und da beißt sich sozusagen die Katze in den Schwanz: theoretisch und sogar praktisch hatte man ja hierzulande nach der Grundschule an jedem Regelschultyp das Fach "Geschichte", sodass also theoretisch ein wenig sortierendes Vorwissen (a la die DDR war nicht der direkte Nachfolgestaat des persischen Großreichs von Xerxes) da vorhanden und hilfreich sein könnte, praktisch aber könnte man auch auf das lästige Fach gepfiffen haben, nix im Kopf behalten haben (weil: wozu brauch ich das, wenn ich z.B. Lufthansapilot werden will?) und dann hätte man das von dir geschilderte Problem :):)
Wenn die Auseinandersetzung mit Geschichte dazu führt, Strukturen und Prozesse zu erkennen, die sich aufgrund ihrer Komplexität niemals 1:1 wiederholen werden, dürfte die Beschäftigung mit Geschichte als Schulfach ja doch brauchbare Ergebnisse für die Lebenszeit nach der Schulausbildung hervorbringen. Wer im Sinne Jacob Burckhardts verinnerlicht hat, dass sich Geschichte nicht einfach wiederholt, aber das erlangte Verständnis für historische Vorgänge weise macht, hat vielleicht doch etwas für das Leben gelernt. Zur Vertiefung verweise ich auf
Wer aus der Geschichte lernen will, muss Irrwege gehen.
Der Einschub mit dem angehenden Lufthansa-Piloten erinnert mich an eine nette Begebenheit in der Berufspraxis als Klavierbegleiter an der Musikhochschule. Ein von mir im Examen begleiteter Klarinettist hatte beim Festakt zum Schuljubiläum seines Gymnasiums, an dem er einst das Abitur abgelegt hatte, in seiner Eigenschaft als nunmehr professioneller Musiker seinen Auftritt zu absolvieren. Auf dem Programm standen Webers Grand Duo Concertant und die Sonaten von Poulenc und Brahms (Es-Dur). Zu diesem Ereignis erschien eine Festschrift, in der neben ausführlichen Beiträgen zur Schulgeschichte auch eine Stilblütensammlung abgedruckt war. Diese unterhaltsamen Weisheiten aus Schülermund, respektive aus Schülerschreibe entstammten einem Aufsatz der fünften Klassen mit dem Thema: "Warum gehe ich in die Schule?". Im Gedächtnis geblieben ist mir die Behauptung:
"Musik ist unwichtig - singt etwa ein Verkäufer 'Im Frühtau zu Berge' oder ein Pilot?"; andere bewiesen soziales Bewusstsein mit so klaren Aussagen wie:
"Damit wir später statt Müllmann was anderes werden."! Es gab auch Schüler mit einer eher nüchternen Sicht der Dinge wie:
"Eine blöde Frage, weil ich doch schließlich in die Schule MUSS!" und abschließend die eher altkluge Variante mit
"Eine gute Frage. Wissen ist Macht. Was wir heute wissen, kann uns später keiner nehmen." - Kommentar meines Kammermusikpartners: "Der wird später sicher mal Politiker...!":D
angenommen ein NPDler erzählt dir was von wegen "nur wir tun was für unsere Heimat" und du glaubst ihm das unreflektiert und lässt dich zur Zahlung von Parteimitgliedsbeiträgen werben...
Einer meiner früheren Wohnorte war mal eine regelrechte NPD-Hochburg - nur ist das etwa dreißig bis vierzig Jahre her. Seinerzeit gab sich die NPD betont konservativ-bürgerlich und versuchte jeden Anknüpfungspunkt an antidemokratische Vorbilder aus dem völkisch-kollektivistischen Umfeld strikt zu eliminieren. Am liebsten hätte man sich als alternatives Wahlangebot für unzufriedene CDU-Traditionswähler gesehen. Da müsste man aber für sich eine Gegenfrage stellen: Welche Partei würde sich gerne damit schmücken, dass Parteifunktionäre und/oder Mitglieder weit entfernt von der bürgerlichen Normalität anzusiedeln wären, womöglich massiv mit Gesetzen in Konflikt gekommen sind, überwiegend gegen andersdenkende Gruppierungen gerichtete politische Auffassungen vertreten ohne positiv besetzte eigene Inhalte? Die NSDAP-Wahlergebnisse im Deutschen Reich in den letzten Jahren vor der "Machtergreifung" am 30.01.1933 liessen zweifelsfrei erkennen, dass die Partei zunehmend bürgerliche Milieus erreichte und auch über die Wahlentscheidungen an sich immer mehr in der gesellschaftlichen Mitte ankam. Nationalistisch-freiheitliche Kräfte (etwa die Strasser-Brüder) haben schließlich den Vorwurf an ****** erhoben, mit der verbürgerlichenden Ausrichtung der Partei deren ursprüngliche ideologische Zielsetzungen verraten zu haben. Radikal ausgerichtete Parteien unserer Tage versuchen sich vielfach als "Kümmerer" zu profilieren, die die dem Politikbetrieb nachgesagte Bürgerferne zu überwinden suchen. Das erklärt auch die Versuche, sich in Bereichen zu etablieren, in denen die politische Ideologie als solche zunächst gar nicht so präsent ist. Denn mit positiv besetzten Begriffen wie "Heimat" operieren auch andere, die man mit bräunlich angehauchten Kreisen gar nicht in Verbindung bringen würde:
Unsere Heimat mit Fernwirkungen auch über Grenzen hinweg:
Es wollen zwei auf Reisen gehn geht zurück auf
Die Fahrt nach Bamsdorf
Wer über den Unterricht die zum Vermitteln von Inhalten benutzten kompositorischen Praktiken kennen und verstehen gelernt hat, dürfte in den Musikstunden etwas für das Leben danach mitbekommen haben...
LG von Rheinkultur