser als die Barockfritzen. Man hat dann Erfahrungen aus dem Klavierbau auf Cembali übertragen und teilweise auch mit Gussrahmen gearbeitet. Diese extrem schwere Bauweise ist beim Klavier nötig, bei einem relativ zarten Cembaloton resoniert da natürlich nichts mehr. Die klanglich traurigen Ergebnisse kann man sich auf Aufnahmen z. B. von Karl Richter anhören.

Viele Grüße
Axel
 
Wollte hier nur kurz etwas anhängen:

Ich spiele sämtliche Barockstücke ohne Pedal. Weil es eben keines gab...

... außerdem wird nur so wirklich die Polyphonie gewahrt, kommt aber auch ein wenig von meiner KL.

Ich mag die Stücke so wie ich sie spiele denke aber wenn Bach ein Pedal gehabt hätte, dann hätte er es bestimmt selber an der ein oder anderen Stelle verwendet oder denkt ihr nicht?
 
Ein Tupfer hier und da kann nicht schaden, also: ja, manchmal! :p
 

Zurück
Top Bottom