Schumann Kinderszenen: Der Dichter spricht

Selbstredend braucht das kleine "Rezitativ" aus harmonischen Gründen mehrere Pedalwechsel!! Nimmt man Schumanns liegende Noten ernst ( und hält sie wie notiert) ist die nötige Pedalisierung glasklar.

@chiarina hat völlig recht bzgl der Bedeutung des Stücks im Zyklus - ohne die geniale Abfolge der verborgenen Variationen (Brendel lesen!) also ohne das vorausgegangene erschließt sich das letzte Stück nicht.

Das schlummernde Kind fällt auf der Subdominante von e-moll in den Schlaf, also a-moll (Quartsextakk.) - a-moll ist Bestandteil des Dominantseptnonakkords von G-Dur, der Tonika des Zyklus: ganz organisch an das schlummernde Kind setzt die Rückschau des Dichters mit D7 ein. =》den Schluss vom Kind im Pedal halten, den ersten Akkord vom Dichter anschlagen und dann erst Pedal wechseln.

Jede der kurzen Melodiefloskeln des Dichters führt in einen Halbschluss oder nach dem Rezitativ - wohin? oh! ... und erst danach kommt dann die Schlusskadenz in weiter Lage ---- das sollte man sich bzgl der Melodiegestaltung vor Augen halten.

...die Finger haben hier nicht viel zu tun (vermeintlich leichtes Stück), Kopf und Gestaltung sind mehr gefordert als in etlichen "Konzertetüden".
 
Nächster Versuch:

https://soundcloud.com/user-928347011/schumann-der-dichter-spricht-aufnahme-apr-11-19

Ich habe mich wirklich bemüht, die Melodie hervorzuholen und wenn ich mir selbst zuhöre, kommt es mir so vor als gelänge es einigermaßen, aber in der Aufnahme scheint trotzdem der Bass zu dominieren - ka, ob es an mir liegt oder an der Aussteuerung durch die Software. Ich bekomme sie aber ganz sicher nicht zum Singen, was an einem Schlaginstrument auch wirklich schwer ist. Und das leichte Klappern, das man immer wieder hört, kommt auch daher, dass ich versuche, mein Gewicht Richtung des kleinen Fingers zu verlagern... Etwas weicher könnten die Anschläge ebenfalls sein - Armgewicht zwecks Kontrollfähigkeit stärker einsetzen?

Davon abgesehen, ist der Puls jetzt besser? Pausen länger? Wehmut des Dichters zu erahnen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Nächster Versuch:

https://soundcloud.com/user-928347011/schumann-der-dichter-spricht-aufnahme-apr-11-19

Ich habe mich wirklich bemüht, die Melodie hervorzuholen und wenn ich mir selbst zuhöre, kommt es mir so vor als gelänge es einigermaßen, aber in der Aufnahme scheint trotzdem der Bass zu dominieren - ka, ob es an mir liegt oder an der Aussteuerung durch die Software. Ich bekomme sie aber ganz sicher nicht zum Singen, was an einem Schlaginstrument auch wirklich schwer ist. Und das leichte Klappern, das man immer wieder hört, kommt auch daher, dass ich versuche, mein Gewicht Richtung des kleinen Fingers zu verlagern... Etwas weicher könnten die Anschläge ebenfalls sein - Armgewicht zwecks Kontrollfähigkeit stärker einsetzen?

Davon abgesehen, ist der Puls jetzt besser? Pausen länger? Wehmut des Dichters zu erahnen?

Wow! Das gefällt mir jetzt richtig gut!
:super:
(Ich habe jetzt nicht mit dem Notentext verglichen, das ist mein subjektiver Eindruck.)
 
Ich hoffe, das klingt so von Amateur zu Amateur nicht anmaßend, aber: Gratuliere @Klimperline, da ist wirklich sehr viel weitergegangen! Habe mir das gerne angehört :-)

Puls ist wesentlich stabiler. Bei den Verzierungen (Grupettos?) TT 3 und 18 ist für mich noch zu viel Unruhe drin. Mehr "aussingen". Ich würde da die erste Note auch nicht so stark nehmen, sondern eher Richtung nächster Hauptnote spielen. Darauf achten, dass am Beginn von Takt 13 der Schluss des Rezitativs in der Mittelstimme nicht untergeht und bei h-h-ais das zweite h stärker ist als das ais.

Wehmut des Dichters, weiß ich nicht. Ich empfinde da keinen Wehmut, höre ihn auch nicht, wenn Horowitz spielt. Auch wenn @chiarina diese Lesart toll begründet hat, will ich da auch keinen Wehmut hören, weil mir das, wenn ich den ganzen Zyklus betrachte, aus erzählericher Perspektive nicht stimmig erscheint.

Viel Freude noch mit dem schönen Stück und liebe Grüße
Gernot
 
Vielen Dank für deine Hilfe, Gernot!

Ich habe eben versucht, die Verzierung in T 3/18 als leichtes Cresc. Richtung der nächsten Hauptnote zu spielen und denke, dass es so tatsächlich besser klingt.

Deinen Hinweis mit 2x h (eigentlich sind es sogar 3) und ais verstehe ich nicht ganz, weil das ais zu diesem Zeitpunkt nicht mehr klingt. Sicherlich wird es aber richtig sein, dass ich das zweite h etwas lauter spielen sollte als das erste, da das zweite zur Melodie gehört und das erste zum Bass. Das dritte h dürfte dann wiederum Teil der Mittelstimme sein.

Wehmut des Dichters, weiß ich nicht. Ich empfinde da keinen Wehmut, höre ihn auch nicht, wenn Horowitz spielt. Auch wenn @chiarina diese Lesart toll begründet hat, will ich da auch keinen Wehmut hören, weil mir das, wenn ich den ganzen Zyklus betrachte, aus erzählericher Perspektive nicht stimmig erscheint.

Was @chiarina s Sichtweise auf die Kinderszenen betrifft, habe ich im Netz auf verschiedenen Seiten Zitate aus Schumanns Briefen gefunden, die mir diese Sichtweise plausibel erscheinen lassen:

z.B. https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1661:

"Schumanns „Rückspiegelungen“ sind nichts anderes als eine Rückprojektion der ewigen Sehnsucht des Romantikers in die verlorene Welt der Kindheit, die Kinderszenen ein im tiefsten Sinne romantischer Klavierzyklus. In einem Brief an Clara hat Schumann sein Abgehobensein von der Welt mit dem Wesen eines Kindes verglichen: „Was ich noch componirt, war wie ein Nachklang von Deinen Worten, einmal wo Du mir schriebst ich käme Dir auch manchmal wie ein Kind vor – Kurz, es war mir ordentlich wie im Flügelkleid und hab da an die 30 kleine putzige Dinger geschrieben, von denen ich ihrer zwölf auserlesen und Kinderscenen genannt habe."
 
@chiarina hat völlig recht bzgl der Bedeutung des Stücks im Zyklus - ohne die geniale Abfolge der verborgenen Variationen (Brendel lesen!) also ohne das vorausgegangene erschließt sich das letzte Stück nicht.
@rolf : Das interessiert mich tatsächlich sehr. Kannst du (oder sonst wer) die genaue "Brendel"-Quelle genauer betiteln. Ich würd da gerne mal reinschauen.

@Klimperline: Da du konkrete Verbesserungstipps haben willst, kriegst du zur aktuellen Einspielung auch noch welche. Nebenbei ist die aktuelle Einspielung, wie andere schon sagten, ein großer Fortschritt im Vergleich zur ersten Einspielung ist. Glückwunsch!

Am Anfang gehen dir ab dem dritten Akkord die Mittelstimmen verloren. Wahrscheinlich hast du da etwas zu sehr darauf geachtet, dass die beiden Außenstimmen möglichst gut werden. Achte beim Üben auch gern mal ganz bewusst und fokussiert darauf, dass die Mittelstimmen in sich eine schöne Linie bilden und nicht abreißen. Wenn du das einige/viele Male gemacht hast und dann bei einem späteren Durchgang deine Aufmerksamkeit wieder auf die Melodie richtest, werden die leisen Mittelstimmen dann "von selbst" schöner sein. Bei der Wiederholung ist dir das übrigens nicht passiert, also eigentlich kannst du das sogar schon. Ein bewusstes Auge/Ohr darauf richten ist aber immer gut.

An ein paar Stellen (ich meine außerhalb des Rezitativs) verschwimmen die Akkorde ineinander, z.B. zwischen 1:28 und 1:32. Da wechselst du das Pedal nicht ganz sauber. Das kann eventuell aber auch am ungewohnten Instrument liegen.

Der vierte Akkord des Stücks kommt bei dir zu früh (ebenso in der Wiederholung). Da ist das Metrum also noch nicht ganz sauber. Lass das Stück da atmend weiterfließen ohne vorschnell in den nächsten Akkord hineinstoßen zu wollen.
 
@Klimperline:

Ich kann zwar keine fundierten Detailüberlegungen bieten wie einige andere hier, aber ich finde auch, dass der Unterschied zwischen der ersten und dritten Einspielung mehr als deutlich ist! Klasse!

@DonBos

Ich vermute, es handelt sich um den Aufsatz "Der Interpret muß erwachsen sein - Zu Schumanns Kinderszenen" aus der Aufsatzsammlung "Über Musik - Sämtliche Essays und Reden", S. 277 ff. (in meiner Ausgabe).
Das Buch kann man auch antiquarisch bekommen, es hat noch einige im Angebot.
 

Das ist natürlich keine Kunst, wenn man das Buch* direkt vor sich auf dem Schreibtisch liegen hat, weil man es eben erst geordert hat, auf die Erwähnung von einem gewissen @rolf hin (und auf die Bemerkung von @Stilblüte zu einem Vortrag von Brendel).

*.. welches dann leider vermutlich zu den restlichen 300 Büchern kommt, die bis zum Ruhestand warten müssen. Trotzdem: Es musste her, denn es könnte ja bis dahin komplett vergriffen sein! Merke: Was man hat, das hat man.

Aber im Ernst: Reingeschaut habe ich schon mal, auch ein paar Zeilen gelesen.
 
Deinen Hinweis mit 2x h (eigentlich sind es sogar 3) und ais verstehe ich nicht ganz, ...

War auch ganz schlecht beschrieben. Ich meinte die gelb hervorgehobene Linie:

upload_2019-4-15_19-25-39.png

Mein Eindruck war, dass der Schluss dieses Motivs untergeht und das Ais am Schluss des Motivs zu laut ist. Gehört also in die Rubrik "Mittelstimmen", auch wenn @DonBos andere Stellen angesprochen hat.

Was @chiarina s Sichtweise auf die Kinderszenen betrifft, habe ich im Netz auf verschiedenen Seiten Zitate aus Schumanns Briefen gefunden, die mir diese Sichtweise plausibel erscheinen lassen:

z.B. https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1661:

"Schumanns „Rückspiegelungen“ sind nichts anderes als eine Rückprojektion der ewigen Sehnsucht des Romantikers in die verlorene Welt der Kindheit, die Kinderszenen ein im tiefsten Sinne romantischer Klavierzyklus. In einem Brief an Clara hat Schumann sein Abgehobensein von der Welt mit dem Wesen eines Kindes verglichen: „Was ich noch componirt, war wie ein Nachklang von Deinen Worten, einmal wo Du mir schriebst ich käme Dir auch manchmal wie ein Kind vor – Kurz, es war mir ordentlich wie im Flügelkleid und hab da an die 30 kleine putzige Dinger geschrieben, von denen ich ihrer zwölf auserlesen und Kinderscenen genannt habe."

Nun, die "ewige Sehnsucht des Romantikers" nach der "verlorenen Welt der Kindheit" kann man als Konstruktion aus heutiger Sicht auch einmal hinterfragen, das Zitat aus der Schumann-Korrespondenz muss man nicht zwingend als Argument für eine solche Sichtweise lesen.

Unabhängig davon, wie man dieses letzte Stück auffasst, also als eine Kinderszene oder eine Szene, in der der Erzähler direkt zu uns spricht, ist für mich dieses Rezitativ (Danke @rolf für diese Bezeichnung!) der Moment, in dem es mucksmäuschen Still wird und man eine Stecknadel fallen hören kann, weil alle so gebannt lauschen, was da passiert.

Ich verstehe die Kinderszenen als Erzählung und ich erlebe da zwei Erzählebenen, zwei Stimmen, wenn man so will (nicht im Sinne von separaten melodischen Stimmen, sondern in einem narrativen Sinn): die Stimme des Erzählers und die Stimme des Kindes vermittelt durch den Erzähler. Beim ersten und beim letzten Stück dominiert die Stimme des Erzählers. Auch die Titel dieser Stücke heben sich etwas von den anderen ab. "Von fremden Ländern..." und "Der Dichter spricht" sind nicht so klar in der kindlichen Erlebniswelt zu verorten wie z.B. der "Haschemann". Das erste eigentlich noch viel weniger als das letzte. Geschichten "von fremden Ländern..." hören die Kinder zunächst in Erzählungen, bevor sie beginnen, sich selbst welche auszudenken. Ich verstehe also durchaus, dass man auch interpretatorisch die Erzählebene wecheln möchte.

Das Schöne an dieser erzählerischen Klammer ist aber, dass die beiden Szenen aber auch als Kinderszenen funktionieren. Am Anfang, weil Kinder sich eben auch selbst Geschichten ausdenken, am Ende weil kaum jemand so gebannt zuhören kann, wie Kinder. Dass das Kind im vorletzten Bild einschläft, ist da kein Widerspruch. Der Dichter kann ja auch im Traum erscheinen. Das Kind selbst zum Dichter werden, dem alle gebannt zuhören.

Liebe Grüße
Gernot
 
Zuletzt bearbeitet:
Wehmut des Dichters, weiß ich nicht. Ich empfinde da keinen Wehmut, höre ihn auch nicht, wenn Horowitz spielt. Auch wenn @chiarina diese Lesart toll begründet hat, will ich da auch keinen Wehmut hören, weil mir das, wenn ich den ganzen Zyklus betrachte, aus erzählericher Perspektive nicht stimmig erscheint.

Lieber Gernot und @alle,

eine der wunderbaren Eigenschaften von Musik ist, dass sie jeden Menschen in unterschiedlicher Weise berührt und beim Hören und Spielen auch unterschiedliche Gefühle auslöst.

Beim Spielen dieses Stücks, bei seiner Interpretation wird der Interpret aus einer Vielzahl von möglichen Deutungen sich überlegen, was er mit diesem Stück verbindet, was er ausdrücken will, was der Komponist wollte u.v.a..

Das heißt, das bezogen auf dieses Stück es auch nicht eine einzige Deutung gibt, sondern viele. Was für den einen Wehmut ist, ist für den anderen vielleicht Zärtlichkeit oder sogar Ernsthaftigkeit, Sehnsucht kann sich in Traum verwandeln, Schmerz in Staunen u.v.a.m..

Es ist also völlig in Ordnung, wenn du, lieber Gernot, hier keine Wehmut empfindest und dich auch dagegen sträubst, welche empfinden zu sollen! :003: Mir erscheint es schon stimmig, da der Dichter für mich mit einer gewissen Wehmut auf seine/die Kindheit oder das Kind-Sein zurückblickt. Ich akzeptiere aber vollkommen, dass es für dich nicht stimmig ist und du dieses Stück auch in Bezug auf den ganzen Zyklus anders interpretierst! Das finde ich interessant!

Und Klimperline wiederum ist wieder jemand ganz anderes und wird sich überlegen, was SIE mit diesem Stück verbindet, was sie fühlt, was sie ausdrücken will. Für mich ist dieses Stück sowieso so vielschichtig, dass erstens, wie ich auch schon geschrieben hatte, Wehmut nur ein Teil sein kann und zweitens gerade bei diesem Stück viel Verschiedenes möglich ist.

Also sollte man immer selbst hören, fühlen, entdecken, entscheiden und ich freue mich sehr über deine dritte Einspielung, liebe Klimperline! :) Was den Anfang betrifft (ist ja schwer ohne das Stück davor), so könnte vielleicht die Einstellung helfen, das Stück klänge schon vorher (für uns unhörbar) in der Luft und du bräuchtest es nur noch herzuholen. Als wäre es vorher schon da. :003:

Klingt auch fürchterlich esoterisch, aber es erleichtert vielleicht den Anfang aus der Stille heraus. Wie Cortot sinngemäß sagte: "Man darf das Stück nicht spielen, man muss es träumen!" :)

Liebe Grüße

chiarina
 

Ich vermute, es handelt sich um den Aufsatz "Der Interpret muß erwachsen sein - Zu Schumanns Kinderszenen" aus der Aufsatzsammlung "Über Musik - Sämtliche Essays und Reden", S. 277 ff. (in meiner Ausgabe).
Das Buch kann man auch antiquarisch bekommen, es hat noch einige im Angebot.
Danke für den Hinweis - die Aufssatzsammlung war antiquarisch zu einem derart unverschämten Spottpreis zu finden, dass ich sie sofort bestellen musste ohne überhaupt weiter darüber nachzudenken. Selbst der einzelne Artikel wäre mir mehr als dieses kleine Geld wert gewesen. Ich bin gespannt darauf!

Jede der kurzen Melodiefloskeln des Dichters führt in einen Halbschluss oder nach dem Rezitativ - wohin? oh! ... und erst danach kommt dann die Schlusskadenz in weiter Lage ---- das sollte man sich bzgl der Melodiegestaltung vor Augen halten.
Dieser dezente Hinweis von rolf hat mich gerade noch einmal zum Nachdenken gebracht und mir damit - eventuell - die Augen geöffnet, warum im drittletzten Ton des Rezitativs das zuvor überall vorherrschende ais auf einmal enharmonisch zum b verwechselt wird. Als ich das Stück vor ein paar Jahren selbst gespielt habe, hab ich genau das nämlich nicht verstanden und dann einfach so hingenommen...

Mit dem b anstatt ais bilden die letzten sechs Rezitativtöne harmonisch gesehen einen verminderten Septakkord über fehlendem Grundton a und dieser gebrochene Akkord ist damit Zwischendominante zum folgenden D7 (Wiederholung des Anfangs des Stücks), bzw. globaler betrachtet Doppeldominante zur Haupttonart (da der D7 ja selbst die Dominante zu G-Dur ist). Damit ist der Schluss des Rezitativs aber eigentlich kein Schluss, d.h. zwischen Rezitativ und dem darauffolgenden Teil sollte bei der Interpretation eher keine echte Zäsur gesetzt/gedacht werden. Oder hab ich mich da jetzt total verrannt?
 

Zurück
Top Bottom