Skandale bei Konzerten


Hier zwei interessante Interviews mit seinen Söhnen aus der Zeit online:

Interview mit Paul Gulda

http://www.zeit.de/online/2007/21/paul-gulda

Interview mit Rico Gulda

http://www.zeit.de/online/2007/21/rico-gulda

Zitat von Rico Gulda:
Dieses Konzert hat bei mir Unwohlsein ausgelöst, weil ich hin- und hergerissen war zwischen Liebe und Loyalität zu meinem Vater und andererseits dem Eindruck des Realereignisses: Das funktionierte einfach überhaupt nicht. Dazu muss man sagen, dass so etwas im Konzerthaus im Februar auch nicht funktionieren kann. Der Auslöser dieses Projektes war ja ein bestimmtes Lebensgefühl in Ibiza zu einem bestimmten Zeitpunkt: schönes Wetter, schöne Menschen, relaxte Sommeratmosphäre. DJ Pippi, der Partner meines Vaters, war ja einer der berühmtesten Musikmacher auf der Insel. Der Transfer dieser Stimmung, dieser Musik und dieses Konzeptes in den falschen Raum zur falschen Zeit mit dem falschen Publikum musste einfach in die künstlerische Katastrophe führen.
 
Mir fällt da spontan die Anekdote der Aufführung von Brahms KK1 ein (1962) - Dirigent Leonard Bernstein und am Klavier Glenn Gould.
Vor Beginn der Aufführung distanziert sich Bernstein in einer Ansprache ans Publikum von Goulds Interpretation. Bei der Liveaufnahme sind in der Folge dann besonders in den leisen Klavierpassagen sehr renitente Huster zu hören, die aus dem Publikum heraus ihrem Unmut Lauf lassen.

Ich finde diese Geschichte besonders interessant, weil sie die Grösse Bernsteins zeigt, der über seinen Schatten springt und trotz offenbar grosser künstlerischer Differenzen mit Gould seinen Job macht.

Ich habe gerade gesehen, dass es Bernsteins Ansprache auf Youtube gibt. Unbedingt anhören!!! Danach kann man Deinen letzten Absatz nur unterstreichen. Er spricht die Differenzen klar an und geht danach darauf ein, warum er trotz der großen Differenzen dirigiert. Und das alles ist kein trockener Vortrag, sondern gewürzt mit viel Humor (Don't be frightened, Mr Gould is here...he'll appear in a moment).... Legendär!!

http://www.youtube.com/watch?v=4gs3TeEUy8g
 
Ein kleinerer Skandal ist mir noch eingefallen: die Uraufführung von Messiaens Chronochromie.

Das siebenteilige, sehr schlagzeuglastige Werk hat einen sechsten Teil, der aus 18 Solostreichern besteht, die jeder für sich einen französischen Singvogel imitieren. Man kann sich vorstellen, wie undurchsichtig und neuartig das klingt (man kann's sich auch auf Youtube anhören ;), 1:00 - 5:21), bei der Uraufführung mit dem Südwestrundfunkorchester bei den Donaueschinger Musiktagen 1960 wurde es schon während des 6. Teils unruhig, danach ließen viele ihrem Unmut mit Pfiffen und Schreien freien Lauf. Und "am Ende der Aufführung legten sich die Gegner des Werkes keinen Zwang zur Zurückhaltung mehr auf. Brummen und Geflüster wichen Geschrei und Geheul, Quietsch- und Tierlauten aller Art, vom betäubenden Gellen einiger Dutzend Trillerpfeifen übertönt." (Antoine Goléa)

Messiaen soll danach gesagt haben:"Wirklich sonderbar! Gerade gegen den nettesten Teil haben sie randaliert!"

Alles Liebe
 
Ich habe gerade gesehen, dass es Bernsteins Ansprache auf Youtube gibt. Unbedingt anhören!!! Danach kann man Deinen letzten Absatz nur unterstreichen. Er spricht die Differenzen klar an und geht danach darauf ein, warum er trotz der großen Differenzen dirigiert. Und das alles ist kein trockener Vortrag, sondern gewürzt mit viel Humor (Don't be frightened, Mr Gould is here...he'll appear in a moment).... Legendär!!

http://www.youtube.com/watch?v=4gs3TeEUy8g

Das würde ich gerne anhören, kriege aber immer nur die Mitteilung, dass das Video Content von Sony enthält und daher nicht in meinem Land verfügbar wäre. Geht das nur mir so? :?
 
Bernstein´s Intro zum Hören (Kein YT, ohne bewegte Bilder, nur Ton)

“Don’t be frightened, Mr Gould is here… [LAUGHTER] …and will appear in a moment.
I am not, um, as you know, in the habit of speaking on any concert except the Thursday night previews but a curious situation has arisen which merits, I think, a word or two.
You are about to hear a rather, shall we say, ‘unorthodox’ performance of the Brahms D minor concerto, a performance distinctly different from any I’ve ever heard, or even dreamt of for that matter, in its remarkably broad tempi and its frequent departures from Brahms’s dynamic indications. I cannot say I am in total agreement with Mr Gould’s conception. And this raises the interesting question, what am I doing conducting it? [LAUGHTER]
I am conducting it because Mr Gould is so valid and serious an artist that I must take seriously anything he conceives in good faith, and his conception is interesting enough so that I feel you should hear it too.
But the age-old question still remains, in a concerto, who is the boss? [LAUGHTER] The soloist or the conductor?
The answer is, of course, sometimes one sometimes the other depending on the people involved. But almost always the two manage to get together by persuasion or charm or even threats to achieve a unified performance. I have only once before in my life had to submit to a soloist’s wholly new and incompatible concept and that was the last time I accompanied Mr Gould [LAUGHTER]. But this time the discrepancies between our views are so great that I feel I must make this small disclaimer.
So why, to repeat the question, am I conducting it? Why do I not make a minor scandal and get a substitute soloist or let an assistant conduct it?
Because I am fascinated and glad to have the chance for a new look at this much-played work; because, what’s more, there are moments in Mr Gould’s performance that emerge with astonishing freshness and conviction; thirdly, because we can all learn something from this extraordinary artist who is a thinking performer; and finally, because there is in music, what Dmitri Mitropolous used to call, the sportive element, that factor of curiosity, adventure, experiment, and I can assure you that it has been an adventure this week [LAUGHTER] collaborating with Mr Gould on this Brahms Concerto, and it is in this spirit of adventure that we now present it to you.” [APPLAUSE]
 
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Ich kann mich nicht erinnern, dass mich in der letzten Zeit etwas mehr angekotzt hat, als diese beknackte Digital-Rights-Mangement-Geschichte bei Youtube von wegen falsches Land usw.
Umgehen kann man das bei www.hidemyass.com - funktioniert nicht immer flüßig aber es geht halbwegs.

Update: Die Rede ist echt lustig, ich bin sowieso ein Fan von Bernstein und lese gerade ein Buch von ihm.

Grüße
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zum Trost, das Youtube-Video ist auch nur Audio, genau wie das von Monaco verlinkte!
 

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